Das englische Innenministerium war beteiligt!

LinksRhein 22.10.2004 20:23 Themen: Indymedia Medien Repression
Die englische Regierung streitet jegliche Beteiligung an der Beschlagnahme der Indymedia Festplatten ab. Gegenüberstellung des Statewatch Artikels vom 11. Oktober und die Antwort des Innenressorts (Home Department) vom 20. Oktober auf eine Anfrage im britischen Unterhaus.
Die Staatssekretärin für Innere Angelegenheiten, Caroline Flint, „bestätigt“ vor dem britischen Unterhaus, dass “keine englische Strafverfolgungsbehörde in den Fall involviert war"!

Nach dem Lesen des Statewatch-Artikels vom 11. Oktober (s.u.) wird aber klar, dass das Innenministerium involviert gewesen sein muss, wenn man davon ausgeht, dass Rackspace die Wahrheit sagte, als sie am 7. Oktober erklärten, dass sie „ in Befolgung eines Gerichtsbeschlusses entsprechend eines gegenseitigen Rechtshilfeabkommens (Mutual Legal Assistance Treaty, MLAT)“ handelten.

Schriftliche Antworten des britischen Unterhauses vom 20. Oktober 2004

(...)

Indymedia

Mr. Allan: Anfrage an die Staatssekretärin für innere Angelegenheiten, welche britischen Vollzugsbehörden an der Beschlagnahme der Festplatten aus der Londoner Geschäftsstelle von Rackspace, welche Material von Indymedia enthalten, beteiligt waren. [192111]

Caroline Flint [Antwort vom 18. Oktober 2004]: Ich kann bestätigen dass keine britischen Vollzugsbehörden in diesen Fall verwickelt waren, bezogen auf die aufgeworfene Frage des ehrenwerten Mitglieds von Sheffield, Hallam.

Jeremy Corbyn: Anfrage an die Staatssekretärin für innere Angelegenheiten, unter welchen Umständen und nach welcher Sachlage, Beamte ihrer Abteilung die Internetdienste, welche zu Indymedia gehören, beschlagnahmt haben; und ob sie eine Stellungnahme dazu abgeben wird. [192814]

Caroline Flint: Ich kann bestätigen dass keine britischen Vollzugsbehörden in diesen Fall verwickelt waren, bezogen auf die aufgeworfene Frage meines ehrenwerten Freundes. Ich glaube, dass es unter diesen Umständen nicht nötig ist, eine Stellungnahme abzugeben.

(...)

Quelle: http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200304/cmhansrd/cm041020/text/41020w14.htm#41020w14.html_sbhd2

Statewatch Artikel vom 11. Oktober

England-USA
War die Beschlagnahme der Indymedia Server in London rechtswidrig oder eine unerlaubte Zusammenarbeit der englischen Regierung?


- "Ein in der Schweiz und in Italien begonnenes Verfahren, kommt nun voll und ganz im Schoss des sich rechtfertigenden englischen Innenministeriums (Home Secretary) an."



Tony Bunyan, Statewatch Redakteur , kommentiert:

"Rackspace mag ein US Unternehmen sein aber Rackspace London unterliegt dem britischen Recht, nicht US-Recht. Wenn sie die Server von Indymedia lediglich auf Basis einer US Zwangsmassnahme abgeschaltet und ausgehändigt haben, wäre das in England rechtswidrig.".

Jedenfalls scheint es wahrscheinlicher zu sein, dass die US Zwangsmassnahme Gegenstand eines Rechtshilfeersuchens der US Generalstaatsanwaltschaft an das britische Innenministerium gemäß dem MLTA Vertrag war. Er wäre Sache der Stadtpolizei, wahrscheinlich begleitet vom FBI, das Ersuchen umzusetzen und von den Servern Besitz zu ergreifen.

Wenn das so war: warum hat das Innenministerium (Home Office) zugestimmt? Welche Gründe wurden von den USA für die Beschlagnahme angeführt? Waren diese Gründe "politischer" Natur? Hat das Innenministerium die Rückgabe der Server gefordert? Was bedeutet diese Aktion für die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit?

Ein in der Schweiz und in Italien begonnenes Verfahren, kommt nun voll und ganz im Schoss des sich rechtfertigenden englischen Innenministeriums (Home Secretary) an."

England-USA Abkommen über gegenseitige Rechtshilfe in kriminellen Angelegenheiten (Treaty on Mutual Legal Assistance in criminal matters) (pdf)


Donnerstag, den 7. Oktober wurde eine US Zwangsnahme angeordnet, die die Londoner Geschäftsstelle von Rackspace (einem US-Unternehmen) anwies, die von ihr gehosteten Indymedia Webserver herunterzufahren und auszuhändigen.

Ein Sprecher des FBI, Joe Parris, sagte AFP (link) "Es ist keine FBI Operation. Vermittelt durch einen Abkommen über gegenseitige Rechtshilfe kam die Zwangsmassnahme von einem dritten Land."Er bestätigte, dass die Zwangsmassnahme auf Ersuchen von schweizer und italienischen Behörden angeordnet worden war. Weiter sagte er, dass es kein US-Ermittlungsverfahren gab, aber die Behörde gemäß den Reglungen eines Internationalen Abkommens über Strafverfolgung (law inforcement) kooperiert habe.

Am Freitag den 8 Oktober veröffentlichte Rackspace folgendes Statement;:

"In der gegenwärtigen Indymedia Angelegenheit handelt Rackspace Managed Hosting, ein Unternehmen mit Hauptsitz in den USA und Geschäftsstellen in London, in Befolgung eines Gerichtsbeschlusses entsprechend eines gegenseitigen Rechtshilfeabkommens (Mutual Legal Assistance Treaty, MLAT), das Verfahren der gegenseitigen Unterstützung zwischen Ländern einführt, bei Ermittlungen z.B. zu internationalem Terrorismus, Entführungen und Geldwäsche. Rackspace befolgte die Zwangsmassnahme des (Regierungs-)Beauftragten (Commisioners) odnungsgemäß veröffentlicht unter Titel 28, Code der Vereinigten Staaten, Sektion 1782 in einem Ermittlungsverfahren, dass seinen Ursprung nicht in den Vereinigten Staaten hat. Rackspace handelt als guter Staatsbürger und kooperiert mit internationalen Strafverfolgungsbehörden. Das Gericht verbietet Rackspace jegliche weiteren Kommentare zu dieser Angelegenheit. "

Die dritten Länder sind Schweiz und Italien. In einer Stellungsnahme sagte Indymedia, dass sie "letzten Monat vom FBI gebeten wurden, eine Meldung über die schweizer Geheimpolizei von einer Webseite zu entfernen, die bei Rackspace gehostet wurde". Es ist unbekannt, welche Grundlage die italienischen Behörden verwendeten, wenngleich die Regierung Indymedia seit der Berichterstattung über Genua 2001 feindlich gesonnen ist. Es hatte schon früher Versuche gegeben, Indymedia Websites in den USA zu schliessen, siehe FBI Secret Service (link)

Die Liste der betroffenen 20 Websites beinhaltet Ambazonia, Uruguay, Andorra, Polen, West Massachusetts, Nizza, Nantes, Lilles, Marseille (alle Frankreich), Euskal Herria (Baskenland), Liege, Ost und West Flandern, Antwerpen (alle Belgien), Belgrad, Portugal, Prag, Galizien, Italien, Brasilien, England, Teile der deutschen Website, und die globale Indymedia Radio Website.

Wie konnte das in England passieren?

Angenommen, die Version des FBI-Sprechers stimmt, führt die Spur dahin, dass schweizer und italienische Behörden die US-Behörden um Hilfe beim Schliessen von beleidigenden (offendig) Indymedia Websites ersuchten. Die "Reaktion " von Rackspace war daraufhin auf eine US-Zwangsmassnahme einzugehen, was das Abschalten der Indymedia Server und ihr Aushändigen an das FBI bzw. deren Repräsentanten beinhaltete. Die Folge war nicht nur, dass Indymedia Server abgeschaltet wurden, sondern sie Zugang zu allen Dateien auf dem Server erhielten.

Diese vermutete Rechtsgrundlage für die Aktion wird durch das Statement der Londoner Unternehmens Rackspace nahegelegt, das dies

"in Befolgung eines Gerichtsbeschlusses entsprechend eines gegenseitigen Rechtshilfeabkommens (Mutual Legal Assistance Treaty, MLAT) " geschehen war.

Es gibt in England mehrere Rechtsgrundlagen, die hierfür in Frage kommen könnten. Die wahrscheinlichste ist das "Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zur gegenseitigen Rechtshilfe in Kriminalangelegenheiten - Treaty with the United Kingdom on Mutual Legal Assistance in criminal matters" zwischen England und den USA, das am 2. Dezember 1996 in Kraft getreten ist: Volltext des Abkommens (pdf). Die andere, möglicherweise relevante Rechtsgrundlage ist Englands Kriminal-Artikel (Internationale Zusammenarbeit) von 2003 Crime (International Cooperation) Act 2003 (link). Das gegenseitige Rechtshilfeabkommen zwischen EU und USA ist nocht nicht in Kraft getreten (und muss noch durch den US Kongress und den Senat ratifiziert werden).

Die wahrscheinlichste Rechtsgrundlage für diese Aktion ist das "Abkommen zwischen der Regierung des Vereinten Königreichs von Gross Britannien und Nordirland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die gegenseitige Rechtshilfe in Kriminalangelegenheiten inklusive Austausch von Hinweisen" (der am 2. Dezember 1996 in Kraft getreten ist und in England unter Cm 3546 veröffentlicht wurde – diese Version ist nicht erhätlich aber die Version in den USA des gleichen Abkommens ist zugänglich, siehe oben)

Dieses MLAT - Abkommen zwischen England und USA legt spezielle rechtliche Prozeduren fest um die Ersuchen zur gegenseitigen Rechtshilfe umzusetzen. Artikel 1 behandelt Anfragen " zur Durchführung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen " und das Verfügbarmachen von Dokumenten und Beweismaterial. Artikel 2 legt fest, dass beide Parteien (England und USA) "Zentrale Behörden" einrichten müssen, - in den USA ist das die Generalstaatsanwaltschaft und in England ist es das Innenministerium (Home Secretary).Alle Rechtshilfeersuchen oder Antworten auf diese von der anderen Partei müssen durch diese Kanäle gehen. In der Tat gibt es im englischen Innenministerium eine Rechtshilfeeinheit durch die alle Anfragen geleitet werden. Artikel 3 besagt, dass die Ersuchen abgelehnt werden können, wenn die Anklage "politischen Charakters" ist. Artikel 4 besagt dass alle Ersuchen folgendes beinhalten müssen: den Namen der anfragenden Behörde (z.B. die US-Generalstaatsanwaltschaft), den Fall, um den es geht, eine Beschreibung des ersuchten Beweismaterials, die Identität der Person, von der das Beweismaterial verlangt wird (in diesem Fall Rackspace) und eine "genaue Beschreibung .. der Artikel, die beschlagnahmt werden sollen".

Artikel 5 besagt, dass das Innenministerium "alle notwendigen Schritte unternehmen wird, die für die Umsetzung des Ersuchens notwendig sind" und dass die "Zentrale Behörde" (das Innenministerium, Home Office) "die Teilnahme aller Personen, die in dem Ersuchen genannt sind, bei der Durchführung des Ersuchens ermöglichen soll ". (Z.B. das FBI begleitet von der Stadtpolizei)

Artikel 7 bedeutet, dass das Innenministerium nicht zuzugeben braucht, dass ein Ersuchen aus den USA eingegangen ist. Artikel 7.1 besagt: " Die ersuchte Partei [England] soll, auf Anfrage, alle Informationen, die darauf hinweisen, dass ein Ersuchen stattgefunden hat oder beantwortet wurde, vertraulich behandeln ".

Artikel 14 behandelt "Durchsuchungen und Beschlagnahmen". Nach diesem Artikel muss die angefragte Partei (das englische Innenministerium) die Beschlagnahme jeden Artikels (z.B. Server) durchführen, "wenn die Anfrage Informationen enthält, die eine derartige Aktion rechtfertigt, gemäß den Gesetzen der ersuchten Partei" (d.h. dem englischen Recht)

Artikel 15 besagt, dass jeder beschlagnahmte Artikel von der anfragenden Partei (d.h. den USA) zurückgegeben werden muss, es sei denn die angefragte Partei (d.h. England) "verzichtet auf die Rückgabe der Dokumente oder Artikel" - es wird interessant sein, herauszufinden wie sich hier das Innenministerium verhalten hat.

Dokumentation



1. Indymedia Press Erklärung, 8 Oktober 2004 (link)
2. AFP report (link)
3. Hintergrundinformationen voon Indymedia: FBIGeheimdienst (link)
4. "Treaty with the United Kingdom on Mutual Legal Assistance in criminal matters" Abkommen zwischen England und den USA das am 2.Dezenber 1996 in Kraft tratVolltext des UK-USA MLTA Abkommens (pdf)
4. Stellungnahme der Internationalen Journalistenföderation - International Federation of Journalists (IFJ) zur FBI Beschlagnahme von Indymedia Servern in London: IFJ Stellungnahme (pdf)

5. The Register, 11 October 2004
filed 11.10.04


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AdÜ: Übersetzungsprobleme gabs bei:

A trail that started in Switzerland and Italy has now ended fairly and squarely in the lap of the UK Home Secretary to justify

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Ergänzungen

Die heisse Kartoffel ...

Learning English 22.10.2004 - 22:36
... ist zur Zeit grad im Schoss des Innenministers gelandet oder so ähnlich ;)

Unfreiwillig komisch

BasisDemokrat 23.10.2004 - 14:00
"England-USA Abkommen über gegenseitige Rechtshilfe in kriminellen Angelegenheiten"

Ich habe es ja schon immer gewußt ...

:-)

Mfg BasisDemokrat

komplott theorie

M. Harii 23.10.2004 - 15:17
warum so umstaendlich, ueberschaetzen wir die agenten des schnueffelstaats nicht unheimlich?

wie waers mit volgendem:

- ein schweizer bulle sieht seine kollegen auf einem foto auf indy nantes
- er ruft seinen chef an , der seinen chef anruft der nicht mehr auf die site schaut sondern einen amibullen (FBI) anruft den er zb von einem internationalen congress kennt
- der amibulle schreibt einen brief mit FBI briefkopf an rackspace in den USA , dass man dococh 'gerne die logs haette'
- rackspace tut als 'good corporate citzen' was das FBI sagt und ruft die rackspace filiale in London an wo der indyserver steht
- rackspace London tut was corporate headquarters sagen, immerhin sind die ja der 'chef', packen den servern ein und schicken ihn per bote nach USA

und dann:

- indymedia schlaegt alarm, die burgerliche presse und aehnliche stellen fragen auch bein FBI
- der sprecher des FBI erkundigt sich kurz, seine kollegen schauen nach ob sowas moeglich und rechtlich gedeckt is und sagen, ohne genau zu wissen wie es wirklich war, wie es gewesen sein koennte (incl anruf aus zum beispiel CH)
- allen spuren nachgehendwird auch bei bullen und sdtaatsanwaltschaft in CH und I angerufen wo dann circa daselbe passiert, es werden naemlich halbwahrheiten ventilliert weil man es nicht besser weis

letztendlich:

- die affaere hat politische dimensionen erreicht, das EU parlamenmt und andere mischen sich ein
- bei den bullen in USA , I und CH wird der schuldige fuer die bredouille gesucht

- und HAHAHA , keiner wills gewesen sei!

bilanz: 1 zu 0 fuer Indymedia

@ M. Harii

Erklärbär 23.10.2004 - 16:40
Die Aktion hat aber mit der Schweiz nichts zu tun. Die Bitte um Beschlagnahme wurde von Italien aus (faschistische Partei AN, Berlusconitreue Staatsanwaltschaft Bologna) gestellt. Die Frage ist nur, obs wirklich der FBI oder ein anderer Geheimdienst war, was alles dahintersteckt (check des Indystems, da der "Vernichtungsschlag" gegen Indy vorbereitet wird, Unsicherheit erzeugen, Lobby die Indy hat antesten). Ich sehe nicht, daß Indy "gewonnen" hat.