Arbeit oder Leben - Eine Rallye für Alle!

UNSERE AGENDA HEISST WIDERSTAND! 22.10.2004 01:08 Themen: Soziale Kämpfe
Wissen, genießen, sprengen, mobilisieren und solidarisieren - Widerstand am Arbeitsamt. Am Dienstag (19.10.) fand drei Stunden lang vor dem Haupteingang der Agentur für Arbeit in Göttingen eine Aktion zum Thema „Arbeit oder Leben“ statt.
Im Rahmen des Aktionsbündnisses „Heißer Herbst“ hat die herrschaftskritische Gruppe Schöner Leben eine Rallye für Alle angeboten, die von den aktuellen Zumutungen durch Hartz IV, Schikanen im Arbeitsamt, Armut und Arbeitszwang betroffen sind. Vorhandene Wut wurde aufgegriffen und es gab Angebote, den Widerstand weiter emanzipatorisch aufzuladen. Auch konnte zumindest zeitweilig die durch die Terminvergabe im Arbeitsamt ständig provozierte Vereinzelung durch einen Rahmen zum Erfahrungsaustausch (bei leckeren Heißgetränken) durchbrochen werden. Die Sonne hat geschienen und die Stimmung war trotz der existenzbedrohenden Thematiken im Hintergrund bei allen Beteiligten scheinbar sehr gut. Sehr erfreulich war auch, dass sich Aktive des Sozialen Zentrums mit einem Info- und Büchertisch an der Aktion beteiligten und sich auch gleich um konkrete Anfragen und Anliegen kümmerten.

Doch nun zur Rallye: Teilnehmende konnten anhand von fünf Rallye-Stationen wichtige Aspekte eines emanzipatorischen Widerstands kennenlernen, ausprobieren - und vor allem kritisch diskutieren. Bei der Station „Wissen“ bot ein kurzer Fragebogen zu den neuesten Schikanen von Hartz IV Sachwissen und einen lockeren Gesprächseinstieg in das Thema.
„Genießen ohne schlechtes Gewissen“ ist absolut wichtig, gerade in Zeiten, wo Menschen in ihren Lebensmöglichkeiten eingeschränkt, abgewertet, aussortiert, als nutzlos und faul beschimpft werden. Um das gute Gefühl anzusprechen, es sich auch ohne vorherige Leistung gut gehen lassen zu können, konnten die Teilnehmenden bei der „Genießen“-Station in einen Edel-Sessel sinken und wurden mit Sekt und Sahnetorte bedient. Ein sanft gemurmeltes „Ich habe kein schlechtes Gewissen.“ brachte dann auch schon den Stempel für diese Station. Immer wieder folgte auch gleich ein Austausch über öffentliche Hetze gegen Erwerbslose, Selbstvorwürfe und Wut.
Für den emanzipatorischen Widerstand darf offensichtlich auch eine umfassendere Systemanalyse nicht fehlen. Um die Institutionen „Arbeitsamt“ und „Staat“ kritisch in den Blick zu bekommen, wurden beide (jeweils die Miniaturformen) von den Teilnehmenden kurzerhand (mit Wasser) gesprengt.
Um die Handlungsfähigkeit im Widerstand zu erweitern, konnten die Teilnehmenden bei der Station „Mobilisieren“ gleich ausprobieren, wie leicht und praktisch es ist, durch den Einsatz von Sprühschablonen andere Leute zu erreichen. Gesprüht werden konnte eine Schablone, mit der auf eine weitere Aktion demnächst aufmerksam gemacht wird: „17.11., 10:00 Uhr, Vollversammlung im Arbeitsamt“.
„Solidarisieren“ war ein wichtiger Punkt bei der fünften Station. Denn der eigene Sozialneid auf andere steht doch scheinbar noch zu häufig einem emanzipatorischen Widerstand entgegen. Von der „Wissen“-Station wurde noch einmal aufgegriffen, dass ja mit Hartz IV auch Wertgutscheine für ALG II - EmpfängerInnen eingeführt werden, sollten denen die Geldleistungen gekürzt werden. Die Teilnehmenden sollten dann überlegen, welche der Dinge auf einem Tisch nicht mit Wertgutscheinen bezahlt werden können (Anwaltsrechnung, Busfahrkarte, Parfum, Kinokarte, Zigaretten usw.). Im Anschluss wurde aufgeklärt, dass bereits heute MigrantInnen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, fast ausschließlich solche Wertgutscheine bekommen (insgesamt bekommen sie an Leistungen ohnehin nur ca. 80% des Sozialhilfesatzes). Und es wurde über das System des Gutscheintauschs in Göttingen informiert: An ausgewählten Orten können Menschen diese Wertgutscheine erwerben, um (zusammen mit einer Vollmacht) mit ihnen einkaufen zu gehen. Das Bargeld bekommen die ursprünglichen GutscheinbesitzerInnen, die sich dann (ohne die Schikane des Gutscheins) überlegen können, wofür sie es ausgeben wollen. Bei der „Solidarisieren“-Station konnten die Teilnehmenden auch gleich Gutscheine erwerben, was auch rege genutzt wurde.

Insgesamt fanden am Rande der Rallye offensichtlich viele nette und interessante Gespräche statt. Den Teilnehmenden wurden auch Hinweise gegeben, wo sie sich in Göttingen politisch engagieren oder zunächst einfach nur einen Anlaufpunkt haben können. Also weiter so: Aufeinander zugehen, zuhören, Position beziehen, diskutieren, streiten, verabreden, planen - den Widerstand emanzipatorisch aufladen!
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Ergänzungen

Göttingen ist immer eine Reise wert.

her mit dem schönen leben 22.10.2004 - 01:27
Demo am 30.10. 11Uhr Gänseliesel
Kassel und Hannover liegen ja noch im Einzugsbereich ;)

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(muss ausgefüllt werden) 23.10.2004 - 20:36
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