Bolivien: Ein Jahr nach dem blutigen Oktober

Frau Eckhardt Hupe 20.10.2004 17:52 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Ein Jahr nach dem "Octubre Negro" der mehr als sechzig Menschen das Leben kostete und den Presidenten Sanchez de Lozada "Goni" zwang fluchtartig das Land zu verlassen, tut sich was im aermsten Land Suedamerikas. Waehrend der President am Sonntag sein einjaehriges bestehen im Amt feierte tummelten sich tags darauf Tausende von Demonstranten, um gegen ihn zu protestieren.
Ein wichtiger Beschluss der vergangenen Woche nahm den Protesten ein wenig Wind aus den Segeln. So beschloss der Kongress die juristische Verfolgung des Expresidenten und aller seiner Minister auf Grund ihrer Mitschuld an den blutigen Tagen vergangenen Jahres. Mit 126 zu 13 Stimmen uebertraf das Ergebniss bei weitem die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Auch grosse Teile seiner Parteigenossen stimmten gegen ihren ehemaligen "Chef". Doch dies ist nur ein erster Schritt hin zur Verurteilung des Presidenten der sich momentan in Miami aufhaelt und von dort aus versucht die Abstimmung anzufechten. Als naechstes kommt der Fall vor den "Corte Suprema" die hoechste Gerichtsbarkeit im Lande, doch dessen Entscheidung koennte sich noch Jahre ziehen. Trotz diesen ersten Schrittes zur Gerechitgkeit geben sich die sozialen Bewegungen nicht zufrieden.
Mit masiven Protesten ueben sie Druck auf das Parlament aus, um endlich eine Neuformulierung des umstrittenen Gasgesetzes zu erzwingen, welches nach den Vorgaben des fragwuerdigen Referendums im Juli geschehen sollte.
Die Proteste kann man in vier Bloecke aufteilen, die sich weigerten miteinander zu marschieren. Den groessten Block bildeten die Anhaenger der MAS (Movimiento al Socialismo) um ihren Anfuehrer Evo Morales. Dieser zeigte sich in letzter Zeit relativ kooperativ und hat das Referendum im Juli unterstuetzt.
Die COB (Gewerkschaftsdachverband) und die COR (Regionalverband aus EL Alto, verarmte Nachbarstadt von La Paz wo letztes Jahr die meisten Tote zu beklagen waren) zeigen sich in der Gasfrage radikaler und fordern eine Nationalisierung unter allen Umstaenden.
Den vierten Block der Proteste bildeten die Mineros, welche zusaetzlich die Wiederbelebung der Minen fordern und dies mit agressiven Protesten und viel Dynamit unterstrichen.
Mesa sieht sich ein Jahr nach der Machtuebernahme ernsthaften Problemen ausgesetzt. Dank der relativ ruhigen 365 vergangenen Tage geniest er hohes Ansehen in der Bevoelkerung. Doch koennten sich bei einem Scheitern der Gasgesetzverhandlungen die Proteste wieder verschaerfen und militarisieren. Schon jetzt kuendigt der Fuehrer der COB einen Buergerkrieg im Falle des Scheiterns an.
Das war's erstmal aus La PAz - auf einen heissen Herbst bzw. Fruehling

Hintergruende zum Referendum (da sind bei den Ergaenzungen noch mehr Links):  http://www.de.indymedia.org/2004/07/87942.shtml
Eine Analyse des "Volks"Aufstands vom 10/03:  http://www.de.indymedia.org/2003/11/66644.shtml
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Ergänzungen