Tatort Deutschland: Gedenken an Nazigeneräle

- 13.10.2004 01:47
Für Samstag, 16. 10. 04, hat ein sogenannter „Freundeskreis Alb-Donau“ in Herrlingen bei Ulm einen „Erwin Rommel-Gedenkmarsch“ angemeldet
Hinter der Mobilisierung zum Aufmarsch für den Wehrmachtsgeneral steckt die Neonazi-Kameradschaft „Widerstand Schwaben“ aus dem Raum Laupheim/Ehingen. Die seit 2002 aktive Gruppe hat dieses Jahr bereits zwei konspirative Nazi-Konzerte veranstaltet: am 10. April 2004 in Laupheim sowie das sog. „Rudolf-Heß-Memorial“ am 21. August in Lorch-Klotzenhof. Auch die NPD um den baden-württembergischen Landesvorsitzenden Siegfried Härle (Biobauer aus Riedlingen) ist in die Aufmarschplanung eingebunden. Auf der extra installierten Homepage zum Gedenkmarsch wird die Nazi-„Sängerin“ Annett Moeck aus Schwedt (Brandenburg) als Rednerin angekündigt.


Der Nazi-General

NS-Generalfeldmarschall Rommel, der auf dem Friedhof in Herrlingen begraben ist, war einer der ranghöchsten Militärs der faschistischen Wehrmacht und ein glühender Verehrer Adolf Hitlers. Zitat Rommel: „Bin viel mit dem Führer zusammen, oft bei intimen Besprechungen. Dies Vertrauen ist für mich die größte Freude, mehr als mein Generalsrang.“ Beim Überfall der Wehrmacht auf Polen und die Tschechei gehörte er genauso zum Kommando wie beim Angriffskrieg gegen Frankreich. Für „Verteidigungsmaßnahmen an der gesamten Küste gegenüber England“ war er der Hitler direkt unterstellte Verantwortliche. Der NS-Propagandaminister Joseph Goebbels lobte:„Kaum ein General ist so durchdrungen von der Wichtigkeit des Propagandaeinsatzes wie Rommel.“ Um Rommel als Oberbefehlshaber des „Deutschen Afrikakorps“ inszenierte das nationalsozialistische Deutschland einen bis heute anhaltenden Mythos („Wüstenfuchs“). Als Chef des „Sonderstabes Rommel“ plante er den Angriffskrieg gegen Italien. Als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B in Norditalien erließ er Befehle wie den zur Behandlung der zum italienischen Badoglio-Regime stehenden Truppen: „Wer von diesen gegen den deutschen Soldaten kämpft, hat jedes Anrecht auf Schonung verloren und ist mit der Härte zu behandeln, die dem Gesindel gebührt, das plötzlich seine Waffen gegen seinen Freund wendet“. Auf Rommels Befehl („Dieser Krieg ist ein totaler Krieg!“) wurde eine gigantische Internierungs- und Deportationsmaschine in Gang gesetzt. Tausende italienische Soldaten und tausende italienische ZivilistInnen wurden nach Deutschland deportiert und dort unter qualvollsten Bedingungen zur Zwangsarbeit gezwungen. Mindestens 20 000 kamen in den Lagern um, Tausende wurden ermordet, Zehntausende verloren bei den Gefangenentransporten das Leben. Als halb Italien unter Rommels Mitverantwortung in Schutt und Asche sank, drohte er der Bevölkerung: „Die deutsche Wehrmacht hat Italien besetzt. Wer kommunistische und anarchistische Bestrebungen gegen die Sicherheit unterstützt, ist ein Feind seines Vaterlandes und verfällt einer strengen Bestrafung durch ein Militärgericht nach den härtesten Gesetzen.“
Die Wehrmacht, „das Schwert der neuen Weltanschauung“ (Rommel) war ein Hauptinstrument zur Realisierung des deutschen Vernichtungskrieges. Durch sie wurde das NS-Mordsystem mit Waffengewalt über die deutschen Grenzen hinauskatapultiert. Ihren territorialen Eroberungen im Angriffskrieg folgte ein antisemitischer und antikommunistischer Vernichtungsapparat, dessen Radius stets identisch mit dem Radius der Wehrmachtsfront war. In die Massen-, Serien-, und Völkermorde war die Wehrmacht zutiefst involviert.
Am Ende gehörte Rommel zu den deutschen Generälen, die glaubten, diesen Vernichtungskrieg „besser“ führen zu können als Hitler, was das Mordsystem noch verlängert und die Zahl der Opfer von Shoa und Vernichtungskrieg noch mehr erhöht hätte. Angesichts der sicheren militärischen Niederlage soll Rommel eine Information über das Attentat am 20. Juli 1944 zurückgehalten haben. Der Selbstmord von Erwin Rommel am 14. 10. 1944 wurde durch einen großen NS-Staatsakt in Ulm vertuscht.


Herrlingen und die Wehrmachtsverbrecher

Jahr für Jahr kommen mehrere hundert ehemalige Angehörige des „Deutschen Afrika Korps“ der faschistischen Wehrmacht nach Herrlingen, um ihren ehemaligen Führer zu ehren. Teilweise fanden die Treffen des „Verbandes Deutsches Afrika-Korps e. V.“ in der Dornstädter Erwin-Rommel-Kaserne statt. Auch in diesem Jahr wollen am Sonntag, 17. Oktober, um 11.00 Uhr auf dem Herrlinger Friedhof wieder mehrere hundert noch lebende Wehrmachtssoldaten ihren Angriffskrieg in Afrika (der auch durch den letztlich erzwungenen Rückzug ein Angriffskrieg bleibt) und ihre Mordaktionen als „Heldentaten“ zusammen feiern. Es redet der kommandierende General des 2. Deutsch-Amerikanischen Korps. Es predigt ein Bundeswehrdekan, und das Heeresmusikkorps soll die Nationalhymne blasen. Das Wehrmachtsverbrecherspektakel wird in Herrlingen seit Jahrzehnten mehrheitlich begrüßt. In Herrlingen gibt es neben dem Erwin-Rommel-Kreuz auf dem Friedhof noch das ehemalige „Erwin-Rommel-Haus“ an der „Erwin-Rommel-Steige“, einen „Erwin-Rommel-Gedenkstein“ und das Herrlinger „Erwin-Rommel-Archiv“, welches fest am „Rommel-Kult“ mitstrickt.


Geschichtsrevisionismus, braune Variante

Mit den Themen „Wehrmacht“, „NS-Idole“ und „Gedenkveranstaltungen“ kann die Naziszene zur Zeit viele AnhängerInnen mobilisieren. Zum Rudolf-Heß-Gedenkmarsch kamen 2004 schon über 4000 NeofaschistInnen ins nordbayerische Wunsiedel. Mit Erwin Rommel haben die Neonazis sich jetzt einen Protagonisten des NS-Regimes herausgesucht, dem einerseits sie huldigen können, und auf den sich andererseits große Teile der deutschen Gesellschaft ebenfalls positiv beziehen.


Geschichtsrevisionismus, bundesrepublikanische Variante

Nach dem NS-General Rommel sind ein „Zerstörer“ der Bundesmarine und die Bundeswehrkasernen in Dornstadt bei Ulm, Osterode und Augustdorf benannt. Um den volksgemeinschaftlichen Revisionismus kleidet die deutsche Gesellschaft allerdings gerne ein zivilgesellschaftliches Mäntelchen: Da wird dann eben dem angeblichen „Widerstandskämpfer“ Rommel und nicht dem NS-Massenmörder gedacht. Rommel also als Opfer und nicht als verbrecherischer Täter. Gleichermaßen treibt Deutschland die eigene Viktimisierung heran. Alle waren wir plötzlich Opfer. Nicht die zehntausend Mitglieder der alliierten Luftstreitkräfte, die ihr Leben verloren bei der Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern die deutschen Täter sind selbstverständlich gemeint, wenn es um die „Opfer“ des „Bombenkrieges“ geht. Ein historischer Kontext darf keine Rolle mehr spielen, d. h. Ausblendung von Kriegsursachen, Ausblendung der tödlichen Wirksamkeit und des Ausmaßes der Kooperation der Volksgemeinschaft. Auch angesichts der zunehmenden ökonomischen Brutalisierung, die sich bekanntermaßen nicht zugunsten einer emanzipatorischen Perspektive auswirkt, muss jeder nationalen Formierung in Deutschland entgegengetreten werden. Das gilt auch für Herrlingen in der württembergischen Provinz: Als AntifaschistInnen müssen wir uns gegen diese nationale Gedenkeinheit zur Wehr setzen. D. h., wir sollten den Nazis und allen, die mit ihnen die Lüge proklamieren, einen kräftigen Tritt in den A... geben.

Wer Lust hat darf sich das schöne Städtchen Herrlingen anschaun :

Antifa-Treffpunkt Samstag, 16. 10. 04, 12.00 Uhr Bahnhof Herrlingen
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Ergänzungen

...und wer keine Lust hat

sollte 13.10.2004 - 09:03
am 15.10. (diesen Freitag) um 17.30 Uhr nach Hameln zur Antifa-Demo auf den Rathausplatz kommen, um den Alt- und Neonazis der SS ihre Meinung sagen und das Nazitreffen verhindern! Es werden bis zu 300 Faschisten aus ganz Deutschland erwartet.

NAZI-TREFFEN VERHINDERN!
HAMELN ROCKEN!

Lächerlich

Hazerin 02.09.2007 - 11:42
Zum Zeitpunkt dieses Artikels gabs die Rommel Kaserne in Osterode schon nicht mehr sie wurde 2003 geschlossen