Gronau: "den Hahn zudrehen"

Schreiberling 11.10.2004 00:12 Themen: Atom Ökologie
Am 9. Oktober fand in Gronau eine Demo unter dem Motto: "den Hahn zudrehen" gegen die Urananreicherungsanlage statt. Laut Veranstalter waren bis zu 300 Leuten da, die Presse spricht von 150. Aufgerufen hatten Gruppen und Initiativen aus ganz Deutschland und den Niederlanden.
Schon recht früh versammelten sich die ersten Demonstranten auf dem Gronauer Theodor-Heuss-Platz, es gab Infostände, Musik und leckeres Essen von Rampenplan. Gegen 12:30 waren schätzungsweise ca. 200 Leute da.
Unter lauten Beifall trafen dann um kurz vor 13 Uhr die Unterstützer aus dem Wendland ein.
Kurze Zeit später ging es auch endlich mit den Redebeiträgen los, es gab Infos über die Gefahren der Gronauer Urananreicherungsanlage und den damit verbundenen Uranhexafloridtransporten, Belieferung der UAA über die Bahnlinie Coesfeld, Ahaus, Gronau, Abtransport von abgereichertem Uran über Rotterdam nach Russland (Steinfurt/Borghorst, Münster, Rheine, Bad Bentheim, Hengelo). Vor ein paar Tagen verunglückte ein Urantransport aus Lingen in Frankreich. Informationen aus den Niederlanden wo Urenco ebenfalls eine UAA betreibt (Almelo) gab es von einem Sprecher einer Niederländischen Umweltorganisation. Auch diese Anlage soll wie die in Gronau ausgebaut werden. Ein weiteren Redebeitrag gab es von einem Sprecher der BI-Lüchow-Dannenberg; da die Urananreicherungsanlage in Gronau für den riesigen Atommüllberg verantwortlich ist, welcher irgendwann in Gorleben verscharrt werden soll. Hier machte der Redner noch einmal auf die Bedeutung der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage deutlich: DEN URANHANH ZUDREHEN. Greifen wir die Atomspirale nicht nur am Ende in Form von Castortransporten an, sondern werden wir auch an dem Beginn, dem Uranabbau und der ersten Station in Deutschland der Urananreicherungsanlage aktiv. Den militärischen Aspekt der Urananreicherungsanlage verdeutlichte die Rednerin der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen.
Dann endlich ging es los zum Ausbaugelände der UAA. Mit vielen Transparenten und Fahnen zog die Demo laut durch die Gronauer Innenstadt Richtung Industriegebiet Ost, wo die Anlage steht. Eine so große (für Gronau sind 250 - 300 Demonstranten schon beachtlich)Demo hatten viele Passanten in der Gronauer Innenstadt anscheinend noch nicht erlebt, sie schienen aber überwiegend positiv beeindruckt. In den Wohngebieten hingegen lugten die Leute eher hinter den Gardinen hervor.
An der UAA wartete eine größere Abordnung Hundertschaftspolizisten aus Münster und einige Kampfhunde in Transportboxen auf der anderen Seite des Bauzauns auf die Demonstranten. Unerklärlicherweise gab es am Bauzaun heftige Nebelfelder und wie der Autor aus dem Internet erfahren hat, gab es am Ende auch noch eine kleine Besetzung des Baugeländes. Hoffen wir, dass den BesetzerInnen nichts passiert ist. Einige der Polizisten schienen nämlich nicht gerade gut gelaunt.

Insgesamt ist die Demo als gelungener Auftakt für einen heißen Herbst zu werten. Lassen wir es nicht zu, dass die Urananreicherungsanlage Gronau erweitert wird, stören wir den normalen Betrieb der Anlage, jeder Urantransport ist einer zuviel. Verhindern wir die Castortransporte nach Ahaus weiterhin und stellen wir uns den Castortransporten nach Gorleben endschlossen entgegen.

Wer noch weitere Infos zur Abschlusskundgebung und Besetzung hat bitte ergänzen.
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Ergänzungen

Entschuldigung, aber mir fehlten die Inhalte

Kritikerin 11.10.2004 - 01:42
Positiv ist anzumerken, dass jede menge Leute den weg nach Gronau gefunden hatten, aber ich hätte mir schon ein paar systemkritische Beiträge erwünscht. Das versprochene Kulturprogamm fehlte gänzlich, dafür gab es esoterisches Tanztheater aus dem Wendland im Klu-Klux-Klan Outfit. Ein paar Meter fehlender Maschendraht entschädigen nicht für 320 Km Anreise. Miese Reden, miese Stimmung, blöde Esotherikheinis, wird wohl nix mit Gronau als Kristalisationspunkt für die Bewegung. Schade

Besetzung

demobesucher 11.10.2004 - 09:49
zitat: "Unerklärlicherweise gab es am Bauzaun heftige Nebelfelder und wie der Autor aus dem Internet erfahren hat, gab es am Ende auch noch eine kleine Besetzung des Baugeländes."


Der WDR dazu:

Auf Firmengelände vorgedrungen

Zwölf Demonstranten wurden festgenommen, nachdem sie einen
Absperrzaun durchgetrennt hatten und widerrechtlich auf das
Firmengelände vorgedrungen waren, teilte die Polizei am Sonntag
(10.10.04) mit. Gegen sie seien Strafverfahren eingeleitet
worden.

zur Ergänzung: Die lokale Presse (Gronau, Westfalen) nahm ansonsten die Demo überraschend gut an. Erstaunlicherweise auch die Aktionen am Bauzaun.

Viele Menschen, die von ausserhalb kommen, können sich nicht vorstellen, welche Anstrengung es ist in Gronau überhaupt Kritik an der UAA in die Öffentlichkeit zu bringen. In Gronau gibt es normalerweise KEINE Demos.

@kritikerin:
Vorschlag: Rauf auf die Bühne, selber machen ... anstatt jammern und bedient werden wollen. Oder ist das nur Schadenfreude?

bilder zur demo

fotograf 11.10.2004 - 11:29
Bilder von der Demo unter www.uaa-gronau.de

Inhalte der Reden

Namensloser 11.10.2004 - 16:20
Wer sich schon ein wenig mit der Thematik auseinandergesetzt hat, kannte viele Aspekte der Reden sowieso schon. Es ist halt so, dass die Mehrheit der Demonstranten schon weiß, weswegen sie dort auf die Straße gehen, die Reden sind da eher für Neulinge und Aktuelles.
Wie heißt doch so schön? TALKING IS OVER - ACTION IS ON!!!

Achtung: Ahaus-NEWS !!

Mondschein 12.10.2004 - 02:47
Schön, dass in Gronau was geht. Leider ist in Ahaus um die Ecke auch wieder was los. Das OVG Lüneburg hat die Castoren aus Dresden für cool erklärt und deshalb ist heute (Dienstag, 18 Uhr) in Ahaus eine Demo mit Live-Konzert auf der BI-Wiese und danach Camp. Es gibt erste Infos, dass womöglich der erste Castor schon heute losrollen soll. Deshalb bleibt wachsam und lest Webseiten!!

www.bi-ahaus.de
www.wigatom.de


Gronau stilllegen - Ahaus zustopfen !!

weitere Bilder auch unter dieser Adresse

florian 14.10.2004 - 22:02

"Atompriester"-keine Esoteriker!

J. Kruse 17.10.2004 - 00:19
Hallo,
liebe Freundinnen und Freunde,
man sollte sich zuerst einmal informieren, wenn man etwas nicht verstanden oder verpaßt hat!!
Die Atomianer haben leider einen brutal-realistischen Hintergrund:
die Verseuchung der Erde durch die Atommafia!
Siehe folgende Texte!
Wir liefern ggf weitere Hintergrund-Infos!!

attac-Gruppe Wendland
16.10.04


Flugblatt der Atomianer:
S. -1-

Können Sie Mittelhochdeutsch?

Verstehen Sie die Sprache der Minnesänger oder können Sie sogar so sprechen? Diese Sprache wurde in unserem Kulturraum vor ca. 1.000 Jahren gesprochen.
Beispiel: Singemes thaz umbiring allan thesan woroltring – bedeutet: Singen wir ringsherum ums ganze Erdenrunde.

In welcher Sprache und mit welchen Zeichen sollen die Menschen nach uns vor dem „Todesmüll“, den wir ihnen hinterlassen, gewarnt werden?

Orden der Atomianer

Diese kleine Vorstellung hier ist eine Fiktion, aber eine mit einem sehr realen Hintergrund in Anlehnung an den Vorschlag von Experten. Die wollen aufgrund ihrer Ratlosigkeit im Umgang mit dem Atommüll – für den es weltweit keine sichere Endlagerung gibt - das Problem der Verständigung über etwa eine Million Jahre durch eine Priesterschaft des Atommülls lösen!
(Radio-Feature „Countdown für die Ewigkeit – Atommüll als Kommunikationsproblem“ ,Reinhard Schneider, DLF 30.12.2003)

Wer soll die Sicherheit vor dem hochgiftigen Atommüll für mindestens eine Million Jahre sicherstellen? Wer soll das Wissen über unzählige Generationen, Kulturen und Sprachen hinweg bewahren?
Das kann nach Meinung von Wissenschaftsexperten nur durch eine hochmotivierte „Priesterschaft“ des Atommülls geleistet werden. Die Zeit drängt. Bevor der Atommüll zum ersten Mal auf diesem Globus in einem „Endlager“ deponiert werden kann, muss diese Priesterschaft mit allem dazugehörenden Wissen versehen werden, denn sie soll ja von Anfang an
* auf die Gefahren des todbringenden Atommülls hinweisen,
* den Atommüll bewachen,
* Sicherheitsmängel bemerken,
* Reparaturen durchführen,
* durch ständige Forschungstätigkeit die Menschheit vor dem Untergang retten
und das Weiterleben alles Lebendigen auf dieser Erde überhaupt möglich
machen und
* durch Ernennung neuer Mitglieder das Überleben des Ordens auf ewige Zeiten
sichern.
Am Vorabend des Untergangs der Menschheit haben wir wenigstens in einem Land der Erde diese Priesterschaft gegründet und sind nun auf der Suche nach weiteren Ordensmitgliedern. Treten Sie ein in den

Orden der Atomianer!

Information/Koordination: Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Tel.: 05841-4684 oder: 05864-986 422
www.castor.de
Die Katastrophe hat schon begonnen! Werden Sie aktiv! Bitte wenden!
Unsere „Politiker“ muten uns täglich das atomare Inferno zu. Halten Sie die
Atomenergie für verantwortbar und mit den Menschenrechten vereinbar?
>>>>>>>>>>>>>>>>>

Flugblatt - S. -2-:

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir fordern Euch auf, an der nächsten Auftaktdemo im
November 2004

(voraussichtlich: Sa. 06.11.04, 12.oo Uhr in Dannenberg) und –nach Euren Möglichkeiten- an den weiteren Protestaktionen gegen die Atommülltransporte im Wendland teilzunehmen (etwa von So. 07.11.04 bis Mi. 10.11.04.). Eure Solidarität mit dem Widerstand gegen die Atomindustrie ist enorm wichtig!

Wir protestieren gegen die Atomenergie,

Ø weil diese umweltzerstörend und todbringend ist,
Ø weil sie überflüssig und ungeheuer teuer ist,
Ø weil sie die dringend erforderliche Energiewende behindert,
Ø weil sie zwangsläufig einen demokratiefeindlichen Polizei- und Überwachsungsstaat mit sich bringt,
Ø weil sie auf’s Engste mit der Atombombe und der globalen Verseuchung verknüpft ist (Uranmunitioneinsatz in Jugoslawien, Irak),
Ø weil weltweit das Entsorgungsproblem nicht gelöst werden kann (der Salzstock Gorleben ist –gutachterlich untermauert- u.a. durch Laugeneinbrücke im Deckgebirge völlig ungeeignet),
Ø weil die Regierungen die Profite der mächtigen Energiekonzerne schützen und dafür unsere Grundrechte opfern,
Ø weil das Gerede vom Atomausstieg eine Lüge ist, vielmehr wird die Atomindustrie nach wie vor hoch subventioniert,
Ø weil Milliarden dafür ausgegeben werden, die besser für unsere Kinder und soziale Aufgaben eingesetzt würden.

Wenn der Castor rollt, herrscht im Wendland der Ausnahmezustand: 20.000 Polizisten gegen 50.000 Einwohner. Die Medien-Öffentlichkeit wird weitgehend ausgeschlossen oder polizeilich gesteuert. Das darf es nicht mehr geben!

Gegen Kriminalisierung und den Abbau der Grundrechte hilft nur eins:
Kommt alle im November ins Wendland, wenn der Atommüll aus dem französischen La Hague in nicht genehmigten Behältern quer durch die Republik nach Gorleben rollt. Denn, lieber mit Spaß aktiv, als todtraurig radioaktiv. Der wirksamste Schutz der Grund- und Freiheitsrechte besteht darin, sie aktiv wahrzunehmen und zu verteidigen.

Im Wendland ist der Widerstand lebendig. Es ist für alles gesorgt: Übernachtungsmöglichkeiten in Camps oder Familien (manchmal auch bei der Polizei), Verpflegung, Musik, Spaß und Aktion…
Wir fordern: Schützt uns, nicht die Atomindustrie! Sofortige Stillegung aller Atomanlagen weltweit! Suche eines geeigneten Endlagerstandortes sofort!

Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Drawehner Str. 3, 29439 LüchowTel.: 05841/4684 – Fax: 05841/3197 – e-mail:  bi-luechow@t-online.de – Internet: www.bi-luechow-dannenberg.de, www.castor.de, www.widersetzen.de.
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folgende Sendung im Sender DLF zeigte die Notwendigkeit des politischen
Theaters! Es gibt weltweit kein sicheres "Endlager" und die "Sicherung"
der Atommülllager ist nicht erkennbar!:

DeutschlandRadio/DEUTSCHLANDFUNK Sendung:
Hintergrund/Feature Dienstag, 30. Dezember 2003
Redaktion: Hermann Theißen 19.15 - 20.00 Uhr







COUNTDOWN FÜR DIE EWIGKEIT

Atommüll als Kommunikationsproblem


von Reinhard Schneider


Co-Produktion RBB/DLF/NDR/SR/WDR





Urheberrechtlicher Hinweis

Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

DeutschlandRadio

- unkorrigiertes Exemplar -


Atmo: Raketenstart – Countdown – Geräusche der Erde

Ansage
Countdown für die Ewigkeit
Atommüll als Kommunikationsproblem
Feature von Reinhard Schneider

Erzähler
1977 schickte die NASA die beiden Raumsonden Voyager 1 und 2 mit dem Auftrag ins All, die Planeten Jupiter, Saturn und Neptun zu erkunden. Die beiden Weltraumgefährten sind außerdem mit Botschaften von der Erde bestückt: Einem Grammophon mit Musikbeispielen, Grußbotschaften in 55 Sprachen, Geräuschen der Erde und einer Messingplatte mit Piktogrammen zu Ort und Stand unserer Erdenzivilisation. Bei den Empfängern dieser Botschaften dachte die NASA an außerirdische Intelligenz jenseits unseres Sonnensystems.

Atmo von Voyager mit Grüßen hervortreten lassen

Sich Fremden mitzuteilen, könnte eines Tages auch auf der Erde wichtig werden. Gemeint sind Botschaften an unsere fernen Nachkommen. Was wir mitzuteilen hätten, wäre für sie wenig erfreulich, aber vielleicht überlebensnotwendig.

Erzähler
USA – North Carolina Anfang der 80er Jahre. Mister Thomas A. Sebeok, ordentlicher Professor für Zeichentheorie, überhäuft mit akademischen Auszeichnungen und seit 1960 Gast an Universitäten in der ganzen Welt, sitzt in seinem Garten und arbeitet an einem Buch. Doch plötzlich...

O-Ton Sebeok
And suddenly, I received a phonecall and I was told that the lady who was calling me is the vice president of the Bechtel Corporation in San Francisco. The Bechtel Corporation, of course, is very famous, but I couldn't possibly imagine what this call had to do with me.

Übersetzung
Plötzlich bekam ich einen Anruf von einer Dame. Sie war die Vizepräsidentin der Bechtelgruppe in San Francisco. Die Bechtelgruppe ist sehr berühmt, aber ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was sie von mir wollten.

Erzähler
Obwohl es im weiteren Gespräch noch immer nicht klar wurde, worum es ging, lockte die Dame am anderen Ende der Leitung den Zeichentheoretiker schließlich mit dem Versprechen, an einem interessanten Projekt mitarbeiten zu können. Wenige Tage später saß Professor Sebeok in einem Flugzeug nach San Francisco. Die Rahmenbedingungen waren vielversprechend: Hotelreservierung erster Klasse, Ticket erster Klasse, bester Service und – Kalifornien in Sicht...

Musik Beach Boys "Surfin’ USA"

Erzähler
Aber um was ging es eigentlich? Sollte der Zeichentheoretiker für den Baukonzern Bechtel etwa eine profunde Imagekampagne entwerfen?

Atmo Demonstration in Lüchow-Dannenberg

Erzähler
Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen 20 Jahre später. Auf einem Acker zwischen zwei Dörfern haben sich etwa 300 Menschen versammelt. Die Stimmung ist ausgelassen. Ein Traktor zieht einen Wagen mit Lautsprecherbatterien aufs Feld. Auf dem angrenzenden Bahndamm wird die Vorbeifahrt eines Zuges erwartet. Nach dem Polizeiaufgebot zu urteilen, geht es um eine große Sache. Gleich werden sie ankommen: die teuersten Mülltonnen der Welt. Sie hören auf den Namen "Castor", was für Cask for Storage and Transportation of Radioactive Material steht. Die Konstruktionsmerkmale: 40 Zentimeter dicker Gussstahl, an den Außenwänden Kühlrippen, doppelter Deckelverschluss und dazwischen Prüfgas zur permanenten Dichtigkeitsüberwachung.

Atmo

Erzähler
Zurück nach Kalifornien. Eine Vertreterin des Bechtelkonzerns holte Professor Sebeok vom Flughafen ab. Und bevor er sich versah, befand er sich in einem Zimmer, in dem sich eine Gruppe von Leuten versammelt hatte.

O-Ton Sebeok
I was introduced as a guest of this so-called task force which means, a kind of committee. What I heared after this was an enumeration of the specialities of these. This man was a geologist, this man was a physisist, this man was a seismologist, this man was a materiologist. And I said, well, I'm very happy to meet you all, but , do I fit with you?

Übersetzung
Ich wurde als Gast des sogenannten Krisenstabs vorgestellt. Dann wurden die Spezialgebiete aufgezählt: Der eine Mann war Geologe, der andere Physiker, ein weiterer war Seismologe und ein anderer war Materiologe. Ich sagte, ich fände es sehr schön, sie alle kennen zu lernen, aber ob ich zu ihnen passte?...

Erzähler
Unter Berücksichtigung der genannten Problemstellung passte Mr. Sebeok ganz ausgezeichnet in diesen Kreis. Später allerdings würden einige der Wissenschaftler einen von ihm präsentierten Lösungsvorschlag für ausgemachten Blödsinn halten.

O-Ton Sebeok
It was explained to me that the United States government has decided (…) to do something about the enormous accumulation of nuclear waste, which was getting bigger and bigger every day. And they thought something has to be done about this.

Übersetzung
Im Verlauf der Entwicklung erklärten sie mir, dass sich die US-Regierung entschlossen hätte, etwas gegen die enorme Ansammlung von nuklearen Abfällen zu unternehmen, die jeden Tag größer und größer würden. Dagegen müsste also etwas getan werden.

Erzähler
Was mit den hochradioaktiven Abfällen aus der zivilen und militärischen Nutzung der Kernenergie einmal geschehen sollte, war im Amerika der 80er Jahre noch vollkommen unklar. Zeitweilig überlegte man, Raketen in Richtung Sonne zu schießen. Aus Furcht vor einem möglichen Fehlstart, der den Müll als pulverisierten 'Fall out’ zurückgebracht hätte, ließ man den Plan jedoch rasch wieder fallen. Schließlich einigte man sich darauf, die atomaren Abfälle in irgendeiner Weise unterirdisch zu lagern. In Deutschland fordert das Bundesumweltministerium für den radioaktiven Müll einen Isolationszeitraum von einer Million Jahren.

O-Ton Bräuer
Unser Konzept in Deutschland ist, dass wir einen möglichst dichten Einschluss haben wollen und dass wir ein Isolationspotenzial haben wollen, das über eine Million Jahre durch die geologische Barriere gewährleistet wird, und das ist hauptsächlich nur durch dichte Medien – Ton, Salz, und vielleicht auch noch andere Tongesteine und so weiter – gewährleistet.

Erzähler
Der damalige Krisenstab des Bechtelkonzerns reduzierte den Betrachtungszeitraum auf 10.000 Jahre. Das entsprach zwar weder der langanhaltenden Radioaktivität noch der Giftigkeit des Mülls, war aber überschaubarer. Für die Zukunft ging man von folgenden Szenarien aus: Die hochradioaktiven Stoffe könnten eines Tages an die Oberfläche gelangen, oder spätere Generationen würden willentlich oder ungewollt in ein Endlager eindringen. Spätestens hier stellte sich die Frage, wie zukünftige Generationen vor den tödlichen Gefahren gewarnt werden könnten. Und so kam es zum Anruf bei Professor Sebeok.

O-Ton Sebeok
And they said, "Your task is to think about a warning system which is applicable in this situation. " I said "Aha, I understand ". "Now", I said this came as the next question. It is a very important question I asked. "How long, how far ahead are we thinking here. " And they said, "that is a problem because our instructions are from the agency in Washington that we have to consider 10.000 years. "

Übersetzung
Sie sagten, meine Aufgabe sei es, mir Gedanken über ein Warnsystem zu machen, das in dieser Situation anwendbar sei. Ich sagte, aha, ich verstehe. Nun, dann kam eine nächste sehr wichtige Frage: Wie weit müssen wir vorausdenken? Und sie sagten, ja, das ist ein Problem, weil die Anweisung der Behörde in Washington lautet, dass wir von 10.000 Jahren ausgehen sollen.

Erzähler
Die Zeitvorgabe des Washingtoner Energieministeriums war eine Herausforderung, die nicht nur Professor Sebeok, sondern weitere internationale Zeichentheoretiker auf den Plan rief. Unter anderen den ungarischen Professor Vilmos Voigt und den Semiotikprofessor Roland Posner von der Technischen Universität Berlin.

O-Ton Posner
Nehmen wir einmal an, wir haben hier ein Atommülllager, das eben völlig versiegelt ist und fast unzugänglich gemacht worden ist im Sinne einer natürlichen Barriere (...). Da kann ein späteres Lebewesen, ein intelligentes Lebewesen, dann anfangen, sich zu fragen, warum ist das so unzugänglich, ist es unzugänglich gemacht worden, oder ist es aus natürlichen Gründen unzugänglich? In beiden Alternativen wird so ein Lebewesen das vielleicht als Herausforderung annehmen, um auf den Grund der Sache zu kommen – und dann, wenn es auf dem Grund der Sache ist, ist es schon wahrscheinlich tödlich verletzt.

O-Ton Voigt
Es ist nicht genug, nur eine elementare krasse Warnung zu geben, sondern das muss man mit einem Text erklären. Und wenn es sich um einen Text handelt, das bedeutet: Text in welcher Sprache? Und dann kommt die nächste Frage: Selbst wenn die Nachricht oder der Text für die nächsten 10.000 Jahre unverändert bleiben muss – oder noch länger –, ob sich nicht die Sprache in dieser Zeit so verändert, dass die Sprache als Kommunikationsmittel Schwierigkeiten macht, sie zu verstehen.



O-Ton Posner
Und das ist natürlich kein Problem, wenn ich mit jemanden kommuniziere, der morgen meinen Brief liest oder vielleicht in 20 Jahren. Aber schon wenn man an die Kapseln denkt, die in die Fundamente von Häusern eingelassen werden, ist es unklar, wann werden diese Häuser zusammenbrechen, wann werden diese Kapseln entnommen, auf welche Kultur treffen sie dann, ist man dann weiter oder weniger weit technisch, hat man vielleicht den Code – die Schrift, die Sprache – vergessen, die da benutzt wird. Und das sind noch die einfachen Probleme.

Erzähler
Bevor Professor Sebeok dem Krisenstab seine Mitarbeit zusagte, stellte er eine letzte Frage.

O-Ton Sebeok
As a linguist, I immediately turned to the crucial problem. I said "Well what do you have in mind as to what language will be used", I asked the Task Force. They said "That’s up to you. You find out, but if you use inscriptions in which actual writing systems are used, I think you should think of, even in America which now has an official language, English, but you have to think of French, Russian, Arabic, Portugese, Spanish: there is no end because any of these languages plus many others could very well be used ". And I said "No, this is nonsense, because it was absurd. You never know let us say 5000 years from now, who will be in what is now called Nevada and what languages they will speak."

Übersetzung
Als Linguist kam ich sofort auf das entscheidende Problem. Ich fragte den Krisenstab, welche Sprache man benutzen sollte. Sie sagten, das ist Ihre Sache, das müssen Sie herausfinden. Aber wenn Sie Inschriften benutzen, also tatsächliche Schreibsysteme, dann müssen Sie – selbst in Amerika, wo heute Englisch die offizielle Sprache ist – sie auch in Französisch, Deutsch, Russisch, Arabisch, Portugiesisch, Spanisch verfassen, da alle diese Sprachen oder auch irgendwelche anderen in Gebrauch sein könnten. Und ich sagte mir, nein, das ist Nonsens, weil man nie wissen wird, welche Sprachen die Menschen sprechen werden, die in 5000 Jahren dort leben werden, was heute Nevada genannt wird.

Atmo Demonstration mit Pfeifkonzert

Erzähler
Vor dem Bahndamm zwischen Dannenberg und Gorleben scheint sich ein unsichtbarer Vorhang zu öffnen. Erster Akt: Ein kleines dieselbetriebenes gelbes Wägelchen rollt die Strecke entlang. Demonstranten, die sich den Schienen bis auf 50 Meter genähert hatten, sind von etwa 100 Polizisten umzingelt. Andere Demonstranten stehen etwas abseits. Danach folgt auf den Schienen ein Baufahrzeug, auf dessen Ladefläche sich über ein Dutzend Beamte des Bundesgrenzschutzes in Kampfmontur drängen. Ein Pfeifkonzert beginnt. Dann eine kurze dramatische Pause, und schließlich erscheint in gravitätischem Tempo das eigentliche Objekt des Protests: Zwei Dieselloks ziehen eine Parade von achtachsigen Güterwagen, auf deren Ladeflächen sich unter glänzenden Abdeckhauben 12 Castorbehälter befinden. Sie sind mit Atommüll gefüllt, der erst in Millionen Jahren seine Radioaktivität verlieren wird.

Atmo

O-Ton Posner
Verglichen mit der Geschichte ist es neu, dass wir verantwortlich sind für unsere Nachkommen, weil wir ihnen die Umgebung, ihre Umwelt, auf eine Art und Weise verändert haben, die für sie tödlich sein kann. Das haben unsere Vorfahren nicht in diesem Maße gemacht – sie waren fahrlässig –, z.B. sie haben die Umwelt in einer Weise verändert, dass man darin nicht mehr gut leben kann. Aber dieses kann man meistens selbst feststellen, ohne die Vorgeschichte zu kennen. Ich denke an die Abholzung der Wälder und das Entstehen von Wüsten in den entsprechenden Bereichen. Aber um jemanden über die Wüste aufzuklären und über die Tatsache, dass er dort kein Wasser findet, braucht man mit ihm nicht zu kommunizieren, selbst wenn das Tausende von Jahren später ist. Hier aber haben wir – und zunächst nur an unsere Generation denkend – die Umwelt für Hunderte von Generationen verändert, in einer Weise, die es ohne Informationsvermittlung für diese Nachfahren von uns eventuell lebensbedrohlich machen könnte, in diesen Gebieten sich aufzuhalten.

Erzähler
In North Carolina legte Professor Sebeok alle laufenden Projekte beiseite. Er hatte neun Monate Zeit, einen Bericht darüber anzufertigen, wie zukünftige Generationen vor den Gefahren atomarer Endlager gewarnt werden könnten. Als Aufwärmübung entschloss er sich, einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen. In der Vergangenheit hoffte er eine Idee für die Zukunft zu finden.

O-Ton Sebeok
So, when I got back to my desk I said to myself "I will look up in various encyclopaedias and reference books what kind of warning systems were established in the past and how long did they last and what did other human beings think about such problems". And there are certain real facts that popped into my mind immediately. One of them is King Darius, the Persian King, who was warning, wanted to create a warning system for to scare away his enemies. And he said that we Persians have 3 sets of Kuniform writing systems. And he ordered that the warning systems that he was going to put up were in these 3 systems, which presumably any potential invader could read. And he said " If you do such and such your descendants will be cursed forever and this is King Darius’ curse on you." Well he imagined that this warning system will last forever. In fact, sandstorms, rain, ignorance and so on...in a very short period of a few years washed this out. What part it didn’t wash out did not do any good because these people who did invade had no idea how to read Kuniform, they just destroyed everything. So, this was a warning system by a powerful king which simply had no effect whatsoever.

Übersetzung
Als ich wieder an meinem Schreibtisch saß, sagte ich mir, ich werde in verschiedenen Lexika und Nachschlagewerken nachsehen, welche Art von Warnsystemen in der Vergangenheit etabliert wurden, wie lange sie sich hielten und was andere Menschen über solche Probleme dachten. Es gab bestimmte Begebenheiten, die mir in den Kopf kamen, wie das Warnsystem des persischen Königs Darius, das seine Feinde abzuschrecken sollte. Er sagte, wir Perser haben drei Sätze Kuni-Form Schreibsysteme. Die aufzustellenden Warnsysteme sollten also in diesen drei Systemen abgefasst sein, von denen er annahm, jeder Eindringling könne sie lesen. Und er sagte: Wenn du dieses und jenes tust, werden deine Nachkommen für immer verflucht sein. Er nahm an, dass die Warnsysteme für immer halten würden. Tatsächlich wurden sie jedoch durch Sandstürme, Regen oder aus anderen Gründen in einem sehr kurzen Zeitraum ausgelöscht. Was nicht ausgelöscht wurde, hatte keinen Einfluss gehabt, da die Eindringlinge nicht wussten, wie man Kuni-Form las. Sie zerstörten alles. Also, dies war ein Warnsystem eines mächtigen Königs, das überhaupt keine Wirkung hatte.

O-Ton Voigt
Viele meiner Kollegen haben deswegen vorgeschlagen, statt eines geschriebenen Textes sollte man andere Zeichensysteme wie zum Beispiel Piktogramme oder solche Dinge gebrauchen. Dagegen habe ich gesagt, dass ohne einen existierenden Text diese Piktogramme und ähnliche Warnungssymbole oder Erleuchtungssymbole oder Bedeutungssymbole unverständlich sind.

Atmo: Schritte, Stimmen – Bundeswehrsoldaten. Später Atmo: Grubenfahrt

Erzähler
12 Soldaten der Bundeswehr besuchen in bergmännischer Ausrüstung eine der teuersten Freizeiteinrichtungen der Welt: Im Rahmen einer Fortbildung fahren sie in das Grubensystem des niedersächsischen Endlagers Gorleben ein. Auf der Suche nach einer geeigneten atomaren Begräbnisstätte hatten Geologen vor 25 Jahren damit begonnen, den Salzstock unter Gorleben anzubohren. Die Idee, atomaren Müll in Salz einzulagern, hatten amerikanische Wissenschaftler in den 50er Jahren aufgebracht. Nach Abschluss der Probebohrungen grub man in Gorleben zwei 800 Meter tiefe Schächte und fuhr im Salz ein Grubensystem auf. Auf Grund von Sicherheitsbedenken ruht der Betrieb zur Zeit. Momentan wird nicht mehr das Projekt eines Endlagers geboten, sondern eine Reise in die erdgeschichtliche Vergangenheit.

O-Ton Salzstockvortrag unter Tage
Dieser Salzaufstieg hat circa vor 200 Millionen Jahren begonnen – dauert im Prinzip bis heute noch an. Wir gehen heute davon aus, dass wir Hebungsraten haben, die bei etwa 0,01 Millimeter pro Jahr liegen. Das heißt, der Salzstock würde sich in einer Million Jahren um etwa zehn Meter nach oben bewegen...

Erzähler
Als Professor Sebeok im Amerika der 80er Jahre mit seinem Bericht zu brauchbaren Warnhinweisen an die Zukunft nicht mehr weiter kam, konzentrierte er sich zur Abwechslung auf die Frage nach den möglichen Trägermaterialen, welche die Botschaften in die Zukunft transportieren sollten.

O-Ton Sebeok
And then I began calling my collegues on the task force. Is said to people: what materials are you guys going to use? And one said electric ones and another, which struck me as funny, said that a good sign system would use smells, very strong smells, bad smells. If you know the American animal skunk, I don't know what you call it in German, but if you hit a skunk on a highway, in the last dying moments, a skunk amidsts a horrible, horrible odeur, which has to be avoided by everyone for weeks. Well, I said, are you going to put a skunk there? For about two, three weeks it will smell bad, but how will it smell ten thousand years? It’s an absurd idea. And some proposed lights. And I said that's ridiculous, because what battery will last ten thousand years? A battery – you're lucky – if it will last one month. They said, yes, yes, we have to think about that. But your job is not to think about material, your job is to think about content.

Übersetzung
Und ich fing an, Kollegen vom Krisenstab anzurufen, um zu fragen, welche Materialien sie benutzen würden. Einer meinte elektrische Signale, ein anderer meinte – was ich sehr komisch fand – ein gutes Signalsystem wäre der Einsatz von Geruch – von sehr starken Gerüchen, schlechten Gerüchen. Sie kennen das amerikanische Stinktier? Ich weiß nicht, wie Sie es in Deutschland nennen, aber wenn Sie ein Stinktier überfahren, sondert es in seinen letzten Sterbemomenten einen furchtbaren Geruch ab, den man wochenlang meiden muss. Ich sagte, wollen Sie da ein Stinktier hinlegen? Für zwei, drei Wochen wird es schlecht riechen, aber wie wird es in 10.000 Jahren riechen? Eine absurde Idee. Manche schlugen Lichter vor, worauf ich sagte, das sei Blödsinn, denn welche Batterie hält 10.000 Jahre – man hat schon Glück, wenn sie einen Monat hält – worauf sie sagten: Ja, ja, wir müssen darüber nachdenken. Aber Ihre Aufgabe ist es nicht, über das Material nachzudenken, sondern Ihre Aufgabe ist es, über den Inhalt nachzudenken.

Erzähler
Die Überspanntheiten der amerikanischen Wissenschaftler wurden Jahre später von einigen europäischen Phantasten noch übertroffen. Der Zeichentheoretiker Professor Roland Posner schlug vor, ein paar dieser Ideen als Buch zu veröffentlichen. Unter dem Label "biologische Option" gingen sowohl von dem bekannten polnischen Schriftsteller und Wissenschaftler Stanislaw Lem als auch von einem italienischen Volkskundlerpaar zwei sehr verwandte Vorschläge ein. Während sich Stanislaw Lem für die Züchtung einer Blumenart einsetzte, die unter dem Einfluss von Radioaktivität ihre Form veränderte, plädierten die Italiener für die Züchtung sogenannter Strahlenkatzen, deren Fell sich unter radioaktiver Strahlung verfärben würde.

O-Ton Posner:
Und ich teile das immer ein in drei verschiedene Optionen. Wir haben da erstens die Ingenieurlösung, die versucht, einen möglichst langlebigen Zeichenträger zu finden – und da ist der weitestführende Weg der, dass man nicht bei der Mechanik stehen bleibt, sondern dass man sich fragt, wo gibt es denn sich selbst erneuernde Zeichenträger? Dafür wiederum hat das Leben als Vorbild selber entwickelt und die Antwort wäre dann, die einen primitiven Organismus als Träger von Informationen einführen würde. Und diese biologische Option, die unter anderem Stanislaw Lem mit seinen Atomblumen – aber auch Fabri und Bastid mit ihrer Strahlenkatze vorgeschlagen haben – die ist wiederum abhängig davon, dass wahrgenommen wird, dass es sich um Atomblumen und nicht schöne andere Blumen und um Strahlenkatzen und nicht schöne andere Haustiere handelt. Und die Frage ist, wie kann man das erkennen? Die unmittelbare Reaktion von Fabri und Bastid und auch Lem auf diesen Einwand war: Ja, dann brauchen wir eben in der betreffenden Kultur entweder den Namen Strahlenkatze bzw. Atomblume oder gewisse Mythen, die erklären, warum die so heißen, oder am besten noch gewisse Symbole. Auf jeden Fall auch gewisse Erfahrungen, dass die immer auftauchen, wachsen in Bereichen, in denen es Strahlung gibt. Man fragt sich, was ist eigentlich der Status dieser Mythen, Symbole, Erfahrungen – manche sprachen sogar von Ritualen.

Atmo – Tagung

Erzähler
Berlin, Oktober 2002. Unter dem Kürzel "AkEnd" hat sich zum dritten Mal der vom Deutschen Bundesumweltministerium initiierte Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte getroffen. Seitdem der Salzstock in Gorleben nicht mehr unbeschadet im Rennen liegt, soll die Frage nach einem deutschen Endlagerstandort neu gestellt werden. Exotische Konzepte, wie sie im internationalen Maßstab in den letzten Jahrzehnten ins Kraut schossen und ansatzweise auch schon verwirklicht wurden, lieferten nur wenig Orientierung. Bergbauprofessor Klaus Kühn:

Atmo

O-Ton Kühn
In den 70er Jahren ist natürlich auch hinterfragt worden, muss es eine Endlagerung in geologischen Formationen sein, gibt es auch Alternativen? (…) Es ist untersucht worden die Nutzung des Meeresbodens. Bis 1984 hat man ja auch eine so genannte Meeresversenkung durchgeführt, d.h. schwach- und mittelaktive Abfälle an geeigneten Stellen in den Atlantik verklappt. Das ist aber dann durch die Londoner Konventionen verboten worden und ist nach wie vor verboten. Aber man hat dann untersucht, ob es technisch möglich ist, die – insbesondere die hochradioaktiven Abfälle oder auch bestrahlte Brennelemente in den Meeresboden, nicht ins Meer, sondern in den darunter befindlichen Meeresboden einzubringen. Dritte Alternative, die untersucht worden ist – insbesondere wärmeproduzierende hochradioaktive Abfälle in Eisgebiete – in großen Eisgebieten in das Eis einzubringen; das ist technisch ohne weiteres machbar, aber auch hier das Problem der Kontrolle: Wenn sich ein Wärme produzierender Abfallbehälter in das Eis einschmilzt, kann man nicht voraussagen, in welche Richtung er sich schließlich bewegt und letztendlich besteht auch die Möglichkeit, dass er sich durch die Eiskappe durchschmilzt und dann auf das unter dem Eis befindliche Gebirge trifft – Südpol – oder auch am Nordpol ins Wasser käme, und das wäre auch nicht sinnvoll.


Erzähler
Inzwischen sind die phantastisch anmutenden Konzepte obsolet. Obsolet ist auch eine alleine von technischen Spezialisten beherrschte Praxis. Für den Schweizer Gutachter Thomas Flüeler war deshalb die Einrichtung des Arbeitskreises Endlager AkEnd ein lobenswerter Schritt.

O-Ton Flüeler
Für mich ist die Arbeit des AkEnd das erste Mal, dass das Thema der Endlagersuche wirklich systematisch und integriert angegangen worden ist. Systematisch heißt, dass man einen Kriteriensatz aufstellt, bevor man überhaupt anfängt, irgendwelche Geologie anzuschauen. Das war nie so, bei niemandem! Man hat einfach gesagt – ja, zwei, drei Leute, ja, wir wissen ungefähr wo, und paff, da waren wir dann irgendwo bereits an einem Standort und in irgend einer Bohrung drinnen, und dann hatten sich die Techniker natürlich wohlgefühlt. Das ist das eine, und das andere, dass eben nicht nur diese technische Seite anschaut, sondern auch die sozialwissenschaftliche. Dass eben da nicht nur ein geologisches Problem da ist oder ein technisches – ein abfalltechnisches Problem, sondern ein Problem, das wir lösen müssen in einer Situation der Asymmetrie. Asymmetrie heißt in diesem Zusammenhang, wir haben Nutzen, der verteilt ist über das ganze Land, über die ganze Bundesrepublik, aber Kosten, die ganz lokalisiert, konzentriert sind an einem Standort. Mit dem muss man umgehen, das ist eine unmögliche Situation, eigentlich ein bösartiges Problem, hat Luzius Burghard einmal gesagt in einem anderen Zusammenhang, aber von dem her stimmt es irgendwo, und mit dem muss man umgehen können.

Atmo AkEnd-Veranstaltung

O-Ton Duphorn
Das ist ein ganz großer Vorteil, dass das AkEnd mitgebracht hat, dass Wissenschaftler, die sich vorher fast 20 Jahre lang zum Beispiel in Gorleben kontrovers gegenüberstanden, jetzt auf einmal einen gemeinsamen Nenner finden, wo sie sagen, aha, das ist ganz wichtig für das Allgemeinwohl…

Atmo

Erzähler
Die Veranstaltung Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlager verläuft bis auf kleine Meinungsverschiedenheiten harmonisch. Zwischen Skeptikern und überzeugten Befürwortern der Kernenergie haben sich nach Jahren der Auseinandersetzung die Wellen geglättet. Dafür sind die Probleme, an denen beide Seiten arbeiten, durch neue Erkenntnisse gewachsen. Eines davon ist die Wärme, die hochradioaktive Stoffe produzieren. Ein anderes: die Gasentwicklung.

Atmo AkAEnd - Veranstaltung

O-Ton Thomauske
Bei der Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist nicht die Radioaktivität (...) entscheidend, ist die neue Qualität, die in ein Bergwerk eingebracht wird, und das ist die mit der Radioaktivität verbundene Wärme.

O-Ton Volkmar
Ein ideales Endlager muss folgende Eigenschaften haben: Es muss sowohl dicht sein, es muss aber auch durchlässig sein. Das klingt erst mal etwas widersprüchlich – allerdings dicht, das leuchtet jedem ein, es muss dicht für die Schadstoffe sein, die nicht in die Biosphäre gelangen dürfen, es muss aber auch durchlässig sein für eventuelle Gase, die sich im Laufe der Zeit – über Jahre, Jahrmillionen entwickeln können, und diese Gase dürfen sich im Endlager auch nicht aufstauen, zu großen Drücken führen, so dass die geologische Barriere, welche die Dichtheit des Endlagers gewährleisten soll, zerstört wird.

O-Ton Duphorn
... da sind wir zur Erkenntnis gekommen, dass wir dieser Gasproblematik eine stärkere Aufmerksamkeit widmen müssen, als das früher der Fall war. (...) Das bedeutet, dass die Atommüllcontainer für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle besonders eine Vielzahl von Schwermetallen enthalten, auch organische Verbindungen, und wenn die Container im Endlager aufgelöst werden, dann bildet sich das Gas, und es bildet sich in großen Mengen. Also eine Faustregel besagt, dass aus einem Kubikmeter Atomcontainer auch etwa ein Kubikmeter Gas entsteht, das unter Gebirgsdruck verdichtet ist, in Wirklichkeit ist es noch mehr, wenn es entweichen würde. Und wenn man davon ausgeht, dass beim derzeitigen Planungsstand etwa 330.000 Kubikmeter schwach- und radioaktiver Atommüll endgelagert werden, bedeutet das, dass auch 330.000 Kubikmeter Gas im Endlager entstehen werden. So, wohin damit? Wenn sie jetzt ein ganz dichtes Gestein haben, dann kann das Gas nicht entweichen, und dann kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo der Gasdruck den Gebirgsdruck übersteigt. Das kann in einer Explosion enden – das ist unkalkulierbar.

Erzähler
Unter Zeichentheoretikern kursiert ein warnender Comic in vier Bildern. Eine Geschichte für jemanden, der vielleicht keine unserer gebräuchlichen Sprachen mehr spricht. Drei Figuren stehen in der Landschaft und bekommen nicht mit, dass unter ihnen ein atomares Endlager Risse bekommt. Die Risse weiten sich aus, erreichen das darüber liegende Grundwasser und schließlich die Erdoberfläche. Einer der drei Figuren wird anscheinend schlecht, und sie kippt um. Die beiden anderen halten sich bereits die Bäuche. Wenn jemand in Tausenden von Jahren die Bildfolge richtig interpretiert, sollte er nur eines: Weg! So schnell wie möglich. Aber was vermögen solche Bilder wirklich mitzuteilen? Hatte der Liegende vielleicht eine interessante Droge entdeckt, worauf sich die beiden anderen nur die Bäuche halten, weil sie lachen? Professor Sebeok wedelt mit einer Zeichnung.

O-Ton Sebeok
I have picked up here what I consider an ambiguous image. There are 6 men in this and they are doing something. I actually tested this with a group of people and I asked them " Tell me, what are these people doing?". And some people said "Oh, they are fighting". Because 2 of them are carrying spears and they looked like they were doing martial arts, perhaps Karate or something like that. And some people said "No no no , they are not fighting they are dancing, performing a dance". The other group said," No no ist clear that they are fighting". So what I got was ambiguity. You cannot tell from this whether they dance or whether they fight. There is no solution to the problem because it is indeed ambiguous.

Übersetzung
Ich habe hier eine Abbildung rausgesucht, die ich als zweideutig bezeichne. Auf diesem Bild gibt es sechs Männer, die gerade etwas machen, und ich habe das an einer Testgruppe überprüft. Ich habe sie gefragt: Sagen Sie mir, was machen diese Personen gerade? Und manche sagten, oh, sie kämpfen, weil zwei von denen Speere tragen, und es sieht so aus, als ob sie einen Kampfsport ausüben – vielleicht Karate oder etwas Ähnliches. Und manche Leute sagten, nein, nein, sie kämpfen nicht, sondern sie tanzen, sie führen einen Tanz vor. Und die andere Gruppe wiederum: Nein, nein, nein! Es ist doch klar, dass sie kämpfen. Es war also zweideutig, was da herauskam. Man kann nicht erkennen, ob sie tanzen oder kämpfen, und es gibt keine Lösung für das Problem, weil es tatsächlich zweideutig ist.

Erzähler
Die Missverständlichkeit von Zeichnungen brachte Professor Sebeok auf den Gedanken, die Warnhinweise mit einer hinreichenden Redundanz auszustatten. Die Botschaften sollten nicht nur in mehreren Systemen verfasst werden, sondern es wäre auch nötig, sie auf mehreren Ebenen zu wiederholen. Hier stieß er jedoch auf ein anderes Problem, das der Berliner Semiotik-Professor Posner folgendermaßen formuliert:

O-Ton Posner
Es muss irgendeine Art von Kommunikation auf höherer Stufe geben, so dass dieses Lebewesen annehmen kann: Erstens: Da ist jemand anderes – ein anderes Lebewesen, eine andere Lebewesengruppe, eine andere Kultur gewesen, die eine Absicht hatte, die wollte, dass ich etwas lerne. Und natürlich reicht das nicht, denn auch das – denken wir nur an die Grabräuber aus den Zeiten der Pyramiden (...) – solche Verbote, die also auf diese Weise kommuniziert werden können, Verbote sind ja Mitteilungen der Absicht, den anderen zu warnen, können natürlich auch Herausforderungen sein, und die können sogar noch ein Reiz, ein Anreiz sein, weiterzugraben.

Erzähler
Man suchte also weiter nach einem System von Warnungen, welches die Absichten des Verfassers klar erkennen ließ, und nach einer Gebirgsformation als Endlager, die eine Stabilität von Millionen von Jahren garantieren würde.

O-Ton Thomauske:
Wenn man sehr lange Zeiträume wie Millionen Jahre in den Blick nimmt, bewegt man sich in Bereichen geologischer Prognosen. Jeder weiß, dass die Geologie in diesen Zeiträumen auch Veränderungen unterliegt. Jeder weiß, dass die Prognose auf die Zukunft ausschließlich über Erfahrungen aus der Vergangenheit gewonnen werden kann. Hier können Erfahrungen aus den letzten 250 Millionen Jahren berücksichtigt werden und in gewisser Weise auch in die Zukunft extrapoliert werden.

O-Ton Kühn
Man kann nicht sagen, dass alle geologischen Formationen grundsätzlich für eine Endlagerung in Frage kommen. Man muss natürlich gewisse Sicherheitskriterien beachten. Vor allem die langfristige Sicherheit – und da scheiden zum Beispiel Sandstein oder Kalkstein aus – sie sind einfach von der Geologie, von der Hydrogeologie einfach nicht geeignet.

O-Ton Appel
Wenn die Endlagerung sicherstellen soll, dass Radionuklide nicht in die Biosphäre gelangen, dann muss man bedenken, dass das Grundwasser in den Gesteinen das wichtigste potenzielle Transportmedium für diese Radionuklide ist. Folglich ist es richtig und überzeugend, nach einem Gestein zu suchen, in dem man endlagern will, das entweder selber von vornherein gar kein Wasser enthält – also dieses Transportmedium schon nicht enthält – aber wenn es das denn enthält, nicht zulässt, dass sich das Transportmedium schnell bewegt.

O-Ton Duphorn
Wir haben gesagt, wir kennen die geologische Geschichte der letzten einer Million Jahre besser als die davor liegenden Abschnitte – und so gut, das haben wir ja in Gorleben auch praktiziert, dass wir rekonstruieren können, welche Prozesse im Salzstock und über dem Salzstock in dieser letzten einer Million Jahre abgelaufen sind. Und dann gehen wir eben davon aus – hypothetisch –, dass dieselben Prozesse auch in den nächsten Millionen Jahren in der Zukunft weitergehen können. Und dann kommt aber das große Fragezeichen hinzu, denn nun kommen noch die Prozesse, die radiophysikalischen und chemischen Prozesse, die sich jetzt im Endlager in den Atommüllcontainern abspielen dazu, und die kann ich als Geologe gar nicht kompetent beurteilen. Das ist der große Unsicherheitsfaktor - die atomaren Prozesse, die sich abspielen werden – das ist das Fragezeichen.

Atmo vom Castortransport. Fünf Mädchen singen

Erzähler
Fünf Mädchen stehen mitten auf der Straße und singen einen alten Reim der Antiatomkraftbewegung. Hundert Meter von ihnen entfernt ist auf dem Bahnhof Dannenberg der Zug mit den zwölf Castorbehältern eingetroffen. Sie sollen nun auf Laster verladen und in das vier Kilometer entfernte Zwischenlager in Gorleben transportiert werden. Ab und an fordert ein von Wasserwerfern flankierter Einsatzleiter der Polizei die fünf Mädchen auf, die Straße zu räumen. Vergeblich.

Atmo - Überblendung von Dannenberg zu Atmo AkEnd - Veranstaltung

Erzähler
In Berlin geht die Veranstaltung des Arbeitskreises zur Auswahl eines Endlagerstandortes zu Ende. Das Ergebnis sind ausgearbeitete Rahmenbedingungen für die Suche nach einem Endlager. Neu ist die Berücksichtigung eines sozialen Aspekts. Wie der aussehen könnte, zeigt das Beispiel Gorleben. Nach 20 Jahren der Auseinandersetzung ist das Zwischen- und Endlager Gorleben nicht mehr nur Kampfplatz, sondern zeigt Ansätze eines Gewinn bringenden Entertainments. Täglich kommen Busse mit interessierten Hausfrauen, Kegelklubs und Schulklassen, um mit wohligem Schauder zu vernehmen, was da bisher so alles geplant war.

Atmo Veranstaltung

Erzähler
Wissenschaftler, welche die geologischen Voraussetzungen für einen Endlagerstandort erarbeiteten, hatten mit dem radioaktiven Abfalls freilich noch ihre Schwierigkeiten.

O-Ton Duphorn
Wir denken in Zeiträumen von zig Millionen Jahren. Die ganze Erdgeschichte reicht zurück bis viereinhalb Milliarden Jahren. Da sind eine Million Jahre ein Klacks. Als Mensch habe ich natürlich auch menschliche Dimensionen. Wer kennt heute schon noch die Story seines Urgroßvaters, der vor hundert Jahren gelebt hat. Vom Ur-Ur ganz zu schweigen. Das sind also zwei extreme Perspektiven, und die meisten Leute denken eben in menschlichen Dimensionen, und sie denken vielleicht auch daran, dass im Fernsehen am Abend zuvor einmal wieder eine falsche Wettervorhersage für die nächsten 24 Stunden gemacht wurde und worüber sie sich geärgert haben. Und dann sagen sie, oh was, da kommen die Geologen und wollen uns eine Sicherheitsgarantie für eine Million Jahre geben. Ich teile diese Einstellung, das muss man einfach verstehen. Und ich gebe zu, es macht mir auch Bauchschmerzen, es ist ein Restrisiko.

O-Ton Flüeler
In jedem Fall ist aber die Problematik der Abfälle da, und mit denen müssen wir umgehen – ich möchte nicht globale Aussagen machen, ich fühle mich dazu nicht berufen, aber vom Abfall her muss ich sagen, das ist die große Problematik. Diese Frage wird instrumentalisiert seit eh und je, von pro und kontra, jeder versucht quasi am Strick zu reißen, um das Ganze auf seine Seite zu ziehen, und da gibt es einfach noch so ein paar Leute, so Abfallheinis wie mich, und die stehen zwischen Stuhl und Bank. Aber hier stehe ich…

Atmo: Aufblende Voyager – Musikbeispiele, Stimmen und Geräusche der Erde

Erzähler
Die 1977 von der NASA gestarteten Raumsonden Voyager 1 und 2 rasen mit 62.000 Stundenkilometern auf den Rand des Sonnensystems zu. Die in ihnen verstauten Botschaften warten auf fremde Wesen als Empfänger. Diese könnten mit einem einfachen Klick die aufgezogenen Federwerke der Grammophone in Gang setzen. Soweit sie über ähnliche Sinnesorgane wie wir verfügen, würden sie ein Potpourri aus Mozart, Indianergesängen, Motorenlärm und Grußbotschaften vernehmen. Die in die Messingplatte eingravierten Piktogramme liefern weitere Informationen: Über den menschlichen DNS-Code und die Stellung der Erde im Sonnensystem.

Atmo Voyager - Atmo mit diversen Beispielen irdischer Musik, Geräusche der Erde

Erzähler
Im Amerika der 80er Jahre war der Zeichentheoretiker Professor Sebeok an der Aufgabe, Warnungen an die Zukunft zu kreieren, fast gescheitert. Schließlich kam er aber doch auf eine Idee.

O-Ton Sebeock
And so I made an invention, but this was a mistake that I made, I called this group the atomic priesthood and when my presentation was reviewed there were many criticisms of this. First of all I used the word Priesthood. This offended a lot of people. They said "Priesthood; what a stupid phrase. " I said " No, all I meant was a committee, but I don’t like committees either so I thought it would be more elegant to call them an atomic priesthood. "

Übersetzung
Ich habe schließlich eine Erfindung gemacht – aber dummerweise nannte ich diese Gruppe die atomare Priesterschaft. Und als meine Präsentation begutachtet wurde, gab es viel Kritik. Viele Leute nahmen daran Anstoß. Sie sagten: Priesterschaft, was für eine dumme Bezeichnung! Ich sagte: "Nein, nein, alles was ich ausdrücken wollte, war eine Art Komitee" – aber da ich für Komitees nichts übrig habe, dachte ich, es sei eleganter, sie atomare Priesterschaft zu nennen.

Erzähler
Mit seiner Etikettierung "Atompriesterschaft" hatte Professor Sebeok fast sein Renommee verspielt. Von seinen Kollegen wurde der Vorschlag rundheraus verworfen. Nur Professor Posner von der Technischen Universität Berlin ließ sich auf Sebeoks Idee ein.

O-Ton Posner
Der Punkt ist, wie können wir Kontinuität garantieren? Wie können wir verhindern, dass irgendwann diese Kette abbricht? Und das war der Gedanke mit den Priestern. Die Priester sind von Bischöfen eingesetzt, die ihrerseits eingesetzt wurden von anderen Bischöfen, die schließlich zum Schluss auf die Zeit Christi zurückgehen.

O-Ton Sebeok
Wise men, You can call it a group of wise men who would form an informal committee and as they resign or die they would, themselves, appoint additional new people from the sciences, from public life, from the legal profession, medical doctors and so on. Now this group would carry no authority from any government because what we really don’t know is what kind of governments will exist in the future. All we ask for is that they be allowed to tend this site and to repair things that have to be repaired, to bring up to date inscriptions, to changes languages and to take care of things. Just to make sure that this warning system continues from generation to generation.

Übersetzung
Man könnte sie eine Gruppe von Weisen nennen, die ein informelles Komitee bilden, und wenn sie zurücktreten oder sterben, würden sie selbst neue Personen aus dem Kreis der Naturwissenschaftler, aus dem öffentlichen Leben, Juristen, Ärzte und so weiter ernennen. Nun, diese Gruppe würde nicht von der Autorität irgendeiner Regierung abhängig sein, weil wir wirklich nicht wissen, was für eine Regierung in der Zukunft existieren wird. Alles, was wir verlangen, ist, dass es ihnen erlaubt wird, sich um die Orte zu kümmern und die Sachen zu reparieren, die repariert werden müssen und die Inschriften auf den neuesten Stand zu bringen, um dafür Sorge zu tragen, dass dieses Warnsystem von Generation zu Generation weitergeführt wird.

Erzähler
Die Bezeichnung Atompriester war sicherlich überspannt. Das Konzept wies dennoch auf ein reales Problem.

O-Ton Posner
Im Bereich der Atomenergie sind wir hineingerutscht in eine neue Epoche der Menschheit, ohne es zu merken. In anderen Bereichen ist es ähnlich gewesen. Ich denke an die Gentechnik – da gab es zwar mehr Einwände –, aber Gentechnik wird gegenwärtig praktiziert, und es sind noch keine Einrichtungen da und kaum Vorstellungen darüber, wie die Informationen, die notwendig sind, damit man die Folgen der Veränderung der Genstruktur bei heutigen Lebewesen in 100 oder 200 Jahren beurteilen kann. D.h. in 100 oder 200 Jahren muss bekannt sein, wie man heute verändert hat, damit man dann beurteilen kann, wie die Folgen gemindert werden können. Und ausgehend davon, dass es nicht gewährleistet ist, dass eine Kultur auf ihrem technischen Niveau bleibt, entstehen da große Probleme. Es würden keine so großen Probleme sein, wenn wir damit nicht die Lebewesen, die dann leben werden, in tödliche Bedrohung versetzen würden.

Erzähler
Nach den Berechnungen der NASA werden die Raumsonden Voyager 1 und 2 den nächsten Planeten erst in 40.000 Jahren erreichen. Sollten sie jemals auf Außerirdische treffen, so wären die mitgeführten Botschaften diesen wahrscheinlich ähnlich fremd wie unseren fernen Nachkommen die Warnungen vor dem atomaren Müll.

Atmo Voyager

Absage
Countdown für die Ewigkeit
Atommüll als Kommunikationsproblem
Feature von Reinhard Schneider

Es sprachen: Wolfgang Condrus und Hans Peter Hallwachs

Im Originalton hörten Sie:
Thomas A. Sebeok Indiana Universität Bloomington
Roland Posner Technische Universität Berlin
Vilmos Voigt Universität Budapest
Bruno Thomauske Bundesamt für Strahlenschutz
Detlef Appel Geowissenschaftliches Büro Hannover « Pan Geo »
Klaus Duphorn Universität Kiel
Klaus Kühn Technische Universität Clausthal
Thomas Flüeler Freier Umweltgutachter Zürich
Volkmar Bräuer Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Ton: Katrin Witt, Monika Steffens und Peter Avar
Regieassistenz: Jadwiga Stawny
Regie: Reinhard Schneider
Redaktion: Renate Jurzik

Eine Produktion der Featureabteilung des Rundfunk Berlin/Brandenburg mit dem Deutschland Funk, dem Norddeutschen, dem Westdeutschen und dem Saarländischen Rundfunk. 2003