Schwerer Schlag gegen die ETA

Ralf Streck 05.10.2004 09:56 Themen: Weltweit
Der französischen Polizei ist ein Schlag gegen die baskische Untergrundorganisation ETA gelungen. Bei zahlreichen Razzien sei am Sonntag auch „zufällig“ einer der ETA-Führer verhaftet worden, heißt es aus Polizeikreisen. Dabei handelt es sich um den 43-jährigen Mikel Albisu Iriarte alias "Mikel Antza", den die Sicherheitsbehörden immer wieder als „Nummer Eins“ oder „politischen Führer“ der ETA bezeichnen. Unter den Verhafteten befindet sich auch die Lebensgefährtin Antzas, Soledad Iparaguirre alias „Anboto“. 17 Menschen wurden insgesamt festgenommen.
„Wir haben nicht erwartet, sie zu bekommen“, erklärten Vertreter der französischen Polizei zunächst gegenüber diversen Nachrichtenagenturen. Dabei erklärten andere Quellen, die Razzien und Verhaftungen bildeten den Abschluss einer Ermittlungsarbeit, die sich über vier Jahre hingezogen habe. Seit Jahren lebten Antza und Anboto offen mit ihrer Tochter in dem abgelegenen Haus in Salies-de-Bearn, das siebenjährige Kind war dort eingeschult und die Eltern gingen auch zu Versammlungen in der Schule. Stets wurde bisher behauptet, die ETA-Führung halte sich wegen dem Fahndungsdruck weit entfernt vom Baskenland in Belgien oder Nordfrankreich auf. Salies-de-Bearn ist nur 50 Kilometer vom französisch baskischen Baiona (franz. Bayonne) entfernt.

Bei insgesamt acht Durchsuchungen wurden in vier Verstecken auch erhebliche Mengen an Waffen, mehrere hundert Kilogramm Sprengstoff und Geld gefunden. In einem Versteck gab es sogar einen unterirdischen Schießstand. Die Auswertung des Materials könnte Monate dauern, derzeit werden die Materialien abtransporiert, darunter auch ein industrieller Kopierer, mit dem offenbar die ETA-Zeitschrift Zutabe kopiert wurde und diverse Computer. Insgesamt wurden bei den Razzien 17 Personen festgenommen, 16 davon in Frankreich und eine Person in Spanien. Drei der 17 wurden schon wieder auf freien Fuß gesetzt.

Mit der Festnahme von Antza ist den Ermittlern wirklich ein harter Schlag gegen die ETA gelungen. Zwar wurde immer wieder von verhafteten ETA-Führern berichtet, doch Antza ist unzweifelhaft weit oben in der Führung anzusiedeln. Während der Waffenruhe der ETA nahm er an einem Gespräch mit Vertretern der spanischen Regierung in Zürich teil. Was die Informationen über Anboto betrifft, sollte angesichts der spanischen Informationspolitik Vorsicht walten. Die 43jährige soll ebenfalls Teil der ETA-Führung sein und sich um die Eintreibung der „Revolutionssteuer“ gekümmert haben.

Ob es sich bei Antza um die „Nummer Eins“ der ETA handelt, wie oft behauptet wird, ist fraglich. Denn es ist fraglich, ob es den einen Führer überhaupt gibt. Das ist auch unbedeutend, die ETA hat es stets geschafft auch nach Verhaftungen von Führungen sich wieder zu reorganisieren, sowohl in der Franco-Diktatur oder nach dem Nach einem schweren Schlag gegen die Führung 1992, nach dem Mikel Antza in die Führung aufrückte.

Antza gilt ohnehin „nur“ als politischer Führer, eine Beteiligung an Anschlägen wird ihm nicht einmal von spanischen Behörden vorgeworfen, deshalb dürfte Spanien nicht einmal seine Auslieferung erreichen können. 1985 soll Antza direkt an der Befreiung von zwei ETA-Mitgliedern teilgenommen haben. Unter den Befreiten war der berühmte Dichter und ETA-Mitglied Joseba Sarrionandia. Wenig spektakulär wurden die beiden versteckt in Lautsprecherboxen, nach einem Konzert aus dem Knast getragen. Statt Bomben zu legen, hatte Antza Theaterstücke inszeniert, Literaturkritiken und Erzählungen geschrieben und 1982 dafür sogar einen Literaturpreis gewonnen.

Während die spanische Regierung wieder einmal von einem „historischen Schlag“ spricht, mahnen baskische Politiker zur Zurückhaltung und weisen auf die Regenerationskraft der ETA hin. Ein Sprecher der ETA-nahen Partei Batasuna (Einheit), wundert sich über die Festnahme von Antza genau in diesem Moment. Es sei auffällig, dass gerade jetzt ein möglicher Verhandlungspartner verhaftet werde, wo sich der Konflikt auf dem Weg zu einer politischen Lösung gebracht werden könnte, sagte Joseba Alvarez. Die ETA arbeitet unzweifelhaft seit langem auf eine politische Lösung hin, mehr als einem Jahr wurden keine tödlichen Anschläge ausgeführt. In Erklärungen nach dem Wahlsieg der Sozialisten hat die ETA Hoffnungen auf einen Schwenk der Baskenpolitik der neuen Regierung gehegt. Zudem gibt es Gerüchte und Hinweise darauf, dass die sozialistische Regierung, die seit März im Amt ist, die Gesprächskanäle zur ETA wieder geöffnet hat.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 05.10.2004
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Ergänzungen

Kleiner Fehler

Ralf 05.10.2004 - 11:06
Hallo,

Achtung es gibt einen kleinen Fehler wegen des Infochaos, konnt ich jetzt aufklären. Es ist keine 7jährige Tochter, sondern ein 8jähriger Sohn. Anbei der Text korrigiert und noch etwas aktualisiert.


Schwerer Schlag gegen die ETA

Der französischen Polizei ist ein Schlag gegen die baskische Untergrundorganisation ETA gelungen. Bei zahlreichen Razzien sei am Sonntag auch "zufällig" einer der ETA-Führer verhaftet worden, heißt es aus Polizeikreisen. Dabei handelt es sich um den 43-jährigen Mikel Albisu Iriarte alias "Mikel Antza", den die Sicherheitsbehörden immer wieder als "Nummer Eins" oder "politischen Führer" der ETA bezeichnen. Unter den Verhafteten befindet sich auch die Lebensgefährtin Antzas, Soledad Iparaguirre alias "Anboto". 17 Menschen wurden insgesamt festgenommen.

"Wir haben nicht erwartet, sie zu bekommen", erklärten Vertreter der französischen Polizei zunächst gegenüber diversen Nachrichtenagenturen. Dabei erklärten andere Quellen, die Razzien und Verhaftungen bildeten den Abschluss einer Ermittlungsarbeit, die sich über vier Jahre hingezogen habe. Seit Jahren lebten Antza und Anboto offen mit ihrem Sohn in dem abgelegenen Haus in Salies-de-Bearn, das achtjährige Kind war dort eingeschult und die Eltern gingen auch zu Versammlungen in der Schule. Stets wurde bisher behauptet, die ETA-Führung halte sich wegen dem Fahndungsdruck weit entfernt vom Baskenland in Belgien oder Nordfrankreich auf. Salies-de-Bearn ist nur 50 Kilometer vom französisch baskischen Baiona (franz. Bayonne) entfernt.

Bei insgesamt acht Durchsuchungen wurden in vier Verstecken auch erhebliche Mengen an Waffen, mehr als eine Tonne Sprengstoff, viele Kurz und Langwaffen mit Munition und große Mengen Geld gefunden. Die ETA befand sich sogar im Besitz von Boden-Luft Raketen. In einem Versteck gab es sogar einen unterirdischen Schießstand. Die Auswertung des Materials könnte Monate dauern, derzeit werden die Materialien abtransporiert, darunter auch ein industrieller Kopierer, mit dem offenbar die ETA-Zeitschrift Zutabe kopiert wurde und diverse Computer. Insgesamt wurden bei den Razzien 17 Personen festgenommen, 16 davon in Frankreich und eine Person in Spanien. Drei der 17 wurden schon wieder auf freien Fuß gesetzt.

Mit der Festnahme von Antza ist den Ermittlern wirklich ein harter Schlag gegen die ETA gelungen. Zwar wurde immer wieder von verhafteten ETA-Führern berichtet, doch der seit 19 Jahren in der Klandestinität lebende Antza ist unzweifelhaft weit oben anzusiedeln. Während der Waffenruhe der ETA nahm er an einem Gespräch mit Vertretern der spanischen Regierung in Zürich teil. Was die Informationen über Anboto betrifft, sollte angesichts der spanischen Informationspolitik Vorsicht walten. Die 43jährige soll ebenfalls Teil der ETA-Führung sein und sich um die Eintreibung der "Revolutionssteuer" gekümmert haben.

Ob es sich bei Antza um die "Nummer Eins" der ETA handelt, wie oft behauptet wird, ist fraglich. Denn es ist fraglich, ob es den einen Führer überhaupt gibt. Das ist auch unbedeutend, die ETA hat es stets geschafft auch nach Verhaftungen von Führungen sich wieder zu reorganisieren, sowohl in der Franco-Diktatur oder nach dem Nach einem schweren Schlag gegen die Führung 1992, nach dem Mikel Antza in die Führung aufrückte.

Antza gilt ohnehin "nur" als politischer Führer, eine Beteiligung an Anschlägen wird ihm nicht einmal von spanischen Behörden vorgeworfen, deshalb dürfte Spanien nicht einmal seine Auslieferung erreichen können. 1985 soll Antza direkt an der Befreiung von zwei ETA-Mitgliedern teilgenommen haben. Unter den Befreiten war der berühmte Dichter und ETA-Mitglied Joseba Sarrionandia. Wenig spektakulär wurden die beiden versteckt in Lautsprecherboxen, nach einem Konzert aus dem Knast getragen. Statt Bomben zu legen, hatte Antza Theaterstücke inszeniert, Literaturkritiken und Erzählungen geschrieben und 1982 dafür sogar einen Literaturpreis gewonnen.

Während die spanische Regierung wieder einmal von einem "historischen Schlag" spricht, mahnen baskische Politiker zur Zurückhaltung und weisen auf die Regenerationskraft der ETA hin. Ein Sprecher der ETA-nahen Partei Batasuna (Einheit), wundert sich über die Festnahme von Antza genau in diesem Moment. Es sei auffällig, dass gerade jetzt ein möglicher Verhandlungspartner verhaftet werde, wo sich der Konflikt auf dem Weg zu einer politischen Lösung gebracht werden könnte, sagte Joseba Alvarez. Nach dem Gespräch 1999 war kurze Zeit später die ETA-Teilnehmerin Belén González verhaftet worden, damit war klar, wie wenig Interesse die damalige ultrakonservative Regierung an einem Dialog zur Lösung des Konflikts hatte. Während die ETA unzweifelhaft seit längerem auf eine politische Lösung hinarbeitet, scheinen aber auch die Sozialisten daran kein Interesse zu haben und wie ihre Vorgänger auf eine polizeiliche Lösung zu setzen. Die ETA hat mehr als einem Jahr keine tödlichen Anschläge ausgeführt. In Erklärungen nach dem Wahlsieg der Sozialisten hatte sie ETA Hoffnungen auf einen Schwenk der Baskenpolitik der neuen Regierung gehegt. Zudem gab es Gerüchte und Hinweise darauf, dass die sozialistische Regierung, die seit März im Amt ist, die Gesprächskanäle zur ETA wieder geöffnet hat. Ob dies stimmt ist unklar, jedenfalls dürften mit den Verhaftungen, an denen Spanien mit der Guardia Civil teilgenommen hat, die Chancen auf eine Dialoglösung wieder verschlechtern.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 05.10.2004

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