Venezuela: Die gespaltene Nation

Marcus 03.10.2004 03:19 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Das Votum ist vorrueber, die erwartete Mehrheit fuer Hugo Chavez Frias ist eingetreten. Doch die sozialpolitische Realitaet des Landes bleibt unveraendert. Waehrend die einen umso radikaler die Beseitigung des von ihnen gehassten und als Despoten verschrienen "Presdiente" fordern, bleibt den anderen nur das, was sie bereits seit dem ersten, 80% Wahlerfolg der MVR tun: hoffnungsfrohes Warten. Wiedergabe eines nach Wahrheit und Durchblick in dieser undurchsichtigen Situation suchenden Gastes
Die Strassen sind voll mit politischer Meinungsauesserung- an so gut wie jeder Ecke sticht entweder ein "No" oder ein "Si" ins Auge. Das Votum zum Amtsenthebungsverfahren von Praesident Hugo Chavez Frias ist vorrueber, und doch befindet sich das Land in einem nicht enden wollenden Kampf um Anhaenger und Macht. Am deutlichsten macht sich das in der Hauptstadt Caracas bemerkbar, wo die politischen Lager staendig unversoehnt aufeinander treffen. Dabei laesst sich nicht genau aussmachen, welche sozialen Schichten wo stehen. Die Annahme, die von der Ober-und Mittellschicht abfaellig genannten "Ranchos" stuenden vereint hinter dem, was die MVR den "bolivarischen Prozess" nennt, haelt einer einfachen Fahrt durch die Stadt nicht stand. Waehrend in Chavez Hochburgen von 1998 die zustimmung fuer den Praesidenten auf zum Teil unter 50% gesunken ist, politisiert sich zunehmend die Jugend der Ober-und Mittelschicht in einer gewissen Protestbewegung gegen die Verhaeltnisse, die ihre Eltern ihnen eingebrockt haben. Unverhoffte Unterstuetzung aus den besitzenden Kreisen fuer den selbsternannten Vertreter der besitzlosen. An den Universitaeten des Landes ist die Stimmung zunehmend angespannt, Chavez Gegner und Sympathisanten treffen hier Zwangslauefig aufeinander.
Fuer viele Oppositionelle laesst sich der Ausgang des Referendums nur mit einem wort erklaeren: Fraude. Banner und Parolen proklamieren vielerorts, das Ergebnis sei erstunken und erlogen gewesen. Diese Meinung wird natuerlich durch einen grossteil der Privatmedien forciert, die mit ungeprueften Daten und einseitig interpretierten Fakten den Widerstand am leben zu erhalten versuchen. Die Opposition muss sich jedoch vorhalten lassen, die Bevoelkerung ausserhalb der Grossstaedte und kommerziellen Zentren, also die laendliche Population, ignoriert zu haben. Die MVR ist in vielen Gegenen des Landes die einzige vertretene Partei. Somit ist jeder Chavez Kritiker dem Arguement ausgesetzt, das Chavez der erste Praesident des Landes ist, der sich dem Urteil der traditionellen und indigenen Bevoelkerung unterwuerft. Ohne Zweifel bedient er sich hierbei jedoch hoch populistischen Mitteln. Schlagwoerter, Vereinfachungen von komplexen Zusammenhaengen, Schwarz-Weiss Malerei und Aufhetzung gegen vermeintliche Gegner. Zumindest in letzterem steht ihm auch die Opposition in nichts nach. War seit dem Cuba-Venezuela Konflikt 1960 Fidel Castro der ausdruck des boesen fuer die politische Liberale-Konservative, so wird nun Chavez in einem unglaublichen Masse (nein, nicht Masse, aber hier in Venezuela haben sie kein "SZ" auf der Tastatur) daemonisiert. Nationalisten werfen Chavez zu dem den Engen kontakt zu Cuba vor, da Castro seit den kriegerischen Auseinandersetzungen vor 40 Jahren als Feind Venezuelas gilt. Die grosszuegigen Oelgeschenke an Cuba, welche das US handelsembago untergraben, stossen auch bei vielen Menschen aus der Unterschicht auf Unverstaendnis. Schliesslich herrscht in Venezuela eine groessere Armut als auf Cuba, da haette das Land nichts zu verschenken. Einige Oppositionelle behaupten, Chavez erkaufe sich damit die militaerische Ausbildung seiner "bolivarischen Zirkel" durch Cubanische Militaers. Auf der anderen Seite besteht seitens der Regierung der Verdacht, die Opposition verfuege ueber Kolumbianische Soeldner aus dem Umfeld der Christlich-Konservativen Konterguerilla. Beide Vorwuerfe lassen sich nicht ausreichend beweisen, stehen aber als andauerndes Mittel der Anschuldigung im Raum. Ebenfalls nicht nachweislich bewiesen ist die Rolle der Vereinigten Staates im Venezuela Konflikt. Von seiten Chavez wird die ansicht vertreten, die USA spielten eine wesentliche Rolle im Putsch versuch am 11 April 2002 und stuenden hinter der Opposition. Hierfuer ist die Regierung jedoch bisher jeden eindeutigen beweis schuldig geblieben. Die Kampagne "Sag nein zu Bush" im Vorfeld des Referendums kommt so etwas demagogisch daher. Klar ist jedoch, das der in Latein amerikanischen Laendern immens hohe Einfluss der USA in der Amtsperiode von Chavez schrittweise abgebaut wird, allein in dem Washington und us firmen der leichte Zugang zu Regierungskreisen, den sie bisher gewohnt waren, verwehrt bleibt. In letzter Konsequenz bleibt Chavez wttern gegen die USA jedoch populistisch, unternimmt er doch nichts gegen die ausbeutung venezulanischer arbeitskraefte z.B. im Coca-Cola werk. Merkwuerdig ist vorallem die eineugigkeit der regierung. In Caracs sind es vorallem EU- firmen wie Bayer oder Siemens, die zwischen all dem Elend der Slums ihre protzigen Wolkenkratzer hochziehen und von dem niegriglohnland Venezuela profitiere. EU imperialismus zieht nicht so gut wie das vertraute misstrauen gegenueber dem koloss auf dem eigenen kontinent.
Vereinzelt hat chavez die versprochenen umverteilungsprozesse begonnen, das prestigeprojekt ist dabei die landreform. die an zeiten der feudalherrschaft erinnernden zustaende werden tatsaechlich schritt fuer schritt bekaempft. in den slums der staedte werden mobile hospitaeler errichtet, ausgeruestet mit dem noetigsten. cubanische fachaerzte unterrichten venezulanische strassenarbeiter, brechen somit das elitaere monopol der medizinischen fakultaeten, das meist nur der besitztenden klasse zugang zu ausreichender versorgung bereitstellte. Jedoch bleiben viele Zweifel an der Glaubwuerdigkeit der Regierung, es ginge hier wirklich um mehr als bloss um macht. Venezuela sit das viert erdoelreichste land der Welt. Die Oelfelder sind komplett im besitz der staatlichen Oelfirma PDVSA, welche ein Hauptagitator in der Bewegung gegen Chavez vor dem 11 April war. Chavez versucht offensiv, PDVSA unter seine Kontrolle zu bringen. so wurden hunderte von Leitenden angestellten entlassen und durch regierungstreue ersetzt. die einen sehen dies als notwendigen schritt der de-elitaerisierung der wichtigsten einahmequelle des landes, fuer die andere ist es ein klarer schritt in richtung dikatur. doch so oder so, es fliessen milliarden durch das oelgeschaefft in das land, und vieles davon in den haushalt des ex-generals chavez. wieso unverhaeltnismaessig viel davon chavez alter heimat, dem militaer, warum regierungsmitglieder mit einem mal zu reichtuemern gelangen, warum sinnlose prestigeprojekte wie etwa riesige bolivar statuen oder bombastische paraden mit andernorts dringend benoetigten mitteln versorgt werden, das kann und will so mancher begeisterter chavista revolutionaer nicht beantworten. der vorwurf der breicherung kann kaum aus der welt geschafft werden. der vorwurf der korruption hingegen laesst sich, zumindest auf hoher regierungsebene, auch durch noch so viele kontrueierte reprotagen ehrgeiziger journalisten der privaten medinelandschaft nicht erhaerten.
das land ist do tief geteilt wie wohl seit den unhabhaengigkeitskaempfen nicht mehr. Traditionelle, noch vom kalten krieg gepraegte marxistische gruppen unterstuetzen den praesidenten ebenso wie junge, undogmatische globalisierungsgegner und einfache, bisher unpolitische Menschen der Unterschicht in der Hoffnung, endlich einen Ausweg vor sich zu haben. Die meisten jugendlichen jedoch trauemen von einem leben in den usa oder europa. so wurde mir beinahe schwindlig von all den ilusionen, die sich junge menschen hier ueber deutschland machen. sie sagen, sie wuerde alles machen, toiletten putzen, 12 stunden tellerwaschen, nur um in die brd zu kommen. das sie dort nicht automatisch eine wohnung und ausreichend geld um die hohen lebenserhaltungskosten, geschweige denn eine aufenthaltsgenehmigung bekommen, wird von ihrer phantasie unterdrueckt. viele wollen zumindest den traum haben, das es irgendw noch eine heile, problemfreie welt gibt. unterdessen bleibt den meisten nichts weiter als warten auf bessere zeiten, waehrend sie sich tagtaeglich dem gerangel um die fuer einen europaer selbstverstaendlichsten dingew ausgestzt sehen.
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Ergänzungen

Bitte etwas mehr Genauigkeit!!!!

Dario Azzellini 03.10.2004 - 11:42
Lieber Marcus!

Ich bin selbst erst vor zwei Tagen aus Venezuela wieder zurück gekehrt. Leider wimmelt es in Deinem Bericht nur so von sachlichen Fehlern!!

Ich werde einige hier darstellen:

"Das Votum ist vorrueber, die erwartete Mehrheit fuer Hugo Chavez Frias ist eingetreten. Doch die sozialpolitische Realitaet des Landes bleibt unveraendert."

Keineswegs bleibt die Realität unverändert. Die Basis fordert eine weitere Vertiefung des Prozesses, verschiedene Transformationen können klarer angegangen werden, da nun auch international kein Zweifel mehr über die Kräfteverhältnisse besteht....


"Waehrend die einen umso radikaler die Beseitigung des von ihnen gehassten und als Despoten verschrienen "Presdiente" fordern, bleibt den anderen nur das, was sie bereits seit dem ersten, 80% Wahlerfolg der MVR tun: hoffnungsfrohes Warten."

Auch das stimmt nicht ganz. Zwar will ein Großteil der Opposition die Realität nicht wahrnehmen und spricht von einer Verschwörung der USA, transnationalen Konzerne, Carter Center usw. zu Gunsten Chávez, aber z.B. Claudio Fermín der ehemals regierenden formal "sozialdemokratischen" Accion Democrática hat den Wahlsieg anerkannt und versucht eine moderate Linie zu fahren, um die Stimmen der Opppositionellen einzufangen, die nicht wahnsinnig sind und die nach den "Betrug"-Rufen der Opposition sich weiter distanzieren, die ersten Umfragen nach dem Referendum geben Chávez eine noch größere Unterstützung als beim Referendum.... und 80% hat Chávez noch nie bekommen, die MVR, die nur eine der fünf Regierungsparteien ist, schonmal gar nicht. Und die MVR stand ja beim Referendum auch nicht zur Wahl, sondern es ging um die Amtsenthebung von Chávez.

"Am deutlichsten macht sich das in der Hauptstadt Caracas bemerkbar, wo die politischen Lager staendig unversoehnt aufeinander treffen."

Soso, woram machst Du das fest? Ich habe ein sehr ruhiges Caracas vorgefunden, so entspannt wie nie zuvor in den vergangenen Jahren... es gab auch keinerlei größeren Demos und keine Oppositionsmobilisierungen in den vergangenen sechs Wochen...

"Dabei laesst sich nicht genau aussmachen, welche sozialen Schichten wo stehen. Die Annahme, die von der Ober-und Mittellschicht abfaellig genannten "Ranchos" stuenden vereint hinter dem, was die MVR den "bolivarischen Prozess" nennt, haelt einer einfachen Fahrt durch die Stadt nicht stand. Waehrend in Chavez Hochburgen von 1998 die zustimmung fuer den Praesidenten auf zum Teil unter 50% gesunken ist, politisiert sich zunehmend die Jugend der Ober-und Mittelschicht in einer gewissen Protestbewegung gegen die Verhaeltnisse, die ihre Eltern ihnen eingebrockt haben."

Das lässt sich sehr wohl ausmachen, auch schon bei einer simplen Fahrt durch die Stadt, vielleicht warst Du nie in den richtigen Armenvierteln, aber dort ein "Ja" zur Amtsenthebung zu sehen ist schon eine Seltenheit. Vielleicht würde aber ein Blick auf die Wahlergebnisse weiterhelfen ( http://www.cne.gov.ve/resultados/ hier sind sie nach Wahlbezirken aufgelistet), statt in der Luft herumzustochern. Nur ein Beispiel:

Ein Vorort von Caracas der von der Oberschicht bewohnt wird (31.000 WählerInnen):
ESTADO: Miranda
MUNICIPIO: Baruta
PARROQUIA: Pq. El Cafetal
Nein: 9.282%
Ja: 90.718%

Dazu ein Stadtteil, der im wesentlichen von Armen bewohnt wird (44.000 WählerInnen):
ESTADO: Distrito Capital
MUNICIPIO: Libertador
PARROQUIA: Pq. 23 De Enero
Nein: 68.923%
Ja: 31.064%

Irgendwie doch ein Unterschied, oder???

"Unverhoffte Unterstuetzung aus den besitzenden Kreisen fuer den selbsternannten Vertreter der besitzlosen."

Da es ein Projekt ist, das auf die Entwicklung im Land setzt, ist eine gewisse Unterstützung nicht unerwartet, unerhofft schonmal gar nicht. Auch die Unternehmer sind gespalten, jene kleinen und mittleren Unternehmer, die im wesentlichen für Binnenmarkt prouzieren, sind in einem getrennten Verband organisiert und unterstützen die Politik der Regierung... Auch ist Chávez nun wirklich nicht der "selbsternannte Vertreter der Besitzlosen" nach mittlerweile acht gewonnennen Wahlen und Referenden...

"An den Universitaeten des Landes ist die Stimmung zunehmend angespannt, Chavez Gegner und Sympathisanten treffen hier Zwangslauefig aufeinander."

Die Lage war noch sie ruhig an den Unis wie aktuell. In den vergangenen Jahren hat es häufig bewaffnete Überfälle oppositioneller Gruppen mit Toten gegeben. Vor allem das Lehrpersonal hat sich kaum getraut zu Gunsten des Prozesses Stellung zu beziehen, da der Großteil der Unis von rechten Direktoren geleitet wird. Auch das hat sich geändert und zunehmend bisher schweigende Akademiker haben sich offen auf Seiten des Prozesses gestellt...

"Somit ist jeder Chavez Kritiker dem Arguement ausgesetzt, das Chavez der erste Praesident des Landes ist, der sich dem Urteil der traditionellen und indigenen Bevoelkerung unterwuerft. Ohne Zweifel bedient er sich hierbei jedoch hoch populistischen Mitteln. Schlagwoerter, Vereinfachungen von komplexen Zusammenhaengen, Schwarz-Weiss Malerei und Aufhetzung gegen vermeintliche Gegner."

Aha, was sind denn die populistischen Mittel? Selbstorganisierung? zweisprachige Schulen? Stärkung indigener Organisationen? Ärzte in den indigenen Gemeinden? Schulen? Anerkennung der Schamanen.Medizin? Da solltest Du doch erklären was Du meinst...


"Zumindest in letzterem steht ihm auch die Opposition in nichts nach. War seit dem Cuba-Venezuela Konflikt 1960 Fidel Castro der ausdruck des boesen fuer die politische Liberale-Konservative, so wird nun Chavez in einem unglaublichen Masse (nein, nicht Masse, aber hier in Venezuela haben sie kein "SZ" auf der Tastatur) daemonisiert. Nationalisten werfen Chavez zu dem den Engen kontakt zu Cuba vor, da Castro seit den kriegerischen Auseinandersetzungen vor 40 Jahren als Feind Venezuelas gilt."

Ich kann mich an keinen Krieg zwischen Kuba und Venezuela erinnern, kannst Du mir und anderen LeserInnen mit einer kleinen Geschichtsstunde helfen??

"Die grosszuegigen Oelgeschenke an Cuba, welche das US handelsembago untergraben, stossen auch bei vielen Menschen aus der Unterschicht auf Unverstaendnis. Schliesslich herrscht in Venezuela eine groessere Armut als auf Cuba, da haette das Land nichts zu verschenken."


Es gibt keine Ölgeschenke an Kuba. Das bleibt ein Propagandalüge der Opposition. Kuba bekommt Öllieferungen unter dem Weltmarktpreis, genauso wie alle anderen mittelamerikanischen und karibischen Staaten. Das geht auf ein Abkommen zurück das Mexiko und Venezuela in den 80ern mit diesen Ländern geschlossen haben. Allerdings wurde das Abkommen nie erfüllt, von beiden Ländern nicht, sondern erst seit der Amtsübernahme von Chávez. Es geht dabei darum den Druck Seitens der USA und transnationaler Konzerne auf diese kleinen Länder zu senken... Kuba hat lediglich andere KOnditionen was die Bezahlung betrifft. Allerdings sollte auch gesehen werden, dass sich 13.000 kubanische Ärzte in Venezuela befinden und viele andere solidarische Leistungen von Kuba laufen... auch ist die Armut nicht größer in Venezuela, sondern die Verteilung ungleicher...


"Einige Oppositionelle behaupten, Chavez erkaufe sich damit die militaerische Ausbildung seiner "bolivarischen Zirkel" durch Cubanische Militaers. Auf der anderen Seite besteht seitens der Regierung der Verdacht, die Opposition verfuege ueber Kolumbianische Soeldner aus dem Umfeld der Christlich-Konservativen Konterguerilla. Beide Vorwuerfe lassen sich nicht ausreichend beweisen, stehen aber als andauerndes Mittel der Anschuldigung im Raum."

Ersteres lässt sich tatsächlich nicht beweisen und ist auh ziemlicher Quatsch, Du solltest Mal einige Zirkel besuchen und Du wirst fest stellen, dass es sich um eine Art "Nachbaschaftsvereine" handelt, die sich im wesentlichen um die Belange des Stadtteils kümmern. Darüber hinaus funktionieren die meisten auch nicht mehr richtig bzw. sind in andere Organisationsformen übergegangen... Letzteres lässst sich hingegen sehr wohl beweisen. Immerhin wurden im Mai fast 130 kolumbianische Paramilitärs in einem Landgut eines oppositionellen Exilkubaners am Stadtrand von Caracas verhaftet. Dabei waren auch zwei bekannte Paramilitärführer aus der Region Cucuta in Kolumbien. Ihnen wird demnächst der Prozess gemacht. Darüber hinaus gab es in den letzten Jahre etwa 130 Morde an Bauernführern (vornehmlich), Gewerkschaftern und anderen Linken, viele davon durch Killer bzw. Paramilitärs durchgeführt...


"Ebenfalls nicht nachweislich bewiesen ist die Rolle der Vereinigten Staates im Venezuela Konflikt. Von seiten Chavez wird die ansicht vertreten, die USA spielten eine wesentliche Rolle im Putsch versuch am 11 April 2002 und stuenden hinter der Opposition. Hierfuer ist die Regierung jedoch bisher jeden eindeutigen beweis schuldig geblieben. Die Kampagne "Sag nein zu Bush" im Vorfeld des Referendums kommt so etwas demagogisch daher."

Wenn Dir die rege Reisetätigkeit der Putschführer nach Washington und ihre Treffen mit dem Pentagon und US-Regierungspersonal, die Moblisierung der US-Luftwaffe in KAribik und Kolumbien sowie der US-Marine vor der venezolanischen Küste parallel zum Putsch, das US-Flugzeug, das auf der Insel landete auf der Chávez gefangen gehalten wurde, die Finanzierung der Putschbeteiligten kurz zuvor durch die USA, die Anwesenheit von US-Militärs bei den Puschisten, die Einsetzung eines neuen US-Botschafters mit El Salvador Erfahrung wenige MOnate vor dem Putsch nicht Beweis genug sind, dann ist Dir auch nicht mehr zu helfen....
Zudem ist die Kampagne "Nein zu Bush" kein Stück demagogisch, wenn die Opposition klar verkündet auf Linie der US-Regierung zu sein und umgekehrt...


"Klar ist jedoch, das der in Latein amerikanischen Laendern immens hohe Einfluss der USA in der Amtsperiode von Chavez schrittweise abgebaut wird, allein in dem Washington und us firmen der leichte Zugang zu Regierungskreisen, den sie bisher gewohnt waren, verwehrt bleibt. In letzter Konsequenz bleibt Chavez wttern gegen die USA jedoch populistisch, unternimmt er doch nichts gegen die ausbeutung venezulanischer arbeitskraefte z.B. im Coca-Cola werk. Merkwuerdig ist vorallem die eineugigkeit der regierung. In Caracs sind es vorallem EU- firmen wie Bayer oder Siemens, die zwischen all dem Elend der Slums ihre protzigen Wolkenkratzer hochziehen und von dem niegriglohnland Venezuela profitiere. EU imperialismus zieht nicht so gut wie das vertraute misstrauen gegenueber dem koloss auf dem eigenen kontinent."

Es wurde eine sehr fortschrittliche Arbeitsgesetzgebung verabschiedet. Insgesamt bleibt aber Venezuela ein kapitalistisches Land. Darüber wie viele Möglichkeiten es gäbe den Kapitalismus sofort abzuschaffen ohne das gelich eine US-Invasion erfolgt, oder wieviel Zusammenarbeit mit welchem Konzernen möglich ist, darüber lässt sich streiten, und das wird in Venezuela auch innerhalb der Bewegung getan. Dass Bayer oder Siemens ihre Wolkenkratzer in den Slums hochziehen, mag zwar ein schönes Bild sein, entspricht aber nicht der Wahrheit. Zum einen stehen die Wolkenkratzer nicht in den Slums und zum anderen stehen sie schon lange vor Chávez Wahl dort... Auch wird die Rolle der EU-Staaten in Venezuela mehr thematisiert, als in jedem anderen lateinamerikanischen Land, so z.B. die Verwicklung Spaniens in den Putsch. Aber die miitärische Bedrohung geht nunmal klar von den USA aus, ebenso der größte Druck und auch die größte ökonomische Abhängigkeit. Die Orientierung auf eine Diversifizierung der Investitionen - auch in Richtung EU-Länder - ist also der Versuch diese Abhängigkeit zu vermindern. Die größte Orientierung auf wirtschaftliche Kooperation betrifft aber nach wie vor andere Lateinamerikanische Länder und Schwellenländer, die zu keinem Block gehören.


"Vereinzelt hat chavez die versprochenen umverteilungsprozesse begonnen, das prestigeprojekt ist dabei die landreform. die an zeiten der feudalherrschaft erinnernden zustaende werden tatsaechlich schritt fuer schritt bekaempft. in den slums der staedte werden mobile hospitaeler errichtet, ausgeruestet mit dem noetigsten."

Die Hospitäler sind nicht mobil, sondern fest. Bzw. In der ersten Phase waren es Arztpraxen, in der zweiten Phase Klinikmodule (diese zweistöckigen Türmchen aus roten Backsteinen und blauen Stahlträgern) und in der dritten Phase wird jetzt der Aufbau von Polikliniken begonnen.

" cubanische fachaerzte unterrichten venezulanische strassenarbeiter, brechen somit das elitaere monopol der medizinischen fakultaeten, das meist nur der besitztenden klasse zugang zu ausreichender versorgung bereitstellte."

Das mag zwar schön klingen, wäre aber fatal, wer möchte von einem Straßenarbeiter behandelt werden, der kein Medizinstudium hinter sich hat? Es werden haufenweise Venezolanerinnen aus Armenstadtteilen zum Medizinstudium nach Kuba geschickt... das bricht mit dem elitären Zugang.


"Jedoch bleiben viele Zweifel an der Glaubwuerdigkeit der Regierung, es ginge hier wirklich um mehr als bloss um macht."

Aha, warum? Wäre es also besser sie würden dies - und die zahlreichen anderen Maßnahmen, die Du vergessen hast - nicht unternehmen, damit bei Die der Verdacht nicht aufkommt es ginge um Macht? Du übernimmst hier das rechte Argumentationsmuster, das auch in der deutschen Presse zu finden war. Sobald etwas für die Armen getan wird, ist das populistisch und geschieht aus Machtinteressen. Diese Argumentation ist übrigens auch zutiefst rassistisch und elitär, denn sie unterstellt implizit den Betroffenen sie könnten nicht eigenständig denken und ließen sich einfach "einfangen".


"Venezuela sit das viert erdoelreichste land der Welt. Die Oelfelder sind komplett im besitz der staatlichen Oelfirma PDVSA, welche ein Hauptagitator in der Bewegung gegen Chavez vor dem 11 April war. Chavez versucht offensiv, PDVSA unter seine Kontrolle zu bringen. so wurden hunderte von Leitenden angestellten entlassen und durch regierungstreue ersetzt. die einen sehen dies als notwendigen schritt der de-elitaerisierung der wichtigsten einahmequelle des landes, fuer die andere ist es ein klarer schritt in richtung dikatur. doch so oder so, es fliessen milliarden durch das oelgeschaefft in das land, und vieles davon in den haushalt des ex-generals chavez."

Chávez ist nich ex-General... und es ist auch nicht sein Haushalt, sondern der Regierungshaushalt und da fleißen auch nur die Steuern rein, die PDVSA bezahlt, der Rest wird von PDVSA direkt in die verschiedenen "Missionen" investiert (Sozialkampagnen der Regierung").

"wieso unverhaeltnismaessig viel davon chavez alter heimat, dem militaer,"

Hast Du dazu Zahlen oder woher nimmst Du diese Gewissheit? Meinen Informationen nach ist der Militärhaushalt im Vergleich zu vorherigen Regierungen sogar gekürzt worden. Und "Spezialkassen" deren Ausgaben nicht belegt werden mussten, sind abgeschafft worden...
Abgegesehen davon ist Venezuela durch die Aktionen der Paramilitärs und Kolumbiens ja auch einer tatsächlichen militärischen Bedrohung ausgesetzt.

"warum regierungsmitglieder mit einem mal zu reichtuemern gelangen, warum sinnlose prestigeprojekte wie etwa riesige bolivar statuen oder bombastische paraden mit andernorts dringend benoetigten mitteln versorgt werden, das kann und will so mancher begeisterter chavista revolutionaer nicht beantworten. der vorwurf der breicherung kann kaum aus der welt geschafft werden. der vorwurf der korruption hingegen laesst sich, zumindest auf hoher regierungsebene, auch durch noch so viele kontrueierte reprotagen ehrgeiziger journalisten der privaten medinelandschaft nicht erhaerten."

Das mit den Reichtümern sollte doch auch nochmal erklärt werden... Korruption gibt es zumindest auf unteren und mittleren Ebenen immer noch viel. Chávez hat deren Bekämpfung bei der Ernennung des neuen Innenministers vor drei Wochen auch als zentrale Aufgabe benannt... die "riesigen Bolivarstatuen" habe ich nicht gesehen, kannst Du mir genau sagen wo sie denn stehen sollen?? Und auch die bombastischen Paraden sind
mir nicht aufgallen, wann soll das denn wo gewesen sein??

"das land ist do tief geteilt wie wohl seit den unhabhaengigkeitskaempfen nicht mehr."

Ja natürlich, es geht ja auch um was... das zeigt deutlich, dass ein Transformationsprozess stattfindet, ansonsten würde die Opposition nicht so reagieren... ich würde grundlegende ZWeifel an den Prozess hegen, wenn sich alle einig wären...

Auf viele weitere Ungenauigkeiten bin ich nicht weiter eingegangen... das wäre dann doch zu lang geworden...

Ich kann Dir nur empfehlen einige Deiner Bilder und Raster, die - sicher ungewollt und unbewusst - in rassistische und elitäre Muster abgleiten, sorgfältig zu überprüfen. Und Dir auch mal Gedanekn darüber zu machen wie viele Behauptungen und Denkmuster der Opposition und der Oberschichten Du in Deine Denkstrukturen übernimmst.

Gruß

naja,dario...

bolivar 03.10.2004 - 12:34
mit solchen einseitigen-ich wollte nicht sagen ´platten`-propaganda filmchen wie ´venezuela von unten`trägst du aber auch nicht viel zur wahrheitsfindung bei!!!

@Dario Azzellini

Lusmila 03.10.2004 - 15:05
Hola,
auch ich komme gerade aus Venezuela, meine Grosseltern leben dort.
Mir kommt die Stellungnahme von Dario sehr propagandistisch vor. Mehr so, als WOLLTE er, dass die Situation so ist.

Chavez ist extrem populistisch, benutzt nur Schlagwörter und bemüht Feindbilder aus Che Guevaras Zeiten. Die Anmerkung, dass die Befürworter und Gegener Chavez auch quer durch die "sozialen Reihen" gehen, kann ich nur bestätigen, wobei natürlich die Tendenz auch auszumachen ist. Von vielen wird aer auch davon gesprochen, dass Chavez-Gegner in Armenvierteln gemobt werden. Gilt aber auch für wohlhaendere viertel, und zwar umgekehrt. Die Wahlfälschungs-Vorwürfe wurden und werden wohl auch nie ausgeräumt werden.

Ich habe viele Deutsche und Europäer in Venzuela getroffen. Viele kamen mir vor wie blauäugige "Revolutionstouristen". Diese haben aber auch nur einen eingeschränkten Horizont und kommen mir vor wie sozialistische Romantiker. Wie damals in der DDR die Kader-Kinder und üerzeugten FDJler.

Ich hoffe, dass die Demokratie in Venezuela erhalten bleibt und dier Wirtschaft nicht in ein planwirtschaftliches System hineinschlittert.

Denkmuster der Oppositon

Hugo 03.10.2004 - 15:23
Dario schrieb:
> Und Dir auch mal Gedanekn darüber zu machen wie viele Behauptungen und >Denkmuster der Opposition und der Oberschichten Du in Deine Denkstrukturen >übernimmst

Ja und, ist das jetzt schlimm oder wie? Du haast ein merkwürdiges verhältnis zur Demokratie! Es ist ja nicht so, dass die Opposition nur Lügen erzählt, und Chavez der Wahrheitsverkünder ist. Viele Argumente von Oppositionellen, darunter auch gestandene Demokraten, Unternehmer, Volkswirte, aber auch "Mittelständler" und Akademiker sind nicht von der Hand zu weisen. Viele befürchten eine Diktatur nach kubanischem Vorbild, mit den bekannten drastischen Ergebnissen. Venezuelas Zukunft ist mit Chavez an der Spitze nicht nur rosarot.

Woher soll die Demokratie denn kommen ?

Alfons Kilad 03.10.2004 - 16:27
Ich kenne zwar nur wenig die Situation in Venezuela, dafür umso besser die in Kuba. Bei beiden Vorort-Berichten fällt mir nur auf, dass ein Bisschen idealistisch herangegangen wird.
Demokratische Strukturen kann ein Land nur dann aufbauen, wenn dafür auch die wirtschaftlichen und außenpolitischen Voraussetzungen existieren. Für Deutschland wäre ein Referendum, ob Schröder noch weiter Kanzler bleiben darf, nicht demokratisch (vgl. Grundgesetz). In Venezuela dagegen ist soetwas möglich.
Die äußere und innere Anfeindung solcherart Demokratie, zeigt doch, das nicht mehr Demokratie in Venezuela möglich ist. Wie auch? Wenn wirtschaftlicher Druck von allen Seiten ausgeübt wird? Übrig bleibt bestenfalls undemokatisch gerechtere Güterverteilung, welche natürlich ein Niveau hat, was unter den Vorstellungen von USA und auch Deutschland liegt, d.h. ein Teil der Bevölkerung immer geben sich nicht damit zu frieden, dass bestimmte Grundsicherungen existieren anstelle der ang. Chancen in den USA z.B.
Die im Beitrag angesprochenen Unruhen und die Unzufriedenheit, erscheint als noch zu geringe Eindeutigkeit bezüglich der Frage, was eigentlich gewollt ist. Vielmehr fordert nachwie vor ein Teil der Bevölkerung alles von der Regierung, die für Wohlstand und Demokratie allerdings gerade mehr entsprechende Unterstützung in der Bevölkerung benötigt.

KritikerInnen haben keine Argumente

Anna 03.10.2004 - 17:08
Also ich war auch schon in Venezuela und finde Dario hat sich hier sehr viel Mühe gegeben sachlich zu antworten und alles argumentativ auszuführen. Dafür ist recht auffällig, das alle die ihm antworten keinerlei Argumente anführen. Auch von "gestandenen Demokraten" in der Opposition zu reden finde ich doch sehr erstaunlich, wer soll das denn sein? Warum nennt ihr nichtmal ein paar Namen oder Argumente anstatt immer nur leer Behauptungen aufzustellen? Ich habe das Gefühl ier sind einige Rechte und Rechtsradikale am Werk, um Venezuela und den Prozess zu diffamieren. Warum werden sonst keine Beweise, Argumente etc. vorgelegt?? Warum wird auf eine ausführliche Argumentation nur mit Plattitüden geantwortet?

Den Film "Venezuela von unten" kann ich übrigens sehr sehr empfehlen. Er zeigt sehr klar was für ein Prozess sich in Venezuela abspielt und wie die Basis aussieht. Dabei vertritt er eine (innerlinke) kritische Perspektive. Daher glaube ich, dass die Kritik oben von rechts kommt, denn in dem Film wird sehr wohl eine linke Perspektive und Herangehensweise an den bolivarianischen Prozess eingenommen und es werden z.B. bürokratische Strukturen kritisiert.

Und die Aussage zu hoffen die Demokratie bleibe erhalten und es gehe nicht in eine Planwirtschaft ist ja wohl grenzenloser Schwachsinn. Zum einen ist die Demokratie heute viel weitreichender als jemals zuvor in Venezuela und zum anderen gibt es keine Anzeichen für eine "Planwirtschaft". Allerdings frage ich mich auch wo Du stehts, wenn Du den kapitalistischen Wildwuchs besser findest als eine geplante Wirtschaftsform....

Eindruck eines Laien

Iguana Twin 03.10.2004 - 18:46
Hallo Ihr Lieben,

Ich verfolge das Geschehen in Venezuela nur ab und zu am Rande und kenne mich daher in den Feinheiten nicht so aus. Für mich persönlich lesen sich sowohl Marcus' als auch Darios Bericht zunächst wie eine Mischung aus subjektivem Erleben, Gelesenem und Interpretation. Und meinem Eindruck nach möchte ich niemandem in diesem Thread in eine "rechte Ecke" stellen. Mir sind zwei Punkte wichtig zu bemerken:

1. Auch wenn ich kein Fan der Planwirtschaft bin, möchte ich doch der Gleichsetzung einer Planwirtschaft mit der Abschaffung der Demokratie bestreiten. Nehmen wir als Beispiel das Grundgesetz der BRD. Es ist nun sicherlich eine Ausdruckmöglichkeit des sogenannten "westlichen Demokratiemodells". Nichtsdestotrotz ist die Marktwirtschaft in diesem mit Bedacht nicht festgeschrieben, sondern sowohl markt- wie auch planwirtschaftliche Steuerung der Ökonomie sind mit ihm vereinbar.

Ich kann durchaus nachvollziehen, dass die bislang herrschenden Klassen ihre Besitzstände verteidigen und aus diesem Grunde jegliche Sozialisierung umkehren möchte (und dabei auch mal verschiedene Sachverhalte zusammenschmeißt, um die staatlichen Regulierungen als etwas Schlechtes darstellen zu können).

Ich kann aber auf der anderen Seite ebenso nachvollziehen, dass die unteren Klassen sich von vemehrter Demokratisierung auch bei der Gestaltung der Wirtschaft eine Verbesserung ihrer Lage verspricht. Die Dominanz transnationaler Konzerne in der Ökonomie hat ihnen ja nunmal in den letzten Jahrzehnten herzlich wenig gebracht... Oder liege ich da falsch?

Dazu hätte ich außerdem noch eine kleine Ergänzung zu machen: Wie Telepolis berichtete, wurde in Venezuela beschlossen, die Rechner sämtlicher öffentlichenr Verwaltungen von Microsoft Windows auf das freie Betriebssystem Linux umzustellen. Gleichzeitig soll der Zugang zum Internet mit fast 350 Gratis-Informationszentren sozialisiert werden. Begründet werde dies laut Telepolis mit der Unabhängigkeit von den "Besitzern der Betriebssysteme" und damit, dass geistiges Eigentum eine Falle sei, da Wissen allen gehöre. Ich muss gestehen, dass mir dieser Schritt alles andere als antidemokratisch vorkommt... ;-)

2. Spaßig finde ich die vorwurfsvolle Äußerung, bei den Verbesserungen, die für die armen Teile der Bevölkerung umgesetzt werden, ginge es nur um die Macht. Klar geht es um die Macht. Jegliches Handeln politischer Subjekte ist im Falle von Konkurrenz-Situationen auf die Erlangung von Macht ausgerichtet. Hat ein politisches Subjekt keine Macht, wie soll es dann gegenüber einem Subjekt mit anderer Interessenlage seine Programmatik durchsetzen?

Ob die "Speisung der Armen" zur Programmatik oder zur Taktik der Chavez-Regierung gehört, will ich nicht diskutieren. DASS diese Maßnahmen aber nun ganz objektiv den Armen in Venezuela eine Verbesserung ihrer Lage gebracht haben, ist doch ein von KEINER Seite bestrittener Fakt. Und da muss ich ehrlich gestehen, dass ich mich erstmal darüber FREUE, dass auch für diese Menschen mal was getan wird.

Im Übrigen gehörten diese Maßnahmen zu den programmatischen Versprechen Chavez'. Ist es denn nicht schön, endlich mal einen Politiker zu erleben, der sich um die Einhaltung seiner Versprechen bemüht? Ich denke, es wird sicherlich genügend Ansatzpunkte für Kritik an Chavez geben, da bin ich ja nicht so bewandert, aber der Versuch, ausgerechnet DIESEN PUNKT Chavez ankreiden zu wollen, finde ich (angesichts des Elends in den Favelas) einfach mal voll daneben.

Liebe Grüße,
Iguana Twin

Hasta ...

... Siempre 03.10.2004 - 19:34
Die Ergaenzung von Dario war hier bitter noetig.
Der Reisebericht von Marco macht mal wieder deutlich, warum eine fruchtbare Debatte ueber den Gang der Dinge in Venezuela in der BRD quasi nie zustande kommt.
Der Artikel von Marco krittelt naemlich wie die meisten derartigen "linken" bzw. "linksliberalen" Kritiken eigentlich nur an Chavez und seiner Dings-Partei herum.
In bester SZ-, FAZ- oder TAZ-Manier wird hier eine "Bewegung" einer Vielzahl von voellig unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Kraeften auf eine Partei bzw. sogar eine Person reduziert.
Marco versteht Politik scheinbar ausschließlich als die (berufliche) Monopoltaetigkeit "erwaehlter" (auserwaehlter?) Repraesentanten "des Volkes" bzw. eben "nicht des Volkes", die danach beurteilt werden, wie sie "IHRE Arbeit" verrichten.
Uns "Revolutionstouristen" geht es aber in erster Linie garnicht um Chavez und seine Dings-Partei sondern um die in der juengeren Geschichte der Welt (der Welt!) einzigartigen Basisorganisation der marginalisierten Teile einer Gesellschaft.
"Die venezuelanische Linke" ist nur zu einem Bruchteil in der Dings-Partei organisiert, die Mehrheit der AktivistInnen arbeitet in Stadtteilkomitees, Haeuserraeten, Landlosenkooperativen und eben in zig. verschiedenen politischen Gruppen, Parteichen und Initiativen.
Das besondere an der Situation in Venezuela ist zum einen der aussergewoehnlich hohe Zusammenhalt all dieser Gruppen und Grueppchen wenn es um die Verteidigung und den Ausbau ihrer in den letzten Jahren erkaempften sozialen Position geht. Auch die zahlenmaessige Staerke und die demokratischen Strukturen der "Bewegung" sind bemerkenswert.
Was aber das wichtigste ist: Die Komitees und Raete haben in Venezuela echte Mitgestaltungsmoeglichkeiten und -rechte bei der Bewirtschaftung der verkollektivierten (!) Haeuser und Laendereien. Dies verspricht nicht zuletzt die neue Verfassung.
Chavez ist fuer mich und die meisten anderen "Revolutionstouristen" nicht mehr als die Spitze des Eisbergs. Auch viele AktivistInnen in Venezuela sehen das so: "Chavez hin oder her, hier sind wir und hier bleiben wir" lautet ein Zitat aus dem oben genannten Film.
Die Kritik am "machthungrigen Presidente" geht mir daher gelinde gesagt am Arsch vorbei.
Im uebrigen kommt sie aber meist auch recht toelpelhaft daher.
Wenn naemlich Chavez wirklich so ein schlimmer Finger ist wie manch ein braver Sozialkundeschueler aus deutschen Landen waehnt, warum verbuendet er sich dann nicht mit den Oligarchen aus Industrie und Landwirtschaft um seinem Machtstreben eine solide Grundlage zu verschaffen? Warum sucht er das Buendnis mit den Habenichtsen? Warum stellt er sich einer Abstimmung nach der anderen? Warum initiert er eine verfassungsgebende Versammlung die die fortschrittlichste Verfassung der Neuzeit verabschiedet (z.b. wegen der basisdemokratische Elemente, wegen des Verbots der Patentierung von "Biodiversity" und tradiertem indigenem Wissen, der sozialversicherten Hausarbeit, des Rechts auf kostenlose Gesundheitsversorgung usw., usw., etc. und co.)?

Aber wie gesagt. Chavez hin oder her...

Hasta Siempre!




danke dario

marcus 03.10.2004 - 19:56
he dario,
deine ergaenzung zu meinem beitrag ist sehr interessant und informativ. ich ahbe mich bemueht, einfach wiederzugeben, was mir leute von beiden seiten erzaehlen, ohne mich dabei auf eine seite zu schlagen. denn dies steht mir meiner meinung nach als europaer nicht zu. was die vorgaenge zum putsch angeht, hab ich von beiden lagern immer nur behauptungen zu hoeren bekommen. was die wahlbezirke angeht, so hasst du dir zwei sehr klare und nicht unbedingt exemplarische herausgepickt. das die zustimmung fuer den praesidenten auch in den armen vierteln zurueckgeht, waehrend sie bei einigen reicheren steigt, laesst sich auf der seite eigentlicha ganz gut nachvollziehen, wenn man sich die umfragen der letzten jahre reinzieht. der besagte konflikt geht auf jene periode zurueck, in der von cuba aus revolutionaere gruppen auf den suedamerikansichen kontinent geschickt wurden, du weisst, che guevara in bolivien usw. meine bekannten auf den unis empfinden die situation alles andere als ruhig, in einigen hoersaelen sitzen die leute in richtigen bloecken, die sich ankeifen. ist fuer einen deutschen schon etwas merkwuerdig. auch die oppositionellen, die ich spreche, sind um einiges krasser drauf, als das letzte mal, das ich hier war. und als jemand, der sich bewusst einer meinung entzieht, faellt mir der populismus von chavez nun mal auf, wenn ich ihn taelich im fernsehen anschaue, wie er kleine kinder um sich schart, gruen gekleidete studenten, die nur nicken und klatschen sollen, und dabei urteilt, wer boese, wer gut ist. versteh mich nicht falsch, dies ist venezuela, ich weiss das die leute hier eine andere mentalitaet haben, und das die opposition kein deut besser ist. ich habe mit beiden lagern zu tun, und jeder will mich auf seine seite ziehen. drum ist alles, was ich tun werde, sammeln und reflektieren. schon moeglich, das ich mich durch die leute, die ich kenne und mich aufnehmen, nicht primaer in chavez kreisen verkehre, aber das waere ja auch nicht hilfreicher, um eine objektive meinung zu bekommen. auch du bist ja klar gepraegt worden in deiner zeit hier. ich glaube nicht, das ich durch meine gewollte distanz zu den argumenten auch der regierungstreuen meine anspruch, links zu sein, aufgebe. ich begeister und engagiere mich fuer die sozialen und libertaeren projekten in meiner heimatstadt, hamburg. dort kann ich leidenschaft aufbauen und ueber einiges hinwegsehen; doch das hier ist nunmal nicht mein kampf, und da es zu viele zweifel an chavez gibt werde ich mich nicht leichtfertig ins getuemmel der pro-contra argumentation werfen. das ist jetzt kein angriff auf dich, dario. du warst sicher mit anderen absicht hier als ich, und warst wahrscheinlich schon vorher sciher, was du von all dem zu halten hast. versteh es auch nicht als geringschaetzung deines guten beitrages, wenn ich nicht allen deiner argumente glauben schenken werde, das ist reiner selbstschutz bei all den einhaemmernden meinungen und sichtweisen. ich denke, jeder, der mal hier war, ist fasziniert von diesem land. in diesem sinne gruss zurueck an dich, dario

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