Links und Recht(s): Verlinkung und Folgen.

Maike Simoni 01.10.2004 04:28 Themen: Netactivism
Sind Links auf unerwünschte Seiten (immer) strafbar – oder kommt es auf den Kontext an? Mit dieser Frage wird sich das Amtsgericht Stuttgart am 7. Oktober 2004 beschäftigen müssen. Angeklagt ist der Netzkünstler, Online-Aktivist und ODEM.org-Gründer Alvar Freude.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, vorsätzlich bei der Verbreitung von nationalsozialistischen Propagandamitteln Hilfe geleistet zu haben: Durch Hyperlinks in der Dokumentation über die umstritteten Sperrverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf sowie in der Zensur-Satire FreedomFone.

In der Anklageschrift heißt es, ein Hyperlink sei gleichzusetzen mit einem »Zugänglichmachen in Täterschaft«. Zwei Fragen wird das Amtsgericht deshalb klären müssen:

1. Bedeuten Links in jedem Fall ein strafbares »Zugänglichmachen« beziehungsweise »Verbreiten«?

2. Und falls ja, ist es dann auch strafbar, wenn man Adressen von beispielsweise rechtsextremistischen Internetseiten in einer Dokumentation über das Zeitgeschehen oder einer Satire nennt?

Die Sperrverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf sind solche »Vorgänge des Zeitgeschehens«. Eine Dokumentation über diese Vorgänge kann nicht vollständig sein, wenn man die betreffenden Webseiten nicht nennen darf.

Ursache für das Verfahren ist eine Strafanzeige der Düsseldorfer Bezirksregierung: Die Anti-Zensur-Satire FreedomFone sei dazu da, Zugang zu illegalen Inhalten zu vermitteln.

In einem Gespräch mit dem Journalisten Mario Sixtus behauptete der für die Sperrverfügungen zuständige Regierungsdirektor Jürgen Schütte gar, auf der Website von ODEM.org würde »übelster Menschen verachtender Nazi-Schund« verbreitet werden: »Es geht nicht um Links, [...] Herr Freude hat diese illegalen Inhalte in seine Seite [...] eingearbeitet. Wenn man seine Seite aufruft, erscheint direkt dieser Nazi-Schund.«

Weder bei ODEM.org noch bei FreedomFone waren allerdings jemals die genannten Inhalte eingearbeitet. Im Prozeß gegen Alvar Freude wird das Amtsgericht vermutlich noch mit weiteren solchen Fehleinschätzungen und Mißverständnissen konfrontiert werden – sie betreffen nicht nur Freudes Projekte, sie betreffen das ganze Internet.
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Ergänzungen

Web-Blaster

elfboi 01.10.2004 - 19:47
Ähnliche Vorwürfe gab es auch einmal wegen der Web-Blaster-Funktion des Assoziations-Blasters (www.assoziations-blaster.de). Der Web-Blaster ist ein Script, welches eine beliebige fremde Webseite "verblastet", d.h. jedes auf dieser Seite vorkommende Wort, welches bereits im Assoziations-Blaster existiert, zu einem Blaster-Link macht. Nun wurde Alvar vorgeworfen, er habe auf diese Weise gesperrte Inhalte (genauer gesagt, "radikal", es ging damals um Anschläge auf Bahntransporte) zugänglich gemacht, was so nicht stimmte...