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E.Benes 19.09.2004 15:26 Themen: Antifa
Hier ein paar Fotoimpressionen der Gegenkundgebung gegen den gestrigen "Tag der Heimat" in Karlsruhe. Ebenso eine Dokumentation des Redebeitrags der ag[z.o.r.a.]. Ein kurzer Bericht findet sich unter der unten angegebenen Adresse
Dokumentation des gestrigen Redebeitrags :

Deutsche Täter sind keine Opfer!

"Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten beraten und erkennen, daß die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muß. Sie stimmen darin überein, daß jede derartige Überführung die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll." (Potsdamer Abkommen Artikel XIII)

Während es beim letzten „Tag der Heimat“, aufgrund der Einladung des überzeugten Naziblutrichters Hans Filbinger zu Protesten linker Gruppen (VVN, DGB) kam, scheint dieses Jahr an diesem Treiben kaum jemand Anstoß nehmen zu wollen. Wir halten es jedoch für wichtig und notwendig gegen dieses Treffen von Altnazis, Reaktionären und sonstigen Revanchisten zu protestieren, auch wenn keine Naziprominenz anwesend ist.

Veranstalter dieses Treffens ist der „Bund der Vertriebenen“ (BdV), dieser wurde nach 1945 maßgeblich von ehemals führenden Nazis aufgebaut und geleitet. So z.B. Frank Seiboth (ehemaliger Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft), der eine passable NS-Karriere vorweisen kann : SS-Hauptsturmführer, Gauhauptstellenleiter, Gauschulungsleiter, HJ-Gebietsführer im Sudetenland und Mitglied der NSDAP-Gauleitung Reichenberg (Liberec) – oder auch z.B. der erste BdV-Präsident Dr. Hans Krüger, Blut- und Sonderrichter während des 3. Reiches, Spezialist bei der Durchsetzung der faschistischen Ausrottungspolitik, der u.a. 6 Millionen polnische Bürger zum Opfer fielen; ebenso war er NSDAP-Ortsgruppenleiter und Richter im okkupierten Konitz, dies bereits kurze Zeit nach dem Überfall Deutschlands auf Polen.

Wer denkt und hofft das sich das Problem BdV von alleine, aus biologischen Gründen, löst liegt damit leider falsch. Die Organisation hat keine Nachwuchsprobleme. Die Lücken die der Tod von damals Dabeigewesenen hinterlässt wird aufgefüllt von sogenannten „Bekenntnisvertriebenen“, die zu jung waren um umgesiedelt worden zu sein, sich aber dennoch als „Vertriebene“ fühlen. Auch in der Satzung der Sudetendeutschen Landsmannschaft wird dies im §4 ausgeführt :
„ [...]2. Als Sudetendeutscher gilt ein Deutscher, der von mindestens einem Eltern- oder Großelternteil, der Sudetendeutscher ist, abstammt oder mit einem Ehegatten, der Sudetendeutscher ist oder als Sudetendeutscher gilt, verheiratet ist. [...]
4. Einem Sudetendeutschen gleichgestellt ist auch ein Deutscher, der den Zweck der Sudetendeutschen Landsmannschaft (§3) bejaht und seine Verbundenheit mit der sudetendeutschen Volksgruppe durch den Erwerb der Mitgliedschaft der Sudetendeutschen Landsmannschaft bekundet."

Zentraler Bestandteil ist dabei das von Vertriebenverbänden formulierte „Menschenrecht auf Heimat“, dieses leitet sich aus der deutsch-völkischen „Blut- und Bodenideologie“ ab. Die Vertreibung wird hiermit – wie auch die Bombardierung deutscher Städte im 2. Weltkrieg – zum kollektiven und damit identitätsstiftenden Trauma der Deutschen. Ebenso wie bei der Bombardierung fühlen sie sich als die wahren Opfer des 2.Weltkrieges und nicht als das was sie waren : als Täter.

Exemplarischen wollen wir hier das sogenannte Sudetenland betrachten – Prototyp eines deutschen Mustergaus :
Bereits im Oktober / November 1918 begann die deutsch-völkische Wühlarbeit der Sudetendeutschen mit dem Ziel die Stabilisierung der Tschechoslowakischen Republik zu verhindern und Teil eines „Großdeutschlands“ zu werden. Dieses Bestreben gipfelte 1937 in der Forderung nach Anschluss an das deutsche Reich. Konrad Henlein, Führer der Sudetendeutschen Partei, erarbeitete mit deutschen Nazigrößen ein Eskalationsprogramm, nach dem unannehmbare Forderungen an die tschechoslowakische Regierung gestellt werden sollten, während gleichzeitig bewaffnete Konflikte provoziert werden sollten – bei den Kommunalwahlen 1938 erreichte Henleins Nazipartei über 91% der sudetendeutschen Stimmen. Am 21.September 1938 gab die tschechoslowakische Regierung den deutschen Forderungen nach und trat die Sudetengebiete an das deutsche Reich ab. Es wurde der „Reichsgau Sudetenland“ geschaffen, daraufhin kam es zur Vertreibung der tschechischen und jüdische Bevölkerung, begleitet von volksfestartigen Freudenausbrüchen bei den Sudetendeutschen – bei den Ergänzungswahlen zum deutschen Reichstag am 4. Dezember erhielt im Sudetenland die NSDAP 99% der Stimmen.

Somit leisteten die Sudetendeutschen einen Vorschub für die während des 2. Weltkrieges stattfindende „Germanisierung“ bei der über 250000 tschechoslowakische Staatsbürger ermordet wurden. Diese „Germanisierung“ sollte, wie es in einem Memorandum des deutschen Auswärtigen Amtes ausgeführt wird, zufolge haben dass:
„Die tschechische Kultur insgesamt, die ganze tschechische Ideologie ebenso wie die tschechische Sprache müssen langsam, aber systematisch zurückgedrängt und zum Verschwinden gebracht werden."
Spätestens seit 1943 setzte sich auch bei den Alliierten die Auffassung durch, dass eine Umsiedlung der deutschen Täter notwendig ist, wenn die tschechoslowakische Republik kein zweites Mal durch die deutsch-völkische Wühlarbeit destabilisiert werden sollte; da, wie die Geschichte gezeigt hatte, der deutsche Bevölkerungsanteil nicht willens gewesen ist mit anderen Menschen friedlich zusammenzuleben. Dieser Gedanke fand seine Niederschlag am 2. August 1945 im Artikel XIII des Potsdamer Abkommens. Die Benes-Dekrete enthalten die Ausführungsbestimmungen des Potsdamer Abkommens in dieser Thematik. Von den insgesamt 143 Dekreten betreffen 10 den Umgang mit Deutschen. Ausdrücklich ausgenommen von den Umsiedlungsmaßnahmen sind in den Benes-Dekreten : AntifaschistInnen, Opfer des Nationalsozialismus und VerteidigerInnen der Republik.
Die Benes-Dekrete sind somit eine antifaschistische Selbstverteidigungsmaßnahme der tschechoslowakischen Republik gewesen, um damit den tschechoslowakischen Staat und seine Bürger zu schützen.

Der BdV hingegen versucht die Umsiedlung der Deutschen aus ihrem Kontext zu reißen und diese als Verbrechen an der Menschheit anzuprangern. Gerne wird hierbei der Vergleich mit der Shoah, der systematischen Ermordung von 6 Millionen Juden und Jüdinnen, gezogen. So entblödete sich die derzeitige Vorsitzende des BdV und CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach nicht, zum Thema „Zentrum gegen Vertreibung“, das sie gerne in der Nähe des Holocaustdenkmals in Berlin sehen würde, sich wie folgt zu äußern : „Im Grunde genommen ergänzen sich die Themen Juden und Vertriebene. Dieser entmenschte Rassismus hier wie dort, der soll auch Thema unseres Zentrums sein.“
Aggressiv wird sich in die Rolle des wahren Opfers gedrängt ob als „Vertriebener“ oder als „Opfer des angloamerikanischen Bombenholocaust“. Die historischen deutschen Verbrechen entdecken die Deutschen plötzlich überall auf der Welt seien es KZs in Jugoslawien oder einen „Vernichtungskrieg“ durch Israel.

Gegen diese Versuche der Entsorgung bzw. Entkontextualisierung der spezifisch deutschen Geschichte wehren wir uns. Die Umsiedlung der deutschen Täter war richtig und vor allem notwendig, auch deshalb weil es den Opfern der deutschen Barbarei nicht zuzumuten ist, mit ihren ehemaligen Henkern und Peinigern weiterhin zusammen zu leben.

Gegen jeden deutschen Opfermythos!
Nie wieder (Gross)deutschland!
Nie wieder Heimat!

Links zum Thema:
www.feindesland.tk
 http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Themen/Revanchismus/nwh/inhalt.html

ag [z.o.r.a.]  ag.zora@gmx.net

V.i.S.d.P. E.Benes Weg des Abkommens 20845 Potsdam
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Ergänzungen

schön

bomberharris 20.09.2004 - 00:37
Schön, dass sich auch in Karlsruhe Widerstand gegen die revisionistischen Bestrebungen regt.
Wir sind zwar Wenige, aber werden wieder mehr!
Grüße an euch alle!

30. oktober frankfurt !

agitpopper 20.09.2004 - 17:50
demo in frankfurt! unter dem motto "redefine resistance - die autoritäre formierung durchbrechen" sollen geschichtsrevisionismus, sicherheiswahn und sozialabbau in ihrem gesellschaftlichen zusammenhang thematisiert werden. die zunehmend autoritäre tendenz der gesellschaftlichen entwicklung darf nicht länger in ihre einzelteile zerlegt werden, sondern muss als ganzes angegriffen werden.
deshalb, am 30. oktober nach frankfurt kommen, beginn 14h am merianplatz mit konzert!

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