Bremen Montagsproteste

Max Hilse 17.09.2004 21:33 Themen: Soziale Kämpfe
Vom Ende der Bewegung in Bremen/ Was können wir dennoch tun ?
Moin allerseits,

Schon die letzten Male zeichnete es sich ab: Die sog. "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) versucht massiv, die Montagsproteste zu übernehmen. Die Montagsproteste in Bremen starteten aber gar nicht von der WASG, sondern vom Bündnis gegen Sozialkahlschlag, an welchem unterschiedliche Gruppen und Einzelpersonen beteiligt sind. Die WASG trieb es erst auf die Straße, als die Bewegung bereits entstanden war. Und das ist ja generell nichts neues, dass Zentralgewerkschaften und Parteien immer erst tätig werden, wenn die Basis schon aktiv geworden ist. Die WASG ist wie die Zentralgewerkschaften auch, eine sozialdemokratische Organisation, welche die Proteste nicht fördern will, sondern vor nichts mehr Angst hat, als dass Betroffene sich selber organisieren und selbständig ohne Stellvertreter agieren. Der soziale Protest wird hierbei immer auf die politische Ebene gehieft. Statt Klassenkampf in den Betrieben soll Druck auf die Parteien ausgeübt werden. Dabei wissen wir doch, dass die Parteien und ihre Vertreter nur das befolgen, was die Wirtschaft ihnen vorgibt und nicht das, was wir wollen. WASG und Zentralgewerkschaften (nun wohl verdi) sind sich darin einig, die Proteste möglichst schnell unter ihre Kontrolle zu bekommen, um dann in ihrem Namen verhandeln zu können - zu Lasten der Betroffenen natürlich. Wir erinnern uns noch sehr genau an die schändlichen Tarifverhandlungen der IG- Metall in Ostdeutschland.
Parteien und Zentralgewerkschaften sind die Vorposten der Wirtschaftselite. Sie spielen dabei die "Guten", denen wir vertrauen sollen, an die wir unsere Wut und Energie delegieren sollen, weil wir uns zu schwach fühlen oder einfach nicht das Selbstvertrauen haben.

Wer aber die Lösung seiner Probleme an Institutionen wegdelegiert, wird zum Spielball IHRER Interessen. Ihr Ziel ist IHR Machterhalt, nicht die Lösung unserer Probleme.

Um unsere Angelegenheiten müssen wir uns daher selber kümmern, das macht niemand, außer wir selber. Dabei sollten wir uns auch organisieren, aber niemals unsere Macht an andere wegdelegieren. Föderalistische Organisation tut gut, den zentralistischen Strukturen von Parteien und herrschenden Gewerkschaften sollten wir nicht nur mißtrauen, sondern ihnen auch entgegentreten, statt uns von ihnen verarschen lassen.

Auf deren Unterstützungsangebote sollten wir mit Erich Kästner antworten:

"Nie dürfen wir so tief sinken, von dem Kakao, durch den man uns zieht, auch noch zu trinken."

Der Protest in Bremen wird jetzt durch das Wegdelegieren an Verdi und DGB (Ziegert) in die falschen Hände kanalisiert, in die Hände, die uns schon so oft verschaukelten. Der Protest wird "gedeckelt", eingedämmt und schließlich erstickt werden. Die Selbstbestimmung weicht der indoktrination der Partei- und ZentralgewerkschaftsrednerInnen - immer aggressiver reißt dabei die WASG die Initiative an sich mit zahlreichen gut getimten Wortmeldungen am "offenen Mikrophon", langen Vorträgen und taktisch gut inszenierten "Resolutionen" an die "Politik". Geschickt verstehen sie es dabei, mit viel plumper und undifferenzierter Stimmungsmache, viele "Ja- Stimmen" zu erheischen. Wer stimmt anschließend schon gegen eine bereits angeheizte "Ja- jubelnde- Menge". Nur noch diejenigen, welche dieses Politikantenspielchen durchschauen. Das waren in Bremen nicht mal eine Handvoll von 400 Menschen.
Die Proteste haben somit keine kämpferischen und selbstbewußten Charakter, sondern lediglich einen appellativen: "Bitte, bitte ihr Politiker, seid doch wieder gut zu uns."
Als die deutsche Nationalversammlung infolge der Revolution 1849 dem König demütig ihre Anliegen vortrug, ließ dieser die Protestierenten Politikanten der Nationalversammlung niederkartätschen, während diejenigen, die tatsächlich kämpften, von König und Nationalversammlung gleichermaßen bekämpft wurden - dieses Prinzip zieht sich durch die ganze Geschichte bis heute mit dem Unterschied, dass heute die Sozialdemokratie mit den Wirtschaftsbosse sogar regelrecht verwachsen ist.

Was die WASG macht, ist auch nicht neu. Sie ist eine sozialdemokratische Abspaltung von ihrer Mutterpartei, der SPD. Sie hat dabei die die Aufgabe, frustrierte und enttäuschte Mitglieder letztlich wieder ins Parteiboot zurückzuholen. Dabei treten sie wie gewohnt verbalradikal auf, polemisieren sich in die Herzen der Verzweifelten, beruhigen sie und werden dann in eingien Monaten oder Jahren wieder mit der SPD fusionieren oder als eigene Partei das selbe bittere Spielchen mit uns treiben, wie die alte SPD.
Das gab es schon mal und zwar während des Elends der Weltkriegs- und Nachkriegjahre von 1917 bis 1922 in Form der "Unabhängigen sozialdemokratischen Partei Deutschlands" (USPD). Diese bildete sich aufgrund der Proteste gegen die kriegsbefürwortende SPD, nicht, um Elend und Hunger zu beenden, sondern um die Proteste wieder in parteipolitische Bahnen zu lenken. Sie bekämpfte jeden selbstorganisierten Ansatz von Betroffenen, sich von ihren Peinigern aus Wirtschaft, Militär und Politik zu befreien. Sie trat dabei so verbalradikal auf, wie heute die WASG, sie beherzigte dabei genau die intriganten Politikspielchen, wie heute die WASG, sie versuchte sich genau so über die Betroffenen zu stellen und sie schließlich zu bevormunden, wie heute die WASG.

Die WASG wird diejenigen, die an sie glauben, genauso wieder an die herrschenden Verhältnisse ausliefern, wie es damals die USPD tat.

Meiner Meinung nach hat die Sozialdemokratie ausgedient, wie sie sich auch präsentiert: als Zentralgewerkschaft (Verdi, IG- Metall...), als "Wahlalternative" (WASG), als kommunistische Partei - generell als zentralistische Organisation.


Ein effektiver und langer, kontinuierlicher Widerstand ist nur möglich, wenn wir, von den Sozialkürzungen betroffene, uns eigenständig selber organisieren und uns nicht von den oben beschriebenen Politikanten verunsichern lassen.

Eine Möglichkeit hierzu bietet die föderalistisch organisierte "Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union" (FAU-IAA), die in Deutschland in allen Bundesländern vertreten und auch international in der "Internationalen Arbeiter- Assoziation" (IAA) organisiert ist, da wir denken, dass gegen die international agierende Wirtschaft eine internationale Vereinigung der Betroffenen erforderlich ist, damit sich die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht gegeneinander ausspielen lassen (wie aktuell bei Daimler- Chrysler). Wir setzen auf gegenseitige Hilfe und Solidarität, statt auf Stellvertreterpolitik und Kuhhandel.

Schaut auf unsere Seite www.fau.org


Und laßt euch nicht unterkriegen !


Max Hilse

(Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union Bremen - FAU- IAA)




Freiheit existiert nur dort, wo sie vom Geiste persönlicher Verantwortung getragen wird. (Rudolf Rocker)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

schiefe historische analogie

der nestscheißer 18.09.2004 - 01:15
die linke mehrheit der uspd vereinigte sich 1920 mit der kpd (spartakusbund) zur vkpd, später kpd, welche zumindest bis 1925/26 eine revolutionäre partei war, derartige tendenzen sind bei der wasg nun wirklich nicht zu beobachten, der laden ist nicht mal reformistisch (wenn mensch von den dort entrismus betreibenden linksruckis einmal absieht ;-}), da sie ja nicht mit reformen den kapitalismus überwinden will, sondern sich in diesem behaglich einrichten möchte. ansonsten trat die uspd gerade 1917/18 nicht verbalradikal auf sondern war in der tat radikal, so bei den berliner munitionsarbeiter/innenstreiks, uspd-mitglieder spielten 1918 auch eine initiative rolle in der bewegung der "revolutionären obleute". aber offenbar bist du der meinung, die uspd sei nur von spd & ohl gegründet worden, um radikalisierte arbeiter/innen vom eintritt in die fvdg abzuhalten, oder ... ;-}, nach 1922 bestanden übrigens noch restbestände der uspd um georg ledebour und theodor liebknecht (bruder von karl) weiter, welche 1931 in der linkssozialistischen sapd aufgingen

viel Meinung, wenig Info

Der Saarländische Zapata 18.09.2004 - 01:29
Hallo Max,

diesen Beitrag finde weder hilfreich noch interessant. Du beschreibst nicht genau, was die WASG in Bremen gemacht hat, sondern kommst gleich mit Deinen Schlussfolgerungen daher, die in einem Lob auf Deine eigene Gruppierung enden. Es dient der Transparenz, dass Du sie nennst. Ich bin neugierig Deinem Link auf FAU.org gefolgt, und was empfängt mich da? Geschimpfe auf "Gruppierungen wie PDS, attac, ver.di, SAV, MLPD etc.". Ist die FAU darauf spezialisiert, gegen alle anderen zu wettern, die ebenfalls gegen Sozialabbau protestieren? Dann verstehe ich, dass nur wenige mit Euch stimmen. Du schriebst dazu:
"Das waren in Bremen nicht mal eine Handvoll von 400 Menschen."
Da fehlt mir die Information, in welchem Rahmen so große Abstimmungen stattfinden. Etwa während der Demo? Auf der Abschlusskundgebung? Das kann ja nicht gut gehen. Bevor man über etwas abstimmt, muss der Antrag allen bekannt sein, und alle müssen die Gelegenheit gehabt haben, sich über die Hintergründe zu informieren. Das ist inmitten einer Demo unmöglich.

Ich setze keine großen Hoffnungen in die WASG allgemein, aber als einer von ca. 20 Montagsdemo-Bündnispartnern im Saarland hat sie sich bisher fair verhalten, wenn auch manchmal offensichtlich war, dass ihre Vertreter noch nicht viel Erfahrung mit basisdemokratischer Bündnisarbeit haben.

Entgegen Deiner Aussage, es gebe in jedem Bundesland FAU-Gruppierungen, gibt es im Saarland übrigens keine (laut der Liste auf FAU.org), und ich glaube nicht, dass ich eine gründen werde.

So. Jetzt fühl Dich nicht angegriffen, sondern schreib einfach beim nächsten Mal einen besseren Beitrag, OK? :-)

Zapata

Ich bin selber in der Fau...

Fauista 18.09.2004 - 02:04
und ärgere mich mächtig über diesen Artikel. Muss er, obwohl er viel wahres schreibt, in einer Werbung für die Fau münden. Ist Indymedia das richtige Medium für diese Selbstbeweihräucherung? Schreibt doch bitte demnächst Berichte und Kommentare ohne Verlinkung mit fau.org.

Und in Berlin?

Bla 18.09.2004 - 03:43
Da spalten mal Wahlalternative, mal MLPD. Derzeit Letztere. Weder Wahlalternative noch MLPD haben die Proteste initiiert. Dennoch zanken sie darum, wer die Bewegung besitzen darf.
Scheiß Funktionäre. Geht ihnen nur um Macht.

nicht alle über einen Kamm scheren...

Montagsmensch 18.09.2004 - 04:48
Bei uns (kleine Provinzstadt im Süden) klappt die Zusammenarbeit auch mit der Wahlalternative recht gut. Sie verbreiten unseren Aufruf, kommen am Montag immer usw, sind gute Leute die auch mal was ändern wollen - in unserem "schönen" Land. Anderswo mag das anders sein. Ein bischen weniger pauschalieren bitte. Es gibt überall einen Haufen gute Leute die relativ problemlos zusammenarbeiten. Hart in der Sache diskutieren, aber weniger persönliche Beschimpfungen. Es gibt keine allein selig machende Religion.
Apropo, unser Termin ist der 3.10. aber wir wüschen uns, das Berlin an beiden Tagen dicht ist!

@bla

Peter Lustig 18.09.2004 - 09:28
Welches Berlin meinst Du? Hier gibts keine Abordnung der WASG auf den Demos, sondern zwei Bündnisse. Und die FAU Berlin ist wohl in dem von PDS, Studis, verdi sehr engagiert.

hier die Auflistung:

"attac, FAU, Atnifa, Vertreter von Studentengruppen, BALZ, GEW-Mitgl., verdi-Anhänger, PDS-Basisler, Grüne mit ausgetretenen Bürgerheinis, Massenmedien, Regierungsvertreter (weil es am 3.10 ja dann doch ungemütlich wäre vorm Brandenburger Tor mit Glühwein und sich schlechter feiern ließe) 2.10


%crash

MLPD, GEW-Mtgl., IG-Metall-Vertreter, berlin-türkischer MigrantINNENverband, Bürgerheinis, rechte Gruppen, 3.10 "

 http://www.de.indymedia.org/2004/09/93914.shtml

Nur von AllesFürAlle Berlin ist bekannt, dass sie keines der beiden Daten preferieren werden und an beiden Tagen demokratisch auftreten wollen, besonders am Sekt- und Glühweintag...

Oh, je....

Fauista 18.09.2004 - 09:52
Der Text ist auch noch ein Crossposting aus der Direkten Aktion und hat im Grunde nichts auf der Startseite verloren. Liebe GenossInnnen, bitte übertreibt es nicht mit der Eigenwerbung. Was mich an einigen Ortsgruppen an der Fau stört, ist eine gewisse Selbstherrlichkeit. Da wird dann das revolutionäre Subjekt der Arbeiter, die Arbeiterin verklärt dargestellt, ganz als ob es die Bildzeitung, als ArbeiterInnenbildungsintitution, hirnverblödende Medien oder den Einfluss rechtsextremer Rattenfänger auf die Arbeiterschaft nicht geben würde. Eine anarchosyndikalistische Organisation sollte jedoch mehr Anspruch haben, als zu erreichen, dass Lohnabhängige, in einem reichsten Land der Erde, sich selbst organisieren und ihre Pfründe retten.

Zudem sollte es die FAU nicht mit der Arroganz gegenüber anderen aktiven Gruppen übertreiben. Es langt völlig aus, mit sachlichen Argumenten, die Voteile des Anarchismus aufzuzeigen. Arroganz, billige Polemik oder einfach nur "Gedisse" sind fehl am Platze. Wichtiger als sich immer wieder auf die Geschichte der Sozialdemokratie zu berufen, ist die Beschreibung des Hier und Jetzt. Denn auch die eigentliche Geschichte der FAU ist nicht immer ruhmreich. Sehr viele Fau-Mitglieder haben sich in der NS Zeit von ihren Idealen losgesagt und sind mitgeschwommen in der braunen Masse. Einige haben den Nationalsozialismus weiter bekämpft. Es bringt also nichts, immer nur auf die Geschichte der Anderen zu werweisen....

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 2 Kommentare

Tröste Dich

hanswurst 17.09.2004 - 22:34
damit: Deine GenossInnen aus Berlin "trieb es [auch] erst auf die Straße, als die Bewegung bereits entstanden war". Und dann haben sie die Scheiße erfolgreich zerschossen oder im Links-Slang "gespalten". Das war auch das Ziel, denn Antideutsche, Zionisten und nationalistische Antirassisten stehen nun mal allen "Massen- und Volksveranstaltungen" extrem missträusch und ablehnerisch gegenüber. Na vielleicht hat die FAU Bremen mehr Grips in der Birne als die Stumpfnasen in Berlin und anderswo...

Wo bitte gehts zum Strand

Bernhard Koch 18.09.2004 - 12:39
Ich stimme dem zu wenn hier gesagt wird Eigenwerbung hat bei indymedia nichts zu suchen. Stimmt. In diesen Sinne hat der Genosse den Artikel übertrieben. Aber anderseits hat die WSAG ihre Eigenwebung vorher reingesetzt und versucht damit sich als Haupttreiber der Bewegung in Bremen darzustellen. Und das kann ich auch nicht gutheißen. Fakt ist, dass seit die WSAG in dem Bündnis gegen Sozialkahlschlag mitmacht, die Beschlüsse die im Bündnis gemacht werden von der WSAG ignoriert werden. Fakt ist auch, dass die WSAG versucht duch ihr Verhalten basisdemokratische Gruppen als Spinner(innen) abzutun. Als Konsequens sind in dem Bremer Bündnis fast alle basisdemokratischen Gruppen weggeblieben. Ok, das Verhalten der Kleinstpateien hat auch dafür gesorgt aber das wäre nen andere Diskussion.