Wendebecken-Demo abends

Kuno K 09.09.2004 02:55 Themen: Freiräume Repression
Etwa 800 - 1000 Personen demonstrierten laut, schnell und kraftvoll gegen die heute morgen erfolgte Räumung des Wagenplatzes Wendebecken.
Eine Halbe Stunde, bevor sich die übers Internet angekündigte Demo am Schulterblatt vor der Roten Flora sammelte, fuhr die Hamburger Polizei anscheinend noch einmal alles an Einsatzkräften auf, was unter der Berücksichtigung überzogener Gleitzeitkonten zu bekommen war. Egal, von welcher Seite man sich dem Schulterblatt näherte: man wurde empfangen von Hundertschaften Polizei, Wasserwerfern und schwerem Räumgerät. Sogar im Florapark war eine Einheit postiert. Die Botschaft war klar: hier wurde nicht auf Eskalation, sondern auf Einschüchterung gesetzt. Etwas anderes als bloßes Laufen und Parolen Rufen sollte durch reine Präsenz unterbunden werden. Vielleicht hatte die Einsatzleitung ja noch die brennenden Barrikaden am Abend des Schanzenfestes vorletzten Samstag im Kopf?

Während die Piazzagäste noch einen Caffe Latte bestellten oder einen kleinen Apertítif, kamen immer neue Grüppchen hinzu und standen vor der Flora. Schließlich erschien – unter lautem Beifall – der Bambule-Wagen mit der Soundanlage an Bord.
Während einige sich um die Absprache mit der Polizei kümmerten, installierten andere die Beschallungsanlage auf dem Dach.

Etwa eine halbe Stunde dauerte es, dann genehmigte die Polizei eine Demonstration unter den üblichen Auflagen ( Demonstrationsteilnehmer dürfen nicht springen und laufen (-innen wurden von dieser Vorschrift jedoch ausgeklammert), Seitentransparente nicht mehr als 1,50 m lang usw.).
As Route wurde eine Runde um das Heiligengeistfeld vorgesehen: Budapester Strasse bis zum Millerntor, links in die Glacischaussee, dann über die Feldstrasse und Stresemannstrasse – Max-Brauer-Allee zum Bahnhof Sternschanze.

Zu Beginn wurde vom Lautsprecherwagen aus eine kleine Zusammenfassung des heutige Tages gegeben. Außerdem wurde erzählt, daß mittlerweile alle bekannten festgenommenen wieder auf freiem Fuße seien und zum größten Teil auch hier auf der Demo. Dann ging es los, laut, schnell und kraftvoll, so wie die Leute vom Lautsprecherwagen es sich gewünscht hatten.. zu beiden Seiten ein dichtes Polizeispalier, das sich jedoch anscheinend einigermaßen zurückhalten sollte und dies auc weitgehend tat. Strassen, die die Demo nicht nehmen sollte, waren mit Wasserwerfern und Polizeiketten mit Schilden blockiert.

Es wurden die üblichen Parolen gerufen, „....für mehr Bauwagenplätze“, und auch sonst viel Lärm gemacht, mit Blechdosen, Rasseln und Pfeifen. Die „Bambule!-“ Rufe waren wieder da, und die Stimmung innerhalb der Demo war größtenteils sehr entschlossen und verbunden.

Am Millerntor gab es einen kleinen Zwischenstop, danach ging es am Platz der Fliegenden Bauten vorbei, wo die Demo auf ein Grüppchen überraschter Theatergäste traf. Hier legte sie auch einen kurzen Sprint ein, was wiederum zu einem Stop führte und der Durchsage der Polizei, man solle sich doch bitte an die vereinbarten Regeln halten, da die Demo sonst aufgelöst werden müsse, und man sei jetzt ermahnt worden.

Dies hatte bei den Demoteilnehmern anscheinend gewirkt. Fortan wurden die Sprints nur noch simuliert, was genauso viel Spaß brachte.

Am Sternschanzen-Bahnhof wurde die Demo von einem halbkreisförmigen Polizeikessel in Empfang genommen und von den Anmeldern sofort aufgelöst. Es war ja bisher alles absolut friedlich verlaufen, aber viele hatten sich durch die massive Polizeipräsenz in ihrer Handlungsfreiheit anscheinend eingeschränkt gefühlt. Jedenfalls versickerte die Demo unter Geböllere und Leuchtkugelschießen zíelstrebig im Schanzenpark, was zu hektischen und ein wenig unkoordindiert wirkenden Reaktionen seitens der Polizei führte.
Die Demo hat sich dann wohl spontan in Kleingrüppchen zerstreut, die jetzt irgendwo in der Stadt ihr Unwesen treiben.

Wenn es Udo Nagels (=Innensenator) Taktik war, die Demo durch massive Polizeipräsenz einzuschüchtern, um Ole von Beust als jemanden darzustellen, der hart aber gerecht durchgreift und unerbittlich seiner Linie treu bleibt und sowieso alles im Griff hat, dann muß er sich jetzt wohl zumindest für diesen Abend eingestehen, daß seine Taktik nicht aufgegangen ist. Ohnehin ist es eine extrem teure Taktik, und das Geld soll doch eigentlich in Prestgeobjekte wie Messeerweiterung, Militärmuseum oder HafenCity gesteckt werden. Die Gewerkschaft der Polizei hat ja selbst vor ein paar Tagen mit über 4000 Beamten gegen die unerträglichen Arbeitsbedingungen, bei einem Hungerlohn von 6000,- brutto, demonstriert, und sich bei dieser Demo gleich noch ein paar linke Klassiker angeeignet („Nagel in die Elbe...“)

Sollten die Proteste sich in dieser Form also über einen gewissen Zeitraum fortsetzen, werden sich sicherlich viele Hamburger fragen, warum von Beust die Auseinandersetzung mit der „Henriette“ direkt nach der Wahl so elegant lösen konnte (nämlich durch Vertragsverlängerung), aber für eine Handvoll Wendebeckenbewohner Millionen an Steuergelder zum Fenster hinauswirft. Anstatt sich den Ersatzplatz von einem privaten Investor zahlen zu lassen (wie es angeblich Hr. Kretschmer, der auch schon die Rote Flora erstand, angeboten hatte). Auf Schill kann er es jetzt ja kaum mehr schieben..
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Ergänzungen

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oooOOOoooOOOoooOOOoooOOOooooooOOOoooOOOoooOOO 09.09.2004 - 03:39
Zu der GdP Demo von der du sprichst: Die Bullen haben da tatsächlich auch
"Wer hat uns verraten: Christdemokraten!" gerufen, finde ich persönlich noch stranger als "Nagel in die Elbe"

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..--´´´´óoO:Ooo````--....--´´´´óoO:Ooo````--. 09.09.2004 - 03:44
Es sind wohl noch ein bis zwei versprengte Bullenautos angegangen worden, das Ende war auf jeden Fall noch ganz cool, egal was die Provos hier so posten...

es geht weiter

................ 09.09.2004 - 04:28
Do. 9.09. 18 h Wendebecken VV in der Flora anschließend demo?
Sa. 11.09. 13 Uhr Großneumarkt: Linke Projekte verteidigen - Bambule überall
Überregionale Solidemo für die Berliner Yorkstraße und das geräumte Wendebecken
18.9.Tag der offenen Tür im Hamburger Rathaus  http://www.hamburgische-buergerschaft.de/cms_de.php?templ=home.tpl&sub1=61&cont=15

@ es geht weiter

ooOOOooOOooOOooOOooOOoo 09.09.2004 - 04:37
Zu dem Termin am Samstag auf dem Großneumarkt: Ist das schon angemeldet? Ist da Samstag um die Zeit nicht der fette Wochenmarkt?

Ähm...

Krümel 09.09.2004 - 05:27
Das ist schon sehr beachtlich, welchen Schwung und Elan Ihr habt, und ich gönne Euch das ehrlich und wünsche viel Erfolg. Schade finde ich nur, das es diesen Elan und diesen Schwung nicht gibt, wenn es z.B. darum geht, auf diesen ganzen Hartz-Demos antikapitalistische Inhalte und soziale Perspektiven reinzubringen. Da geht es um mehr als um linke Freiräume, in sich geschlossene Szene-Inseln und so. Manchmal hat man den Eindruck, als wäre diese Bauwagen-Sache etwas für eine sich selber genügenden Szene, die nur laut nach vorne kommt, wenn es um ihre Abenteuerspielplätze geht, und die sonst an anderen Menschen, geschweige denn an einer wirklichen Umwälzung kein Interesse hat, oder sämtliche Intentionen und Perspektiven in der Richtung schon längst aufgegeben hat. Bauwagen, Wohnbusse, Uralt-LKW´s, Outdoor-Leben finde ich auch toll, und unterstütze 100%, dass diese Menschen so leben sollen, wie sie wollen. Nur ist das, was der Kapitalismus generell unter den Menschen da draußen anrichtet, eine ganz andere, größere und wichtigere Dimension, und wo ist da der Schwung, der Elan, die Solis? Mir kommt die ganze Bauwagen-Demo-Szene zu isoliert von dringenden sozialen Kämpfen vor, und ich weiß nicht sicher, woran das liegt.

etwas konstruktives

ich 09.09.2004 - 10:17
zum einen @Krümel:
ich halte das auch für problematisch, nur nischenpolitik zu machen.
andererseits zeigt sich an den konfrontationen mit staatsmacht und vertreibungspolitik ein politisierungsfeld vor allem für jüngere leute.
die sozialen auseinandersetzungen um harz und arbeitspolitik sind wichtig aber eben oft nicht unmittelbar im blickfeld, da harz vor allem ältere mittelschicht betrifft und nicht schülerInnen, StudentInnen oder jüngere meist unverheiratete ArbeiterInnen, aus denen sich meiner einschätzung nach das linksradikale spektrum großteils zusammensetzt.

zur weiteren diskussion:
ich fand gestern, dass mehr hätte passieren können, nachdem die bullen keine wirkliche kontrolle mehr hatte (schanzenpark)
ich denke, wir haben nur dann eine reelle chance, dass der senat sich nicht wieder die finger verbrennen will, d.h. überhaupt sich auseinandersetzt, wenn es wirklich brennt in der stadt. also sollten die weiteren tage möglichst viele unangenehme dinge für die obrigkeit passieren, sonst haben wir wenig chance auf medien und wahrnehmung.
der anfang gestern war ganz gut, es fehlte nur an entschlossenheit an einzelnen stellen. weiter so :)

SOLIDEMO FÜRs WENDEBECKEN IN BERLIN

... 09.09.2004 - 10:58
Heute (Donnerstag) findet am Alexanderplatz/Weltzeituhr um 19:00 Uhr eine Demo statt, mit welcher sich mit den BewohnerInnen und NutzerInnen des geräumten Bauwagenplatzes Wendebecken soldiarisiert werden soll.
Weitersagen....bringt Tranzparente mit

keine ahnung, nur so ein gedanke.

anonym 09.09.2004 - 11:10
@krümel und so:

ich denke die leute sind zur zeit auch ziemlich beschäftigt um ihr "überleben" als alternative szenerie überhaupt zu kämpfen und das was sie haben zu verteidigen, dass viele einfach zur zeit nicht die kraft und fähigkeit haben neue dinge zu erschließen, aufzubauen und dann zu erhalten. es weht doch ein eisiger wind derzeit und revolutionäre oder zumindest rebellische ansätze für aufstände gegen gewisse strukturen sind LEIDER derzeit sehr schwer zu verwirklichen, da es auch das wenige was wir noch haben entgültig zerstören könnte.


dennoch glaube ich auch, dass man hin und wieder über seinen schatten springen sollte und auch mal in andere richtungen wirken sollte, gerade weil man die erfahrungen aus der verteidigung seines lebensstil hat.

Bullenproteste

Heini 09.09.2004 - 12:27
Die Behauptung, Cops würden 6.000 Ocken brutto kassieren, ist nicht ernst gemeint, oder? Ich hab gerade keine Tabelle für den Öffentlichen Dienst zur Hand, aber die Realität liegt wohl Größenordnungen darunter.
Es spricht nicht gerade für großartige Analysefähigkeit, Proteste der Bullen gegen ihre "Arbeits"bedingungen auschließlich aus dem Blickwinkel größtmöglicher Gehässigkeit zu betrachten. Ist schon verständlich, wenn mensch gerade geräumt wurde... das Auftreten der Cops bei dem, was sie "Arbeit" nennen, drückt auch nicht gerade gute charakterliche Qualitäten aus, vorsichtig ausgedrückt. Trotzdem sind auch Bullen lohnabhängig Tätige, und ihre objektiven Interessen unterscheiden sich nicht soviel von denen der übrigen Bevölkerung. Nur das sie das nicht wissen. Cops sind aber agitierbar, wenn diejenigen, für die sie die Straßen freiprügeln, ihnen aus Dankbarkeit Urlaubs- und weihnachtsgeld streichen. Schade, daß dafür nur die Rechte ein Gespür hat.
In den Unruhen in Bolivien sind unterbezahlte Bullen zu den Streikenden übergegangen und haben sich sogar Schießereien mit dem Militär geliefert. Jede zweite erfolgreiche Revolution konnte sich auf bewaffnete Staatsorgane stützen, die die Seiten gewechselt hatten. Unsere Pigs sind davon natürlich weit entfernt, aber welche Einflüsse auf ihr Bewußtsein gibts denn im Moment?!

das zeitweise sehr enge spalier

der nestscheißer 09.09.2004 - 12:46
würde ich als gezielten provokationsversuch seitens der bullen bewerten, nhicht so sehr als einschüchterung, denke, dass es das ziel der cops war, die ganze sache zu eskalieren um dann "richtig rein hauen zu dürfen" (auch als streßabfuhr für die cops, welche tags zuvor noch gegen die senatspolitik demonstriert hatten), habe ansonsten mindestens acht wasserwerfer gezählt die stimmung empfand ich gerade in anbetracht unserer durchaus hohen anzahl als nicht so powervoll, wenigstens wurde der parolenschatz ein wenig erweitert: ("deutschland verdrecken - wendebecken!" und "wendebecken statt buchsbaumhecken!")

krümel, dir gebe ich in deiner kritik dahingehend recht, dass vieles doch arg nach nischenpolitik aussieht (auch wenn ich glaube, dass das nicht unbedingt immer so intendiert ist und kämpfe um "freiräume" immer auch eine antikapitalistische komponente haben), gleichzeitig lassen sich zumeist beispielsweise immer mehr menschen für die verteidigung selbstverwalteter räume und gegen angriffe auf ein alternatives lebensgefühl mobilisieren als für eine der hamburger montagsdemos die überschneidung bezüglich der teilnehmer/innen ist da sehr beschränkt, es hindert einen aber niemand daran, beispielsweise auch auf einer montagsdemo die eigenen anliegen zu vertreten. ansonsten haben viele szeneangehörige offenbar nicht realisiert, dass sie selbst lohnabhängige, angehörige des proletariats, sind und sich auch als solche organisieren sollten (durchaus auch in gewerkschaften). ansonsten sei hier noch einmal auf die demo am 18.09. in wilhelmsburg wo es gerade um diese themen geht, hingewiesen:  http://www.demo-wilhelmsburg.de.tt/

ansonsten: miete verweigern, kündigung ins klo - häuser besetzen sowieso!

Spontandemo Mönckebergstrasse

Sympathisantin 09.09.2004 - 14:24
Wollte nur kurz auf die sehr schöne Aktion aufmerksam machen, die gegen Mittag nach der Feldstraßen-Demo in der Innenstadt gelaufen ist. Nach der etwas unbefriedigenden Demo zur U Sternschanze haben sich etwa 25 Leute in die UBahn verkrümelt und sind dann mit etwa noch 15-20 anderen völlig unbehelligt laut skandierend durch die Spittalerstraße udn die Mönckebergstraße gelaufen. Kein Bulle weit und breit, die Innenstadt gehörte für 20 Minuten uns! Kurz vor dem Rathausmarkt kamen dann die Cops, die Demo zerstreute sich und traf sich eine halbe Stunde später auf dem Gänsemarkt, wo die Bullen allerdings schon waren. Nach einer Stunde Gewarte und Rumgestehe kam es immerhin noch zu einer netten, kleinen, lauten Aktion inkl. "Alles für Alle" durch eine dieser kotzigen Schicki-Micki-Passagen zwischen Gänsemarkt und Springer-Haus. Die Bullen waren mit Pommesessen und ihrem Cappuchino beschäftigt und erneut wunderbar überfordert.
Zwei tolle Spontandemos, ohne dass jemand etwas dagegen machen konnte. Hat Spaß gemacht, weiter so!

PLÄTZE BESETZEN
FREIRÄUME SCHAFFEN
BAMBULE ÜBERALL

....

.... 09.09.2004 - 15:25


is heut noch ne demo???

6000 ??

platzverweiser 09.09.2004 - 19:10
@ kuno k: woher kommt die traumtänzer-these, die polizisten würden 6000 euronen als monatliches gehalt bekommen? das wären knappe 12.000 dm; das glaubste wohl selbst nicht... schau erst mal in die allen zugänglichen gehaltstabellen des öffentlichen dienstes, bevor du hier solche propaganda-sprüche ablässt...

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sozialproteste ausweiten — nur mal so

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