hh umsonst + wendebecken bei gruner+jahr

hamburg umsonst 29.08.2004 20:49 Themen: Freiräume Medien Soziale Kämpfe
Unter dem Motto „Wendebecken verteidigen – wir sitzen es aus“ hat heute Nachmittag die Kampagne hamburg umsonst und der Bauwagenplatz Wendebecken zu einem Sektempfang im Gruner + Jahr Pressehaus geladen, in dem zur Zeit eine Ausstellung zum Thema Sitzkunst läuft.
Die ca. 35 AktivistInnen haben es sich auf einigen der 40 ausgestellten Sofas gemütlich gemacht, um mit anderen über die Räumungspolitik des Hamburger Senats zu diskutieren. Plakate mit dem Slogan „Sitzkunst. Schöner Wohnen für Alle!“ säumten den Weg zur Ausstellung. Auf ihnen und den verteilten Flugblättern war das Ausstellungslogo mit dem des Wendebeckens kombiniert worden.
Da die zukünftige Wohnsituation der WendebeckenbewohnerInnen durch einen ab dem 31. August möglichen Räumungstermin akut bedroht ist, machten sie in einer kleinen Begrüßungsansprache auf ihre Situation aufmerksam und forderten dazu auf, sich den Ausstellungsort vorübergehend anzueignen.
Sie stellte den Bezug auf weitere soziale Kämpfe her, denn nicht nur die Räumung von Bauwagenplätzen rückt ‚Schöner Wohnen’ für immer mehr Menschen in weite Ferne. Massive Verschlechterungen erwarten EmpfängerInnen von Arbeitslosenhilfe, wenn Hartz IV in Kraft tritt. Allein in Hamburg sind nach Einschätzungen des Mietervereins 70 000 Menschen von Zwangsumzügen bedroht. Dieser Zumutung setzten die AktivistInnen das Recht auf „Schöner Wohnen“ für alle entgegen und wiesen darauf hin, dass Wohnraum für alle umsonst sein sollte:
Keine Wohn- und Mietbedingungen, wie sie auf dem freien Immobilienmarkt angeboten werden! Das bedeutet nämlich meist: zu klein, zu laut, zu teuer – unbezahlbar, unzumutbar, unbewohnbar.
xNach Begrüßungsrede inklusive Kurzführung durch die Ausstellung wurde mit geklautem Sekt angestoßen und die ebenso angeeigneten Edelsüßigkeiten verspeist. Die festliche Atmosphäre wurde mit klassischer Musik untermalt. Einige AktivistInnen erschienen in Abendgarderobe, was der Aktion insgesamt ein lustiges Erscheinungsbild verlieh.
Am Ende der Aktion versuchten MitarbeiterInnen von Gruner + Jahr einen der AktivistInnen festzuhalten, offenbar um sie/ihn wegen Copyright-Verstoß ranzukriegen. Die Polizei war schon unterwegs; allen Beteiligten gelang jedoch ein schneller Abgang.
Keine Räumung des Wendebeckens! Weg mit Hartz IV! Das schöne Leben für Alle!
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Ergänzungen

wird nicht

ausgefüllt 29.08.2004 - 22:10
es ist sehr simpel. mit dieser art des wohnens grenzen sich die menschen bewußt aus der gesellschaft aus.
das man als außenstehender nichts verändern kann ist ihnen leider nicht bewußt.

Jedem das seine

A.Z.M. 29.08.2004 - 22:50
Ich beschäftige mich in diesem Text vor allem mit dem letzten Ergänzungsbeitrag:
Ich komme nämlich auch aus Berlin, wo es wahrscheinlich sogar mehr Bauwagenplätze gibt als in Hamburg (auf jedenfall ne ganze Menge). Ich hab Jahre lang in Berlin gewohnt, und mir ist eine Kultur entgangen, die direkt neben mir existiert hat und die mir doch nicht aufgefallen ist: DIE BAUWAGENKULTUR.
Menschen, die die Häuser verlassen haben, um sich ihr Heim in einem Wagen auf Brachliegenden plätzen (davon hat sowohl Berlin als auch Hamburg genug) aufzubauen. Das hat einige Vor- und Nachteile. Allerdings werden diese Menschen von Leuten, die in Wohnungen Leben oft als Assis betrachtet, was sie keineswegs sind (auch wenn es sicherlich den einen oder anderen unter ihnen gibt) Allerdings gibt es sicherlich mehr assoziale Menschen, die in Wohnungen leben als in so genannten Wagenburgen.
Bedingt durch die Lebensform auf dem Wagenplatz, man hat, da man draussen Lebt viel mehr mit den Nachbarn zu tun, baut vielseitige soziale Kontakte auf, und ist auf diese durchaus auch angewiesen, ist es auf dem Wagenplatz viel schwerer assoziale Eigenschaften zu entwickeln, als in einer geschlossenen Mietswohnung/Eigentumswohnung.
Ich persönlich wohne in einem Haus, hab diese Lebensform allerdings nicht gewählt, weil sie besser, oder höher entwickelt ist, sondern weil sie meinen Lebensgewohnheiten eher entspricht. Wahrscheinlich geht es dem grössten Teil der Leser genauso.
Andererseits finde ich es als sehr Oberflächlich, Wagenbewohner als Unzivilisiert, oder auf einem niederen Entwicklungsstand stehengeblieben zu betrachten. Sie sind meistens wesentlich selbständiger als Leute, die in Mietskasernen wohnen. Sie beteiligen sich Aktiv und Direkt an der Gestaltung ihrer Umwelt. Und ihr Alltag ist entgegen den weit verbreiteten Vorurteilen, auch harte Arbeit.
Auf jedenfall bereichern Sie unsere Kultur und Gesellschaft mehr, als die von INVESTOREN und VERWALTUNG herbeigesehnte Nutzung, der Brachliegen Flächen, durch Wirtschaft und Gewerbe (diese(s) steht ohnehin unter hartem Konkurrenzdruck, und ist auch soweit ausgebaut, dass für unsere Konsumbedürftnisse auch kaum Erschliessung neuen Raums Notwendig ist).
Die Zersetzung von Natur- und alternativen Kulturräumen ist sehr weit vorangeschritten, und ich denke, dass sie mindestens die gleiche Daseinsberrechtigung haben, wie das Gewerbe, das ihnen genau diesen Raum streitig macht. Auch die Umnutzung von Wagenplätzen als Naturräume (z.B. Parks, öffentliche Spielplätze, etc.) halte ich nicht für besonders sinnvoll. Da auch der Mensch teil der Natur ist, und im Grunde genommen sind Wagenburgen eine Art bewohnte Spielplätze, restbereiche, in denen freiheitsliebende Menschen, eine ihnen Artgerechte Umgebung wiederfinden können.

FREIRÄUME FÜR ALLE!!!
MEHR AKZEPTANZ FÜR SOZIALE RANDGRUPPEN!!!!

"MEHR AKZEPTANZ FÜR SOZIALE RANDGRUPPEN!!!!"

Anti-Held 30.08.2004 - 17:28
@ A.Z.M.
genau! aber für alle! der großteil der sozialen randgruppen (sozialhilfeempfänger) müssen in einfachen "sozial"wohnungen leben in denen es manchmal noch nich ma zentralheizungen gibt! jetzt aber zu behaupten man entwickle dort schneller assoziale eigenschaften, setzt schon ein hohes maß an arroganz voraus. nämlich dieses sich auf eine alternative idee zu beziehen und mit ihr zeigen zu wollen dies sei zum beispiel der krönungspunkt der solidarität (umd damit wieder diese menschen die in "sozial"wohnungen oder anderen wohnungen wohnen müssen abzuwerten) -> dies ist ein teil einer gewissen abschottung die sich selbst zur randgruppe entwickeln muss (wenn auch hier meist die propagandamaßnahmen des staates zur ausgrenzung führen) -> kein "normaler" bürger würde sich in so einer wagenburg organisieren weil er ganz andere gewohnheiten aufbringt.
es gibt gerade in den unterschichten der arbeiterklasse ein hohes maß an solidarität, da man sich lieber in der gemeinschaft statt sich abzuschotten und damit nur alles schlechter zu machen (dies ist eine subjektive einschätzung von mir) -> meine erfahrung berufen sich auch auf ein beispiel: in einem haus organisierten sich die bewohner zusammen einen fernsehanschluss und eine internet-flatrate und nutzten diese gemeinsam (jeder bezahlt seinen gerechten teil dazu)! einzeln hätte sich nie jemand eine internet-flatrate mit der sparsamen sozialhilfe leisten können! dies ist aktive solidarität (auch mit den migrantInnen in diesem haus, die dass schicksal ziemlich hart trifft), die es so in einer wagenburg bestimmt auch gibt (ich kenne bei mir in der nähe -> sachsen die totale abschottung verhindert aber der restlichen gesellschaft eine auseinandersetzung mit diesem thema und die sucht sich dann einfache analysen(die sie ja vorgesetzt bekommen - springer & co). auch ist dabei für die ausstehenden, die solidarität einfordern, als auch für die wagenbewohnerInnen eine gewisse selbstkritik nötig um sich dieser situation bewusst zu werden und diese zu ändern (die aktion oben zeigt da schon einen schritt -> der für die meisten (die "normalos", die arbeiten müssen) aber nicht sichtbar ist)

zu guter letzt noch eine provokante frage: wer/was ist ein assozialer mensch? (braucht jetzt nicht im duden nachzuschlagen, dass kann ich auch)

noch ne parole:
MEHR AKZEPTANZ FÜR ALLE SOZIALEN RANDGRUPPEN!!!!
FREIRÄUME FÜR ALLE, DIE SIE WOLLEN!!!!

an den photographen

ein großes lob 02.09.2004 - 21:52
selten hier so gute photos gesehen. respekt!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Wie wäre es mit Seßhaftwerdung

Seßhafter 29.08.2004 - 21:58
Als jemand, der nicht aus Hamburg kommt, habe ich das Problem leider noch nicht verstanden. Warum wohnt ihr den in Bauwagen? Ich komme aus Berlin und hier haben wir seit dem Abschluß der Seßhaftwerdung vor rund 400 Jahren feste Häuser zum übernachten. Warum zieht ihr da nicht rein? Zentralheizung und festes Dach über dem Kopf sind doch viel bequemer, als in Bauwagen zu leben. Die meisten Berliner ziehen in ihrem Leben zwar ab und an noch in andere Wohnungen oder Städte um. Aber deshalb kann man nicht von einem Nomadenleben im eigentlichen Sinne reden.

naja, weil

m. 29.08.2004 - 22:13
eben mobiles wohnen die modernste wohnform is...

merksselber

merksselber 29.08.2004 - 22:22
darum geht es ja genau seßhafter ... die leute wollen es sich aussuchen wo sie wohnen! wer gerne in einem bauwagen leben will soll das tun dürfen!