Noch ein Bericht von der Demo in Bramsche

nolager 23.08.2004 17:12 Themen: Antirassismus
Auftaktdemonstration der anti-lager-action-tour in Bramsche-Hesepe (Niedersachsen)


Am Samstag, 21.08. fand um 12 Uhr die Auftaktdemo der anti-lager-action-tour in Bramsche-Hesepe bei Osnabrück am dortigen Abschiebelager statt...
Die Demonstration begann am Bahnhof und führte durch das Dorf bis hin zu der so genannten Landesaufnahmestelle, dem mittlerweile grössten Abschiebelager in Deutschland das bis zu 550 Flüchtlinge aufnehmen kann. An der Demonstration nahmen 600 Personen teil.


Um 12 versammelten sich die ersten antirassistischen DemonstrantInnen am Bahnhof des kleinen Ortes Hesepe, der sich ca. 15 nördlich von Osnabrück befindet. Dem meist regnerischen Wetter trotzend, machten sich die bei Demo-Start ca. 600 Menschen auf den Weg zur - in beamten-deutsch euphemistisch genannten - Landessaufnahmestelle. Dieses Abschieblager befindet sich, wie so oft, abgelegen in einem Wald ausserhalb des Ortes Hesepe. Zum Hintergrund und zur Funktionsweise des Lagers hier ein Zitat aus der no-lager-tour-Zeitung:

„Laut amtlichem Beschluss werden in Bramsche nur Flüchtlinge eingewiesen, deren Asylanträge ohnehin keine Chance auf Erfolg hätten. Konkret bedeutet das: Von Anfang an werden Flüchtlinge in Bramsche geziehlt unter Druck gesetzt, “freiwillig“ auszureisen. Zum Einsatz kommen verschiedene Druckmittel, z.b. die Kürzung von Leistungen, in der Kantine gibt es 6 mal pro Woche dasselbe essen. [...] Schon seit längerem rebellieren vor allem tschetschenische Familien gegen die unzumutbaren Bedingungen in Bramsche. Die Anti-Lager-action-Tour unterstützt diesen Kampf.“


Die Demo war laut und bunt, es gab einen blue-silver-Block mit Samba-Trommeln. Es wurden viele Sprüche gerufen und die Stimmung war recht kämpferisch. Nach einigen Redebeiträgen am Bahnhof ging es Richtung Abschiebelager. Verbal wurde der Zaun des Lagers schon mal angegriffen, es wurde zum Aufscheiden desselben aufgerufen. Auch die Stelzentheater-Einlage von Menschen im Bolzenschneider-Outfit liess die Stimmung etwas wärmer werden und der Wille Solidarität mit den Flüchtlingen praktisch werden zu lassen wurde sichtbar. Im Dorf war von Solidarisierungs-Effekten nichts zu merken, eher das Gegenteil...

Die Stimmung war nicht die Beste, die BewohnerInnen verunsichert und zum Teil voller Resentiments. In den vergangen Tagen scheint es mittels der bürgerlichen Presse eine Hetzkampagne gegen das Camp und seine linken, antirassistischen CamperInnen. Es scheint sich sogar eine Bürgerwehr gegründet zu haben, die den Besitz der Dorbewohner vor den CampbewohnerInnen schützen will. Der Lagerleiter hetzt mit unhistorischen „Wehret den Anfängen“ Sprüchen gegen den Protest und rechtfertigt so die Aufstockung seines Personals und die Unterbringung der Polizei auf dem Lagergelände während des Camps.

Am Lager angekommen konnten wir eine recht grosse Anzahl von Polizei, recht viele ohne und einige mit Pferden, sehen und es gab eine Flatterband-Absperrung des Zaunes. Der Zugang zum Lagergelände war durch mehrere Fahrzeuge versperrt und die Polizei schien in zurückhaltender Lauerstellung zu sein. Nach der Ankunft am Lager machten sich einige Aktivistinnen an dem Drahtzaun zu schaffen und es fehlte nicht viel, dann wäre er auch gefallen. Wo waren die Bolzenschneider, die vorher schon beschworen wurden ? Als der Zaun schon fast kaputt war, schritt die Polizei mit aller Brutalität ein und drängte so die DemontiererInnen auf den Parkplatz des Lagers zurück, wo dann eine Abschlusskundgebung mit Redebeiträgen von Flüchtlingen stattfand. Während der Kundgebung durften weder die LagerbewohnerInnen, die sich auf der Demo befanden in das Lager, um etwas zu essen, o. ä. noch durften diejenigen, die sich im Lager befanden hinaus. Gegen 16 Uhr wurde die Demo beendet und die TeilnehmerInnen gingen zum Großteil zurück ins Camp, wo es essen und trinken zur Wiedererstarkung gab. Es gab eine Festnahme unter dem Vorwurf von Körperverletzung und Widerstand ...

www.nolager.de
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Ergänzungen

GfbV war auch da - kurz

paula 23.08.2004 - 19:27
Die Gesellschaft für bedrohte Völker nahm auch mit Flagge an der Demo teil. Dies stieß bei vielen DemoteilnehmerInnen auf wenig Gegenliebe. Denn zum einen befürwortet die GfbV Abschiebungen "wenn in der Heimat die Verhältnisse lebenswert sind", zum anderen setzt die GfbV, wie der name es schon sagt, sich für "Völker" und explizit nicht für Individuen ein, wie z.B. amnesty. Auch befürwortet die GfbV ein zentrales Denkmal gegen Vertreibung in Berlin, frei nach dem Motto: "alle Opfer sind gleich" und die Vertreibung der willigen Vollstrecker z.B. aus dem Sudetenland war für sie ein großes Verbrechen, dass so schlimm war wie die Vertreibungen durch Nazi-Deutschland. Erst versuchte die anwesende GfbV-Sektion Osnabrück es so darzustellen, als würden sie einen anderen Kurs befürworten wie die Bundessektion Göttingen unter ihrem Vorsitzenden Zülch. In einer hitzigen Diskussion würden dann aber doch Abschiebungen befürwortet. Als auch vom Lauti in sehr deutlichen Worten klar gemacht wurde, dass die GfbV ihre Fahne einrollen sollte, taten sie es endlich mit den Worten: "Ihr scheiß Volksverdummer".

Hätte schöner sein können...

Lisa 24.08.2004 - 12:00
Ohne Frage eine nette Demo mit gelungenem Abschluss, trotzdem ist zu sagen, daß viele Leute ganz schön genervt von der Lauti-Besatzung waren und daß das viel Power genommen hat. Ziemlich bald beschlich einen das Gefühl, daß sich dort einige männliche Selbstdarsteller versammelt hatten, die sich sehr gerne selber reden hören. Nach diversen Versuchen eigene Parolen zu rufen, was immer wieder vom Lauti abgewürgt wurde, indem was anderes dazwischen gebrüllt wurde, hatten viele keine Lust mehr dazu. Zumal die Sprecher so laut waren, daß nichts anderes mehr zu hören war und die Lautstärke zeitweise an der Grenze zum Unerträglichen. Das ständige Vorbeten von Parolen, auch wenn sie teilweise kaum noch von jemandem nachgerufen wurden, ist etlichen nach einiger Zeit nur noch auf den Geist gegangen, böse gesagt habe ich mich zeitweise wie in einer Schafherde gefühlt. So entstand ein ätzender Zwiespalt einerseits die Lauti-Sprecher nicht vor den Umstehenden auflaufen zu lassen und einen komischen Eindruck nach außen zu machen und andererseits aber keinen Bock zu haben zum hundertsten Mal StopStopStop zu rufen ohne die Möglichkeit das mitzubestimmen. Und wenn die Demo gerade zwischen zwei Wiesen läuft, kein Mensch weit und breit, ist es vielleicht auch nicht verwunderlich daß die TeilnehmerInnen sich ihre Kraft lieber für die Ankunft am Zaun aufheben wollen. Also einfach schade, für viele hätte die Möglichkeit etwas zu rufen, was mensch sich auch mal selber aussuchen kann bestimmt mehr Stimmung und Power gebracht. Am Ende blieb einfach das Gefühl, daß da im Lauti ein Programm durchgezogen wurde, bei dem völlig egal war, wie die Stimmung auf der Demo gerade wirklich ist. Gut war, daß den Umstehenden immer wieder mitgeteilt wurde, warum wir da sind, wobei allerdings Anmerkungen wie, das Lager gehöre abgeschafft, weil es schlecht für's Image des Landes ist ziemlich peinlich waren.
All das soll nicht heißen, daß diese Demo scheiße war, im Gegenteil, gerade der Abschluss hat vieles wieder gut gemacht und trotzdem wäre es schön gewesen auch mit dem Gefühl nach Hause zu gehen eine gemeinsame Aktion gemacht zu haben und sich nicht wie die Unterstützungsgruppe der Lauti-Männer gefühlt zu haben.

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