Das Wetter in Wunsiedel war scheiße

einem Antifa 22.08.2004 05:45 Themen: Antifa
Nach den unten verlinkten Faktenartikeln möchte ich meine persönlichen Erinnerung zur Dokumentation der Widerstände gegen den Naziaufmarsch in Wunsiedel 2004 beitragen. Irgendwie seltsam, nachdem ich meinen Bericht nochmal gelesen habe und so darüber nachdenken, fahre ich nächstes Jahr auf jeden Fall wieder nach Wunsiedel. Aber dann bringe ich meine Genossinen und Genossen mit, scheiß Faschos...
Wunsiedel liegt am Arsch der Welt. Mitten in der bayrischen Pampa. Irgendwo im Nirgendwo. Jedenfalls elendig weit weg. Wir fuhren um vier Uhr los, um zur Jahreshauptversammlung der Freundinnen und Freunde der schwülstigen Hasspredigten und grauenvollen Liedermachern zu fahren. Schon auf dem Weg nach Wunsiedel hatten wir auf fast jeder Raste Nazikontakt. Irgendwie finde ich es im Nachhinein trotzdem nicht sonderlich tröstlich zu wissen, dass viele der Nazis einen noch viel weiteren Weg als wir hatten.

Die Anreise nach Wunsiedel war ärgerlich und gefährlich. Ärgerlich, weil die bayrischen Bullen uns schikanierten. Gefährlich, weil die Nazis Gelegenheit hatten uns anzugreifen. Wir warteten zwei Stunden in einer langen Schlange von Fahrzeugen mit auswärtigen Kennzeichen, darunter einige Busse. Vor und hinter uns fuhr jeweils ein Faschoauto und ein Faschobus, was erstmal dank der Gardinen kein Problem war, solange die Nazis im Bus blieben. Das taten sie jedoch nicht, sondern ließen vor uns die Hosen runter. Sie pissten zur Rechten auf ein freies Feld und zur Linken in ein Maisfeld, ein Verhalten was später mit der Demoparole "Deutschland ist scheiße, ihr seid die Beweise" so treffend beschrieben wurde.

Ach ja, ein Bulle war auch da. Gelegentlich fuhr nochmal ein Streifenwagen vorbei, aber das war es dann auch mit der Bullenpräsenz. Dachten sich die Faschos auch und griffen unseren Bus mit Steinen an. Keine Ahnung warum sie damit aufhörten, gab eigentlich keinen Grund. Die Staatsmacht in Form eines bayrischen John Cleese-Bullen beschwerte sich später in guter Tradition des deutschen Zynismus, dass wir ja gar keine sachdienlichen Hinweise zur Ergreifung des Täters beisteuern könnten. Inge Nottelmann saß im Wagen vor uns, der Generationenkonflikt zwischen ihren Mädelzöpfen und ihrem Gesicht war aus der Nahdistanz noch viel erschreckender als auf Fotos.

Dann kam die erste Kontrolle des Tages. Die Bullen enterten den Bus, sammelten alle Ausweise ein und filmten uns auf unseren Sitzen. Zur späteren Identifikation, falls irgendjemand so blöd sein sollte, sein oder ihr AK-47 unter dem eigenen Platz zu verstecken. Wir mussten einzeln den Bus verlassen und wurden komplett gefilzt. Schizophren wie deutsche Bullen auf Befehl sind, haben sie unter meiner Basecap nach verbotenen Waffen gesucht, aber die Fahnenstangen nicht angerührt.

Endlich konnten wir in den kleinen Ort fahren. Aber die mit den Bullen ausgehandelte Zufahrtsstraße war gesperrt, also suchten wir einen anderen Weg. Freundliche Helfer wiesen uns den Weg - mitten in eine große Menge Nazis. "Unterschätze niemals die Dummheit deines Feindes." Ich mag den Spruch, er hat mir schon oft geholfen, mein Lachen in schwierigen Situationen zu bewahren. Die Faschos blickten nix und als sie es nach endlosen Minuten, die uns wie Stunden vorkamen, dann doch merkten, fuhren wir schon weg. Ich kann die klammheimlich Freude beim Anblick der drei Wasserwerfer nicht verhehlen.

Toller Anfang, ich hatte eine Wochendosis Adrenalin in zwei Stunden ausgeschüttet, alle Müdigkeit war verflogen. Wir sahen uns erstmal um und gingen auf der späteren Faschoroute in den Ortsmittelpunkt. Habe ich schon erwähnt, dass das Kaff klein ist? Rechts war der Marktplatz mit Bühne und Dönerladen, links die Infostände mit den Bullen. Wir entschieden uns für vegetarischen Döner und versuchten auf die andere Seite zu gelangen. Habe ich schon erwähnt, dass uns die Bullen schikanierten wo es nur ging?

Das Grauen trat auf in Form eines die Totalitarismusthese vertretenden CSU-Bürgermeisters und weiterer Deppen. Wir flüchteten ein paar Straßen weiter und trafen unterwegs auf eine bunte Mischung Antifas, Nazis, Bürgers und Bullen. Bayern scheint eine sehr seltsame Bullentaktik zu haben. Wenige, gut ausgebildete USK-Einzelkämpfer sind wahrscheinlich einfach billiger als die grünen Horden in anderen Bundesländern. Ihr offizielles Credo war "Deeskalation durch Stärke", sie können einfach nicht vom Zynismus lassen. Auf jeden Fall waren es viel zu wenige, um die Lage zu kontrollieren.

Einige Antifas hatten Chuzpe und mischten sich direkt und die Nazis ohne erkannt zu werden. Die Nazis waren einfach nur dummdreist und liefen offen erkennbar auf dem Marktplatz rum. Ein Antifa zertrümmerte daraufhin mit einem Handballenstoß eine Nazinase. Es gab weitere Nahkämpfe mit mehreren Verletzten. Einige Nazis wurden unter den Augen dreier USKler in bester Martial Arts-Manier zusammengeschlagen. Ein Nazi stieß einem Antifa ein Messer in die Seite. Ein Antifa erlitt bei einer brutalen Festnahme des USK laut Polizeinotarzt schwere Verletzungen, unter anderem wurde sein Bein gebrochen. Erstaunlicherweise haben wir trotz der ungünstigen Zahlenverhältnisse den Straßenkampf klar gewonnen.

Irgendwann marschierten die Nazis auf ihrer Route zwischen uns entlang, nachdem sie durch eine symbolische Blockade der Bürgers unter ihrem CSU-Führer kurz aufgehalten worden waren. Der Bürgermeister hatte als Zeichen seines gnadenlosen Opportunismus ein Transparent "Wir weichen der Polizei aber nicht dem Unrecht" vorbereitet. Hatte ich den deutschen Zynismus schon erwähnt? Wir fuhren direkt nach dem Ende nach Hause und trafen noch diverse Nazis auf den Rasten des Heimwegs. Wir waren vollzählig und es gab keine Verletzten, so war der Tag angesichts der trüben Aktionen der letzten Jahre für mich ein Erfolg. Wir sehen uns nächstes Jahr in Wunsiedel.

Bisherige Artikel zu Wunsiedel 2004 bei Indymedia:

Neonazi-Kleinbus bei Kornbach abgefangen
 http://de.indymedia.org/2004/08/89938.shtml

Wunsiedel-Bann gebrochen
 http://de.indymedia.org/2004/08/89955.shtml

Wunsiedel '04
 http://de.indymedia.org/2004/08/90042.shtml
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Ergänzungen

Weitere Links zu Wunsiedel 2004

ein Antifa 22.08.2004 - 06:04
Südthüringen: Aktionen gegen Rudolf Hess
 http://de.indymedia.org/2004/08/89941.shtml

Zum letzten Stand der Dinge in Wunsiedel 2004
 http://de.indymedia.org/2004/08/89267.shtml

Wunsiedel 2004 Infos + Mobilisierungskritik
 http://de.indymedia.org/2004/08/89765.shtml

Die Kampagnenseiten bei nadir
 http://www.ns-verherrlichung-stoppen.tk/

Mehr Bilder aus Wunsiedel

ein Antifa 22.08.2004 - 06:23

Nazi-Konvoi bei Bamberg angegriffen

AM47 22.08.2004 - 12:08
An einer Raste bei Bamberg haben sich anscheinend zwei Neonazi-Autos verirrt. Die Insassen haben das ganze nicht unbeschadet überstanden. Pech gehabt.

Re: jeden kampf gewonnen ?

ein Antifa 22.08.2004 - 13:50
nein, wir haben nicht jeden Kampf gewonnen, da hast du Recht. Das habe ich aber auch nicht behauptet, denn schließlich habe ich ja von dem niedergestochenen Antifa berichtet. Trotzdem haben wir den Straßenkampf gewonnen, zumindest was ich mitbekommen habe. Die Faschos waren zwar dreist und sind uns echt auf die Pelle gerückt, aber sie haben uns seltsamerweise selten angegriffen und die Kämpfe meistens verloren.

Politische Auseinandersetzungen

Antifa 22.08.2004 - 14:10
sind kein Hooligantreffen. Bei all dem Streetfighten bitte nicht vergessen, dass es darum geht, dem Faschismus politisch etwas entgegenzusetzen. Und da kann mensch nur feststellen, dass Beckstein und andere Rechtsausleger im Moment mit ihren Versammlungsrechtsvorschlägen besser in der Öffentlichkeit ankommen, als aktiver Antifaschismus. Das muss sich ändern. Anscheinend spielt dabei der eine oder andere gewonnene Streetfight eine eher untergeordnete Rolle.
Sollen die Nazis ruhig glauben, wir wollten sie nur verprügeln.
Tatsächlich geht es aber um den Kampf ums ganze, nämlich die beseitigung der Verhältnisse, in denen Faschistische Ideologie auf fruchtbaren Boden fältt. Das geht aber nicht nur durch militante Auseinandersetzung, sondern durch politische Vermittlung.

Taktische Gewalt ist keine Strategie

FreiburgerIn 22.08.2004 - 15:12
In der Tat muss der Faschismus politisch bekämpft werden, nur stellt sich eben bei physischer Präsenz von Faschisten die Frage nach der geeignetsten Aktionsform.

Beckstein zum Beispiel musste neulich, nach eigenen Angaben, zum ersten Mal eine Veranstaltung abbrechen. Nicht weil er zusammengeschlagen, sondern weil er ausgeklatscht wurde:
 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_article=173&id_breve=65

Die Methode war für diesen Anlass geeignet, aber in Wunsiedel brauchen wir eine andere. Dieses Mal war es für uns ein Abwehrkampf, schon alleine wegen der zahlenmäßigen Überlegenheit. Aber irgendwann wollen wir das Zusammenrotten der Nazis doch verhindern und das wird meiner Meinung nach nur mit physischer Gewalt gelingen.

Bein nicht gebrochen

Müsli 22.08.2004 - 16:24
Ich bin mit dem Genossen mit dem angeblich gebrochenen Bein in einem Bus gefahren. Nach eigenen Angaben wurde er zuerst von Nazis mit spitzen Gegenständen angegriffen, konnte aber zuerst entkommen und wurde von mehreren USK-Bullen gejagt. Dabei stellte ihm ein Zivi ein Bein, woraufhin sich die USKler tonfaschwingend auf ihn stürzten. Er wurde anschließend in Gewahrsam genommen und nach einer Weile auch verarztet. Das Bein war durch einen Bullen, der darauf sprang ernsthaft verletzt, aber nicht gebrochen. Außerdem trug er mehrere Verletzungen an den Armen davon.

Re: Bein nicht gebrochen + noch'n Link

ein Antifa 22.08.2004 - 16:38
Wir meinen unterschiedliche Vorfälle. Das Bein wurde während einer Festnahme auf dem Marktplatz definitiv gebrochen (laut Aussage des Polizeinotarztes).

Hier ist noch ein weiterer Bericht:

Wunsiedel 2004 - ein Reisebericht
 http://de.indymedia.org/2004/08/90082.shtml

Video von Wunsiedel '04

ein Antifa 22.08.2004 - 23:27

Wunsiedel 2004 - was tun wenn's brennt?

ein Antifa 23.08.2004 - 11:38

Wunsiedel '04 - Eine Einschätzung

ein Antifa 23.08.2004 - 16:37

Was in der Zeitung steht...

ein Antifa 23.08.2004 - 17:17
junge Welt: Wunsiedel: 4 000 Rechte ehren Nazikriegsverbrecher
 http://www.jungewelt.de/2004/08-23/017.php

Neues Deutschland: »Der braune Dreck muss weg!«
 http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=58454&IDC=2

taz: CSU macht Straßensperre gegen rechts
 http://www.taz.de/pt/2004/08/23/a0106.nf/text.ges,1

Frankfurter Rundschau: Unbeirrt trotz nassem Hintern
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/die_seite_3/?cnt=491393

Süddeutsche Zeitung: Über 100 Festnahmen bei "Heß-Gedenkmarsch"
 http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/696/37659/

FAZ: Mehr als hundert Festnahmen bei Neonazi-Aufmarsch
 http://www.faz.net/s/Rub21DD40806F8345FAA42A456821D3EDFF/Doc~E55F690A17D69442CA5AA8636222D1073~ATpl~Ecommon~Scontent.html

SPIGEL ONLINE: Polizei verhaftet Dutzende Neonazis
 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,314413,00.html

Stern: Über 100 Festnahmen bei Rudolf-Heß-Marsch
 http://www.stern.de/politik/deutschland/?id=528705&nv=cp_L2_rt

DIE WELT: Festnahmen bei Heß-Gedenkmarsch
 http://www.welt.de/data/2004/08/21/322502.html

kurier.at: Bayern: Hundert Neonazis verhaftet
 http://www.kurier.at/ausland/708038.php

Oberpfalznetz: Bunter Widerstand in Wunsiedel
 http://www.zeitung.org/zeitung/604418-100,1,0.html

Saar-Echo: Nazi-Demonstration: "Ein Hauch von Angst"
 http://www.saar-echo.de/news.php?news_ID=12605

Wunsiedel -Lokalnachrichten-

ein Antifa 23.08.2004 - 17:25

Wunsiedel - Angriff auf Antifabus und Bilder

ein Antifa 24.08.2004 - 03:34

Legalize it!

ein Antifa 24.08.2004 - 16:08
Auf Altermedia findet sich ein Propagandabericht, dessen letzte Zeilen aber ein Crossposting wert sind:

Am Sonnabendmorgen ist auf den Reisebus des KV Leipzig, der mach Wunsiedel zum Heß-Gedenkmarsch fahren wollte, ein feiger Anschlag verübt worden. Als der Fahrer in einer Linkskurve die Geschwindigkeit verringern mußte, sprangen mit Sturmhauben vermummte Gestalten aus dem angrenzenden Wald, und zertrümmerten mit Wurfgeschossen die Frontscheibe sowie die rechte Seite des Busses. Die Einschlagstellen haben einen Durchmesser von 15 cm. Zum Glück wurden weder Fahrer noch Fahrgäste verletzt. Dieser Anschlag ist nicht die Tat von irgendwelchen kiffenden Antifas, dieser Anschlag trägt eine professionelle Handschrift. Übrigens, war die Polizei schon am Treff- und Abfahrtspunkt präsent.

Ist er nicht niedlich?

ein Antifa 24.08.2004 - 17:46
Brauner Schulterschluss

Äußerst aggressive Stimmung beim diesjährigen Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Wunsiedel. Mit von der Partie war auch die NPD-Führungsspitze.

Kaum ein Neonazi versteht es besser als Jürgen Rieger, wichtige Teile der zerstrittenen rechtsextreme Szene zu vereinen. Zum diesjährigen Heß-Gedenkmarsch ins bayerische Wunsiedel mobilisierten unzählige Kameradschaften in ganz Europa, sowie in breitem Ausmaß erstmalig auch die NPD. Am Vorabend des Neonazi-Spektakels jedoch kehrte Rieger spät und allein, ohne seine Kameraden, ins Gasthaus in Weißenstadt ein und war bereits früh am Morgen wieder unterwegs ins 15 Kilometer entfernte Wunsiedel.

Pflichtschuldig und aufgeregt erwartete der Versammlungsleiter des Rudolf-Heß-Aufmarsches seine Anhängerschar vor der Polizeiabsperrung zum Treffpunkt an der großen Kreuzung Hofer Straße Ecke Bahnhofstraße. Den zentralen Veranstaltungsplatz am Bürgermühlweiher hatten ihm Bürgermeister und Landratsamt noch erfolgreich verweigern können. Darüber war Rieger mehr als erbost, das ließ er die umstehenden Polizeibeamten immer wieder spüren. Auch die rigorosen Auflagen des Landratsamtes, die ihn unter anderem zwangen, Erbsensuppe kostenlos zu verteilen und einen Grillstand verweigerten, verärgerten den ohnehin schon cholerischen Rechtsanwalt im knittrigen grauen Anzug maßlos. Als dann auch noch eine zierliche Journalistin vom tschechischen Fernsehen auf ihn zutrat und um ein Interview bat, platzte es aus Rieger heraus: "Ich rede nicht mit Tschechen!"

Fast endlose Kolonnen von Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet trudelten ein. Viele hatten schwarze Fahnen und Stoffbanner unter dem Arm, jedes einzelne wurde ausgerollt und akribisch von der Polizei kontrolliert. Es hagelte Beschimpfungen von allen Seiten. Zwei ältere Rechtsextremisten beschimpften den stellvertretenden Bürgermeister Wunsiedels, Matthias Popp, als er ihnen den Zutritt zum sonstigen Versammlungsort verweigerte. Einer hob wutentbrannt den Arm und drohte in Richtung Lokalpolitiker: "Wir wissen ja wo du wohnst!"

Anders als im vergangenen Jahr war die Grundstimmung äußerst aggressiv. Journalisten und Fotografen wurden immer wieder unverhohlen Prügel angedroht. Ein farbiger Polizist wurde lauthals als "Nigger" und "Banana" beschimpft. Sogar der ansonsten coole Rieger-Freund Thomas Wulff erreichte nur lädiert den Versammlungsort. Der sei bei einer Polizeikontrolle ausgerastet und von Beamten einer bayerischen Sondereinheit im Gesicht verletzt worden, erzählten Beobachter.

Im Vorfeld der Neonazi-Pflichtveranstaltung gab es seit Tagen erhitzte Diskussionen in den zahlreichen Neonazi-Internet-Foren und Gästebüchern. Anlass war ein von Unbekannten verübter Anschlag auf das Heß'sche Grab in Wunsiedel. Aufgebracht durch diese Provokation forderten Hardliner Rache von den Organisatoren um Rieger und die Aktionsbüros Nord und West. Die hatten das ganze Jahr über bereits die Stilisierung des so genannten "Friedensfliegers" Heß forciert und die Teilnahme am Trauermarsch quasi zur Pflicht eines jeden Neonazis erklärt. Der "Mythos Heß" gewann in diesem Jahr aus strategischen Gründen noch an Bedeutung. Aufgrund der Vorwürfe gegen Christian Worch und seinen "Demotourismus" gab es im Jahr 2004 weitaus weniger von Kameradschaften organisierte Großaufmärsche.

Hass auf die Gegendemonstranten geschürt

Kaum verwunderlich auch, dass das Erscheinungsbild der Heß-Veranstaltung im Gegensatz zum ansonsten eher volkstümlichen NPD-Pressefest diesmal kaum Subkulturerscheinung hergab. Wer Lack trug, trug ihn in Schwarz. Tätowierungen wurden dezent verdeckt, viele Glatzen bedeckten dunkle Mützen. Manche trugen sogar weißes Hemd und Schlips. Mit der von Bundes- ordnerleiter Manfred Börm auferlegten Disziplin haperte es jedoch an allen Ecken und Enden, immer wieder griffen Skinheads heimlich zum Bier.
Kameradschaftsführer Thorsten Heise aus Fretterode hatte gut lachen, er betrieb den einzigen CD-Verkaufsstand. Die jungen Kameraden standen Schlange um die neuen Rechtsrock-Sampler wie "Amalek 2" zu erwerben. Einige die sich trauten, den umtriebigen Neonazi leise nach der "Gratis-Schulhof-CD" zu fragen, bekamen keine Antwort auf die Frage, wann es mit der Verteilung nun losgehe.

Der Kameradschaftsführer aus Nordrhein-Westfalen, Christian Malcoci, übernahm in diesem Jahr die Leitung auf der provisorischen LKW-Bühne. Engagierte Aktivistinnen wie Daniela Wegener und Inge Nottelmann verhielten sich diesmal auffällig unauffällig. Einzig aus der Anhängerschar des Neonazi-Querulanten Worch war Ivonne Mädel aus Thüringen erschienen. Sogar Gerd Ittner aus Nürnberg blieb fern.

In seiner wütenden Ansprache schürte Rieger den Hass seiner Gefolgschaft gegen die antifaschistische Gegenkundgebung auf dem Marktplatz von Wunsiedel unermüdlich. Er karikierte die Gegendemonstranten als gemeingefährliche Horden, warnte immer wieder vor Angriffen und forderte zur Gegenwehr auf.

Besonders brisant wurde die Situation, als Rieger eine Unterbrechung der Kundgebung bekanntgab, weil die Polizei sieben Busse mit Anhängern an Vorkontrollen aufhielt. Aufgeheizt von Riegers aggressiver Rede zogen die Neonazis in großen Gruppen in Richtung Marktplatz und Gegendemonstranten. Wie Rieger gefordert hatte, trugen viele von ihnen Fahnen und demonstrierten Stärke. Schnell kam es zu schwerer Randale zwischen Neonazis und Polizeieinheiten. Insgesamt wurden fast 80 gewaltbereite Rechtsextremisten festgenommen, viele von ihnen wegen verbotenem Waffenbesitz.

Versammlungsleiter Rieger machte während der ganzen Veranstaltung keinen Versuch die Gewalt zu bremsen, im Gegenteil, er sagte laut ins Mikrophon: "Also da geh' ich mal davon aus, dass keiner Waffen bei sich hat. Wer also noch eine Uzzi im Jackett hat, der soll sie beim Marsch nicht bei sich führen, sondern lege sie in einem Gebüsch hier ab."

Lokalpolitiker zeigen Zivilcourage

Der sächsische NPD-Spitzenkandidaten für die kommenden Landtagswahlen, Holger Apfel und Parteichef Udo Voigt standen wortlos lächelnd daneben. Immerhin war der Schulterschluss zwischen Freien Nationalisten um Rieger und NPD-Spitze in diesem Jahr erstmalig gelungen und Voigt hielt eine lange Rede, in dem er Schröder als "Kanzler der Alliierten" und "Speichellecker" beschimpfte. Im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen schrie Voigt ins Mikrophon: "Wir haben Kraft geschöpft, wir haben gesehen, dass wir uns regeneriert haben".

Einzig starke Regengüsse kühlten die erhitzten Kahlköpfe immer wieder gehörig ab. Auffällig viele europäische Neonazis standen erwartungsvoll vor der Bühne, um die Grußbotschaften ihrer nationalen Gruppen zu hören. Ein russischer Neonazi beschwor die deutsch-russische Kameradschaft und brüllte - fast fordernd: "Nie wieder Bruderkrieg". Mit Bannern vertreten waren unter anderem die Veneto Fronte Skinheads, die Turiner Sektion von Forza Nuova, Skinheads Steiermark und Bund freier Jugend.

Gegen halb vier setzte sich der braune Trauerzug in Bewegung. Angeführt von Voigt, Rieger und Apfel, tauchten Horst Mahler und Rednerin Ursula Haverbeck eher in der Menge unter. Bei den Marschkolonnen dominierte der Anteil der Kameradschaften gegenüber den NPD-Verbänden, die sich nur wenig zu erkennen gaben. Begleitet von Börms Ordnertrupp wagten nur noch wenige, laut zu sprechen oder zu rauchen. Bewegung kam auf, als sich etwa 50 Gegendemonstranten den Neonazis in den Weg setzten und lauthals ihren Protest herausschrieen. Besonders markant: in der ersten Reihe der Blockade saßen der CSU-Bürgermeister Karl-Willi Beck und sein Stellvertreter Popp. Rieger marschierte empört auf sie zu, immer umringt von Polizisten und schimpfte den Lokalpolitikern entgegen. Sprechchöre mit "Rieger raus"-Rufen übertönten dessen Hasstirade. Schließlich beendete die Polizei die Blockade friedlich und den Braunen gehörte wieder die bayerische Straße.

Soviel Zivilcourage der konservativen Lokalpolitiker beeindruckte jedoch nicht zuletzt auch einige Neonazis. Spätestens seit dem diesjährigen Heß-Marsch haben die lokalen Politiker Riegers Kriegserklärung angenommen. In Zukunft werden sie sicher mit allen Mitteln versuchen, einen weiteren Aufzug im rechten Wallfahrtsort Wunsiedel zu unterbinden. Beck und Co. erfuhren in diesem Jahr am eigenen Leibe, was es heißen kann, in einer so genannten "national befreiten Zone" zu leben.

Andrea Röpke

Quelle:  http://www.bnr.de/bnraktuell/brandaktuell/braunerschulterschluss/

@ein Antifa

Müsli 25.08.2004 - 12:58
Ich habe wegen dem angeblichen Beinbruch noch einmal nachrecherchiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass der Bullensani sich am Anfang ebenfalls geirrt hat. Der Genosse hat wahrscheinlich nebst weiteren Verletzungen einen Knochenhautriss am Bein davon getragen, wurde aber entgegen meiner ersten Aussage nicht mit spitzen Gegenstaenden angegriffen. Es ist also etwas glimpflicher abgelaufen als gedacht.

Jürgen Rieger - Ein Überblick

ein Antifa 27.08.2004 - 20:31

Wunsiedel - Noch ein Tagesbericht

ein Antifa 28.08.2004 - 20:25

NPD und miltante Neonazis

ein Antifa 28.08.2004 - 20:32
 http://de.indymedia.org/2004/08/91077.shtml
(Infos zu Thomas "Steiner" Wulff)

Oh wie schön ist der August

Antifa Freiburg 11.11.2004 - 15:25
Materialien zu den Rudolf-Heß-Märschen in Wunsiedel finden sich hier:

 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_article=240

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

@AK47 — M16 A2

Gähn... — nicht normal!

...hatte nichts anderes erwartet, — ...............

och gottchen — xyz