Grundeinkommen konkret

Tom Maier 14.08.2004 20:28 Themen: Soziale Kämpfe
Grundsatzartikel zum Thema Machbarkeit von Grundeinkommen im hier und jetzt. Version 1.10. Dieser Artikel ist ein Diskussionsvorschlag für die AG Sozialpolitik der WASG in Berlin. Es ist KEIN offizielles Dokument, sondern ein persönliches Statement. Ich denke dennoch das es interessant genug ist veröffentlich zu werden.
Nützliches Website: www.grundeinkommen.de


Vorschlag für Alternativen um Hartz IV

Preface:

Die derzeitige Kritik an Hartz IV und Co. hat einen großen Mangel – den Mangel an grundsätzlichen Alternativen. Daher erscheint es mir notwendig, an der Behebung eben dieses Mangels zu arbeiten. Ich beabsichtige damit nicht etwa, die notwendige Aufklärung der Bevölkerung abzuwürgen. Ich will die Diskussion um einen umfassenderen Ansatz innerhalb und außerhalb der WASG ankurbeln.

Vor dem Hintergrund der konkreten Situation vieler Menschen in Deutschland sind weder der Staus Quo noch die Reformen um Hartz IV hinnehmbar.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, wie zentral die Forderung nach einem Grundeinkommen ist. Den derzeit propagieren viele Parteien von der NPD bis zur PDS „WEG MIT HARTZ IV“. Ich warte nur noch auf die CDU..:-)

Das Thema GRUNDEINKOMMEN – wenn als zentrale Forderung aufgenommen und ernst genommen – bietet für die WASG eine einmalige Gelegenheit, sich ein eigenes Profil zu verschaffen.

Mein Ansatz sieht die Gesellschaft als Ganzes und stellt sich bei der Suche nach einer Lösung die Frage: Wie kann eine umfassende, menschenwürdige Versorgung der Bevölkerung garantiert und gleichzeitig die Finanzierung sichergestellt werden? Dazu ist es unabdingbar, sich die Effizienz der Umverteilungsmaschine anzusehen und Geldverschwendung, sprich Ineffizienz, zu thematisieren. Da es mir um eine Problemlösung geht und nicht primär um das Überlebenlassen von überholten Besitzständen (Bürokratie), wird dieses Papier bei einigen Privilegierten in unseren Reihen sicherlich auf Ablehnung stoßen. Darauf nehme ich keine Rücksicht, da es im Moment weniger um die konkrete politische Umsetzung geht, sondern um das Herausarbeiten der grundsätzlichen Lösungsmöglichkeiten. Wer sich schon zu Beginn fragt, was unter den gegebenen Umständen möglich ist, hat schon jegliche Chance auf Veränderung vertan.

Anmerkung: Im Dokument wird oft die Ich-Form verwendet – der Ehrlichkeit halber,
da ich der Autor bin und ich es nicht mag, wenn man sich – wie hier so oft üblich – hinter der Wir-Form versteckt. Zu den Tatsachen gehört auch, dass mein Netzwerk, meine Freunde, durch ihre Anmerkungen viel zu den hier beschriebenen Ansätzen beigetragen haben.

Gleichzeitig versuche ich mich kurz zu fassen, da ich euch nicht langweilen möchte.




Die Situation

Bevor ich auf Hartz IV eingehe, hier noch einmal die aktuelle Situation: Wir leben in einer Welt, in der der Mensch durch Automatisierung zu unglaublichen Leistungen befähigt ist. So gibt es z.B. in Sachen-Anhalt ein Flaschenherstellungswerk, in dem pro Monat 55.000.000 Flaschen hergestellt werden. Eine wahrlich erstaunliche Anzahl! Doch was in früheren Zeiten viele Arbeitsplätze geschaffen hätte, bringt heute gerade einmal 28 (!) Arbeitsplätze. Mithin kann ein Arbeiter durchschnittlich ca. 2 Millionen Flaschen pro Monat herstellen.

Bei diesem Stand der Produktion ist es völlig unrealistisch, das Ziel der Vollbeschäftigung zu verfolgen. Wie viele Flaschen sollen wir pro Kopf herstellen und verbrauchen, damit genügend Arbeitsplätze geschaffen werden? Als ob der Planet nicht schon genug Flaschen hätte…

Wenn also Vollbeschäftigung kein Ziel mehr sein kann und gleichzeitig die tatsächliche Lohnarbeitslosigkeit immer größer werden wird (derzeit wohl ohne statistische Tricks 6–8 Mio. in Deutschland), so muss die Grundversorgung der Bevölkerung durch etwas anderes gewährleistet werden als Lohnarbeit. Das Gesellschaftssystem muss in der Lage sein, eine deutlich höhere Anzahl Lohnarbeitsloser zu versorgen. Es muss ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges (!) Einkommen bestehen, das Vorrang vor Lohnarbeit hat, da Arbeitslosigkeit jeden treffen kann – Arbeitsplätze aber nicht.

Hartz IV geht genau den umgekehrten Weg. Dem gemeinen, arbeitslosen Volk wird der Krieg erklärt und dabei der letzte Groschen aus der Tasche gezogen. Kein Mensch kann erklären, wie „Fordern und Fördern“ in Berlin oder anderswo funktionieren soll, wenn man 7.500 offene Stellen mit mindestens 400.000 Leuten besetzen soll. Schon jetzt offensichtliche Ergebnisse von Hartz IV werden sein: Altersarmut, weitere Verslumung, mehr Gewalttaten und Erhöhung der Kriminalitätsrate, Zerstörung weiterer Zweierbeziehungen, Vertreibung aus Deutschland (es gibt bessere Sozialsysteme in diversen anderen europäischen Ländern) u.v.a.m. Man kann nur hoffen, dass die Betroffenen diese Kriegserklärung erkennen. Interessant und erwähnenswert ist ferner, dass selbst Teile der Industrie und vor allem des Mittelstandes das Ganze für widersinnig, unprofitabel und gefährlich halten.

Es soll hier auch erwähnt werden, dass Hartz IV durch ganz konkrete Personen an ganz konkreten Schreibtischen gegen ganz konkrete Menschen durchgesetzt wird. Kein Beamter und Bürokrat soll behaupten, er hätte (mal wieder) nur einen Befehl befolgt und nichts dagegen tun können.

Wir werden wahrscheinlich in den nächsten Monaten gewalttätige Angriffe gegen Bürokraten dieser Agenturen erleben. Presseberichten zu Folge wappnen sich die Vollstrecker von Hartz IV jetzt schon für „bürgerkriegsähnliche“ Zustände im Januar.

Wenn man sich die Effizienz der Umverteilung ansieht, so kann einem nur Angst und Bange werden: Überbürokratismus und Kostenverschwendung auf allen Ebenen. Neben dem Zweck der Gängelung der Normalbevölkerung geht es offensichtlich darum, durch möglichst unübersichtliche Gesetzgebung zu verhindern, dass die Menschen ihre Rechte wahrnehmen. Damit muss endlich Schluss sein!

Als kleines Bonbon sei erwähnt, dass das Arbeitsamt in Berlin in der Spitze derzeit 80.000 Euro für die Vermittlung eines Arbeitslosen aufwendet. Noch Fragen?

Wer sich an den angeblichen Grundgedanken von Hartz IV erinnert, die Senkung der Verwaltungskosten durch Zusammenlegung, und die Realität zum Vergleich heranzieht, nämlich noch höhere Kosten als im alten System, sieht, dass dies mit Prinzip erfolgt.

Ich kann nicht nachvollziehen, welches Recht der Staat oder einzelne Bürokraten haben, Menschen ihre Lebensweise zu diktieren. Die Aufgabe des Staates kann es nur sein, ein menschenwürdiges Einkommen zu garantieren und sich aus den Details heraus zu halten – also kein Mikromanagement zu praktizieren. Der Lohnarbeitslose kann selbst entscheiden, ob er in einer größeren Wohnung mit weniger Geld für seine restlichen Ausgaben leben will oder in einer kleineren. Der Staat beweist täglich, dass er eben nicht alles besser weiß.

Das Grundeinkommen (GE)

Aus dem oben genannten ergibt sich die Notwendigkeit der Einführung eines Grundeinkommens. Dabei handelt es sich um eine Garantiezahlung an alle Personen innerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes sowie Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft im Ausland, die nicht Lohnarbeitsempfänger, Selbstständige oder Beamte sind. An einer Ausweitung des GEs auf das Gebiet der EU ist hinzuarbeiten.

Einer der elementaren Unterschiede zum bestehenden Sozialsystem besteht darin, dass hier erstmals vom einzelnen Individuum ausgegangen wird. Ein GE kann nur dann sinnvoll sein, wenn es einem einzelnen Menschen erlaubt, menschenwürdig zu leben. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren deutlich in Richtung Singlehaushalt verändert – dennoch trägt die steuerliche und soziale Rechtslage dem in keiner Weise Rechnung. Bestrebungen für bestimmte Personengruppen (Schwule und Lesben z.B.), teilweise und widersprüchlich ähnliche Rechte wie für eine „normale“ Familie einzuführen, gehen genau in die falsche Richtung. Jeder Mensch soll in der Lage sein, so zu leben wie er will. Egal ob Mann, Frau, Homo, Lesbe, Ausländer, Inländer oder wer auch immer. Dazu sind ökonomische Abhängigkeiten auch in einer Beziehung absolut schädlich.

Die Forderung nach einem Grundeinkommen muss als Garantieanspruch ins Grundgesetz!

Berechtigt wären also alle Menschen – außer Menschen, die lohnarbeiten, selbstständig oder staatlich beschäftigt sind. Also z.B. auch Kinder, Rentner, Lohnarbeitslose, Hausfrauen/männer, usw. – eben jeder außerhalb der o.a. Gruppe. Kinder erhalten entweder den halben Satz oder, wenn allein lebend (WG, Heim usw.), den normalen Satz.

Es werden folgende einfache Regelungen vorgeschlagen:

- Das GE wird jeder Person ohne jedweden Nachweis von Bedürftigkeit ausgezahlt.
- Das GE wird per Vordruck (Name, Adresse, Kontoverbindung, Geburtsdatum, Steuernummer) beantragt, eine Anmeldung bedeutet gleichzeitig ein Lohnarbeitsverbot. Wenn man wieder eine Stelle hat, so sendet man einen zweiten Vordruck ein und wird aus dem System herausgenommen.
- Das GE ist nicht pfändbar, das Recht zum Empfang kann nicht abgetreten werden.
- Zum Empfang des GE besteht das Recht und die Pflicht eines Girokontos.
- Das GE wird jährlich an die Inflation angepasst.
- Die Höhe des GE sollte derzeit 1.000 Euro betragen. Weitere staatliche Leistungen erfolgen nicht. Für Kinder ist der 50% Satz anzubringen.
- Legales Zuverdienen bis zu 10% des GEs sind zulässig und Sozialversicherungs- und steuerfrei. Der GE-Empfänger ist für das Einhalten der Grenze verantwortlich.
- Das GE unterliegt der Steuerpflicht.
- Die Grenze der Steuerfreiheit pro Jahr wird dynamisch angepasst und errechnet sich wie folgt: GE mal 12 mal 1,1. In diesem Ansatz wären dies mithin 13.200,– Euro. Dies unterstellt, das der Krankenkassenbeitrag nicht absetzbar wäre.
- Bezieht jemand nur das GE, so besteht die entsprechende Jahressteuererklärung aus einem Vordruck, in dem das GE als einzige Quelle des Einkommens mit Namen, Adresse, Geburtsdatum, Steuernummer an das Finanzamt gemeldet wird.
- Der GE-Empfänger wird automatisch krankenversichert. Der entsprechende Betrag wird automatisch vor Auszahlung zum Abzug gebracht. Die Versicherung erfolgt bei der preiswertesten öffentlichen Krankenkasse. D.h. die Auszahlung läge bei ca. 850 Euro.

Das GE hat mehrere Vorteile:

1. Es stimuliert die darniederliegende Binnennachfrage (jeder Euro bis ca. 1.500 geht sofort in den Konsum).
2. Es zwingt die Industrie, moderne und qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen, die auch entsprechend besteuerbar sind.
3. Es ist effizient, da keine Überprüfung notwendig ist und der Transfer des Geldes 100% automatisch erfolgen kann
4. Das GE wird sogar dazu dienen, den Staat weiter zu entschulden und damit mehr Spielraum in die öffentlichen Kassen zu bringen.
5. Es stärkt die Position der Arbeitnehmer, die weniger erpressbar sind und macht auch innerhalb der Gewerkschaften „von unten“ mehr Druck für eine aktivere Vertretungspolitik.


Und wer soll das bezahlen?

Bekanntlich ist das Problem nicht die Einnahmenseite (der Staat hat noch nie so viel eingenommen wie 2003!), sondern die Ausgabenseite. Daneben sind die Umverteilungssysteme in Deutschland umständlich, ineffektiv und vollkommen überholt. Die eigentliche Aufgabe der Versorgung der bedürftigen Bevölkerung tritt immer mehr zurück hinter Interessen der Mitarbeiter der Umverteilungsbehörden.

Es ist schon sehr interessant, dass es keinerlei zentrale Erfassung oder Berechnung der Effizienz der Umverteilung gibt. Damit ist eine Kennziffer gemeint wie:

Was kostet den Staat bzw. die Gemeinde das Auszahlen von einem Euro Leistung tatsächlich?

Ich vermute hier Prinzip. Nach langer Recherche bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es auch kaum jemanden gibt, der daran in den Verwaltungen wirklich ein Interesse hat.

Ich kann hier nur eine grobe Schätzung vornehmen. Die direkten Personalkosten (z.B. Sozialhilfe, Sachbearbeiter usw.) dürften sich auf mindestens 50% der Auszahlungssumme („Leistung“) belaufen. Dazu kommen Miete, Geräte, IT, allgemeiner Verwaltungsaufwand. Ich halte daher einen Aufschlag von 75–100% für durchaus realistisch. Rechnet man dazu den Aufwand, der für das Eintreiben des Geldes notwendig ist (z.B. Finanzamt), so kommen wir auf sicherlich noch einmal 10–20%. Die Verwaltungskosten für die Eintreibung der Vermögenssteuer wurden z.B. auf 50% (!) geschätzt. Mithin halte ich eine Aussage, dass zumindest weit mehr als 2 Euro für einen ausgezahlten Euro aufgewendet werden müssen, für mehr als realistisch. Dabei sind für die Zinszahlungen der jeweiligen Ebene (Bund, Städte) noch weitere Aufschläge nötig. Es gibt Quellen, die besagen, dass der Betrag in der Totalrechnung bei mehr als 4 Euro liegen würde.

In einer Zeit, in der Computer vollautomatisiert Verwaltungsvorgänge übernehmen können, ist ein Verhältnis von 1 zu 2 bis 1 zu 4 nicht hinnehmbar. Der Staat muss sich in einen modernen Dienstleister verwandeln, der hoch rationell und produktiv MEHR bietet als der heutige Staat bei gleichzeitig deutlich geringerem Personal- und Kostenaufwand bietet. Dazu muss automatisiert werden. Damit dies gelingen kann, müssen Gesetze und Vorschriften entweder massiv zusammen gestrichen oder vereinfacht werden, da sie sonst dieser Automatisierung im Wege stehen. Beispiele dafür gibt es (im Ausland) zu Hauf.

Einfachheit ist also Trumpf! Dies spart Ressourcen und sorgt dafür, dass die Versorgung auch bei einer viel größeren Menge an Lohnarbeitslosen kein Problem darstellen wird.

Zur Finanzierung des GE sind folgende Maßnahmen möglich bzw. nötig:

- Abschaffung von allen anderen staatlichen Leistungen (Wohngeld, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Rente, Bevorzugung von Verheirateten usw.)
- Umwandlung der Arbeitslosen- und Rentenversicherung in eine GE-Umlage, die wie bisher zu 50% durch den Arbeitnehmer und zu 50% durch den Arbeitgeber getragen wird.
- Entlassung des größten Teils der Mitarbeiter von Arbeitsagenturen, BfA sowie aller Teile der Umverteilungsbürokratie.
- Umfangreiche Automatisierung, Modernisierung und Rationalisierung der öffentlichen Verwaltungen bei gleichzeitigem Beibehalten der Leistungen
- Zusammenfassung aller Einkommensarten zu einem Gesamteinkommen. Anwendung des jeweiligen Steuersatzes auf diesen Betrag. (Damit sollen Aktien- und Spekulationsgewinne der vollen Einkommenssteuer unterliegen.)
- Konsequente Anwendung des Steuerrechts. Es kann nicht sein, dass Aktiengeschäfte u.ä. immer noch am Fiskus vorbei laufen.
- Aufhebung des Bankgeheimnisses gegenüber den Finanzbehörden.

Finanzen konkret

Der Finanzbedarf beträt unter der Annahme, dass etwa 1/3 der derzeit mit Umverteilung Beschäftigten ihre Arbeit dann aufgeben bzw. arbeitslos werden:

Überschlagsrechnung Grundgehalt pro Jahr

in Mio Anzahl 1500 je 750/1500 1000 je 500/1000
unter 18 J 15 270000 135000 180000 90000
über 18J 42 756000 756000 504000 504000
Gesamt 57 1026000 891000 684000 594000

Mithin liegt der Bedarf etwa bei 594 Mrd. Euro.

Auf der Einnahmenseite stehen zumindest zur Verfügung:

Einsparungen durch Umschichtung

in Mio Euro Ausgabe Faktor 2
ALG 72000 144000
Kindergeld 26000 52000
Sozhilfe 25000 50000
ErzGeld 3300 6600
Wohngeld 4481 8962
Bafög 900 1800
Landw Soz Syste 4100 8200
Rentenvers 246000 492000
Gesamt 381781 763562


Mir ist vollkommen klar, dass es sich hier nicht um eine milliardengenaue Berechnung handelt. Es geht nur um die Abschätzung, ob und wofür wir ein "Zielfenster" haben.

Die Interpretation lässt m.E. folgendes zu:

Direkt – also die direkten Transfers – stellen 381 Mrd. Euro dar. Dabei fehlt uns noch etwas "Kleingeld" - so ca. 200 Mrd. Euro. Daher auch die Rubrik "Faktor 2". Hierbei handelt es sich um eine einfache Verdoppelung der Mittel. Wie in meinem Ansatz beschrieben, bewegt sich die Verschwendung der Mittel im Bereich vom 1–3-fachen (wenn man die Leistungen außen vorlässt). Auch wenn ich nicht einschätze, dass die Bürokratie im Falle der Rentenversicherung noch einmal den gleichen Teil auffrisst, so ist dies sicher in anderen Fällen zu vermuten. In Berlin kostet es in der Spitze derzeit wie schon geschrieben 80.000 Euro (!), einen Arbeitssuchenden zu vermitteln – und dies sind nur die DIREKTEN Kosten. Um den 500/1000 Fall finanzierbar zu machen, müssten wir also davon ausgehen, dass uns im Durchschnitt die uns fehlenden 213 Mrd. in der Auszahlung, Verwaltung, Schuldendienst und Steuererhebung 56% kosten. Oder anders gesagt: 1 Euro ausgezahlt kostet 1.56 Euro in der Einnahme. Ich bin mir absolut sicher, dass dies der Fall ist. Hier dürften noch diverse Mrd. für andere Zwecke vorhanden sein.

Mithin sind lt. dieser Überschlagsrechnung 500/1000 Euro finanzierbar, WENN man das Umverteilungssystem radikal rationalisiert. Dadurch steigt auch die Anzahl der GE- Empfänger NICHT wesentlich an.

Ich bin zwar immer noch ein Fan der 1500 Euro-Regelung, aber für diese kann ich derzeit keine positiven Zahlen benennen. Ein Drehen an der Stuer- und Abgabenschraube halte ich nicht für sinnvoll.

Das ist doch eine gute Nachricht – oder?

Das heißt auf den Punkt gebracht: Unter den gegebenen Umständen sind die Not der Menschen, die Hoffnungslosigkeit und die fehlenden Zukunftsperspektiven für ein besseres Leben HAUSGEMACHT und nicht etwa ökonomisch notwendig. Oder anders:

Das Grundgehalt von 1000 Euro ist ökonomisch machbar – man muss es nur wollen!

(Damit habe ich die Hausaufgabe – die Machbarkeit zu prüfen – erfüllt)


Ich möchte an dieser Stelle auf ein paar Einwände reagieren, die bis heute gekommen sind:




Warum wollt ihr kein Grundgehalt für alle?

Wollen wir doch! Jeder hat die Möglichkeit, Teil des Programms zu werden. Die Forderung nach einem Grundgehalt für alle (also auch Lohnarbeiter, Unternehmer, Beamte) ist nicht nur nicht finanzierbar, es hätte wahrscheinlich auch massive inflationäre Auswirkungen. Damit wäre der Effekt wieder verpufft. Es kommt noch ein ganz entscheidender Punkt dazu: Sollte jeder in Deutschland das GE bekommen, so hätten wir damit ein gigantisches Lohnsubventionsprogramm für die Industrie eingeleitet. Dies wäre inflationstreibend und lohndrückend. Die Auswirkung wäre wahrscheinlich, dass die besteuerbaren Löhne drastisch sinken würden (Deutschland = fleißig), was wiederum die Finanzierbarkeit des Grundgehaltes massiv in Frage stellen würde. Ein weiterer sehr wichtiger Grund ist der, dass die Industrie nur so motiviert werden kann, hochmoderne Jobs und nicht etwa McDonalds-Jobs anzubieten. Zuletzt sei gesagt, dass dies ungerecht wäre, da Lohnarbeiter (häufig) durch den Job genug bzw. mehr verdienen als der GE-Empfänger. Wie gesagt: Arbeitsplätze haben immer weniger – kein Einkommen immer mehr. Oder anders: Wer ein GE für alle 82 Mio. Einwohner fordert, der verhält sich in etwa so: Ein sterbender Bettler bittet einen wohlhabenden Bürger um eine milde Gabe, damit er weiterleben kann. Als Antwort bekommt er zu hören: Du bekommst nur etwas, wenn ich auch den gleichen Betrag von dir bekomme. Nur dass der Bettler nichts hat, wird dabei eben vergessen.

Wird dies nicht die Arbeitslosigkeit erhöhen?

Sicherlich werden dadurch, je nach Schätzung, 1–3 Millionen Beamte und Angestellte arbeitslos. Bei einem GE von 1.500 Euro schätze ich, dass 1/3 es aufgeben werden, zu lohnarbeiten, und bei 1.000 Euro ca. 1/4. Im o.a. Rechenbeispiel hatte ich zur Sicherheit 1/3 angesetzt.. Durch die Einführung des GE werden auch diese Menschen genug Geld erhalten, um damit menschenwürdig zu leben. Gleichzeitig wird ihre bisherige Tätigkeit durch die Einführung des GEs in o.a. Weise überflüssig.

Werden dadurch nicht manche Menschen schlechter gestellt?

Viele ehemalige Mitarbeiter des Staates werden dadurch weniger Geld verdienen (außer der einfache Sachbearbeiter), gleichzeitig wird es Millionen Lohnarbeitsloser und deren Familien deutlich besser gehen. Auch werden einige wenige Rentner etwas weniger bekommen. Das GE wird zudem den Binnenkonsum ankurbeln, was sich positiv auf die verbleibenden Arbeitsplätze auswirkt. Gleichzeitig wird das alles erdrückende Gefühl von Gängelei und Bevormundung wirksam bekämpft und so mancher wird die seltsame Erfahrung machen, dass das Leben ohne permanente Existenzangst viel besser wird.

Warum fordert ihr keinen Mindestlohn?

Die Schönheit dieses Ansatzes ist seine Einfachheit. Ein Mindestlohn ist nicht notwendig, wenn das GE eine entsprechende Höhe hat, da die Absicherung sichergestellt ist. Gleichzeitig setzt das GE die Unternehmen und Behörden (!) unter Druck, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Bei 1.000 Euro sind wir bei 40h/Woche bei einem Mindestlohn von 6.26 Euro netto.

Finanzieren dann nicht die arbeitenden Menschen die faulen GE-Empfänger?

Aber natürlich tun sie dies. Genauso wie heute die arbeitenden Menschen die „faulen“ Rentner, Arbeitlosen, Kranken und nicht zu vergessen durch Konsum und Arbeit die „faulen“ Unternehmen finanzieren. Sprich: Keine Verschlechterung für Lohnarbeitende, sondern nur gerechtere Verteilung und vor allem viel mehr Sicherheit.

Warum soll dann noch jemand arbeiten?

Gute Frage! Mit diesem Modell wird sicherlich so mancher Fastfood-Hersteller seine Probleme haben, noch jemand für die gesundheitsschädlichen Jobs, die zudem keine nennenswerten Steuern erbringen, zu finden. Das sei deren Problem, diese Jobs sind gesellschaftlich nicht wünschenswert. Qualitativ hoch stehende und moderne Jobs hingegen werden natürlich weiterhin begehrt sein (und entsprechende Steuern erzeugen).

Sollen alle staatlichen Jobs wegfallen?

Nein, natürlich nicht. Viele, wie Bildung, Kultur, Gesundheit und Umweltschutz, müssen sogar massiv ausgebaut werden. Abgeschafft werden sollen nur die überflüssigen Jobs der Umverteilungsbürokratie (die selbst überflüssig geworden ist) sowie die Jobs, die maschinell ersetzbar sind. Arbeit, die automatisiert erledigt werden kann, ist bekanntlich unmenschliche Arbeit.

Reicht das Einführen des GEs aus?

Nein. Das GE dient nur dazu, den Arbeitszwang, da überholt, endlich abzuschaffen und die Gängelei von Arbeitslosen und Arbeitenden, also des größten Teils der Bevölkerung, zu beenden. Lohnarbeitslose, die etwas tun wollen, müssen natürlich die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe erhalten. Dazu ist eine umfangreiche und grundsätzliche Demokratisierung der Gesellschaft notwenig. Gleichzeitig ist es notwendig darüber zu diskutieren, wie GE-Empfänger, wenn sie dies wollen, die Möglichkeit zur Arbeit (und nicht Lohnarbeit!) erhalten. Dies sei erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt, da es den Rahmen dieses Textes sprengen würde.

Was ist mit chronisch Kranken und alten Menschen in den Altersheimen?

Der Ansatz sollte der sein, dass diese Menschen nach Abzug der Kosten für Heim- oder Krankenhausplatz über eine vergleichbare Summe an Geld verfügen wie gesunde bzw. jüngere Menschen. Hier müsste aus dem System der Krankenversicherungssysteme eine Transferleistung erbracht werden. Wie auch immer die Lösung erfolgen könnte, sie muss sich an dem Prinzip K.I.S.S. (Keep it simple stupid – Dinge einfach halten) orientieren.
Kommen dann nicht viele Ausländer nach Deutschland und überlasten so das System?

Das Problem ist bekannt und auch als solches anerkannt. Bis jetzt wurde es noch nicht ausreichend diskutiert, da auch das EU-Recht ein Problem darstellen kann. Es wird daran gearbeitet – und es ist sicherlich lösbar. Die Situation in diesem Punkt wäre sicherlich einfacher, wenn das EU-Ausland sich ebenso reformieren würde. Gleichzeitig sei angemerkt, dass eine Auszahlungssumme von ca. 850 Euro keine so große Motivation darstellen wird.

Warum redet hier niemand über die Unternehmen, die Milliarden versickern lassen und an der Krise schuld sind?

Ganz einfach. Unternehmen sind scheu und durch die Globalisierung in Windeseile „ausgewandert“. So lange es weder Abkommen zwischen Staaten gibt, um die Erpressungs- und Ausspielversuche der Industrie zu unterbinden (Stichwort: gleiche Löhne für gleiche Arbeit, gleiche Steuern), noch irgendwo eine ernsthafte Bewegung gibt, die die Macht-/Eigentumsfrage stellt, so lange ist dieser Block nicht angreifbar. Das Papier versucht, derzeit gangbare Wege zu finden. Allein das Anwenden bestehender Gesetze würde nach Schätzungen Mehreinnahmen von ca. 50 Mrd. Euro erbringen.

Das klingt ja alles ganz toll, aber die bestehenden Gesetze (Beamtenrecht, Tarifrecht, Rentenversicherung) müssten vollkommen geändert werden.

Richtig. In dieser Diskussionsgrundlage geht es nicht um die rechtliche Machbarkeitsprüfung, sondern um Grundsätzlicheres. In welche konkrete Form (gesetzlich) dies dann gegossen werden wird, ist erst einmal unerheblich.

Ich lebe außerhalb Deutschlands – wollt ihr mir die Rente streichen?

Nein. Anstelle der Rente wird das GE ausgezahlt. Voraussetzung dazu ist ein Bankkonto im Ausland, welches über die normalen Bankwege (S.W.I.F.T.) erreichbar ist.

Kommentare an die Email Adresse (Kritiken vor allem!) sind willkommen!

Tom Maier, Berlin ( tommaier_2000@yahoo.com)


Dieser Text darf nachgedruckt und zitiert werden, so lange der Autor angegeben wird. Er darf nicht ohne vorherige Zustimmung durch den Autor für kommerzielle Zwecke verwendet werden.
Autor: Tom Maier ( tommaier_2000@yahoo.com). Version 1.10
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

inflation?

alex 14.08.2004 - 23:15
erstmal danke für diese super analyse!

nur eine kritische frage noch, die ich ebenfalls den autoren des textes "Sich selbst eine Arbeit gebenSich selbst eine Arbeit geben" ( http://www.attac.de/hagen/sich_selber_arbeit.htm) stellte, da es in der grundaussage ähnlich ist, aber leider nie eine antwort bekam.

damals fragte ich "ich studiere zwar keine volkswirtschaft, jedoch habe ich folgende frage:
wenn "lohn der arbeit erheblich über der grundsicherung liegt", verursacht dies dann nicht zwangsläufig eine verteuerung aller produktions-, vertriebs-, verwaltungs- und dienstleistungsprozesse, kurz aller güter und dienstleistungen?
und wird diese verteuerung nicht noch zusätzlich durch die "erheblich über dem gegenwärtigen sozialhilfesatz" liegende "menschenrechtsgemäße grundsicherung" beschleunigt?
dies führt doch zwangsläufig zu einer inflation! "

ist dies hier nicht ähnlich?
wenn das (notwendige!) grundeinkommen 1.000 euro beträgt, führt das doch zwangläufig zu einer inflation, oder?

Inflation

Tom Maier 15.08.2004 - 00:21
Nein es dürfte keine wesentlich Inflationstreiberei erzeugen.

Warum? Weil die GELDMENGE nicht erhöht wird. Sie wird nur anders verteilt.

Und: Es kann sein (kann!) das es zu kleinen Inflationseffekten im Bereich der Nahrungsmittel kommen könnte. Das müsste durchgerechnet werden, ist aber m.E. vernachlässigbar.

das gab' es schonmal...

Mangalore 15.08.2004 - 00:30
Ohne hier eine tatsächliche Wertung ihres Vorschlages vornehmen zu wollen erinnert mich ihr Vorschlag des Grundeinkommens and die Einrichtung eines Proletariats, dass von einer arbeitenden "Elite" versorgt werden soll. In gewisser Weise kann man hierfür historisch das römische Reich heranziehen, dass zwar nicht durch Automatisierung sondern durch Sklavenarbeit die Unterschichten von ihren Arbeitsplätzen vertrieb, aber ansonsten nach ähnlichen Muster die mittellosen Bürger staatlich versorgte.

Ich sehe in einem solchen Konzept ein moralisches Dilemma: Denn wieso sollte eine Person arbeiten oder sich um Arbeit bemühen, wenn sie auch ohne Anstrengung ihr Leben finanzieren kann. Worin liegt also der Anreiz der höher bezahlten "Klassen" sich den Hintern abzuarbeiten, um jeden anderen ein bescheidenes, aber gemütliches Leben zu ermöglichen?

Gleichzeitig fällt der Billiglohnsektor komplett weg, da er mit den 1000 Euro Grundeinkommen nicht konkurrieren kann => mehr Leute wollen GE anstatt zu arbeiten. => Mehrkosten.

Auch ist mir nicht einleuchtend, warum die Industrie dadurch Arbeitsplätze schaffen würde, denn um irgendwen zum Arbeiten zu bewegen müsste sie mitunter disaströs hohe Gehälter anbieten, damit der noch arbeitende Teil nicht einfach lieber schwänzt. => Industrie sucht sich lieber ein anderes Land oder macht zu.

Ich sehe in diesem System die große Gefahr, Wirtschaftskraft zu vernichten und damit auch die Finanzierungsgrundlage des GE. Das bringt dann nichts: Wenn weniger arbeiten, muss der kleine Rest so produktiv sein, um alle anderen zu versorgen, gleichzeitig würde dies zu einer Spaltung der Gesellschaft führen in der eine statische Unterschicht entstehen in der sich niemand mehr um Arbeit bemüht.

Andeutungsweise wurde eine solche Gesellschaft in der SF-Space-Opera Honor Harrington von David Weber angedeutet und auch sehr folgericht ist die dortige Entstehung einer Klassengesellschaft. Nun, David Weber ist in seinen Büchern eher konservativ, dennoch finde ich diese Zukunftsvision überzeugend genug, um sie nicht als sinnvoll einzustufen.

Ob das ganze realistisch gesehen wirklich bezahlbar ist, weiss ich nicht, doch die gesellschaftliche Entwicklung, die sich daraus entwickelt, die arbeitende Bevölkerung sind die Dummen oder propagandistischer "Wer arbeitet, ist dumm", finde ich eher negativ, auch wenn ich hier absichtlich generalisiere.

faulheit?

Faust 15.08.2004 - 10:44
das thema bedürfte sicherlich einer genaueren untersuchung, deshalb hier nur in aller kürze einige bemerkungen:
das argument, die breite masse würde sich im zweifelsfall dann einfach faul auf leistungen ausruhen und nichts mehr zur gesellschaft beitragen, ist die in diesem land weit verbreitete neidpropaganda nach unten. ich will nicht leugnen, daß es fälle sog. leistungsmißbrauchs geben dürfte, wobei man auch dabei nicht über einen kamm scheren darf. viele menschen sind nach jahren des elends einfach nur noch fertig. die mehrzahl der jetzt von staatlichen hungerhilfen abhängigen sind eben nicht glücklich damit, weder mit dem betrag, noch erst recht nicht damit, keinen sinn in ihrer existenz zu erfahren, sich nicht nützlich machen zu können und allgemeiner geringschätzung ausgesetzt zu sein. nein, ich propagiere hier jetzt nicht den lebenssinn durch ERWERBS(!)-arbeit. jedoch ist es ein kennzeichen des menschen, sich betätigen, auf seine umwelt gestaltend einfluß nehmen zu wollen und daraus ein positives feedback für sich und sein leben zu ziehen. die psychosozialen faktoren sind in der prekären existenz beinahe noch wichtiger, als die rein ökonomische seite. eine grundsicherung, die - im gegensatz zum offiziellen anspruch der aktuellen sozialhilfe – auch ökonomisch eine menschliche würde zuließe, könnte viel eher dazu beitragen, zu aktivieren, wie es ja allseits propagiert wird. es gibt viele gesellschaftrelavante aufgaben, besonders in den kommunen, die wahrscheinlich vermehrt und gerne von jenen angegangen würden, die nun mit absurden billigbeschäftigungen einfach nur aus der offiziellen untätigenstatistik herausgezwungen werden und eine „proletarische reservearmee“ bilden sollen. eine solche form abgesichterten „ehrenamtes“ brächte den betroffenen weit eher die möglichkeit, sich selbst als individuum einzubringen, das so wichtige gefühl zu haben, gebraucht zu werden. der wermutstropfen für die momentanen eliten bestünde dabei aber darin, daß man nicht mehr jeden durch ökonomische repression und angst zu jedem mist einfach zwingen kann, sondern es wieder mit entscheidenden und denkenden menschen zu tun hätte, die auch sinnfragen an ihre tätigkeit stellen.
es wäre an der zeit den arbeitsbegriff erneut zu hinterfragen und darauf hinzuweisen, was er unter günstigen bedingungen sein KANN: eine möglichkeit zur sinnvollen und auch befriedigenden gesellschaftlichen teilhabe. dies jedoch nur dann, wenn nicht durch ein klima der existenzangst willfährige lohnsklaven produziert werden sollen, wie es im moment der fall ist.
die würde des menschen, wie sie edel das grundgesetz schmückt, ist unter jetzigen bedingungen allenfalls ein konjunktiv...

Anmerkungen

Tom Maier 15.08.2004 - 12:54
@Faust: Netter Versuch. Sorry aber den ArbeitsZWANG aufrecht zu erhalten via Ehrenamts ist ein nett benannter Reichsarbeitsdienst. Sehr schön neoliberal + zynisch gehts dann weiter: die psychosozialen faktoren sind in der prekären existenz beinahe noch wichtiger, als die rein ökonomische seite. Also wenn ich bei Aldi stehe und eine Cent in der Tasche hab....

Es geht um das ABSCHAFFEN des Arbeitszwanges. Und nix anders. Und das bedingungslos. und deinen versuch menschen wieder vorzuschreiben was sie tun sollen, sorry: nicht mit mir.

Es ist unbestritten das durch die Einführung eines GEs nicht alle gesellschaftlichen Probleme gelöst sind. Aber eben einige, extrem wichtige.

@Mangalore: "Ich sehe in einem solchen Konzept ein moralisches Dilemma: Denn wieso sollte eine Person arbeiten oder sich um Arbeit bemühen, wenn sie auch ohne Anstrengung ihr Leben finanzieren kann. Worin liegt also der Anreiz der höher bezahlten "Klassen" sich den Hintern abzuarbeiten, um jeden anderen ein bescheidenes, aber gemütliches Leben zu ermöglichen?
"

1. Sie tun es schon heute
2. Sie werden höher bezahlt.

Das die menschenunwürdigen Billigjobs wegfallen - ist doch prima!

Die Industrie will hier verkaufen - und das geht dann eben nur durch moderne Produktion und "disaströs hohe Gehälter". Lach. Sprich mehr als 6.26 Euro die Stunde... Merkst Du nicht wie Du ein Opfer der Propaganda bist? Und fällt Dir nicht auf das die tatsächlich monströsen Managergehälter bei dir kein Thema spielen? Gerade wo Du doch so besorgt um die gute Industrie bist.

"gleichzeitig würde dies zu einer Spaltung der Gesellschaft führen in der eine statische Unterschicht entstehen in der sich niemand mehr um Arbeit bemüht. "

Willkommen im heute. Alle Untersuchungen bestätigen das wir da schon längst sind.

"Ob das ganze realistisch gesehen wirklich bezahlbar ist, weiss ich nicht, doch die gesellschaftliche Entwicklung, die sich daraus entwickelt, die arbeitende Bevölkerung sind die Dummen oder propagandistischer "Wer arbeitet, ist dumm", finde ich eher negativ, auch wenn ich hier absichtlich generalisiere."

Bezahlbar ist es - das ist kein Thema. Und wer glaubst du bezahlt heute die Rente, ALV und das Soz? Die "Dummen"....

klarstellung

Faust 15.08.2004 - 14:20
sorry tom, da habe ich mich wohl mißverständlich ausgedrückt. ich stimme dir in allen punkten zu. es ging mir nur darum, dieser blödsinnigen unterstellung zuvorzukommen, die grundversorgte menschen nur auf grünen wiesen liegen sieht.
es geht mir nicht um einen „reichsarbeitsdienst“ oder sonst eine mandatorische arbeitsverpflichtung, sondern ich behaupte, daß die meistens menschen sich eine beschäftigung im wortwörtlichsten sinne suchen würden, wäre eine ökonomische absicherung gegeben. wer heute so nett euphemistisch „beschäftigungslos“ genannt wird, wüßte meist sehr wohl mit seiner zeit etwas anzufangen, wenn er eben nicht erwerbslos wäre und wirklich andere sorgen hätte. mit den psychosozialen folgen meinte ich nicht etwa, man solle auch ohne ressourcen glücklich werden oder einfach nur mehr opium fürs volk bereitstellen. im gegenteil: nur wenn für das nötige ausreichend gesorgt ist (und das ist meiner ansicht nach weit über dem bisher vorgeschriebenen sog. existenzminimum. dein konkreter vorschlag bewegt sich in einem rahmen, der erst mal akzeptabel klingt), werden auch die häufig dann eintretende psychische verelendung und wiederum deren folgen (chronische erkrankungen, sucht, familiäre gewalt etc.) verhindert, die ansonsten fast zwangsläufig die folge der hoffnungs- und würdelosigkeit sind. daß hinter der ganzen debatte schicksale mit gefühlen, wünschen, hoffnungen und eben einer psyche stehen, die durch ihr elend angegriffen wird, geht leider bei der diskussion, die sich oftmals rein ums geld dreht oft vollkommen unter. nicht darauf zu verweisen, daß es um mehr als nur das finanzielle geht, das wäre neoliberal.

@Mangalore

Krachmacher 15.08.2004 - 22:44

Wenn alle unabhängig von dem Einkommen ein Grundgehalt bekommen, werden Jobs mit geringem Einkommen nicht wegfallen, sondern es lohnt mehr so etwas zu machen, da man ja keine Sorge haben muss, dass dadurch das Grundgehalt wegfällt, eines der vielen Dinge, woran das heutige System krankt. Kein Grundgehalt wird so sein, dass man davon luxeriös leben kann, also 1000 Euro + 500 Euro (Job) sind 1500 Euro und im dem Einkommensbereich macht das viel aus, da ja jeder einen Sockelbetrag an Fixkosten hat, die sich nicth so sehr unterscheiden.

Abgesehen davon sind 1000 Euro Grundgehalt für eine Einzelperson zu hoch angesetzt.

Was natürlich im Gegensatz zu heute wegfällt, ist die Erpressbarkeit des Bürgers, einen Job zu fast jeden Konditionen machen zu müssen (und das ist sicher einer der Gründe, warum so etwas nicht kommen wird).

Grundeinkommen bringt nix...

rr 16.08.2004 - 04:56
Durch das Grundeinkommen bei ansonsten unveränderten Parametern wirst du nicht viel ändern. Du kannst auch allen Menschen zwei jährliche Arztbesuche und Zahnersatz erstatten.
Das ändert trotzdem nix am Hauptproblem.

Denn das Hauptproblem ist der Kapitalismus selbst, das Hauptproblem ist das Gewinnstreben der Menschen. Gewinne können aber nur dann erreicht werden, wenn ein anderer den Gewinn erarbeitet. Geld kann sich eben nicht von selbst vermehren, so wie das immer so schön dargestellt wird. Wenn du Werte schaffen willst, dann musst du Produkte schaffen, und das geht nur indem du ein wenig Arbeit investiertst.
Wenn du jemanden Geld gibst, damit der dir in ein par Tagen etwas mehr Geld zurück gibt, dann muss das vermehrte Geld irgendwoher kommen. In dem Fall "Bankkonten" kommt das Zinsgeld z.B. von Leuten, die bei der Bank einen Kredit haben und für die Zinsen mehr Arbeiten müssen.

Würdest du die staatlichen Leistungen auf ein Grundeinkommen reduzieren/umwandeln, dann hättest du lediglich die Arbeitsfähigkeit der Arbeitenden Klasse auf Dauer gesichert. Das Problem, dass Menschen mit ihrer Arbeit Werte für andere schaffen indem sie als Arbeitnehmer auftreten, das bliebe beibehalten. Ein Wert ist aber nichts anderes als investierte Arbeit.
Du hättest immer noch das System der Ausbeutung von Menschen durch andere Menschen, und dadurch bedingt hättest du mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit einen Machtmissbrauch. Denn wo auch immer Macht über Menschen vorhanden ist wird sie irgendwann missbraucht werden. Nimm den größten Revolutionär, setz ihn auf den Thron, und innerhalb kürzester Zeit hast du den schrecklichsten aller Zaren.

Die Lösund des Problems Macht besteht eben nicht darin, soziale und ökonomische Konflikte zu unterdrücken. Die Lösung besteht darin einen radikalen und möglicherweise nicht immer friedlichen Einschnitt zu machen und die betsehenden Systeme zu negieren.
Du musst die Produktionsmittel und die Macht direkt wieder denen geben, denen sie gehört - den einzelnen Individuen. Weder Staat noch Wirtschaft noch sonstwer hat das Recht Macht über andere auszuüben.
Der Mensch ist frei geboren, er ist anderen Menschen gleich und sein Überleben ist nur durch ein solidarisches Verhalten im Kollektiv gesichert.
Eben aus diesem Grund ist Eigentum schlicht und einfach Diebstahl, denn Eigentum ist nicht solidarisch. Besitz dagegen ist in einer solidarischen Gemeinschaft verpflichtend.
Handel mit Eigentum ist so aber nichts anderes als die moderne Variante des Raubens.

Antworten

Tom Maier 16.08.2004 - 07:15
@rr: Ein Schritt nach dem nächsten...:-) Der Anspruch des Papiers war und ist zu zeigen, dass ohne jedwede Änderung sowas machbar ist und wie.

Und mehr nicht! Es bestand nicht der Anspruch die Gebrechen des Kapitalismus komplett zu behandeln.

@Mangalore: Wenn ein Grundgehalt an ALLE - also auch Arbeitende usw - zahlst, dann ist dies wie im Paper steht: inflationstreibend und lohndrückend. Es verwässert zudem den Effekt der Transferleistung. Ein GE für alle 82 Mio wäre ein Rückschritt zu heute.

Grundeinkommen

Henning 20.09.2006 - 08:32
Ich hab hier auch was zum Thema Grundeinkommen geschrieben. Wer Interesse hat:  http://www.henningschuerig.de/blog/2006/09/20/gedanken-zum-grundeinkommen/