Festung-EU Aktion in Tübingen

Kein Mensch ist illegal 11.08.2004 23:53 Themen: Antirassismus
EUROPA MACHT DICHT / Teil 1
Im Ramen des "Freien Camp Projektes Tübingen" gab es am
letzten Sonntag eine Floßfahrtaktion zur Verdeutlichung
der repressiven Abschottungspolitik der "Festung Europa"
Eine Woche lang campten in Tübingen Menschen verschiedener Herkunftsländer und gesellschaftlicher Stellungen ab 2,5 Jahre plus einige Hunde um die den globalen und lokalen Kontext verbindende Idee , Vielfalt zu leben und alternative Wege zu gehen nicht nur zu diskutieren , sondern auch umzusetzen und vor Ort zu erfahren. Es ging um Austausch , Kontakte knüpfen , gemeinsam die Organisation bestreiten ec. und es gab zahlreiche work-shops künstlerischer Art ( Jonglieren ; Tanzkampfsport ) Konzerte Vorträge ( wie zu Anrachosyndikalismus ) und Filme ( Spanischer Bürgerkrieg ) . Näheres zum Camp und die bilanzierende Berichterstattung ( ab nächste Woche ) unter : www.welt2raum.de

Kein Mensch ist illegal Tübingen erfuhr von den TeilnehmerInnen des Camps tatkräftige Unterstützung bei der Realisierung der nicht ganz neuen Aktionsidee : Floßfahrt zur Veranschaulichung der " Festung Europa "
Diese Aktion bei der ein Floß die Festung EU versymbolisiert und schlagende GrenzfunktionärInnen auf landsuchende Flüchtlinge einschlagen die in Folge mit dem Ertrinken kämpfen wurde letztes Jahr bereits im nahen Rottenburg realisiert.In Rottenburg befindet sich der lokale Abschiebeknast bzw.Abschiebe -Container in der Rege l- JVA , die bei Hitze bis zu 40 C Raumtemperatur entwickeln. Dort nehmen die Suizidgefährdungen und - Versuche immer mehr zu. Das Bündniss gegen Abschiebehaft hatte deshalb auch zu einer weiteren von vielen Mahnwachen einen Tag zuvor in Rottenburg selbst aufgerufen.Die Wiederholung der Floßaktion in Tübingen sollte dem Thema den Radius erweitern und per verteilten Infoblättern und Folgepresse die Bevölkerung für die Umstände sowohl im nahen Rottenburg als im Allgemeinen sensibilisieren.
Für die Teilnehmenden war es eine positive , dynamische Erfahrung von Interaktion und Themenerweiterung. Kein mensch ist illegal bedankt sich herzlichst bei allen AktivistInnen ohne die die Aktion gar nicht hätte stattfinden können .
Die Floßfahrt selbst war ein aktiver Akt etwas " anderen Wassersports " begleitet von lauten Rufen der schwimmenden Flüchtlinge : " Unsere Probleme interessieren euch nicht ". " Wir haben Hunger" " Wir werden verfolgt , interniert , gefoltert " usw. Erfreulicherweise war das Interesse der Neckarfestgäste gar nicht mal gering und kaum Jemand verweigerte die Annahme des Begleitflugies mit folgendem Text :

EUROPA MACHT DICHT

Mit der Unterzeichnung des Schengener Abkommens 1994 fielen in Europa nicht nur die für einen freien Handel hinderlichen Binnengrenzen - an den Aussengrenzen Europas wurde eine Hochsicherheitszone aufgebaut , die verhindern soll , dass Menschen unkontrolliert die Grenzen Europas passieren. Diese ständig aufgerüstete Festung richtet sich seitdem in erster Linie gegen Menschen , die der Verwertungslogik als billige oder besonders gut ausgebildete ArbeitsmigrantInnen nicht entsprechen können , sondern vor politischer Verfolgung , Kriegen oder wirtschaftlichen Miseren fliehen , welche die Regierungen der westlichen Industriestaaten zu einem gewichtigen Teil mit zu verantworten haben.

Die EU hat in den letzten Jahren fast alle legalen Zugnagsmöglichkeiten zu ihrem Territorium verschlossen. Alle Herkunfstländer sind für die EU-Staaten visumspflichtig - aber Visa für Flüchtlinge gibt es nicht. So wird die legale und gefahrenfreie Einreise von Flüchtlingen verhindert , die " illegale " kriminalisiert und bekämpft.

Im Innern Europas wurden demgegenüber die Asylrechtstandarts immer weiter nach unten gedrückt und quasi ausgehebelt.
In Deutschland z.B. wurde das Asylrecht 1993 faktisch abgeschafft nachdem PolitikerInnen schon Jahre zuvor eine Hetzkampagne lostraten und eine nie eingetroffene " AsylantInnennflut " heraufbeschworen hatten. Mithilfe der Drittstaatenregelung " die besagt , dass Flüchtlinge die über ein anderes , " sicheres" Land in die BRD einreisen, in dieses Land zurückgeschoben werden , da sie ja dort einen Asylantrag stellen könnten , ( was der Kriminalisierung der " illegalen" Einreise gleichkommt ) hat die BRD es geschafft , nur noch 1,6 % ( Jahr 2003 ) aller AsylantragstellerInnen einen gesicherten Status zuzugestehen. Alle anderen - jährlich betrifft dies ca.30 000 Menschen - werden abgeschoben oder in die Illegalität getrieben.

Im Ramen der EU - Vergemeinschaftung und der Ostverlagerung der EU-Grenzen werden nun die Asylrechtstandards europaweit angeglichen. Die nun auf europäischer Ebene gültige Drittstaatenregelung hat zur Folge , dass Flüchtlinge an den neuen EU-Aussengrenzen zurückgewiesen werden können - nach Rußland , in die Ukraine , nach Moldawien , Rumänien , Bulgarien und in die Türkei .
Unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands wird eine Grenzschutzagentur aufgebaut , gleichzeitig sollen Durchreise - und Herkunftsländer von Flüchtlingen stärker in die Flucht - und Migrationskontrolle eingebunden werden. Schnellere Asylverfahren , mehr Lager , längere Abschiebungshaft , effizientere Abschiebungsprakltiken , teilweise oder völliger Ausschluss von Sozialleistungen und eine Vielzahl diskriminierender und auf rassistischen Kriterien basierender Gesetze sollen Flüchtlinge und MigrantInnen zur " freiwilligen " Ausreise bewegen oder von vornherein abwehren .

Das zunächst abgelehnte Blair-Konzept der heimatnahen Flüchtlingslager , in denen Flüchtlinge ihre Asylanträge stellen und in die sie zurückgeschoben werden sollen , falls sie es doch schaffen sollten europäischen Boden zu betreten , wird im Zuge der Diskussionen um die Cap Anamur von Schilly neu aufgegriffen .

( zur Vertiefung bzw. Fortsetzung der Thematik : EUROPA MACHT DICHT / Teil 2 )
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Ergänzungen

Tübingen...

-:::- 13.08.2004 - 18:17
... kleine, romantische, etwas verschlafene Stadt am Neckar. Das welt2raum Camp klingt sehr toll, und es freut mich, daß in Tübingen (und natürlich in Rottenburg) immer noch tolle Sachen passieren. Welche Reaktionen gab es in der lokalen Presse über die Aktion und das Camp?