Über 5000 auf Montagsdemo in Rostock

HK 09.08.2004 22:01 Themen: Soziale Kämpfe
5000 Menschen sind am Montag den 9.August zur ersten neuen "Montagsdemonstration" in Rostock gegen Hartz IV und Agenda 2010 auf die Straße gegangen. Die Richtung ist klar: Hartz IV und Agenda 2010 müssen vom Tisch - ab jetzt wird jeden Montag demonstriert!
In der vergangenen Woche hatte das Bündnis gegen Sozialkahlschlag - Rostock (BgS) in Anlehnung an die Proteste in anderen ostdeutschen Städten unter dem Titel "Montagsdemo gegen Hartz IV und Agenda 2010" die Initiative ergriffen um auch in Rostock den Protest gegen die Umverteilung von Unten nach Oben auf die Straße zu bringen.

Das Bündnis hatte für 18Uhr zur Demonstration zum Universitätsplatz mobilisiert. Bereits ab 16Uhr hatten dort PDS und DGB zusätzlich nochmals ausführlich unter dem Motto "Wir machen ein Fass auf" auf die möglichen Auswirkungen von Hartz IV und aufmerksam gemacht und sich der Forderung "Hartz IV muss weg" angeschlossen.

Um 18Uhr versammelten sich dann bereits 3-4000 Menschen auf dem Uni-Platz um die diversen Redebeiträge zu verfolgen und zu diskutieren: Wo könnten Perspektiven der jetztigen Proteste liegen? Was ist die Alternative zu einer SPD/Grünen Bundesregierung? Werden die Menschen auch im Westen den Weg auf die Straße finden? Was könnten neben Demonstrationen geeignete Mittel sein um die Agenda 2010 und die Hartz IV Gesetze zu Fall zu bringen?

Der folgenden kurzen aber ausgesprochen kämpferischen Demonstration schlossen sich viele PassantInnen spontan an. So wuchs die Menge nochmals um zirka 1000 DemonstrantInnen an.

Der meistgerufene Sprechchor des Tages war wohl: "Hartz IV stoppen wir!"

Nazis oder sonstige RassistInnen haben sich i.Ü. nicht zu erkennen geben, wären aber ansonsten auch konsequent aus der Demostration geflogen!

Nächsten Montag wird es wieder eine Demonstration geben:

18Uhr, Universitätsplatz, Rostock
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Ergänzungen

Insgesamt 40.000 - laut Mainstream-Presse

Mr.X 09.08.2004 - 22:14
Laut Mainstream-Presse nahmen bundesweit 40.000 Menschen in mehr als 30 Städten an den Protesten teil.

Hier mal Zahlen:
Magdeburg: 15.000
Dessau: 3.000
Halle: 3.000
Leipzig: 10.000
Dresden: 400
Gera: 1.300
Jena: 600
Berlin: 150 (2 Demos)
Koeln: 100
Aschersleben & Halberstadt: insgesamt 2500
Gelsenkirchen: 100-300
Dortmund: 200
Wittenberge: 500
Kyritz: 200

Kurios war es in Hamburg:
 http://de.indymedia.org/2004/08/88950.shtml


Vielleicht noch wichtig: Der DGB will jetzt die Montagsdemos unter Kontrolle bekommen..."DGB-Landesvize (Berlin) Bernd Rissmann: Eine große und breite Bewegung, wie vom Berliner Sozialbündnis gewünscht, sollte «unter Führung des DGB» entstehen. Alle anderen Formen des Protestes, insbesondere auf regionaler Ebene, würden schnell zersplittern."

Noch mehr zahlen...

Graph Zahl 09.08.2004 - 23:19
Die größte Protestveranstaltung in Brandenburg gab es in Senftenberg, wo mehr als 1000 Menschen zusammenkamen.
Jüterbog (Teltow-Fläming): etwa 200,
Perleberg: einige hundert.

Zu Berlin: die Veranstalter sprechen von 500 Teilnehmern, im Gegensatz zu den 150, die die Polizei nennt.

Korrigiert werden muss die Zahl aus Dresden: dort waren 2500 nach Polizeiangaben

weitere Zahlen:
Dortmund: 200 (Polizei) ... 400 (Veranstalter)
Gelsenkirchen: 300


 http://www.montags-gegen-2010.de
 http://www.attac.de/hartz/

Aus 1. Hand

livestream 09.08.2004 - 23:42
In Gera waren es nach Angaben der Veranstalter 2000 Personen.

Falsche Freunde

xyz 10.08.2004 - 00:11
Kolumne: So viele falsche Freunde
Aus der FTD vom 3.8.2004

Die Arbeitslosenindustrie läuft zu populistischer Hochform auf - und
schadet den Betroffenen.

Ach, die armen Arbeitslosen. Schlimm genug, dass über vier Millionen
keinen Job haben. Nun aber sollen sie - so im Osten Deutschlands ansässig - auch noch von ihren Datschen vertrieben werden. Im Westen müssen sie ihre erwachsenen Kinder aus der Wohnung jagen, damit diese ihr eigenes
Arbeitslosengeld II erhalten. Und im ganzen Land müssen sie hungern, weil das Arbeitslosengeld Ende Dezember und dann erst wieder Anfang Februar ausgezahlt wird.

Wie gut, dass es in Deutschland eine super funktionierende
Arbeitslosen-Empörungsindustrie mit gut entlohnten Betroffenheitsprotagonisten gibt. Hochtourig wie ein getunter Porsche-Motor und bestens konditioniert wie Pawlowsche Hunde
ist sie nun beschäftigt, himmelschreiendes Unrecht zu verhindern. Kein
Mittel ist zu klein, und besonders gern wird der große Krieg an die Wand
gemalt.

Unkontrollierte Wutentladungen

Von Paul Saatkamp beispielsweise, seines Zeichens Bundesausschussmitglied der Arbeiterwohlfahrt: Wenn im Januar dann die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden, werde sich der Ärger der Betroffenen "in Aggression und Gewalt" Bahn brechen. Unkontrollierte Wutentladungen erwartet Peter Porsch, der Vorsitzende der sächsischen PDS-Landtagsfraktion. "Wenn jemand zum dritten Mal zur Bundesagentur für Arbeit müsse, nur weil er den umständlichen Fragebogen immer noch nicht richtig ausgefüllt habe, bekommt der eine Wut, die nur schwer zurückzuhalten ist", stachelt der Österreicher seine Klientel richtiggehend zur Randale auf.

Nun will Porsch im September bei der sächsischen Landtagswahl ein
möglichst gutes Ergebnis einfahren und hat mit der Hartz-IV-Reform
offensichtlich sein Thema gefunden. Mit Porsch gehen aber noch mehr auf
Wähler-Pirsch, die es eigentlich besser wissen müssten. FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper beispielsweise, die Schrebergärten bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II nicht als Besitz werten will - allerdings nur, wenn sie in Ostdeutschland stehen und Datschen heißen. Dann erfüllten die Kleingärten nämlich die "Aufgabe der sozialen Integration" und seien ergo schützenswert.

Den bisherigen Gipfel aber hat die Betroffenheitshysterie mit der
Debatte um die Zahlungsmodalitäten für das neue Arbeitslosengeld II erreicht. Wer derzeit Arbeitslosenhilfe bezieht, wird das Ende Dezember 2004 zum letzten Mal tun - analog zum Gehalt, das meist auch am Ende des Monats für geleistete Tätigkeiten ausgezahlt wird.

Das dann folgende Arbeitslosengeld II jedoch wird als rein
steuerfinanzierte Bedürftigkeitsleistung analog zur heutigen Sozialhilfe im Voraus bezahlt, also am Anfang des Monats. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement will den früheren Arbeitslosenhilfe-Empfängern das nächste Geld deshalb Anfang Februar überweisen. De facto hätten sie es also statt am 31. 1. am 1. 2. auf dem Konto. Kaum ein Anlass für Hungerrevolten. Im Gegenzug aber wäre ihr Überleben auch für den schönen Monat finanziert, in dem die Betreffenden wieder eine reguläre Arbeit aufnehmen: Wie die meisten Arbeitnehmer würden sie ihren ersten Monatslohn im Nachhinein bekommen, für die geleistete Arbeit.

Grundschulniveau reicht

Obwohl es kaum Grundschulniveau braucht, diese einfache Rechnung
nachzuvollziehen, halten die Protagonisten der Arbeitslosen-Empörungsindustrie ihre Schützlinge offensichtlich entweder für zu dumm, dies nachzuvollziehen, - oder sie belügen sie bewusst, um Populismus zu schüren.

So geißelt der Vorsitzende der SPD-Arbeitnehmerfraktion, Otmar
Schreiner, den Vorgang als "Bestrafungsaktion für unverschuldete
Arbeitslosigkeit". Frank Bsirske, Chef-Betroffenheitshysteriker von Verdi, schäumt: "Es kann ja wohl nicht sein dass es beim Übergang von der Arbeitslosenhilfe zum ALG II einen Monat lang überhaupt kein Geld gibt."

Das kann tatsächlich nicht sein. Aber das ist auch nicht so. Ursula
Engelen-Kefer, oberste Fachfrau für soziales Ungemach beim Deutschen
Gewerkschaftsbund, weiß das auch - und räumt ein, es gingen bei der Umstellung "nichtunbedingt Leistungen verloren". Dennoch fordert sie eine Januar-Zahlung.

Wirklich empörend ist an dem Spektakel nur eines: die offenkundige
Heuchelei, mit der die sehr wohl ernst zu nehmenden Probleme von Arbeitslosen für die Mobilisierungskampagnen der Gewerkschaften, der PDS, der FDP und all der anderen ausgenutzt werden. Immerhin hat eine Gruppe junger Bundestagsabgeordneter quer durch alle Parteien dies kürzlich zum Thema gemacht. "Hier werden mit Falschinformationen Ängste geschürt", sagt Hubertus Heil von der SPD. Sein FDP-Kollege Daniel Bahr fügt hinzu, es sei eine "pure Selbstverständlichkeit", dass Menschen ihre Vermögensverhältnisse offen legen, die Geld vom Staat erhielten.

Wenn all die Betroffenheitszyniker ihren vermeintlichen Schützlingen
wirklich helfen wollten, müssten sie ganz andere Dinge tun: Was hindert
PDS-Porsch daran, Fragebogen-Ausfüllhilfe anzubieten? Warum geht SPD-Schreiner nicht auf Tingeltour bei den Firmen in seinem Sprengel, um ein paar Jobs selbst einzuwerben? Wie wäre es, wenn FDP-Pieper die Laubenpieper so weit trainiert, dass sie als Ich-AGs für Gartendienstleistungen wieder ihr eigenes Geld verdienen können?

FTD - Financial Times vertritt CDU-Standpunkt

noch vergessen 10.08.2004 - 00:18
Die CDU tut momentan so, als wäre sie auch gegen Hartz und will an Demonstrationen teilnehmen. Das ist nichts als Heuchelei. Wie auch DGB und PDS versucht die CDU die Stimmung für die kommenden Wahlen (z.B. in Brandenburg) zu nutzen. Bis vor einigen Wochen gingen der CDU die asozialen Pläne der SPD nicht weit genug. Der zynische und in menschenverachtender Absicht geschriebene FTD-Artikel ist eine schöne Dokumentation, wie die Politiker und Wirtschaftsbosse über die kleinen Leute denken. Auf Einsicht der Obrigkeit zu hoffen, ist also offensichtlich sinnlos, Protest allein wird also nichts bewegen.

Artikel zur Demo in Rostock

Bla 10.08.2004 - 00:51
Rostock läuft Sturm gegen Hartz IV
4500 demonstrieren gegen „unsoziale“ Reformen
 http://www.svz.de/nnn/newsnnn/NNNVermischtes/10.08.04/107940/107940.html

Braunschweig nicht vergessen!

Das Flo(h) 10.08.2004 - 13:12
In Braunschweig waren meiner Einschätzung nach, so ca. 200 Leute auf den Straßen.

"falsche freunde" nicht zugänglich

name 10.08.2004 - 13:55
der oben gepostete Hass-Artikel aus der ftd Kolumne von Margaret Heckel ist als einziges Dokument nicht zugänglich.

Köln: 400, breites Spektrum

Chris_di 10.08.2004 - 14:10
Vielleicht ein kleinlicher und lokalpatriotischer Beitrag, aber es waren nun mal 400 TN in Köln. Einige AktivistInnen aus Erwerbslosengruppen und - Zentren. Einige Attacis und natürlich auch die üblichen marxisitischen Dinosaurier a la Linksruck, SAV und andere.

Mein Komentar: Hoffentlich bleiben die Demos so breit und reduzieren sich nicht irgendwann auf die "Dinosaurier". Je lauter die nämlich werden, umso leiser die "Unabhängigen" und spontane Mitdemonstranten. Also liebe Dinos: haltet euch zurück!

Korrektur

ST aus DD 21.08.2004 - 13:53
9.8.04 4000-6000
16.08.04 7000-8000

Demonstranten in Dresden

Einsatz der Staatsmacht!

Jule0Jule 28.08.2004 - 23:54
Ein kritischer Beitrag eines MLPD-Vertreters gegen die Politik der Regierungspartei PDS reicht offfenbar aus, Platzverweis und Einsatz der Staatsmacht anzudrohen. Folgende Presseerklärung ging gestern bei mir ein:


Presseerklärung

Rostocker Montagsdemonstration: Selbständig, demokratisch, einig gegen Hartz IV

Bundesweit machen immer mehr Menschen zuletzt in mindestens 192 Städten der Bundesrepublik die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV zu einer machtvollen Bewegung. Die Rostocker Demonstrationen und Kundgebungen reihen sich hier ein. Die Stärke dieser Bewegung ist, dass sie sich nicht von einzelnen Gruppen abhängig macht, sondern eine selbständige, demokratisch organisierte Basisbewegung ist. Eine derartige Bewegung hat die Kraft zu einer Millionenbewegung zu werden, die die Regierung zwingen kann Hartz IV zurücknehmen zu müssen, und selbst zurückzutreten. Der Beifall für entsprechende Redebeiträge auf der letzten Montagskundgebung zeigt, dass das auch die Meinung des überwiegenden Teils der Rostocker Montagsdemonstranten ist.

Die MLPD unterstützt die Montagsdemonstrationen vorbehaltlos: Hartz IV muss weg, und zwar vollständig! Für den Rücktritt der Schröder/Fischer-Regierung!
Auf dieser Grundlage kritisierte auf der letzten Montagsdemonstration ein Sprecher der MLPD die Politik von PDS-Landesverband MV und der Landtagsfraktion, als Regierungspartei Hartz IV in MV schnellstmöglich umzusetzen. Eine Kritik, die von den meisten Teilnehmern der Montagsdemonstration mit Beifall aufgenommen wurde, und die auch von PDS-Mitgliedern geteilt wird.
Mit dieser Politik fällt die PDS-Führung in MV Menschen, die unter der Parole "Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir!" auf die Straße gehen, in den Rücken. Sie hat die Grundlagen der Montagsdemonstrationen verlassen.

Anstatt am offenen Mikrophon zu dieser Frage Stellung zu nehmen, schrieben R. Knisch, DGB-Regionalvorsitzender und S. Bockhan, PDS Rostock, der MLPD einen Brief, dass sie sich an den künftigen Montagsdemonstrationen weder mit Stand noch mit Redebeiträgen beteiligen dürfe. Damit greifen sie grundlegende Prinzipien der Montagsdemonstrationen an. Sie praktizieren einen Führungsanspruch und wollen damit unliebsame Kritiker mundtot machen, statt mit demokratischer Streitkultur unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren. DGB- und PDS-Führung wollen die Bundesregierung aus der Schusslinie nehmen, sind sie doch mit der SPD-Führung über viele Kanäle verbunden.

Was braucht die Volksbewegung stattdessen?
* Einen breiten gleichberechtigten Zusammenschluss auf der Basis des Kampfes gegen Hartz IV
* Eintreten gegen jede Ausgrenzungspolitik auf antifaschistischer Grundlage
* eine demokratische Massendiskussion mit dem offenen Mikrophon
* demokratisch legitimierte Strukturen - gegen jeden Führungsanspruch einzelner Gruppen
* demokratische Entscheidungen der Montagsdemonstrationen selbst und die Schaffung entsprechender Strukturen.

Die MLPD hat sich immer für diese Prinzipien eingesetzt. Das kann jeder Interessierte anhand der langjährigen Mitarbeit im Rostocker Friedensbündnis und im Bündnis gegen Sozialkahlschlag nachprüfen. Sie setzt sich darüber hinaus für eine wirkliche gesellschaftliche Alternative ein, den echten Sozialismus.
R. Knisch und S. Bockhan müssen ihren Brief mit dem Versuch der Knebelung der MLPD öffentlich zurückziehen.

Schluss mit Verboten gegen unliebsame Kritiker!
Organisieren wir gemeinsam die Montagsdemonstrationen!
Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir!