Bericht zur Attac-Sommerakademie

bioqueer 06.08.2004 18:14 Themen: Globalisierung Ökologie
Eindrücke von der Attac-Sommerakademie
Bericht attac-Sommerakademie


Ich war zum ersten Mal auf einer attac-Sommerakademie und war daher neugierig, was mich dort so erwarten würde. Da ich am Mittwoch lohnarbeiten musste, bin ich nur bis Montagabend auf der Sommerakademie gewesen, und kann also nur über diese 3,5 Tage berichten.
Nach einer langen Bahnfahrt traf ich am Dresdner Hauptbahnhof auf einige andere Leute mit demselben Ziel und machte mich mit ihnen auf den Weg. Um an der Auftaktveranstaltung noch teilzunehmen, war es schon zu spät, für die Auftaktfete wollte keine richtige Stimmung aufkommen, und so saßen so mit mir etwa 100 Leute etwas verloren in der Dunkelheit herum, ließen sich von einem unausgelasteten DJ mainstreamige Hintergrundmusik spenden und schlürften einzeln oder auch in Gruppen Bier und sonstige Getränke.

Organisation:
Die Veranstaltungsorte lagen alle relativ weit voneinander entfernt und in Ermangelung eines Fahrrades musste mensch gut 15 -20 min Laufzeit einplanen,um von den Turnhallen zum zentralen Treffpunkt Weberplatz bzw. zu den anderen Veranstaltungsorten zu kommen. Mehrere Unigebäude oder einen Schulkomplex zu mieten, wäre sicherlich eine bessere Wahl gewesen. Leider war die Organisation recht chaotisch... anders kann ich es nicht bezeichnen, selbst wenn ich das einem zahlenmäßig überlasteten Orgateam nicht ankreiden möchte. Dies ist natürlich schade, denn das Veranstaltungsprogramm hatte mich, die ich attac eher kritisch gegenüberstehe, wegen seiner großen thematischen Bandbreite neugierig gemacht. Angesichts des Vorgeschmacks aus dem Programmheft (neben den "typischen Attac-Themen" eine Reihe AKs zu Gender, Migration, kritische Staatstheorie, Entscheidungsfindung von unten, Herrschaftskritik ,Vernetzungsmöglichkeiten und nicht nur Linksruck und SAV sondern auch FelS, Umsonstkampagnen, kanak attack und BUKO anwesend....) war es ärgerlich, feststellen zu müssen, dass etliche vielversprechende AKs mit dem Verweis auf unerwartet niedrige TeilnehmerInnenzahlen ausfielen oder auf wenige Tage zusammengekürzt wurden. Zudem war die Art und Weise, in der das Orgateam Einfluss auf die tägliche Programmgestaltung nahm, teilweise undurchsichtig: Mit ReferentInnen wurde die Verkürzung bzw. Zusammenlegung von Workshops nicht abgesprochen, bzw. als alternativlos dargestellt. Ob Workshops tatsächlich stattfinden, wurde u.a. davon abhängig gemacht, wie viele Leute sich in TeilnehmerInnenlisten eingetragen hatten. Allerdings produzieren solche Eintrageverfahren meistens zahlreiche irrationale Aspekte ("oh, eigentlich ist das interessant, aber da ist ja erst einer eingetragen, dann fällt das sicherlich aus, also trag ich mich nicht ein" oder "ach ich kann mich nicht entscheiden, dann trag ich mich halt doppelt bzw. gar nicht ein"); außerdem kann mensch davon ausgehen, dass sich ein Großteil der TeilnehmerInnen ohnehin nicht einträgt. Damit stellt ein solches Verfahren keine sinnvolle Entscheidungsgrundlage dar.
Tja, aber nicht nur das Grundbedürfnis Bildung blieb bei dem Organisationschaos teilweise unbefriedigt. Auch das Loch in meinem Magen wuchs in linearem Abstand proportional zu dem in meinem Geldbeutel. Verköstigt wurde die Sommerakademie durch eine Volxküche, die auch schon zu anderen Gelegenheiten ihr gastronomisches Unvermögen unter Beweis gestellt hat: Das Mittagessen (ein Teller Suppe + 1 Brötchen) kostete 4,50 Euro, das Abendessen (1 Teller mit Nudeln + pampigem Reis + Soße + Salat) kostete 3,50 Euro. Ich denke, diese Preise sprechen für sich. Für mich (550 Euro Einkommen) sprechen sie nicht. Die Soße bestand im wesentlichen aus Tomatenmark, der einen oder anderen frischen Tomate sowie abwechselnd feinen bzw. groben Sojaschnetzeln. Wenn es denn für die Soße gereicht hätte. Hin und wieder war nämlich das Essen alle. Oder der Salat war aus. Oder die Soße, dann bin ich eben auf Nudeln mit Salatsoße umgestiegen. Ob es tatsächlich bio war, wer weiß??? Aus dem Biogroßhandel sind mir pappige Weißmehlbrötchen, Formerbschen und Formmöhrchen aus der Dose jedenfalls nicht bekannt. Da ich seit einigen Jahren für Volxküchen und auf Großveranstaltungen koche, und auch unter deutlich stressigeren Umständen, etwa beim Castor, beim WWG oder auf der Expo erlebt habe, dass mensch aus Contifood und Resten leckere und abwechslungsreiche Gerichte zaubern kann, und dass Bio-Mahlzeiten für weniger als 4 Euro pro Mahlzeit zu haben sind, hat mich all das ziemlich düster gestimmt. Sinnvoll wäre es, sich vorher mal bei anderen Camps umzuhören, wer denn welche Erfahrungen mit welcher Volxküche gemacht hat, und dies als Grundlage für Entscheidungen zu nehmen. Regionalität sollte zwar aus ökologischen Gründen auch ein wichtiger Faktor sein, doch vermutlich kann nichts die Laune der TeilnehmerInnen so schnell unter den Gefrierpunkt jagen wie unleckeres, teures Essen....
Ich hätte gern mit angepackt, um bei der einen oder anderen Sache mitzuhelfen. Leider war aber nur wenig Raum für Selbstorganisation vorgesehen; die Orgas neigten eher dazu, sich noch weiter von den TeilnehmerInnen abzugrenzen - so etwa mit "Zutritt verboten"-Schildern vor Technikräumen und Leuten,die eine blöd anquatschen, wenn sie sich eine Tasse Wasser aus besagtem Raum holen möchte, weil sich im Technikraum der einzige frei zugängliche Wasserhahn des Gebäudes verbirgt. Dieses Verhalten ist zwar verständlich, wenn einem alles über den Kopf wächst, und mensch einfach noch den Laden zusammenhalten möchte. Es macht aber nichts einfacher. Schlaue Methoden, wie das Fishbowl-Modell hätten Abhilfe schaffen können und Raum geschaffen, um mit organisatorischen Schwierigkeiten konstruktiv und effektiv umzugehen. Der PGA-Bericht anderswo im Newswire zeigt z.B., wie gut sowas klappen kann. Außerdem wäre auf diese Weise formale Herrschaft ("ich bin Orga, ich möchte in der langen Essensschlange vorgelassen werden, auch wenn dann andere leer ausgehen") abgebaut worden.

Leute:

Als eine, die sich sonst eher im "unabhängigen Spektrum" - sprich bei Grenzcamp, BUKO, Antiatomcamps... tummelt, war es interessant, mitzubekommen, wer denn so alles zu attac fährt. Mein Eindruck aus diversen Vorstellungsrunden ist, dass die meisten Leute in lokalen attac-Gruppen aktiv sind. Viele der jüngeren Leute - d.h. die Gruppe der 20 -35jährigen, die etwa 60% der TeilnehmerInnen ausmachte, waren vorher nicht politisch aktiv und haben offenbar durch attac und seine grundsätzlich offenen Strukturen eine Möglichkeit gefunden, sich zu engagieren. Das Spektrum der 35-65jährigen hingegen kam aus unterschiedlichen politischen Richtungen: Von Alt- 68ern, über fröhliche Maoisten, die ihre Sache weiterhin sicher sind, Friedensbewegte, Anthroposophen, FreiwirtschaftlerInnen, Gewerkschafter, Startbahnwestler, Frauenbewegte, entwicklungspolitisch Aktive und DDR-BürgerrechtlerInnen war eigentlich alles dabei.
Das Spektrum der überregional und in verschiedenen Zusammenhängen aktiven Leute umfasste vielleicht 10-20 % der TeilnehmerInnen. Fast alle Leute schienen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zu kommen. Allerdings waren die Bedingungen für nicht deutschsprachige Menschen auch nicht besonders gut, da es keinen selbstorganisierten Übersetzungsservice gab, obwohl sich dies bei der Anmeldung problemlos hätte organisieren lassen. Interessant scheint mir an dieser Stelle auch die Beobachtung, dass ich bislang auf keiner sich als "irgendwie links" verstehenden Konferenz gewesen bin, auf der Siezen so reflexartig betrieben worden ist, und auf der Fachwissen so selten in Frage gestellt worden ist, wie hier. Die politische Orientierungen der TeilnehmerInnen gingen weit auseinander - meines Erachtens zu weit, als dass man sinnvoll was auf die Beine stellen könnte, ohne einem sehr weitreichenden Konzept der Projektautonomie zu folgen, für das ich aktuell bei attac keine Basis sehe. Sichtbar wurde zum einen in den tagtäglichen Diskussionen; besonders plastisch allerdings in der Podiumsdiskussion am Sonntagabend:
Hier bemühten sich die 4 ExpertInnen auf dem Podium trotz ihrer unterschiedliche politschen Positionen die Bälle flach zu halten, und sich gegenseitig zu versichern, dass sich hinter dem Slogan "es ist genug für alle da" zweifellos die Massen zusammenfinden könnten, um soziale Gerechtigkeit einzufordern. Doch der argumentative Kitt hielt nicht lange, denn bei der nachfolgenden freien Diskussion wurde klar, dass die Konfliktlinie Klassische Gewerkschaftslinke (Sozialstaat verteidigen) vs. gemäßigt linksliberale Positionen (pro Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit) vs. linksradikale Positionen (feministisch, antirassistisch, radikalökologisch, soziale Aneignung) weiterhin existiert, und die zuvor herbeigeredete Einigkeit aufbrechen ließ. Beispielsweise wurden von einem Teilnehmer klassische feministische Forderungen nach gleichberechtigtem Zugang zu Arbeit und angemessener Entlohnung mit dem Verweis auf die allgemein dramatische Arbeitslosigkeit in Frage gestellt. "Warum soll man darüber reden, dass Frauen Karriere machen können, wenn es Massenarbeitslosigkeit gibt, so was versteht doch kein Arbeiter". It's sex and gender, stupid?! Geschlecht mal wieder nur ein Nebenwiderspruch?! Das Beifallklatschen auf dieses Statement ließ solche Schlüsse durchaus zu.
Auf dem Rückweg regten sich etliche Gewerkschafter auf, dass so offen und locker über soziale Aneignung gesprochen wurde - der Begriff erschien ihnen zu sperrig, und die daran anknüpfenden Aktionen wahrscheinlich zu undogmatisch und zu postmodern. Wer weiß?
Grundsätzlich muss natürlich nicht jedER jede Aktionsform gutheißen. Aber wie gesagt: bei attac scheint es derzeit keinen Raum zu geben, um unterschiedlichste Aktionsformen zu unterstützen - selbst wenn Sabine LEidig, die Bundesgeschäftsführerin von attac sich auch leidenschaftlich für Schwarzfahren, und die Besetzung von Banken und Arbeitsämtern aussprach.

Inhaltliches (yeah, finally)

Insgesamt war das Programm sehr ambitioniert und vielfältig zusammengestellt worden, gerade auch Themen, die bei attac sonst selten zur Sprache kommen - so etwa Migration oder Gender. Gleichzeitig gab es auch sehr viele Werkzeug-Workshops und Workshops, die sich speziell an EinsteigerInnen richteten; außerdem bestand eine große Bandbreite zwischen stark theoretischen und praktischen Zugängen ans Thema. Viele der ReferentInnen waren im wissenschaftlichen Beirat von attac vertreten. Die Idee, vormittags Themenstrangworkshops, die über 4 Tage laufen, anzubieten, während nachmittags offene AKs für 1,5 oder 3,5 Stunden vorgesehen waren, finde ich sehr gut: Auf diese Weise kann mensch sich inhaltlich intensiv mit einem Thema auseinandersetzen, und hat eine feste Gruppe.
Einigie High- und Lowlights möchte ich kurz vorstellen: Sehr aufschlussreich war z.B. der angenehm polemische Vortrag von Christoph Butterwegge zum politischen Kampfbegriff "Generationengerchtigkeit". Auf der BEhauptung, die wahren Widersprüche der GEsellschaft verliefen nicht zwischen arm und reich, Frauen und Männern, deutsch und nichtdeutsch.... sondern zwischen alt und jung, stützt sich mittlerweile ein politischer Diskurs, der Positionen aus der rechtsextremen Ecke (speziell was die Beurteilung von Menschen nach Nützlichkeitskriterien angeht) mehrheitfähig für die politisch Mitte macht. Einige interessante und leider viel zu wenig betrachtete Akteure auf diesem Gebiet sind zum Beispiel die Stiftung für die Sicherung der REchte künftiger Generationen SRZG oder die NGO YOIS, Youth for intergenerational justice and sustainability. Die SRZG betriebt aber auch Kooperationen mit attac und BUND - Nachhaltigkeits-Filz eben.
Erstaunt war ich darüber, dass FreiwirtschaftlerInnen bei attac soo massiv vertreten sind. Bislang hatte ich angenommen, dass nur die eine oder andere Ortsgruppe der Faszination des Patenrezeptes "Zins abschaffen" erlegen ist. OK, den Wachstumsbegrif des Kapitalismus in Frage zu stellen, ist sicherlich ein sinnvoller Punkt, der allerdings ohne eine tragfähige (staatstheoretische) Argumentation noch nicht weit führt, und die wachstumskritische Konferenz von attac im Okober verspricht ebenfalls, spannend zu werden. Arbeitskreise und Filme hingegen, deren Ziel ist, Silvio Gesell nicht nur von einer politischen oder wirtschaftswissenschatlichen KRitik, sondern auch vom Vorwurf des Sexismus, Rassismus und Antisemitismus freizusprehen, drücken meiner Meinung nach große Naivität und eine große Posrtion Alltagsrassismus aus... Ebenfalls stark vertreten waren Anthros, die einer sozialen Dreigliederung oder wahlweise Viergliederung die Grundlage eines gesunden Staates sehen. Immerhin tauchte der neu aufgelegte ökologische Marshallplan, für den sich u.a. Franz Alt, Ernst-Ulrich von Weizsäcker, BUND und NABU einsetzen, nirgends auf.
Wie die Vorstellung des Buches "Mythos Attac" von den Projektwerkstättlern aus Saasen verlaufen ist, weiß ich leider nicht.
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Ergänzungen

Dies und das

Mach 06.08.2004 - 20:40
Zu den Essenspreisen: War dieses Jahr auch auf 2 Camps gewesen. Leider sind die Preise normal. Wenns reines Bioessen ist, wirds sogar teurer. So weit ich weiss, verdient aber niemand dran. Würde ich also niemanden unterstellen wollen. Die Frage wäre aber, ob sich einrichten lässt, daß zum Beispiel Leute mit weniger Kohle etwas weniger zahlen, als die mit mehr Kohle...

Zu den FreiwirtschaftlerInnen auf dem Camp: Mir kommts eher so vor, als wenn die gerade auf Missionierungstour sind. Wenn ich sonst mit Attac Kontakt hatte, hab ich kaum was von naiven Gesell-Theorien mitbekommen. Hier empfiehlt es sich, inhaltlich zu argumentieren, mit einfachen Worten zu erklären, warum "Schwundgeld" nicht automatisch zu einer gerechteren Gesellschaft führt und inwiefern Kapitalsysteme an sich kritisiert werden sollten.

Zur Breite: Ich denke, daß die Breite des Camps mehr Positives als Negatives hat. Vielleicht kommen die Leute nicht auf einen gemeinsamen Nenner, aber dafür lernen sie vielleicht, sich gegenseitig zu respektieren. Rein linksradikale Camps sind vielleicht manchmal aktionistischer, aber oft auch weniger erfolgreich, weil man dort nur "unter sich" bleibt. Das Problem des linken Autismus ist ja seit jeher bekannt (ich sag nur: "das Leben des Brian")...

Mich würde interessieren, auf was für Feedback herrschaftskritische Inhalte gestoßen ist und wie Workshops zu zivilen Ungehorsam bzw. direkte Aktion gestoßen sind.

ATTAC KRITIK + AKTUELLES

ein Überblick 06.08.2004 - 22:57
Schwarze Katze Sonderseite Attac 22 Texte
 http://www.free.de/schwarze-katze/doku/attac.html

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Attac: "Staats-Linke", "BI der neuen Mitte",
Projekt "Back to the 80ies" oder was?
 http://www.projektwerkstatt.de/attac/
 http://www.projektwerkstatt.de/debatte/struktur/attac.html

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Montag, 09.08.2004 19.00 Uhr Café Morgenrot Kastanienallee 85, 10435 Berlin
Diskussion und Buchvorstellung "Mythos Attac? Hintergründe, Diskussionen, Perspektiven".
Diskussion und Buchvorstellung mit Jörg Bergstedt (Autor "Mythos Attac"),
Sascha Kimpel (Sozialforum Berlin) und eineR attac-VertreterIn (angefragt).

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Rechte Spaßguerilla im Internet
Rechtsliberale haben mit einer satirischen Webseite, deren Opfer Attac war, die gewünschte Aufmerksamkeit erzielt Peter Nowak 05.08.2004
 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/18032/1.html

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ATTAC CHECKER PETER WAHL MIT VERSCHWÖRERISCHEN REFLEXEN
Es ist nicht das erste Mal, dass Attac ein antisemitischer Hintergrund unterstellt wird. Die Verleumdungskampagnen gegen Attac hätten mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das massive rechtliche Schritte notwendig mache, sagte Attac-Gründungsmitglied Peter Wahl, der auch Mitglied des Attac-Koordinierungskreises ist, zu SPIEGEL-ONLINE. "Wir sind uns zu 90 Prozent sicher, dass linksradikale antideutsche-sektiererische Gruppen hinter der Aktion stecken. Sobald wir wissen, wer genau dahintersteckt, werden wir Anzeige erstatten." Andere Attac-Mitglieder vermuten unterdessen, dass der Angriff aus dem rechten Lager kommt.
 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,311322,00.html

Anmerkungen aus dem Kochzelt

Daniel 08.08.2004 - 14:53
Also Kritik, Anregungen und Verbesserungsvorschläge in allen Ehren, aber deine Zeilen bezüglich der sog. Volksküche basieren auf wilden An- und Mutmaßungen und scheinen mir eher nach einer persönlichen Abrechnung mit dem Betreiber des Catering zu klingen. Ich war selbst täglich 10 Stunden in der brütenden Hitze im Kochzelt und möchte an dieser Stelle mal einige Sachen berichtigen.
1.) Die Preise hat das Organisationsteam selbst festgelegt. Wie du schon festgestellt hast waren die Organisatoren total überfordert. Dabei hat man wohl ganz vergessen, wie der Speiseplan zusammengestellt war und fälschlicherweise die Suppen zum höheren Preis verkauft. Trotz mehrmaliger Hinweise unsererseits wurde das nicht geändert.
2.) Soweit ich das mitbekommen habe, wurden Essenmarken auch kostenlos ausgegeben, wenn sich Teilnehmer das Essen für die Woche nicht leisten konnten.
3.) Deine Behauptung, dass die Soßen nur aus Tomatenmark und einzelnen Tomaten, sowie Sojaschnetzel bestanden hätte ist glattweg gelogen. Im Kochzelt waren zwei gelernte Köche, die bestimmt nichts auf ihren Ruf kommen lassen und eine billig gewürzte Pampe ausschenken.
4.) Es wurde grundsätzlich weitaus mehr gekocht, als bestellt wurde. Nach unseren Berechnungen sind auf jedem Teller im Schnitt 700 Gramm (!) Essen gelandet. Das isst auch kein noch so kräftiger Weltverbesserer. Nicht verwunderlich, dass wir an 5 Tagen 3 Mülltonnen zu 120 Liter mit Essensresten befüllt haben. Insofern sollte es bei der nächsten Akademie mal ein Seminar zum Thema Sozialverhalten geben, damit die Ersten in der Schlange nicht immer gleich alles für sich hamstern, um die Hälfte wieder wegzuwerfen. Ganz zu schweigen vom Thema Mülltrennung. Aus jedem Behälter für Essensreste mussten wir mindestens noch fünf Einwegverpackungen aussortieren.
5.) Zum Thema Bio. Da du ja angeblich selbst Erfahrungen mit Großveranstaltungen hast, wird dir sicher einleuchten, dass bei Abnahmemengen von 1000 Brötchen täglich, die Mehrkorn- oder Kürbiskernbrötchen den einfachen Bio-Weizenschrippen weichen müssen. Die Diskussion über angebliches Dosenessen haben wir auch langsam satt. Bei 600 Essen ist es nun mal einfacher sich einen Gemüseschneider zu kaufen, der alles gleich groß schneidet, als jeden Tag 20 Leute die Möhren individuell schnippeln zu lassen. Und Erbsen sind und bleiben klein, grün und rund, egal ob Bio oder nicht.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich es äußerst erschreckend finde, dass niemand den Arsch in der Hose hat mal selbst ans Zelt zu klopfen und zu sagen: „Hey, das und das passt mir nicht“, oder „Ich weiß, wie der Reis in einem 90 Liter Topf nicht zusammenpappt“. Die ganze Woche über wurde uns Kritik nur mittels dummen Machosprüchen bei der Essenausgabe an den Kopf geknallt oder über Dritte vermittelt. Und danach lassen sich alle Besserwisser in anonymen Internetforen oder Zeitschriften darüber aus, was sie anders machen würden. Da ist es wirklich dankbarer für 10000 gestylte Konsumenten bei kommerziellen Musikfestivals vegan zu kochen, als für 500 Leute von der Sorte: „Es geht auch anders“.