Geraer Nazimörder zu Höchststrafen verurteilt

Antifaschistische Aktion Gera [AAG] 23.07.2004 00:11 Themen: Antifa
Mit zwei Kundgebungen anläßlich der Urteilsverkündung im Nazimord-Prozess gedachten am Mittwoch 30 AntifaschistInnen dem ermordeten Spätaussiedler Oleg. Dabei wurde der politische Skandal in Gera thematisiert und der Rücktritt des Geraer Polizeidirektors Lothar Kissel gefordert. Die Mörder erhielten Jugendhaftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren...
Presseerklärung zur Urteilsverkündung im Nazimord-Prozess
Antifaschistische Aktion Gera [AAG], 21. Juli 2004

Mit zwei Kundgebungen anläßlich der Urteilsverkündung im Nazimord-Prozess gedachten am Mittwoch 30 AntifaschistInnen dem ermordeten Spätaussiedler Oleg. Dabei wurde der politische Skandal in Gera thematisiert und der Rücktritt des Geraer Polizeidirektors Lothar Kissel gefordert.
In der Nacht zum 21. Januar wurde der 27 Jahre alte "Russlanddeutsche" von vier Nazis aus Gera brutal ermordet. Die jungen Täter wurden alle nach Jugendstrafrecht verurteilt. Der 18-jährige Danny Borowsky und der 19-jährige Enrico Willim wurden zu jeweils zehn Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes verurteilt. Die Täter "können froh sein, dass sie [aufgrund offensichtlicher Defizite, Anm. AAG] nach Jugendstrafrecht verurteilt werden mussten", so der Richter nach der Urteilsverkündung. Der erst 14-jährige Haupttäter, Christopher Haugk, wurde als "treibende Kraft" wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes zu neun Jahren Haft verurteilt. Martin Fischer wurde wegen gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zum Mord zu dreieinhalb Jahren verurteilt.

Zu der Urteilsverkündung erschienen erstaunlich wenige MedienvertreterInnen - dafür umso mehr Nazis, die u.a. mit Klamotten der verurteilten Naziband "Landser" keinen Hehl aus ihrer Gesinnung machten. Tatsächlich wurde der auf nur vier Verhandlungstage angesetzte Prozess bis zuletzt in der Öffentlichkeit wenig beachtet. Zu groß war die Sorge um den Ruf des Standortes und des ohnehin angeschlagenen Images der thüringischen Großstadt. Mit allen Mitteln wurde versucht, sowohl ein politisches Mordmotiv der Täter, als auch den nach Ansicht des Richters "absolut erschreckenden" Mord selbst, zu verharmlosen.
Und dabei wurde während des Prozesses mehrmals betont, dass die politische Einstellung der Täter sehr wohl eine Rolle gespielt habe. Die Staatsanwaltschaft sprach von einer "menschenverachtenden Gesinnung" als "Mitbeweggrund der Tat". Auch bei der Begründung der geforderten Haftstrafen wurde erwähnt, dass eine "fremdenfeindliche Gesinnung für die Tat prägend" gewesen sei. Auch Aussagen wie die des Mörders Borowsky, "endlich eine Russensau weniger", bekräftigen dies.
Im Plädoyer konnte keiner der Verteidiger "die Tat in einem milderen Licht erscheinen" lassen. "Eigentlich unvorstellbar" und Ausdruck "völliger Gefühlslosigkeit" sei es für den Richter, "jemanden umzubringen und ausgelassen weiterzufeiern". Zweifel an der Täterschaft seines Mandanten äußerte jedoch der Verteidiger des mehrfach vorbestraften Willim, da dieser die "Messerstiche postmortem" dem Opfer zugefügt hätte.
Die "Ostthüringer Zeitung" berichtete einseitig über das Urteil und erwähnte die Kundgebungen in keinem Wort. Die Gazette zog stattdessen einen Bericht mit Foto über den Umbau eines Fußweges direkt neben dem Landgericht (und der Kundgebung) vor.

"Es ist bezeichnend für diese Stadt, dass für Polizeidirektor Lothar Kissel so genannte 'Linksautonome' offenkundig ein größeres Problem darstellen, als mordende Jugendliche", so ein Sprecher des Infobüro Gera. Die Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Gera, Anna Schneider, hielt nach der Urteilsverkündung fest: "Ein bis zuletzt durch Desinformation, Lügen und Verharmlosungen entpolitisierter Nazimord hat an politischer Sprengkraft verloren."
Tatsächlich ist die Konsequenz der anhaltenden Entpolitisierung des Verfahrens, ob durch Polizei, Stadt oder die Lokalpresse, offensichtlich.
Als im vergangenen Jahr in Neulußheim bei einem vergleichbaren Mord acht Jugendliche einen Obdachlosen zu Tode folterten, hatte der dortige Bürgermeister ein langes Beileidsschreiben veröffentlicht, ein Mahnmal wurde errichtet und der Mord wurde bundesweit in den Medien thematisiert. In Gera hingegen blieben Beileidsbekundungen der Stadt aus, eine Mahnwache wurde noch innerhalb von 24 Stunden durch Nazis zerstört und über die bestialische Bluttat wurde, bis auf wenige antifaschistische Publikationen, nicht über die Landesgrenzen hinaus informiert.
Die Antifaschistische Aktion Gera wird auch in Zukunft gegen das Fehlverhalten von Polizei und Behörden vorgehen und den rassistischen Konsens im "zivilgesellschaftlichen Niemandsland Ostthüringen" (zit. Aufruf zur Absetzung Kissels) mit antifaschistischen Positionen konfrontieren.

Kein Vergeben - Kein Vergessen!
Wandelt Wut und Trauer in Widerstand!

Stellungnahme zum Prozess:
 http://germany.indymedia.org/2004/07/87580.shtml
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Ergänzungen