Die Alternativen der sog. „Friedensbewegung“

Gegen alle Kriege, egal von wem und warum! 20.07.2004 16:45
Im Netz sowie im Friedensforum 3/2004 ist ein Text von Clemens Ronnefeldt zu zukünften Strategien der Friedensbewegung erschienen. Aus der Projektwerkstatt stammt eine Kritik an diesen Vorschlägen, in dem Inhalte und Strukturen von Kampagnen und Forderungen analysiert werden. Die Debatte um Strategien und Positionen im Antimilitarismus ist wichtig für die Praxis in einem Land, das zu gerne mit oberflächlichen Slogans zu Events hoppt. Der Text ist im folgenden zu finden (Erstveröffentlichung).
Vorweg: „Die“ Friedensbewegung gibt es gar nicht. Wie alle kollektiven Identitäten entsteht sie erst durch diejenigen, die (mehr oder weniger offensichtlich) im Namen des Ganzen reden, das Ganze vertreten und so das Ganze erst schaffen. Wie bei Völkern, vielen Vereinen, Familien usw. gibt es meist gar keinen, auf keinen Fall aber einen gleichberechtigten Prozess der Meinungsfindung aller Teile beim Auftreten nach außen. Vielmehr sind es Eliten, Kader, Regierungen, SprecherInnen oder ähnliches, die für das Ganze sprechen. So ist es auch bei der durch das Auftreten der SprecherInnen erst konstruierten einen Friedensbewegung. Die Vielzahl an Gruppen ist völlig heterogen. Sowohl in den Positionen von UNO- und EU-euphorischen Fischerchören bis zu herrschaftskritischen Gruppen wie auch in den Methoden von dogmatisch Gewaltfreien über kreativ-offene AktivistInnen bis zu LatschdemonstrantInnen oder platten SteinewerferInnen.
Im März hat eine der Personen, die zu den Eliten der sog. Friedensbewegung gehört, ein Konzept für Arbeitsformen und –inhalte entworfen. Ronnefeldt ist Dauerredner bei großen Demonstrationen und einer der Strategen der Kampagne „resist“. Unter diesem Label gelang es einer kleinen Gruppe von Friedens- und AttacfunktionärInnen, die Führungs- und Sprecherposition im Protest gegen den Irakkrieg handstreichartig zu erobern. Ronnefeldts Positionspapier ist inzwischen von verschiedenen Friedensgruppen veröffentlicht worden. Am prominentesten ist der Abdruck im FriedensForum (Nr. 3/2004, S. 23 ff). Sein Text zeigt die politische Ausrichtung erheblicher Teile der Eliten in der Friedensbewegung, die von einigen Basisgruppen geteilt sowie von fast allen kritiklos akzeptiert wird. Eine offensive Auseinandersetzung aber wäre nötig, denn der Text von Ronnefeldt offenbart deutlich, welche Ideologien hier eigentlich vertreten werden. Mit Emanzipation hat das wenig zu tun.
Im Folgenden sollen Auszüge aus dem Text kommentiert werden. Der gesamte Text ist unter  http://www.friedensrat.ch/irakronnefeldt1.html einsehbar und steht im aktuellen FriedensForum 3/2004 (S. 23 ff).

Zitat: „Krieg ist keine Lösung - Alternativen sind möglich (von Clemens Ronnefeldt)
Nach den Terroranschlägen in Spanien plädieren zahlreiche Regierungen und Medien für ein schärferes ﷓ auch militärisches ﷓ Vorgehen gegen mutmaßliche Terroristen sowie gegen Länder, die diese unterstützen. Statt ‚Krieg gegen Terror’ zu führen, stellt sich nicht eher die sehr viel grundlegendere Frage, wie das Leid von Opfern sowohl von Terrorangriffen wie am 11.9.2001 in New York und Washington oder in Spanien als auch das Leid von Opfern in Ländern wie Afghanistan oder Irak vermieden werden kann?“
Soweit die Einleitung. Danach folgen konkrete Vorschläge für Aktivitäten in der Friedensbewegung – allesamt als Kampagnen bezeichnet, also als moderne Form politischer Arbeit, bei der kleine ideologische Zentren die Inhalte vorbereiten und dann so aufbereiten, dass schnell viele Menschen und Gruppen mitziehen können. Solche modernen Methoden haben ihre Vorläufer in den Kampagnen von Greenpeace und anderen, wo die Themen „von oben“ gesetzt werden und dann über professionelle Medienarbeit ein Rattenschwanz von Menschen mitgezogen wird. Waren früher Postkartenaktionen und Infotische verbreitet, so geht es heute eher um Besuche von Demonstrationen und Aktionen vor Ort unter dem Thema der vorgegebenen Kampagnen.

Kapitel: „1.1. Kampagnen im mititärpolitischen Umfeld“
Es fällt auf, dass nur Kampagnen benannt werden, die Rüstung und Krieg einschränken. Die Abschaffung von Armeen und Rüstung wird nicht vorgeschlagen. Bestehende Aktionen wie „Bundesrepublik ohne Armee“ oder ähnliche sind damit auch gar nicht mehr als Teil von Ronnefeldts Version einer Friedensbewegung akzeptiert.

Kapitel „1.2 Kampagnen im wirtschaftspolitischen Umfeld“
Hier wird sehr deutlich, wie minimalreformistisch die Programmatik ist. Während in Seattle, Genua und vielen Ländern des Südens klar die Auflösung unterdrückender Organisationen gefordert wurde und wird, formuliert Ronnefeldt u.a.:
„Kampagne zur Reform der Welthandelsorganisation (WTO), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank“, „Kampagne zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes“ und „Kampagne für eine demokratische Kontrolle internationaler Finanzmärkte“. Das klingt sehr nach den Positionen von Attac, mit deren SpitzenfunktionärInnen Ronnefeldt im Vorfeld des Irak-Krieges die Kampagne „Resist“ als typische Medienkampagne aufgebaut hat.
Die Einführung des internationalen Strafgerichtshofs ist zusätzlich gefährlich. Das Märchen von der tollen Rechtsstaatlichkeit wird vielerorts verbreitet. Es verklärt, dass heute im Namen des Rechts die meisten Kriege, Folter, Unterdrückung usw. stattfinden. Recht ist das Reglementarium der Herrschenden und nicht ein irgendwie von selbst entstehender Schutz für die Unterdrückten. Ein internationaler Strafgerichtshof wird – zudem wahrscheinlich in Abhängigkeit von ausgewählten Geldgebern – mit seinen Haftbefehlen und Anklagen geradezu die Einsatzzentrale künftiger, demokratischer Kriege sein, denn die von ihm angeklagten „Bösen“ müssen gefasst, sprich die Länder, in denen sie agieren, angegriffen werden. Ob eine solche Strategie zum (notwendigen!) Sturz von Regierungen sinnvoll ist, darf mindestens bezweifelt werden, zumal das Ziel dabei nicht die Selbstbestimmung der Menschen, sondern eine andere Regierung ist (siehe Irak: Da gilt jetzt die Scharia, die Todesstrafe wird auch wieder eingeführt – das alles ist jetzt aber ein Rechtsstaat und demokratisch – was stimmt!).

Kapitel „Vorschläge zur Zähmung der Globalisierung“
Auch hier benennt Ronnefeldt das klassische Attac-Forderungsspektrum. Kontrolle ist das Stichwort und die Hoffnung besteht, dass ausgerechnet durch mehr Überwachung, also mehr Institutionen, Regierungshandeln, Gesetzen und Vorschriften das Gute, Menschenwürdige entstehen soll. Diese Position ist ahistorisch, weil sie keinerlei Erfahrungen aus politischen Kämpfen aufnimmt. Und sie ist naiv, weil sie im Staat einseitig und unhinterfragt das Gute vermutet.
Beispiele für konkrete Forderungen im Ronnefeldt-Papier sind die Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen (z.B. Tobin-Steuer), die Schließung der Steuerparadiese und ‚Off-Shore﷓Zentren’, eine strengere Banken- und Börsenaufsicht für die sog. institutionellen Anleger, die Stabilisierung der Wechselkurse zwischen den drei Hauptwährungen Dollar, Euro und Yen und die demokratische Umgestaltung internationaler Finanzinstitutionen.
Ronnefeldt bezeichnet diese Minimalveränderungen bereits als „Strukturelle Nichtausbeutungsfähigkeit“, wofür er allerdings keine weiteren Gründe nennt – zumal einige seiner Forderungen in der jüngeren Geschichte schon mal verwirklicht waren, ohne dass die Ausbeutungstendenz in der Welt spürbar geringer war. Die „Schließung von Steuerparadiesen“ ist für die Friedensbewegung eine interessante Forderung, denn hier wird ganz beiläufig etwas formuliert, für deren Umsetzung mindestens massiver Druck, letztlich aber auch Krieg in Frage kommt.
Umso mehr schockiert, dass Ronnefeldt – erst einmal in das Denken der Mächtigen verfallen – in seinem nächsten Kapitel geradezu zum Vordenker neuer internationaler Gewaltphantasien wird.

Kapitel „Maßnahmen zur Überwindung von Unrechtsregimen“
Ronnefeldt schreibt im Folgenden über Maßnahmen gegen einen solchen „Staat, der offensichtlich Menschrechte missachtet oder z.B. Terroristen fördert oder beherbergt“ (Fehler im Original). Damit hat er die Kreide der imperialistischen Staaten schon gefressen. Menschenrechte und Terrorismus sind Begriffe, die der Definitionsgewalt gesellschaftlicher Diskurse unterliegen. Was der Bruch von Menschenrechten ist, definiert sich über ethische und formale Normen. Während Abschiebungen, Knaststrafen, Arbeitszwang usw. dem Standort dienen (und also gut sind), sind andere Vorgänge in fernen Ländern der Bruch von Menschenrechten. Dahinter steht keine objektive Wahrheit (die es auch nicht gibt), sondern der jeweilige Diskurs, der über Medien, Rechtsprechung, Ängste, Vorurteile, Wissenschaft usw. zu steuern ist. Die Macht, Diskurse zu beeinflussen, ist in dieser Gesellschaft sehr ungleich verteilt. Ähnlich ist es mit dem Begriff Terrorismus, der zur Zeit für alles Mögliche als Begründung herhalten muss, um eine innere Aufrüstung der Gesellschaft zu legitimieren. Ronnefeldt macht es nicht anders und nimmt Menschenrechte und Terrorismus als Argument für weltweite autotoritäre Durchgriffe. Unter seinen konkreten Vorschlägen finden sich u.a.:

Zitat: „1. Im Bereich Kultur und Sport können die Austauschbeziehungen abgebrochen werden - wie dies z.B. beim Boykott der Olympischen Spiele 1980 wegen des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan durch eine Vielzahl westlicher Staaten vorübergehend erfolgte.“
Allen Ernstes schlägt Ronnefeldt hier vor, Machtpolitik überall hin auszudehnen. Mensch muß kein Fan von nationalistischen Shows wie Olympiaden sein – aber Ronnefeldt kritisiert das gar nicht, sondern will Sportveranstaltungen (was noch? Kulturfestivals, Jugendaustausch?) zum politischen Machtinstrument nutzen. Zumal ein Boykott entlang nationaler Grenzen gerade den Nationalismus eher selbst fördert. Aber das ist noch eher harmlos ...

Zitat: „2. Auf der diplomatischen Ebene können Botschaften oder Konsulate verringert oder geschlossen werden. Staaten können aus internationalen Organisationen ausgeschlossen werden, wie dies mit der Bundesrepublik Jugoslawien erfolgte, die wegen der Politik Milosevics vorübergehend aus der OSZE verbannt wurde. Amtsträger können zusätzlich mit einem Einreiseverbot belegt werden.“
Um Krieg zu verhindern, will Ronnefeldt Diplomatie einschränken. Wo da die Logik sein soll, ist unklar – außer aus Sicht eines Kriegsbefürworters in der klassischen Variante des modernen Bellipazifisten, bei dem Krieg den schlimmeren Krieg verhindern soll. Dann auch noch die Politik gegenüber Ex-Jugoslawien als positives Beispiel anzusehen, ist geradezu skandalös. Der Krieg gegen Jugoslawien wurde jahrelang sehr zielgerichtet diplomatisch vorbereitet. Die Diplomatie ist nicht gescheitert, sondern gelungen, denn der Krieg war das Ziel einer Strategie, die Unterwerfung herbeiführen wollte. Die Isolierung stand in einer Reihe mit der nationalen Unterteilung des Landes und den Scheinverhandlungen um dem Rambouillet-Vertrag, dessen Bedingungen immer absichtlich unannehmbar gehalten wurden.

Zitat: „3. Im Verkehrsbereich kann der Flug- oder Schiffsverkehr unterbrochen werden, Bahn- und Straßentransportrouten ebenfalls.
4. Im Kommunikationsbereich können Post- und Televerbindungen unterbrochen werden.
5. In der Entwicklungszusammenarbeit kann die finanzielle und technische Unterstützung beendet werden. Deutschland finanziert z.B. nach wie vor ca. zehn Prozent des Staatshaushaltes von Ruanda ohne Kontrolle und Auflagen ﷓ obwohl die ruandesische Regierung mit diesem Geld vermutlich den Krieg und die Besetzung großer Landesteile im benachbarten Kongo mitfinanziert.“
Solche Forderungen richten sich sehr stark gegen die Zivilbevölkerung. Auch wenn grundsätzlich wirtschaftliche Entwicklung in der heutigen Form nicht emanzipatorisch ist, ist das schlichte Kappen von Kommunikation schlicht eine Katastrophe für alle Menschen und auch für nicht-kriegerische Streitformen.

Seine bellipazifistischen Phantasien paart Ronnefeldt dann mit einer merkwürdig plötzlichen Attacke gegen Israel. Zitat: „6. Im militärischen Bereich kann die Zusammenarbeit gekündigt und ein Waffenembargo verhängt werden. Obwohl der Nahe Osten eindeutig als Spannungsgebiet gilt und z.B. die israelische Armee Merkava-Panzer in den besetzten palästinensischen Gebieten einsetzt – entgegen einer Vielzahl von UN﷓Resolutionen ﷓, liefert die Bundesregierung bis in die jüngste Vergangenheit Kupplungen für diesen Panzertyp an Israel.“ Dabei ist nicht die Kritik an der militaristischen Politik Israels das Problem (eine emanzipatorische Politik kann Krieg, Unterdrückung, Einengung von Bewegungsfreiheit der Menschen usw. nur kritisieren und bekämpfen), sondern die Einseitigkeit überrascht. Ronnefeldt kritisiert etwas, was auf alle Länder dieser Welt zutrifft. Die Bundesregierung liefert in fast alle Länder/Regionen Waffen. Selbst bei der widerlichen Auseinandersetzung zwischen einer militaristischen Regierung in Israel und einem noch widerlicheren autoritären Regime in den palästinensischen „Autonomie“gebieten sind Deutschland und Europa auf beiden Seiten mit Hilfen und Lieferungen dabei.
Zitat: „9. Kriegsverbrecher oder Terroristen können vor ein internationales Tribunal gestellt werden. Im Falle der Lockerbie﷓Affäre und der Suche nach den mutmaßlich sich verschanzten Terroristen wurde Libyen nicht mit einer Militärintervention überzogen. Der politische Druck auf Revolutionsführer Muammar al﷓Gaddafi war schließlich groß genug, dass die Libysche Regierung die mutmaßlichen Terroristen auslieferte, die anschließend vorein internationales Gericht gestellt wurden. Warum wurde dieser rechtsstaatliche Weg nicht auch im Falle des 11. September 2001 beschritten? Warum nahm die US﷓Regierung stattdessen den Tod mehrerer tausend unschuldiger Zivilisten in Afghanistan in Kauf – und dies, obwohl die Täterschaft der Massenmörder vom 11.9.2001 bis heute keineswegs aufgeklärt ist?“
Wie schon in der Forderung nach dem internationalen Staatsgerichtshof zeigt sich hier Ronnefeldts naiver Glauben an das Gute im Recht. Warum sollten die Kriege gegen Afghanistan oder Jugoslawien nicht stattgefunden haben, wenn zuvor ein rechtsstaatlicher Weg eingehalten worden wäre? Vielleicht wären die Kriege europäischer geprägt gewesen (weil Europa kraft mehr Stimmen in den internationalen Gremien meist durchsetzungsfähiger ist als die auch deshalb lieber im Alleingang mordende USA), aber sind demokratische Bomben besser? Wohin die Reise gehen soll, zeigt Ronnefeldt dann mit seinem Literaturtipp: „Internationale Polizei - Eine Alternative zur militärischen Konfliktbearbeitung". Das ist die Denkweise der AnhängerInnen weltweiter Innenpolitik. Wenn staatliche Morde nicht mehr als Krieg, sondern als innere Sicherheit organisiert sind, wenn Menschen nicht mehr von Armeen, sondern von der Polizei erschossen werden, dann ist alles gut. Weil rechtsstaatlich einwandfrei. Emanzipatorische Ansätze liefert Ronnefeldt mit seinen Ausführungen nicht. Er will die Stärke des Rechts – ohne eine Analyse zu leisten, was Recht und Rechtsstaat überhaupt ist. Recht ist in keiner Weise per se emanzipatorisch. Es kann mal mehr Menschenrechte aufnehmen und mal weniger. Relativ liberale Ansätze in einigen Staaten dieser Welt (meist schon einige Jahrzehnte zurückliegend) sind genauso ein Rechtsstaat wie die Nationen der Berufsverbote, der Folter (sie muss nur per Gesetz erlaubt sein) oder gar die Anfangsphase des Nationalsozialismus in Deutschland. Rechtsstaat beschreibt eine Art von Herrschaftsstruktur – ob diese menschenfreundlicher ist oder nicht, hängt von anderen Faktoren ab. Wie bei jeder Monarchie auch. Emanzipatorisch ist beides nicht.

Quelle: FriedensForum 3/2004 (S. 23 ff)
Im Netz:  http://www.friedensrat.ch/irakronnefeldt1.html
Herrschaftskritische Internetseiten zu Krieg und Frieden:  http://www.no-law-no-war.de.vu.
Attac-Positionen:  http://www.attac-online.de.vu
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

@Projektwerkstatt

sandankoro 20.07.2004 - 19:06
Ihr schreibt z.B.:

"Die Abschaffung von Armeen und Rüstung wird nicht vorgeschlagen"
Eventuell einfach deshalb, weil der mensch Realist ist? Welches Land würde denn freiwillig auf Armeen verzichten? vor allem wenn es mit dieser Entscheidung alleine dastünde?

Weiter schreibt Ihr
"Während in Seattle, Genua und vielen Ländern des Südens klar die Auflösung unterdrückender Organisationen gefordert wurde..."
Was ist denn das schlimme an den Organisationen wenn diese nach einer Reformierung bzw. Neugründung ihre eigentlichen Aufgaben wahrnehmen?
Wer soll denn z.B. die internationale Kreditvergabe koordinieren und Kapitalbewegungen steuern wenn nicht eine Organisation wie der IWF oder die Weltbank.
Das sie z.Zt. mehr mit dem Schutz der Industrienationen und der Unterdrückung der "Entwicklungsländer" beschäftigt sind, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass das immer so bleiben muss.

Die Einführung eines internationalen Gerichtshofes kritisiert Ihr ebenso oberflächlich und bezeichnet diese als gefährlich!
Wer soll den Leute wie Foday Sankoh oder die Organisatoren der Massaker in Ruanda verurteilen wenn nicht ein Gericht mit internationaler Legitimation, was für eine Alternative seht Ihr denn z.B. für die Nürnberger Prozesse?

Was an den Forderungen nach "Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen (z.B. Tobin-Steuer), die Schließung der Steuerparadiese und ‚Off-Shore?Zentren’, eine strengere Banken- und Börsenaufsicht für die sog. institutionellen Anleger,..."
schlecht sein soll kann ich auch nicht unbedingt nachvollziehen. Es muss nicht jeder, der versucht an den jetzigen Verhältnissen etwas zu ändern gleich zu einer Revolution aufrufen, gerade die benannten Punkte hätten eine Signalwirkung und würden einem oftmals kriminellen Handeln weniger aber dafür sehr reicher Leute vorbeugen, die ansonsten kaum zu kontrollieren sind.

"Menschenrechte und Terrorismus sind Begriffe, die der Definitionsgewalt gesellschaftlicher Diskurse unterliegen. Was der Bruch von Menschenrechten ist, definiert sich über ethische und formale Normen."
Ist der nächste Punkt der wohl nicht nur mir Bauchschmerzen verursacht. Ihr bewegt Euch damit auf einen Weg den schon in der Kolonialzeit viele Weiße eingeschlagen haben und der auch heute noch dafür verantwortlich ist, dass immer noch viele hier z.B. die Morde im Konge weniger schlimm finden als z.B. das Attentat auf Djerba. Was sind denn auch "andere Vorgänge in fernen Ländern" die hier relativiert werden? Es sind doch oftmals die schlimmsten Verbrechen und Massaker, Vergewaltigung und obskure Strafen die von vielen allzuschnell als "reliöse Freiheit", oder als "Selbstbestimmungsrecht der Völker" bezeichnet werden, wobei meist übersehen wird, dass damit gerade denen in den Rücken gefallen wird, die sich vor ort für eine Einhaltung der Menschenrechte einsetzen.
Wir brauchen also keine Anpassung der Menschenrechte an die jeweilige Situation sondern eine international gültige Form, die z.B. auch geschlechtsspezifische Formen der Unterdrückung aufnimmt wie z.B. die Frauenbeschneidung oder Zwangsheirat, aber auch die Verhinderung vonTodesstrafe, Folter und unmenschlichen Haftbedingungen enthält.

Ob wir nun wollen oder nicht, wir haben keine Mehrheit für radikale Änderungen, daher würde momentan auch eine Revolution nicht zu einer besseren Gesellschaftsform führen, sondern eher nur zu einer neuen Diktatur. Wir sind daher gezwungen die jetzigen Gesellschaftsformen als das zu akzeptieren was sie sind, nämlich der Wunsch der Mehrheit. Änderungen können also auch nur dann erreicht werden, wenn wir es schaffen andere von unseren Zielen zu überzeugen, davon ist die radikale Linke aber leider weiter entfernt als je zuvor. Somit sind Minimalforderungen, zumal wenn diese realisierbar sind, immer noch besser als das gruppeninterne Diskutieren über eine Revolution die wohl eh nie kommen wird.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an