Aktuelles aus dem K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren

Soligruppe zum K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren 27.06.2004 09:37 Themen: Repression
Die Gen-Datenbank des BKA ist um zwei Datensätze reicher!

Das K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren, ein Ermittlungsverfahren nach § 129 a seit 1995.

Nach 15-monatigem, juristischem Gezerre mussten Anfang Juni zwei Beschuldigte im K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren eine Speichelprobe zwecks Erstellung von genetischen Fingerabdrücken abgeben! Ihre DNA-Daten sollten mit den DNA-Spuren an 4 Zigarettenkippen abgeglichen werden, die 1995 im sogenannten “Bombenbus“ auf einem Parkplatz in der Nähe des damals im Bau befindlichen Abschiebeknastes Berlin﷓Grünau gefunden wurden.
Die Gen-Datenbank des BKA ist um zwei Datensätze reicher!

Zwei Beschuldigte im K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren wurden zur Abgabe einer Speichelprobe zwecks Erstellung von genetischen Fingerabdrücken gezwungen!

Das K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren, ein Ermittlungsverfahren nach § 129 a


Ein kurzer Rückblick:

Kurz vor Ostern 1995 ist der Abschiebeknast in Berlin-Grünau eine Baustelle, die kurz vor ihrer Vollendung steht. Nicht weit davon entfernt werden zwei Autos aufgefunden, in denen u. a. Bomben und Hinweise liegen, dass der Abschiebeknast in die Luft gesprengt werden soll. In einem der Autos liegen Ausweise und Fahrzeugpapiere von insgesamt vier Personen. Drei von ihnen Peter, Thomas und Bernhard sind seitdem abgetaucht. Die Halterin des Wagens stellt sich nach einer Woche und wird nach dreiwöchiger Untersuchungshaft freigelassen. Die Gruppe ’Das K.O.M.I.T.E.E.’ übernimmt in einer Erklärung die Verantwortung für den misslungenen Anschlag. ’Das K.O.M.I.T.E.E.’ war bereits Ende 1994 bei einem Brandanschlag auf eine Bundeswehrkaserne in Bad Freienwalde in Brandenburg erfolgreich in Erscheinung getreten. Die Bundesanwaltschaft (BAW) erklärt ’Das K.O.M.I.T.E.E.’ zur terroristischen Vereinigung nach § 129 a.

Die drei Untergetauchten sind erstes Ziel der Verfolgungsorgane. Weil aber genau die eben abgetaucht sind, rücken BAW und Polizei den MitbewohnerInnen und FreundInnen der drei auf die Pelle. Ein Regen von polizeilichen und zum Teil staatsanwaltschaftlichen Zeugenvorladungen beginnt zu fallen. Viele Vorladungen verlaufen im Sande: Einige Leute sind gerade im Urlaub, verzogen oder gehen einfach nicht hin. Bei einer staatsanwaltschaftlichen Vorladung kommt es zu Aussagen, bei einer wird der ’Zeuge’ nach Aussageverweigerung zum Beschuldigten und bei einer dritten wandert eine ’Zeugin’ wegen Aussageverweigerung für 4 Monate in Beugehaft!

Von den drei Abgetauchten gibt es für die Ermittler keine Spur.

Inzwischen ist Frühjahr 1997, also fast zwei Jahre nach der Beinahe-Sprengung des Abschiebeknastes. Die Gruppe ’Das K.O.M.I.T.E.E.’ hat inzwischen schriftlich ihre Auflösung bekannt gegeben!

Es wird ruhiger in dem Verfahren. Erst im Herbst 2000 drangsalieren BAW und Polizei die Familie eines der Untergetauchten. Die BAW macht ein Verhandlungsangebot an die VerteidigerInnen der drei Untergetauchten für den Fall, dass diese sich stellen. Auf dieses Angebot wird nicht eingegangen. In Berlin fallen Observationen bei Einzelpersonen auf.

Ende Februar 2003 sendet die allseits bekannte Fernsehsendung “Aktenzeichen XY ... ungelöst“ einen nachgestellten Beitrag zu dem Fall und einen Fahndungsaufruf nach den Untergetauchten. Am nächsten Tag wird ein Artikel mit Fahndungsbildern in einer Berliner Tageszeitung abgedruckt.

In der ersten Märzwoche gibt es wieder eine Zeugenvorladung. die betreffende Person kommt der Ladung in Begleitung ihres Anwalts nach. Drei weitere Personen erhalten einen Brief der BAW, dass diese eine Blutentnahme zwecks DNA-Analyse bei ihnen beabsichtigt und bei Gericht beantragt. Als Begründung wird der Vergleich mit DNA-Spuren an 4 Zigarettenkippen, die sich im Aschenbecher des 1995 gefundenen “Bombenbusses“ befanden, angeführt. Bei den drei Personen handelt es sich um genau die Menschen, bei denen 1995 während der ersten Verfolgungsphase Hausdurchsuchungen stattgefunden haben. Diese drei Menschen werden jetzt, im März 2003 von der BAW als Beschuldigte in dem Verfahren benannt. Einer davon gilt bereits seit 1997 als Beschuldigter (vom Zeugen zum Beschuldigten!) Die beiden anderen erfahren erst durch die neue BAW-Post von ihrem Status als Beschuldigte.

Die neusten Ereignisse:

Bereits im November 2003 wurde bei den drei “Neu“-Beschuldigten, zwei Männern und einer Frau, eine ED-Behandlung vollzogen. Eine sehr unangenehme, jedoch leider unabwendbare Angelegenheit. Der Zwang zur Abgabe einer Blut- oder Speichelprobe konnte aber dank der VerteidigerInnen verhindert werden. dabei kamen unverhofft Polizisten zu Hilfe, die öffentlich zugegeben hatten, dass schon seit Jahren widerrechtlich codierte Daten von DNA-Spuren (z. B. das Geschlecht des/der SpurenlegerIn) genutzt werden.

Seit April diesen Jahres nun hat sich die Gesetzeslage verändert: Die Bestimmung des Geschlechts ist jetzt legaler Bestandteil des genetischen Fingerabdruckes. Die besagten 4 Zigarettenkippen wurden offiziell ein weiteres Mal molekulargenetisch untersucht mit dem Ergebnis, dass sie von zwei verschiedenen Männern geraucht worden sind. Demnach stand der Beschluss zur Zwangsabgabe einer Blut- oder Speichelprobe bei den beiden männlichen “Neu“﷓Beschuldigten an.

Das juristische Gezerre der letzten 15 Monate hat sich insoweit gelohnt, dass die weibliche “Neu“﷓Beschuldigte keine Karteikarte in der Gen﷓Datenbank erhält und im Laufe der Zeit Einsicht in bis dato unbekannte Ermittlungsakten möglich geworden war.

Die DNA-Probenentnahme, eine blöde Sache:

Die Vorladung der beiden männlichen Beschuldigten zur Abgabe der Blut- oder Speichelprobe ließ nicht lange auf sich warten. Um einer Zwangsvorführung, also zu beliebiger Zeit von beliebigem Ort zu entgehen, beschlossen die beiden einvernehmlich, dieser Ladung nachzukommen. Allerdings beantragten sie beim Staatsschutz, die Probenentnahme von einem Arzt ihres Vertrauens durchführen zu lassen; und zwar in dessen Arztpraxis. Einen rechtlichen Anspruch darauf gibt es nicht. Das hängt vom “Good Will“ des Staatsschutzes ab. In diesem Fall reichte ein Anruf dort, um das Gewünschte zu erreichen.

Die eigentliche DNA-Probenentnahme lief dann so ab, dass sich die Beschuldigten mit vier (tatsächlich 4!!!!) LKA’lern vor der Arztpraxis trafen, von denen zwei mit ins Arztzimmer kamen, um den “ordnungsgemäßen“ Ablauf der Probenentnahme zu überwachen. Sicher ist die ganze Angelegenheit äußerst unangenehm, vor allem für die Beschuldigten, aber auch für den Arzt, der ja nicht zum Wohl, sondern nur auf Wunsch seiner Patienten handelt. Doch hat die Art, wenigstens den Ort zu bestimmen den Vorteil, dass sich die beiden Beschuldigten sich nicht auch noch beim LKA der Zwangsmaßnahme unterziehen mussten. Und das ist immerhin gefühlsmäßig eine ganze Menge! Nebenher sei noch erwähnt, dass die LKA’ler in der Situation im Arztzimmer diejenigen waren, die sich nicht wohlgefühlt haben. Entgegen der Situation im Präsidium waren sie die unerwünschten Personen, nicht die Beschuldigten.

Was bleibt:

Die Gen﷓Datenbank des BKA hat nun zwei Karteikarten mehr. Da niemand so recht glauben mag, dass dort gespeicherte Daten jemals gelöscht werden, ist das bezüglich zukünftiger Belange sehr unangenehm für die Betroffenen, in diesem Fall für die zwei Beschuldigten. Bislang befinden sich beide übrigens noch unbehelligt an ihren Wohnorten.

Die drei Untergetauchten, Peter, Thomas und Bernhard entziehen sich nunmehr seit mehr als 9 Jahren erfolgreich dem Verfolgungswillen der BAW.

Was leider auch noch bleibt ist der Abschiebeknast in Berlin-Grünau!

Dazu ein Zitat aus einem Lied der Gruppe “Tot- und Mordschlag“:
“Die Terroristen sind nicht die, die im Bau befindliche Abschiebeknäste in die Luft sprengen wollen, sondern die, die sie bauen lassen!“
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Ergänzungen

verjährung?

acab 27.06.2004 - 13:47
wie lautet eigentlich der vorwurf gegen die genossInnen? versuchter todschlag? und ist die tat nicht bald mal verjährt? solidarische grüsse an die untergetauchten, lasst euch nicht erwüschen!

mord?

acab 27.06.2004 - 16:19
naja ein gebäude, auch aus dem mal ein abschiebeknast werden soll zu sprengen ist ja irgendwie kein richtiger mord. und leute waren ja zu derzeit nicht im gebäude...
also auf was lauten die haftbefehle: 129a, klar und sonst?

Verjährung

stgub 27.06.2004 - 19:03
Gegen die Beschuldigten wird ermittelt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a StGB). Die Verjährungsfrist beträgt meines Wissens zehn Jahre, kann aber durch sog. "verjährungsunterbrechende Massnahmen" (bestimmte juristische Schritte gemäss Strafprozeßordnung) verlängert werden auf bis zu 20 Jahre, also bis 2015.

K.O.M.I.T.E.E.

google / Radikal 28.06.2004 - 17:03
Knapp daneben ist auch vorbei
Erklärung des K.O.M.I.T.E.E. zur gescheiterten Grünau-Aktion  http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee1.htm
Zu unserem Projekt das K.O.M.I.T.E.E.
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee2.htm
Warum militante Politik
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee3.htm
Die praxis der Kommune
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee4.htm
Der erste Schlag: Bundeswehr in Bad Freienwalde
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee5.htm
Auf dem Weg zum zweiten Schlag
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee6.htm
Zur verhinderten Aktion in Grünau
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee7.htm
Zu unseren Fehlern
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee8.htm
Fazit:6.9.95 DAS K.O.M.I.T.E.E.
 http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/komitee/komitee9.htm

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§ — Richter Gnadenlos

Die braunen Wurzeln... — Punxatan