HH Schanzenspiele: Investor sagt Infostand ab

hihi 15.06.2004 15:15 Themen: Freiräume
Die Beteiligung autonomer Spektren an der derzeitigen Mobilisierung gegen den Umbau des Wasserturmes im Schanzenpark hat erste Erfolge erreicht. Die Projektentwicklungsgesellschaft Patrizia hat einen geplanten Infostand im Rahmen der sogenannten Schanzenspiele abgesagt. Die Schanzenspiele wurden vor drei Jahren maßgeblich von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) ins Leben gerufen.
Hintergrund bildeten damalige Auseinandersetzungen im Schanzenviertel um die offene Drogenszene und die städtische Drogenpolitik. Randgruppen sollten durch Veranstaltungen und Bürgerinitiativen der Mittelschicht aus dem Viertel gedrängt werden. Am Schlachthof eröffnete ein "Stadteilzentrum" das in den drei "Problemvierteln" Schanze, St. Pauli und Karoviertel, ein Anziehungspunkt für die besserverdienende Bevölkerung und ExistenzgründerInnen sein sollte. Im Schulterblatt entwickelten sich unter Leitung eines eingesetzten Quartiersmanagementes Lobbyvereine der Gewerbetreibenden und im Schanzenpark wurden eben die Schanzenspiele inszeniert.

Nur konsequent also das ebenjene Schanzenspiele sich jetzt von der Hamburger Messe und den Hotelinvestporen sponsern lassen. Die Hotelnutzung entspricht nämlich genau dem Interesse der Steg und Gewerbeinitiativen. Kaufkräftige Klientel kommt vermeintlich vermehrt als Kundschaft an die Käsetheke, der Mietenspiegel steigt weiter und Obdachlose, Drogenuser oder trommelnde Hippies im Park werden noch effektiver rausgeschmissen. Im Stadtplanungsjargon nennt sich diese Vertreibung und Aufwertung dann verbesserte, sozialverträglichere Mischung im Stadtteil.

Als Gegenleistung für die Patrizia Millionen, die diese derzeit als "Social Sponsoring" im Viertel ausschüttet, nutzt die Projektentwicklungsgeschaft dann Veranstaltungen wie die Schanzenspiele als Forum für "Aufklärungsmaßnahmen" der Bevölkerung, also schlicht für Propaganda zugunsten des Hotelbaus. Dankbar ist auch der Senat der Stadt, der öffentliche Gelder für soziale Initiativen kürzt und auf Eigeninitiative und ebenjenes "social Sponsoring" als Ersatz für zentralisitische Förderwurtschaft ausgibt.

Einerseits wird also im sozialen und öffentlichen Bereich alles kapputgespart, andererseits sollen wir dann millionenschweren SpekulantInnen dankbar sein, wenn diese einen Teil ihrer Ersparnisse durch die wirtschaftsfreundliche Politik mal nicht an ihre TeilhaberInnen, sondern in der Nachbarschaft der kommenden Großbaustelle ausschütten. Das die sozialen Verhältnisse sich dennoch verschärfen und die Gegensätze zwischen arm und reich größer werden, soll Angesichts solcher Großmut in den Hintergrund gedrängt werden. Mehr noch die soziale Zuspitzung, der in der heutigen Ausformung polizeiliche Repression im öffentlichen Raum folgt, wird als alternatives Hilfesystem in Zeiten Neoliberaler Standortkonkurenz verkauft. Der angebliche Gewinn: Arbeitsplätze ( auf unsicherer Basis im schlechtbezahlten Dienstleistungssektor) und Sicherheit (für weiße deutsche aus der Mittelstandsschicht). Was rot/grün bundesweit als neue Maxime verkauft, kommt auch im lokalen Raum allerbestens an.

Das sich soziale Initiativen nicht zu schade sind, selbst auf noch so offensichtliche Schmiergelder dankbar zurückzugreifen ohne gleichzeitig Kritik an dieser Praxis zu üben ist Ausdruck einer völligen Entpolitisierung im sozialpolitischen Bereich. Statt Widerstand gegen die Einsparungspolitik wird von denen die noch am Tropf hängen Demut geübt, während alle die finanziell abgewickelt werden, lediglich zum Zeitpunkt ihrer Abwicklung für ihr dann isoliertes Projekt kämpfen. Die Schanzenspiele, als Inszenierung der Steg, würden statt Investorenselbstdarstellung ein sehr gutes Forum abgeben, um diesen Ort wenn nicht schon zu meiden, so doch als politischen Ausdruck zu füllen. Stattdessen gibt es ein buntes und lustiges Fest für jung und alt als Kuschelwiese in der Schanze, die bestehende Widersprüche überdeckt und Möglichkeiten der Intervention von sozialen TrägerInnen vergibt.

Eine Chance die sich die Patrizia nicht so schnell nehmen läßt. Nachdem Polizei und Veranstalter von der Durchführung eines Infostandes aufgrund erwarteter Proteste abgeraten haben, hat diese in der Welt angekündigt: "Die Bauherren setzen nun verstärkt auf sachliche Argumente und Aufklärung.. "Unser Ziel ist es, hier möglichst zu deeskalieren, und, soweit wir das können, zu informieren", erklärte Jürgen Kolper, Geschäftsführer der Patrizia Projektentwicklung GmbH, (..). Das Augsburger Unternehmen plant, die Bevölkerung vor Baubeginn im September durch mehrere Info-Veranstaltungen aufzuklären, zusätzlich werden im Anschluss an die Schanzenspiele Flugblätter verteilt."

In der Mopo wird in Anspielung auf die Demonstration gegen den Wasserturm vom kommenden Samstag weiter ausgeführt: "Die Investoren wollen mit Flugblättern gegenhalten und die Argumente der Hotelgegner entkräften. Einen Infostand im Park bei den "Schanzenspielen" am Wochenende haben sie allerdings aus Angst vor Krawallen abgesagt. "Informationen für Freunde des Sternschanzenparks und des Wasserturms", so lautet der Titel des ungewöhnlichen Investoren-Flugblatts. Die "Patrizia Projektentwicklung" in Augsburg stellt darin klar, dass der Turm erhalten wird und die Schanzenbewohner den Park weiter ungehindert nutzen können."

Das die HotelgegnerInnen und BesucherInnen des Festes auf derlei provokantes Propagandamaterial am Samstag erfreut reagieren werden ist nicht zu erwarten. Und auf den ein oder anderen Besuch ihrer Infoveranstaltungen kann sich die Patrizia sicherlich auch schon mal freuen. Autonome aus dem Stadteil und das Wagenplatz Soliplenum rufen nach wie vor zum Widerstand gegen das Hotel und die Steg, Patrizia und Mövenpick auf und rufen zu einer Teilnahme an der Demonstration des Wasserturm Bündnisses auf. Der nächste Akt der neuen Dauervorstellung im Schanzenviertel findet also am Samstag statt.

Presse:
Mopo 15.06.: Investor Angst vor Krawall
 http://www.mopo.de/nachrichten/102_panorama_59643.html

Welt 15.06.: Wasserturm: Umbau-Gegner planen Großdemo
 http://www.welt.de/data/2004/06/15/291700.html

Aufrufe:
Autonome im Stadtteil:  http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/regierung-stuerzen/hotel.html
Wagenplatz Solibündnis:  http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/regierung-stuerzen/freiraum.html
Wasserturm-Bündnis:  http://www.schanzenturm.de/

Mehr Infos:
Indymedia Printausgabe zum Wasserturm
 http://de.indymedia.org/2004/06/85581.shtml
Einladung zum Tanz (Infos zur Demo)
 http://de.indymedia.org/2004/06/85435.shtml
Besetzung' des Hamburger Schanzenparks
 http://de.indymedia.org/2004/05/84594.shtml
Hamburg Schanzenpark, Polizei vs. Lagerfeuer
 http://de.indymedia.org/2004/05/84523.shtml
HH: Willkürliche Festnahme im Schanzenpark
 http://de.indymedia.org/2004/05/84522.shtml

Wochenendtermine:
17.06. Donnerstag
Mövenpick ausräuchern 17.00 bis 19.00 Uh Große Bleichen 39
18.06. Freitag
Fahrraddemo "Wagenplätze bleiben" 14.40 Sternschanze
18.06. Freitag
Harkortstr.-besetzungs Soliparty im Störte
19.06. Samstag
Demo "Schanzenpark für Alle" 13 Uhr Steintorplatz
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Ergänzungen

Es muss ja nicht immer Möwenpick sein

Ich sage nichts ohne meinen Anwalt 15.06.2004 - 17:22
Wenn die Bullen bei den nächsten Aktionstagen mal wieder das Hanseviertel abriegeln (was den Geschäften in der Passage wahrscheinlich früher oder später auch ziemlich auf die Nerven gehen dürfte, erinnert sei hier nur an die unzähligen Beschwerden über die Polizeipräsenz bei den Bambule-Demos in der Mönckebergstraße), dann kann mensch ja auch mal hier hin:

Hamburger Niederlassung der PATRIZIA Immobilien AG
und der
PATRIZIA Immobilienmanagement
PATRIZIA Kontor
An der Alster 47
20099 Hamburg

Übrigens, die Firma hat auch noch einen Sitz in Berlin, da sollen ja auch einige HamburgerInnen wohnen...

Der Park gehört allen! Eisbomben auf Möwenpick!

Stichwort: Baugenehmigung Mövenpick

Akte XY ungelöst 21.05.2005 - 16:55

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rafft euch auf — eisesser