Einwanderer besetzen Kathedrale in Barcelona

Ralf STreck 08.06.2004 12:59 Themen: Antirassismus Repression
Etwa 2000 Einwanderer haben die Kathedrale von Barcelona besetzt. Sie wollten damit die Regulierung ihres Aufenthaltsstatus durchsetzen.
Auf einer Versammlung haben mehrere Hundert Einwanderer in Barcelona der spanischen Regierung nun eine Frist gesetzt, um ihren ungelösten Aufenthaltsstatus zu regeln. Sollte die Regierung keine Schritte unternehmen, werde man sich am Mittwoch erneut auf dem Platz von Katalonien versammeln und Aktionen beschließen. Dies kündigte Chaudhr Shahnawaz, Sprecher der „Versammlung für eine Regulierung ohne Konditionen“ an. Andere Vertreter der Einwanderer ohne geregelten Status kündigten weitere „Überraschungsaktionen“ an.
Schon am Wochenende hatten die sogenannten „illegalen“ Einwanderer in Barcelona erneut auf ihre Lage hingewiesen. Nach einer Demonstration am Samstag besetzen mehr als 2000 Menschen die Kathedrale und die Kirche Pi. Sie wurden am Sonntag früh von Spezialeinheiten der Polizei geräumt, obwohl sie mit den Kirchenleitungen den freiwilligen Abzug vor der Sonntagsmesse vereinbart hatten.
So kam es in der Kathedrale, wo die große Mehrheit versammelt war, zu üblen Szenen. Mit Schlägen, Festnahmen, Schreien beendete die Polizei die Besetzung gewaltsam. Etwa 60 Personen wurden festgenommen, von denen, nach vorläufigen Angaben, die Hälfte wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Die Besetzer der Kirche Pi verließen am Morgen freiwillig das Gotteshaus.
Faktisch hat die konservative Volkspartei (PP) den Sozialisten (PSOE) beim Regierungswechsel im März eine katastrophale Lage hinterlassen. Die PP hatte mit einer restriktiven Ausländerpolitik die Regulierung von Einwandern quasi abgeschafft. Zunächst hatte sie, als sie 2000 die absolute Mehrheit erhielt, das liberale Ausländerrecht geschliffen. Statt Integration stand nun Entrechtung auf dem Programm. Minimale demokratische Rechte, wie das Versammlungs-, Organisations- und Vereinigungsfreiheit fielen, vom Streikrecht nicht zu sprechen. Fortan sollten sie entrechtet als billige Arbeitskräfte ihr Dasein fristen. Drei Mal wurde in vier Jahren das Ausländerrecht verschärft.
Weil konsequent Anträge verschleppt wurden, sitzt die neue Regierung auf einem Berg von fast 400.000 Anträgen zur Regulierung oder Erneuerung der Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis. Allein in Barcelona sind das fast 50.000 Fälle, die zum Teil seit Jahren auf einen Bescheid warten. So wurden von der PP aus einst „legalen“ wieder „illegale“ Einwanderer gemacht, die bei einer Festnahme mit sofort abgeschoben werden konnten. Hinzu kommen etwa 150.000 geschätzten Einwanderer, allein in Barcelona, die wegen der Gesetzeslage keine Regulierung beantragten. Im spanischen Staat leben mehr als eine Million Menschen ohne geregelten Status.
Die Sozialisten legen nun einen „Notplan“ auf, „um der fehlenden Aufmerksamkeit“ für das Problem zu begegnen, sagte der Staatssekretär für Einwanderung Consuelo Rumí. So würden 267 Stellen geschaffen, um die Bearbeitung der Anträge zu beschleunigen. Arbeitserlaubnisse sollten nun auch in den Arbeitsämtern erneuert werden. Ob die PSOE aber das restriktive Ausländergesetz streicht und ohne Konditionen reguliert, wie es die Einwanderer fordern, ist fraglich. Möglich ist eine partielle Lösung, 2001 wurde der Status protestierender Einwanderer geregelt, um den sich ausweitenden Besetzungen die Spitze zu nehmen.
© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 07.06.2004
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Ergänzungen

Ausweisung

Ralf 09.06.2004 - 11:48
17 der Verhafteten sollen ausgewiesen werden. Damit zeigt die Regierung, wie sie mit der Situation umzugehen gedenkt. Zapatero, der neue Regierungschef, hat sich hinter die Polizeiaktion gestellt. Er kündigte an, es würde alles geräumt, wenn es zu weiteren Besetzungen wie 2001 käme. Von der Forderung, populistisch 2001 gegenüber der PP vorgetragen, Papiere für alle, ist nun nichts mehr zu hören.
An den neuralgischen Punkten, Einwanderung und Basken/Katalanen/Galizienfrage ist der spanische Nationalismus nicht zu unterscheiden, ob er nun von der rechtsradikalen PP oder von den Pseudosozialisten der PSOE vorgetragen wird.
Inzwischen ist klar, dass sich die Kirchenleitung der Kirche PI gegen die Räumung gestellt hat. Heut Abend wird man sehen, wie es weiter geht.