Prozeßbericht, DB-Hausfriedensbruch Hamburg

Ein Stück Öffentlichkeit im Gerichtssaal 03.06.2004 09:59
Der erste beendete Prozeß im Zusammenhang mit der Hamburger Bauwagenpolitik und den `gemeinschaftlicher Hausfriedensbruch´-Vorwürfen (27.09.2003, Harkortstr. 123-125, Hamburg), endete mit Verurteilung.
Oder:
Ein Schauprozeß ist ein Schauprozeß ist ein Schauprozeß ist ein Schauprozeß!
Eindrücke vom Prozess gegen Hr. S. mit dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs – 27.09.2003, Harkortstraße 123 - 125.

Von einem Stück Öffentlichkeit im Gerichtssaal

1. Prozesstag, Do. 13.05.04, Amtsgericht Altona, Saal 201, Vorsitz: Richter Herrmann

Der Tag begann mit einer Schokomilch und einer lustigen, kleinen aber feinen und gut bewachten Kundgebung vor dem Amtsgericht Altona. Auf der Kundgebung waren ca. 70 - 80 Menschen anwesend, die ihrem Unmut über die jetzt beginnenden Prozesse Luft machen wollten. Es gab einiges an guten und einfallsreichen Transparenten, schön laut Mucke vom Lautsprecher-Trecker und per Transpi `ne wirklich gelungene Solidaritätsbekundung von gegenüber. Auch die Presse (taz und Wochenblatt) & das Fernsehen (freier Mitarbeiter) waren da. Gegen 10:30 Uhr gingen wir dann gemeinschaftlich nach drinnen (wo es nicht unbedingt gemütlicher war!)
Um gleich mal klarzumachen, wer an diesem ersten Prozesstag das Sagen haben wollte, musste jeder Mensch (inkl. Angeklagtem & Verteidigung) erstmal vom Eingang des Amtsgericht Altona bis zum Verhandlungssaal im zweiten Stock einen Parcours durch ein Polizeispalier bewältigen.
Der Prozess, ursprünglich für 10:30 Uhr und mit einer Laufzeit von einer halben Stunde angesetzt, begann dann auch erst um 11:15 Uhr mit unverhältnismäßigen und schikanösen Personenkontrollen (Taschen leeren, abtasten, dumme Fragen stellen…) am Eingang zum Saal. Warum dabei alle Frauen (und nur die Frauen!) zusätzlich auch noch mit Metalldetektoren abgescannt wurden, vermag wohl nur die Polizei zu sagen!
Die ersten Diskussionen gab es auch sofort, nachdem einer Frau der Zugang verweigert wurde, weil sie einen Fingerring trug, welcher als gefährlicher Gegenstand eingestuft wurde. Auf Nachfragen der Verteidigung, ob denn wohl ein Ring einen gefährlichen Gegenstand darstelle, erwiderte Richter Herrmann lapidar: „Wenn es sich um einen Schlagring handele, dann schon“. Während des gesamten Prozesses folgten ähnlich geartete Bemerkungen von Seiten des Richters, welcher übrigens als Hardliner bekannt und berüchtigt ist. Als ca. 30 Personen im Saal Platz genommen hatten, war dieser hinsichtlich der vorhandenen Sitzgelegenheiten als voll einzustufen. Vor der Tür standen aber ebenfalls noch ca. 30 Personen, die dem Prozess beizuwohnen wünschten.
Als erstes folgte dann die Androhung von Ordnungsstrafe durch Richter Herrmann bei jeglicher Störung.
Nach den üblichen Angaben zur Person und einigen Problemen mit dem Geburtsort des Angeklagten (Richter Herrmann verstand ihn einfach nicht und auf die Frage, was denn im Personalausweis unter Geburtsort steht, musste selbst der Angeklagte erstmal nachschauen) stellte die Verteidigung den Antrag auf Verlegung des Prozesses in einen größeren Saal, weil die Öffentlichkeit ihrer Ansicht nach nicht vollständig hergestellt sei, und damit auch die noch draußen Verbliebenen dem Prozess beiwohnen könnten. Dieser wurde mit der Begründung abgelehnt, mit ca. 30 Personen im Saal sei der Begriff „Öffentlicher Prozess“ gewahrt, weiter fügte Richter Hermann hinzu „es gibt keinen größeren Verhandlungssaal im Gerichtsgebäude“. Als zweiter Antrag folgte dann der auf Entfernen der beiden anwesenden Polizeipärchen. Auch dieser wurde durch Richter Herrmann abgelehnt und zwar mit der Begründung, dass ja das Gericht es war, welches die vier Beamten/Innen beantragt hätte. Übrigens, auch für diesen ganzen Budenzauber vor der Tür (Polizeispalier, Personenkontrollen etc.) ist das Gericht mit Vorsitz Herrmann verantwortlich gewesen!
Es folgte das Verlesen der Anklage durch einen langweiligen Staatsanwalt in dafür siegessicherer Pose, gefolgt vom Vortragen der Prozesserklärung durch den Angeklagten und die Feststellung keine weiteren Angaben zur Sache zu machen.
Allein durch Herrmanns selbstgefälliges Grinsen, dessen Mimik und Gestik, während des Verlesens der Anklageschrift, drängte sich mir der Verdacht eines bereits in Gedanken gefällten Urteils und des Vollziehens eines Schauprozesses (was es ja letztendlich auch werden sollte!) auf.
Nach dem Betrachten einiger Lichtbilder vom Platz des Anstoßes und vom Angeklagten nach seiner Verhaftung im Polizeirevier St. Georg sollten als nächstes die Zeugen gehört werden. Dabei stellte man fest, dass der per Schreiben geladene Zeuge Kerber sich leider bis zum Prozesstag einschließlich im Urlaub befand. Der ebenfalls per Schreiben geladene Zeuge Muchau befand sich auch noch im Urlaub. Fleißig und ordentlich wie Richter Hermann aber ist, sorgte er gleich für Ersatz und lud am Vortag des Prozesses telefonisch POR Treumann als Zeugen. Die Verteidigung wusste davon nichts und lehnte den Zeugen am ersten Prozesstag ab, da eine Vorbereitung auf diesen nicht möglich gewesen sei.
Richter Herrmann erklärte sich noch bereit, den Prozess gegen ein Bußgeld von 200 Euro (die Summe des Strafbefehls) einzustellen und gab zu bedenken, dass, da „von einer Verurteilung laut Aktenlage auszugehen“ sei, es für den Angeklagten doch nur teurer werden würde, wenn man den Prozess jetzt vertage.
Die Verteidigung erklärte sich hingegen im Namen des Angeklagten bereit, bei Übernahme aller Prozess- und Verteidigungskosten durch die Staatskasse der Einstellung des Verfahrens zuzustimmen, dieses wurde von Staatsanwaltschaft und Richter abgelehnt.
Der Prozess wurde auf den 14.05., 13:00 Uhr vertagt!

2. Prozesstag, Fr. 14.05.04, Amtsgericht Altona, Saal 225, Vorsitz: Richter Herrmann

Nach dem bekannten Schauspiel der Personenkontrollen erwartete uns ein etwas größerer Saal (aha, gibt´s also doch …. Richter Hermann ist also nicht allwissend!!???!!!???) als am Vortag und ein frisch frisierter (extra für uns?) Richter Herrmann. Doch auch der größere Saal nützte nicht wirklich etwas, diesmal musste die Staatsmacht ran, es hieß für sie erstmal weitere Sitzbänke und Stühle heranschleppen.
Danach erschien sofort der erste Zeuge, Hr. POR Treumann vom 14. Revier, vom Typ nach oben schleimende Grinsebacke. Zum betreffenden Tag gab er an, er hätte die Einsatzführung gehabt, später den Auftrag zur Räumung des Geländes erhalten und erstmal „…das Gespräch gesucht, man kennt sich ja…“. Zwei Stunden später habe man dann „…spontan gekesselt und per Megaphon die Festnahme bekannt gegeben…“. Danach sei das „…Verlassen des Geländes gegen Aufnahme der Personalien möglich gewesen…“. Als Partner für die geführten Gespräche wüsste er nur noch, dass Hr. Beuth und Hr. Getzmann anwesend gewesen seien. Von anderen eventuellen Mithörern seien ihm keine Personalien bekannt. Hinweise oder Aufforderungen, das Gelände zu verlassen, hätte es von Seiten der Polizei nicht gegeben. Die folgenden Festnahmen seien dann „…problemlos gelaufen, die Leute freiwillig mitgegangen…“. In den Gefangenentransporten hätte man dann mit den Personalienfeststellungen begonnen, welche im Polizeirevier überprüft wurden. Auf die Frage hin, wie lange er sich vor Ort aufgehalten habe, antwortete Zeuge Treumann: „…ca. 18:00 – 23:00 Uhr…“, in dieser Zeit habe er auch die Einsatzabschnittsleitung gehabt. Weiterhin gab er an, gehört zu haben, dass die sogenannten Besetzer auf dem Gelände Harkortstraße 123 + 125 angeblich Bauzäune entfernt hätten und auf’s Gelände gefahren seien, er könne dies aber nicht bestätigen, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor Ort gewesen sei. Weiterhin könne er auch nicht bestätigen, dass das Gelände vollständig gekennzeichnet und umfriedet sei und er sei auch nicht sicher, dass das so ist.
Zeuge Treumann wird vereidigt, kann sich noch aussuchen ob „mit oder ohne Gott“ (Richter Herrmann) und schwört ohne Gott (demzufolge wohl auf die Verfassung).
Als nächstes folgt Zeuge Kerber.
Dieser kam zweifelsfrei aus Bayern, was nicht herabmindernd gemeint sein soll, aber das Zuhören und Mitschreiben doch erheblich erschwerte. Er gibt zunächst an, zusammen mit dem Praktikant Krause als Zweier-Team aufgetreten zu sein. Hr. Krause wird als Zeuge beantragt, angerufen und zum Gericht zitiert. Zeuge Kerber, ebenfalls Polizist, gibt an, zusammen mit Hr. Krause Personen von der Bereitschaftspolizei übernommen und abgeführt zu haben. Es habe keine Probleme gegeben und war friedlich. Allerdings sei die Personalienfeststellung sehr durcheinander gewesen, die Dunkelheit sei inzwischen hereingebrochen, es hätte kein Licht gegeben, mal sei er allein, mal wären auch mehrere Personen anwesend gewesen. Er könne sich erinnern, so ca. 4-5 Personen entgegengenommen zu haben. Er könne sich auch nicht direkt an Herrn S. erinnern, nur „…so dunkel/grob, helle Haare, dunkle Kleidung…“. Auf Anfragen des Richters gab er zu, dass es sich bei dieser Beschreibung aber auch z.B. um einige Personen aus dem Zuschauerraum oder andere handeln könne. Auch könne er keine Angaben zur Verhaftungssituation oder zum genauen Standort machen, wo die Festnahmen erfolgten („…irgendso’n Parkplatz, Bahngelände, Eingang…). Außerdem machte Zeuge Kerber noch die Angabe, dass die Polizei die Abgrenzung zum Gelände („…Bauzaun mit Stacheldraht…“) durchtrennt habe, nicht die „Besetzer“.
Als nächstes kamen die Kurzberichte zur Sprache, vorgedruckte Zettel, die bei Ingewahrsamnahme/Festnahme ausgefüllt werden müssen. Der Herrn S. betreffende Kurzbericht wies dann aber doch ein paar gravierende Lücken auf. So war z.B. bei „beschlagnahmte persönliche Gegenstände“ eine Polizeieinheit aufgeführt (ist doch mal `ne ganz neue Variante, einem Festgenommenen wird bei seiner Festnahme als sein persönliches Eigentum die Polizeieinheit der Festnehmenden abgenommen und beschlagnahmt. Prost, weitermachen!). Zudem war der Wisch mit der Unterschrift des Zeugen Kerber versehen, welcher aber angab, den Zettel nicht unterschrieben zu haben, sondern sein Gehilfe Hr. Krause. Es folgte eine Schriftprobe, welche dies unterstrich. Auf die Frage, wie denn so was zustande käme, antwortete Zeuge Kerber, sein Praktikant (Hr. Krause) habe die „…geistige Ermächtigung…“ gehabt, die Kurzberichte mit „Kerber“ zu unterschreiben, das nannte er dann Arbeitsteilung, er hätte die Durchsuchungen durchgeführt, Zeuge Krause die Personalien aufgenommen. Auf die Bemerkung der Verteidigung, der Kurzbericht sei schlichtweg falsch ausgefüllt und durch die auch noch falsche Unterschrift komplett unglaubwürdig und nicht zu gebrauchen, rechtfertigte sich der Zeuge nochmals mit der Bemerkung, während der Festnahmen hätte totales Chaos geherrscht. Es sei auch „…nicht genügend Manpower vorhanden gewesen…“, dann aber habe man ja ihn, Zeugen Kerber geholt.
Die Fotos der Festgenommenen seien übrigens erst im Polizeirevier gemacht worden.
Zeuge Kerber wird nicht vereidigt.
Zeuge Krause ist noch nicht da, also: PAUSE.
Zeuge Krause kommt, weiter geht’s.
Richter Herrmann versucht allerdings erstmal einige Zeit, telefonischen Kontakt zu einem gewissen Herrn Wagner aufzunehmen, welcher in Vertretung der DB, bzw. der das betreffende DB-Grundstück verwaltenden Immobilienfirma den Strafbefehl gegen die „Besetzer“ unterzeichnete. Als Frage im Hintergrund steht dabei, ob Hr. Wagner überhaupt in der Funktion und damit berechtigt gewesen sei, den Strafbefehl zu stellen. Über einige Sekretäre/Innen, u.a. mittlerweile schon in der Hauptgeschäftsstelle in Berlin, erfuhr Hr. Herrmann dann, dass weder Hr. Wagner noch einer seiner direkten Vorgesetzten zu sprechen sei. Er gab dann durch, man möge ihn (Herrmann) doch bitte zurückrufen, sobald ein Auskunftsberechtigter vorhanden sei und nannte nochmals seinen Namen, in Verbindung mit dem ungeschlagenen Spruch des Tages, ach, was sag ich, des ganzen Prozesses: „Herrmann – ganzer Herr, ganzer Mann“ (Kommentar: Kotz!). Daraufhin gab es „ein wenig Unruhe“ im Publikum, was natürlich von Seiten des Richters sofort wieder mit der selbsternannten „gelben Karte“ und der Androhung einer Ordnungsstrafe sowie des Räumenlassens des Gerichtssaals beantwortet wurde.
Es folgte die Anhörung des Zeugen Krause.
Dieser wirkte sehr unsicher, er musste zwischendurch auch erstmal mit seiner Dienststelle telefonieren, was er sagen dürfe und was nicht.
Wieder PAUSE. Nach dieser Pause ärgert sich Herr Richter Herrmann erstmal über etwas Erde, die sich wohl spontan und aus eigenem Antrieb von den Stiefeln einiger Zuschauer gelöst hatte.
Hr. Krause gab dann an, Hr. Kerber habe die Festgenommenen durchsucht und er selbst (Hr. Krause) beschäftigte sich mit den Personalienfeststellungen. Hr. Krause gab auch an, von Hr. Kerber dazu ermächtigt worden zu sein, den Kurzbericht mit falschem Namen zu unterschreiben.
Es folgte dann noch etwas Unklarheit über das Geburtsdatum des Angeklagten (es gab inzwischen drei verschiedene in seiner Akte, in der Spanne von 1956 – 1973, und das obwohl die Angaben angeblich vom Personalausweis des Angeklagten übernommen worden seien!).
Die Anhörung von Zeuge Krause ergab aber nichts Neues, auch er konnte sich nicht an Hr. S. erinnern und hätte sowieso keine genauen Erinnerungen an das Gelände und die Verhaftungssituationen. Viel Zeit sei jedoch mit dem Warten auf Einsatzbefehle vergangen, worauf Richter Herrmann mit „das halbe Leben wartet der Soldat“ einen neuen Knaller landete.
Zeuge Krause wird nicht vereidigt.
Mittlerweile war die Zeit deutlich fortgeschritten, es ging auf ca. 16:30 Uhr zu, Richter und Staatsanwaltschaft sichtlich genervt und auf den Zuschauerbänken machte sich so langsam die Anarchie breit (Essen & Trinken, Solidaritäts-Schoki und -Kaugummi gingen durch die Reihen…).
Richter Herrmann gab Montag den 17.05.04 als nächsten Prozesstermin an, worauf die Verteidigung angab, sich dann im Urlaub zu befinden. Das schreckte den ehrenwerten Herrn Richter nicht, noch einen drauf zu setzen, indem er angab, den Prozess dann ggf. auch ohne Verteidigung fortzuführen, mit der Bemerkung, dass er am 01.06.04 zum Landgericht wechsele, diesen Prozess aber auf alle Fälle zuende führen will und wird. Außerdem drohte er zum wiederholten Mal mit „…sowieso einer Verurteilung…“.
Es folgte eine Pause in der sich Verteidigung und Angeklagter zur Beratung zurückzogen.
Nach der Pause.
Die Verteidigung gab zu Protokoll, dass Hr. S. Richter Herrmann wegen Befangenheit ablehne. Befangenheitsantrag wurde ordnungsgemäß gestellt. Die Staatsanwaltschaft sprach sich dagegen aus. Logisch. Und Hr. Richter lehnte ab. Auch logisch. Es folgte ein Einspruch der Verteidigung.
PAUSE.
Inzwischen musste ein anderer Richter entscheiden, ob dem Befangenheitsantrag stattgegeben werden sollte oder nicht.
Der Antrag wurde abgelehnt.
Herrmann droht zum wiederholten Mal, diesmal mit höherer Strafe, und „…Herr S. wird schon sehen, was er davon hat, er hat das Angebot, das Verfahren gegen „geringe“ Geldbuße einzustellen, ja abgelehnt. Er wollte ja den Prozess…“. Richter Herrmann gab weiter an, dass, wenn die Verteidigung bereit wäre, jetzt schon, evtl. vorgefertigte, Anträge zu stellen, und nicht erst am nächsten Prozesstag, sei er bereit, erst in der Woche ab dem 24.05.04 weiterzuverhandeln. Dieses würde dann als ein Entgegenkommen der Verteidigung gewertet, er als Richter könne dies ja nicht einfordern. Die Verteidigung kam entgegen und reichte einen Antrag auf Platzbesichtigung ein, um festzustellen, ob das Gelände befriedet sei oder nicht. Eigentlich hätte man jetzt davon ausgehen können, der nächste Prozesstag würde frühesten ab dem 24.05.04 stattfinden, immerhin war ja ein grosses Entgegenkommen von Seiten der Verteidigung zu erkennen, ebenso die Bereitschaft, das Verfahren nicht bewusst in die Länge zu ziehen, um die Landgerichtskarriere von Richter Herrmann nicht zu gefährden, aber Pfeifenwichs, Richter Herrmann setzte sofort nach der Antrageinreichung den 17.05.04 als nächsten Prozesstermin an!
Es folgte ein erneuter Antrag auf Ablehnung des Richters wegen Befangenheit durch die Verteidigung. Dieser wird später zurückgezogen, hatte aber seine Wirkung nicht verfehlt, denn Herrmann war plötzlich doch bereit, über einen Ersatztermin zum 17.05.04 zu verhandeln.
Man einigte sich auf den 24.05. um 09:30 im Saal 201 (und auch MIT Verteidigung).

3. Prozesstag, Mo. 24.05.04, Amtsgericht Altona, Saal 201, Vorsitz: Richter Herrmann

Polizeikontrollen, alles auspacken usw. usf., langweilig, man kannte das ja mittlerweile.
Die erste Verwarnung durch Richter Herrmann (Ruhe im Saal beim Einlass) kam dann auch noch, bevor er die Verhandlung überhaupt eröffnete. Die Staatsanwaltschaft fiel durch einen neuen Vertreter (viel dicker, aber nicht besser) auf.
Nach der Eröffnung folgte dann die von der Verteidigung beantragte Anhörung des Zeugen Muchau, auch Polizist. Dieser ratterte erstmal alle seine persönlichen Daten runter (war wohl auch nicht sein erster Prozess als Zeuge?!), außerdem gab er auch zu Protokoll, dass er weder verwandt noch verschwägert mit dem Angeklagten sei, noch mit ihm in Beziehung leben würde. Na so was!
Zur Sache gab Zeuge Muchau an, dass die Personen auf dem Gelände damals in „…ungeordneter Formation standen…“, „…Bauzäune um- und aufgestellt und sich damit befestigt…“ hätten. Es hätten den „…Versuch einer Kontaktaufnahme…“ gegeben, bei welchem die Personen auf dem Gelände angaben, man wolle „…das Gelände für sich in Anspruch nehmen und sich dort dauerhaft niederlassen…“. Außerdem waren dem Zeugen Muchau einige Bauwagen aufgefallen, über deren genaue Anzahl er allerdings nichts sagen könnte. Er könne dann zum weiteren Verlauf sowieso recht wenig sagen, da er ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch außerhalb des Geländes war und dort den Verkehr geregelt hätte, „…da sich auch außerhalb des Geländes eine beträchtliche Anzahl Personen gesammelt hätte…“. Es hätte aber nicht direkt einen Kessel gegeben sondern die sich auf dem Platz befindlichen Personen wurden an „…neuralgischen Stellen wie Zugängen…“ (die es ja angeblich nicht gab!) locker umstellt. Das Gelände sei ihm auch gut bekannt, es gäbe einige offene Zugänge und sogar eine Straße, welche problemlos auf das Gelände führen würde. Er bemerkte noch, dass, wenn Leute während der „lockeren Umstellung“ auf’s Gelände oder davon heruntergekommen wären, die Polizei schlecht gearbeitet hätte! Richter Herrmann kam danach mit seiner Bemerkung, dass man sich ja wohl sowieso zu entfernen hätte, wenn so viel Polizei auflaufen würde (Aha, wusste ich noch gar nicht! Rechtsstaat?! Dein Freund und Helfer – die Polizei?!... Alles Quatsch? Ich soll also wechrennen, wenn ich Polizei sehe?! Hmm!). Es sei dann eine Räumungsverfügung erteilt worden, die er aber nicht selbst gehört habe, er sei zwar bei den Gesprächen mit den Personen auf dem Platz dabei gewesen (namentlich wird Hr. Getzmann erwähnt), bei der Räumungsverfügung aber nicht mehr und er könne sich auch nicht mehr genau erinnern. Was er noch wusste, war, dass es keine bedrohliche Situation gegeben hätte, sondern, dass friedliche Stimmung geherrscht habe.
Es folgte das Betrachten neuer Fotos vom 18.05.04, welche sich als Luftbilder vom Gelände entpuppten und als neue Beweismittel von Herrmann hervorgezaubert wurden (dass es Luftbilder sein mussten, geht übrigens auf Herrmanns Kappe. Für die Kosten hätten andere einen Fotografen losgeschickt, welcher zwei Wochen lang jeden Winkel auf´m Gelände hätte fotografieren können!).
Das Publikum erhielt zu diesem Zeitpunkt die was weiß ich wievielte Ermahnung, sich ruhig zu verhalten. Als ein Mensch im Publikum husten musste, platzte Herrmann mit dem extrem diskriminierenden Spruch heraus, wenn hier noch einer hustet oder meint, sich räuspern zu müssen, ließe er den Saal räumen.
Es folgte dann nur noch die Bemerkung, dass, laut eines Anrufes aus Berlin, Hr. Wagner durchaus berechtigt gewesen sei, den Strafantrag zu stellen. Dies sei durch einen gewissen Hr. Schreier mitgeteilt worden.
Herrmann schließt die Beweisaufnahme.
Plädoyer der Staatsanwaltschaft:
Es stünde „…fest, dass Hr. S. sich auf dem Gelände aufgehalten…“ habe, er habe „…eine Aufforderung erhalten, den Platz zu verlassen…“. Da er dieser Aufforderung nicht nachkam, „…musste er entfernt werden…“. Es handele sich auch definitiv um ein befriedetes Gelände, „…Hr. S. und seine Begleiter…“ seien „…eingedrungen…“, außerdem sei „…für jedermann erkennbar, dass es ein Privatgelände wäre…“. Der Tatbestand des Hausfriedensbruches sei damit erfüllt. Es ginge der Staatsanwaltschaft auch „…nicht um die Lebensform Bauwagen oder andere alternative Wohnformen, nur um den Gesetzesverstoß…“. Es wäre auch ein „…Gesetzesverstoß im unteren Bereich…“, welcher von der Verteidigung „…zu einem politischen Verfahren hochstilisiert…“ werden solle. Hr. S. sei bisher ungestraft, habe allerdings das Angebot der Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße abgelehnt, deshalb müsse die Strafe deutlich höher ausfallen. Die Forderung der Staatsanwaltschaft nach Schätzung des Einkommens auf 1200 Euro monatlich liegt bei 40 Tagessätzen á 40 Euro, also 1600 Euro. Das Angebot der Ratenzahlung stünde aber.
Es folgt das Plädoyer der Verteidigung.
Es handele sich absolut nicht um ein befriedetes Gelände, sondern vielmehr um ein Brachgelände mit einigen regulären Zugängen, damit sei es nicht vollständig umfriedet und somit auch nicht befriedet. Außerdem könne von Hausfriedensspruch nicht gesprochen werden, da ein geeignetes Objekt (Haus, etc…) nicht vorhanden sei. Es folgte der Nachweis, dass es sich durchaus um einen rein politischen Prozess mit völlig überzogenen Repressalien handele. Außerdem gab es nichts nachzuweisen, und festgestellt wurde nur, dass der Kurzbericht schlichtweg falsch war, dass die Polizei Herrn S. nicht gesehen hat und dass alles unübersichtlich und chaotisch ablief. Es konnte also nicht nachgewiesen werden, dass Hr. S. damals auf dem Gelände war, da dies keiner der Zeugen bestätigen konnte und aus der Akte nicht zu ersehen ist. Außerdem konnte nicht ausgeschlossen werden, dass auch Umstehende mit verhaftet wurden. Die Verteidigung forderte Freispruch. Hr. S. schloss sich den Ausführungen seiner Verteidigung an.
Spontane Beifallsbekundungen aus dem Publikum folgten, was Herrn Richter Herrmann sofort losschnauben ließ, dass er sich „…drei Gesichter auf einmal merken…“ könne (Glückwunsch von uns!). Es folgte (mal wieder) die Androhung von Ordnungsstrafen.
Daraufhin fordert Herr Richter alle im Saal Anwesenden auf, sich zur Urteilsverkündung zu erheben. Der Aufforderung folgten aber nicht alle der Zuhörer. Nach nochmaliger Aufforderung erhoben sich auch die letzten, doch noch bevor Herrmann grinsen konnte, verließen mindestens die Hälfte der Zuhörer aus Protest den Gerichtssaal.
Es folgte das Urteil.
30 Tagessätze á 30 Euro, also 900 Euro, + die Kosten des Verfahrens.
Als Begründung gab’s dann, dass das Gelände sehr wohl als umfriedet gilt und dass Herr Richter Herrmann davon überzeugt sei, dass Hr. S. sich auf dem Platz befunden hätte. Auch der Kurzbericht sei nicht als falsch einzustufen. Das vorherige Angebot von 20 Tagessätzen á 10 Euro gegen Einstellung des Verfahrens, was der Angeklagte ja ausgeschlagen hätte, würde nun natürlich nicht mehr gelten können. Die Strafe müsse höher ausfallen, außerdem kämen jetzt noch die vier Bauwagen dazu, die auch Herrn S. zur Last gelegt wurden.
Er sprach dann noch die von ihm „…nicht geliebte Hamburger Presse…“ an und es wurde deutlich, dass ihn Öffentlichkeit und Presse von Anfang an extrem genervt haben und dass er für all diese „Schikanen“ jetzt die Rechnung gefertigt habe.
Es folgte dann noch das ganze Rechtsmittel-BlaBla und um 10:45 Uhr schloss Richter Herrmann die Verhandlung. Wahrscheinlich war dies sein letzter Prozess vor dem Amtsgericht und er wollte es einfach noch mal wissen.
W.z.b.w.


R.H.I.A.B.


Ich möchte noch anmerken, dass ich nicht beanspruche, den Prozess in allen Einzelheiten wiederzugeben, ebenso wenig lege ich meine Hand für die Richtigkeit aller Angaben, insbesondere für die Schreibweise der Namen aller beteiligten Personen, ins Feuer. Ich war während der drei Prozesstage anwesend, habe versucht, Protokoll zu schreiben und will dies nun hiermit wiedergeben.


Für alle Interessierten hier noch die Prozeßerklärung des Angeklagten:

Am 27. September 2003 fanden sich einige hundert WagenbewohnerInnen und SympatisantInnen auf einem Grundstück an der Harkortstraße in Altona ein, um auf die

anhaltend prekäre Situation von Wagenplätzen in Hamburg aufmerksam zu machen. Zugleich wollten sie ein Zeichen gegen die Einsparungs- und Ordnungspolitik des damaligen Senats setzen.



Die symbolische Besetzung zeichnete sich durch eine friedliche, harmonische Stimmung aus. Diese wurde ohne Vorankündigung massiv-aggressiv von der Polizei gesprengt.



Die Aktion endete mit einer Festnahme von 84 Menschen, die bis Weit in die Nacht festgehalten wurden. Tlw. unter unmenschlichen Verhältnissen wie beispielsweise in Einzelhaft, ohne Trinken zu bekommen und sich bei Eigentumsdurchsuchung sogar ganz ausziehen mussten. Mindestens 27 Personen wurden zudem erkennungs-dienstlich behandelt.



Mittlerweile erhielten die meisten der Festgenommenen einen Strafbefehl mit dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs. Beim gleichen Tatvorwurf variieren sowohl die festgelegten Tagessätze zwischen 20 und 40 Tagen, als auch die daraus folgenden

Geldstrafen zwischen 200 und 1000 Euro. Auf Widersprüche gegen diese Strafbefehle folgten bereits eine Woche später, die ersten Prozessvorladungen.



Wie schon Monate zuvor, als ein Platz in der Harkortstrasse zur Debatte stand, habe ich als Anwohner der Harkortstrasse nach dem 27.09.2003 nur positives über einen möglichen Bauwagenplatz in der Harkortstrasse von den Anwohnern der Harkortstrasse und umliegender Strassen vernommen.

Auch hätte man sich darüber gefreut, wenn "Bambule" hier ein neues zu Hause gefunden hätte.



Dabei stellt sich noch mal mehr die Frage nach der Legitimität des Vorgehens durch die Polizei und der Justiz, also der Räumung und Strafverfolgung in diesem Fall sowie die Beseitigung von Bauwagenplätzen allgemein.

Politisch lässt sich daraus folgern dass hierbei eher die zugeteilten Strafbefehle als Versuch zu sehen sind, Leute einzuschüchtern und mundtot zu machen und somit in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.



Das Betroffenenbündnis fordert die Einstellung aller Verfahren der am 27.09.2003 festgenommenen Personen.

Weiter hoffe ich dass der Hamburger Senat endlich den Wunsch auf selbstgewählte Lebens- und Wohnformen von Menschen respektiert und endlich eine dauerhafte rechtliche Grundlage hierfür schafft.
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Ergänzungen

nebentätigkeit des HERRmann

insider 03.06.2004 - 22:46
wenn der aburteilende richter mit vornamen bertold heißt, ist er nebenbei an der uni als richterdozent für strafrecht tätig. hier ist er als schema-durchklopper bekannt, dem jegliches tiefergehende wissenschaftliche verständnis fehlt. falls es sich also um die gleiche person handelt, überrascht das urteil nicht.
es gibt jedoch die möglichkeit, ihm vor, während oder nach seiner vorlesung bzw. über die unter
 http://www.jura.uni-hamburg.de/personen/herrmann/
angegebene email adresse wissen zu lassen, was man von seinem verhalten hält. vorher sollte allerdings unbedingt geprüft werden, ob der hier beteiligte tatsächlich der berthold ist.

Berthold heißter, ist KEIN Bademeister!

Mensch 03.06.2004 - 23:35
Jawoll, Volltreffer, er heißt tatsächlich Berthold Herrmann!!!! Und wo er sich noch engagiert, könnt ihr unter folgendem Link entdecken. Ich jedenfalls war Baff!
 http://www.step21.de/home2002/download/paeda/mitarbeit_richterverein.pdf
So, jetzt wißt Ihr's, macht was draus oder laßt es bleiben!

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Aus dem Herzen! — Chris

Hexenverfolgung — truth

Fakten bitte — !"