In Spanien verboten, in Frankreich legal

Ralf Streck 29.05.2004 11:36 Themen: Repression Weltweit
Erneut verbietet Spanien eine baskische Wahlplattform. Doch Herritarren Zerrenda (HZ/Liste der Bevölkerung) tritt im französischen Baskenland legal zu den Europaparlamentswahlen am 13. Juni antreten. amnesty international greift im Jahresbericht 2004 Spanien wegen dem Verbot von Parteien, Zeitungen und der Folter an. Dazu ein Artikel und zum gesamten Komplex ein Interview mit dem scheidenden EP-Parlamentarier von Batasuna.
Gerade als der Wahlauftakt von HZ am Donnerstag im französisch-baskischen Hendaye beendet wurde, kam von der anderen Seite des Flusses Bidasoa die Nachricht von ihrem Verbot. Gegen 20 Uhr bestätigte das spanische Verfassungsgericht das Verbot durch die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof, eingeleitet von der neuen sozialistischen Regierung. Die Richter kamen zu dem Urteil, HZ sei eine Fortführung von der Partei Batasuna (Einheit), die im März 2003 verboten wurde.

Auf mehr als 50 Seiten begründen die Richter so dünn wie die der Sonderkammer zuvor. Die hatte geurteilt, HZ werde von der ?Terrorbande ETA und Führern verbotener Parteien angeführt?. Doch beide Gerichte ?beweisen? dies nur damit, dass Batasuna-Mitglieder zur Wahl von HZ geworben haben. Auf der Liste befand sich niemand, der für verbotene Parteien kandidierte.

Wegen der von HZ angekündigten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwarfen die höchsten Richter die Bewertung des Generalstaatsanwalts. Der hatte im Verbotsantrag erklärt, alle gehörten zur ETA, die sich an ?die linken Patrioten wenden?, weil sich die linke Unabhängigkeitsbewegung mit ?der ETA identifiziert?. Das Verfassungsgericht beklagte im Urteil das Fehlen einer ?eindeutigen Distanzierung, Ablehnung und Verurteilung der kriminellen Organisation und ihren politischen Instrumenten?. Das hätte HZ als Vorleistung bringen müssen, weil es seit der Gründung keine Anschläge gab.

Damit ist die linke Unabhängigkeitsbewegung aus dem Europaparlament raus. Es ist unmöglich mit den 200.000 Wählern im Norden des Baskenlandes einen Sitz zu erreichen. Mit dem Verbot wiederholt sich aber die absurde Situation, dass in Europa für das Europaparlament eine neue Grenze gezogen wurde. Diese Situation kennt der Europaparlamentarier Koldo Gorostiaga (Batasuna) genau. Obwohl seine Partei sogar auf der EU-Liste terroristischer Organisationen steht, hat er Büros in Frankreich und Belgien und sitzt noch im Strassburger Parlament. Für Gorostiaga wird das Verbot die ETA im ?bewaffneten Kampf bestätigen?. Batasuna werde dagegen weiter für eine politische Lösung per Dialog eintreten.

Die HZ-Listenführerin Marije Fullaondo sagte, man werde im spanischen Staat ?die Wahl für HZ in Stimmen der Rebellion? verwandeln und rief zu Demonstrationen heute (Sa.) in Bilbao und Baiona auf. Mit der Wahlteilnahme trotz Verbot hat die linke Unabhängigkeitsbewegung Erfahrung. Obwohl im letzten Jahr fast 250 kommunale Listen in Spanien illegal waren, wurden sie von fast 200.000 Menschen gewählt. Die Verbote kritisiert auch amnesty international (AI) im neuen Jahresbericht neben der Folter und den Zeitungsverboten. Auch gegen die Folter werde nichts getan, kritisiert AI. Die Vorschläge des UNO-Sonderberichterstatters der Menschenrechtskommission oder des Komitees zur Folterprävention des Europarats (CPT) würden nicht umgesetzt.

Interview:

Wir sprachen mit dem Europaabgeordneten Koldo Gorostiaga. 1999 kandidierte das Mitglied der Partei Batasuna (Einheit) auf der Liste der Wahlplattform Euskal Herritarrok (EH/Baskische Bürger). Batasuna und EH wurden im März 2003 verboten und obwohl beide auf die EU-Liste terroristischer Organisationen gesetzt wurden, hatte das keine Auswirkungen auf seine Arbeit.

Was bedeutet es, dass nun dort erneut die linke Wahlplattform Herritarren Zerrenda (Liste der Bevölkerung) illegalisiert wurde?

Das HZ im spanischen Königreich verboten wurde und in Frankreich antreten kann, wo auch Batasuna und EH weiter legal sind, zeigt schon das Paradoxon auf. Wir Basken, gemäß den Anthropologen das älteste Volk mit der ältesten Sprache Europas, sind weiter durch eine Grenze getrennt und wir werden als Spanier und Franzosen betrachtet. Wir würden gerne in der neuen EU als Basken über den gewalttätigen Konflikt sprechen, den wir erleiden. Und wir hoffen, dass wir trotz der Repression dies in Zukunft tun können.

HZ hat versucht für die linke Unabhängigkeitsbewegung zu den Wahlen anzutreten, ist es ein Ableger von Batasuna, wie behauptet wird?

Nein.

Was bedeutet das neue Verbot?

Wir werden unsere Strategie nicht aufgeben, einen politischen Weg weiter zu gehen. Wir sind überzeugt: Es kann nur eine politische Lösung für einen politischen Konflikt per Dialog geben. Den Weg zu verlassen, macht keinen Sinn, weil wir zu keiner Lösung kämen. Die Entscheidung des Gerichts, eine Liste der Bevölkerung zu verbieten, ist aber die effizienteste Werbung für den bewaffneten Kampf im Baskenland. Wir werben nicht dafür, obwohl uns das immer vorgeworfen wird. Politische Wege mit Verboten zu verriegeln, wird die ETA nur bestätigen.

Wie sind die Argumente? Im letzten Jahr wurden fast 250 Listen bei den Kommunalwahlen verboten, wenn sich nur eine Person jeweils darauf befand der schon einmal für Batasuna oder EH kandidiert hat.

Das war nur die Ausrede. Heute wird argumentiert, Kandidaten von Batasuna hätten öffentlich für die Liste geworben, denn niemand von uns kandidiert darauf. Gesagt wird, dass einer der Kandidaten, Mitglied einer Internationalismusorganisation, mal mit mir und einer Batasuna-Parlamentarierin an einer Podiumsdiskussion teilgenommen hat. Das ist seine ganze Schuld. Letztlich werden politische Ideen verboten und keine Organisationen. Das ist wie in den ?guten alten Tagen? der Franco-Diktatur und müsste zum Ausschluss des Königreichs aus der EU führen, weil die Europäische Konvention und die Menschenrechtskonvention verletzt wurde. Auch das Parteiengesetz wurde ja rückwirkend, gegen alle demokratischen Regeln, gegen EH oder Herri Batasuna angewendet. Sogar für die Zukunft werden alle Linken, welche die Unabhängigkeit fordern, verboten. Doch die mehr als 300.000 Menschen, die mich gewählt haben, sind nicht verschwunden.

Ist mit einer Änderung der Strategie durch die neue sozialistische Regierung in Spanien möglich, die hatte ja nach dem Wahlsieg im März ein anderes Vorgehen versprochen?

Das können wir nur hoffen. Ich weiß es nicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Sozialisten acht Jahren die Strategie der Konservativen mitgetragen haben, die baskische Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen. Mit dem Anti-Terror Pakt hatten sie den Konservativen sogar ein neues Mittel vorgeschlagen. Dort wurde jetzt das Verbot von HZ beschlossen und ganz nach dem Schema wie im Fall von Batasuna durchgeführt.

Kann HZ über das französische Baskenland ins Europaparlament einziehen?

Unmöglich. Mit den 200.000 Wählern hier im baskischen Norden kann man keinen Parlamentarier erzielen.

© Ralf Streck, Baiona den 28.05.2004
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Ergänzungen

Wieso immer Batasuna/ETA-Gefangene/HZ?

Barney Gumble 02.06.2004 - 02:14
Wieso berichet Ralf Streck stets über nationalistische Kräfte im Baskenland, und nie über andere Opfer dieses Konfliktes?
Soll ihnen alleine unsere Solidarität gelten?

Was ist mit den hunderten Leuten im Baskenland, die unter Polizeischutz stehen, weil sie bedroht werden?

Was ist mit den Journalisten, Intellektuellen und Politikern, die mit dem Tod bedroht oder gar getötet wurden, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung gebraucht haben?

Was ist mit den Menschen, die sich nicht trauen, etwas zu sagen, weil sie Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben haben müssen, wenn sie es tun?

Was ist mit denen, die in diesem Konflikt Angehörige verloren haben?

Was ist mit denen, die es vorgezogen haben, das Baskenland zu verlassen, weil sie das gewalttätige Klima dort nicht mehr aushalten wollten?

Ist es nur der spanische Staat, der zensiert, indem er Zeitungen schließt?
Oder nicht auch die ETA und andere gewalttätige Gruppen, die Zeitungen und Schreibende angreifen, wenn sie nicht IHRE Meinung vertreten?

Lieber Ralf Streck, mir erscheinen Deine Darstellungen immer etwas eintönig, bitte schreibe einmal über andere Aspekte dieses Konfliktes.

Andere Seite

... 02.06.2004 - 02:42
Der Konflikt im Baskenland ist nicht schwarzweiss. Wer alles auf der linken Seite in die ETA-Ecke schieben will, muss sich nicht wundern, wenn alles andere in die Naziecke geschoben wird. Batsuna ist nicht dasselbe wie ETA, die Unabhängikeitsbewegung ist nicht gleich ETA. Dieses Konstrukt (nämlich, daß alles ETA ist) stammt von den Postfaschisten (Partei Aznars, die die Nachfolge Francos antritt).
Streck schreibt nicht Pro-ETA. Die ETA wird von vielen Basken zurecht kritisiert, weil die Aktionen der ETA meist kontraproduktiv und menschenverachtend sind. Bitte nicht leichtfertig Franco-Argumente in dieser Debatte übernehmen!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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FUCK — ich

Nur über ETA — Barney Gumble