Neues Gesetz: Gefängnis für Urheberrechtsverletzungen

Sebastian Krekow 27.05.2004 17:31 Themen: Globalisierung Medien Netactivism Repression
In Italien wurde diese Woche eines der härtesten europäischen Gesetze gegen die sogenannte "Piraterie" verabschiedet. Kleinste Urheberrechtsvergehen, wie zum Beispiel unerlaubtes Kopieren von MP3's, sollen nicht nur empfindliche Geldbußen, sondern auch Gefängnisstrafen nach sich ziehen. Dieses Gesetz ist Teil der Umsetzung europäischer Gesetzesrichtlinien, die undemokratisch in Hinterzimmern von Konzernvertretern und Bürokraten abgestimmt werden. Das EU-Parlament hat auf diese Richtlinien kaum Einfluss oder nickt sie einfach nur ab. Die einzelnen europäischen Staaten setzen diese Richtlinien ihrerseits lokal um. Das neue Gesetz in Italien bezieht sich auf die neue EU-Richtlinie "zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum", die auf Wunsch der Rechte-Industrie von J. Fourtou - Ehefrau des Vorsitzenden des französischen Medienkonzerns Vivendi - durch das EU-Parlament gebracht wurde. Parallel dazu wird an Richtlinien gearbeitet, die in Waren umgewandelteabstrakte Dinge wie Wissen, Ideen, Kunst, Algorithmen, Software, etc. patentierbar machen sollen, wenige Konzerne kommen so in den Besitz der Verwertungs"rechte" für das Wissen und kulturelle Erbe der Menschheit...

Mehr dazu erscheint regelmässig bei: stop1984.org | heise.de
  • Italien: Gefangen in Urbani's Netz
    Übersetzung des Feature bei www.indymedia.org: Trapped in Urbani*'s wire, italienisches original: Nella rete di urbani
    (*Giuliano Urbani ist Kulturminister der Berlsuconi-Regierung)

    Am 18.Mai stimmte der italienische Senat für das Urbani-Gesetz, welches "geistiges Eigentum" und Verfolgung von Piraterie regelt und darauf abziehlt, freien Informationsfluss zu bestrafen. Von nun an, soll jede "kreative Arbeit", die im Internet oder einem anderen elektronischen Netzwerk veröffentlicht wird, mit einer virtuellen Lizenz ("einem virtuellen Button) der Italienischen Vereinigung der Herausgeber und Autoren (SIAE) versehen werden. Diese soll die Einhaltung der Copyright-Gesetze bestätigen und über die Strafen bei Vergehen informieren.
    Diese Regelung trifft jede geistige Arbeit, "in Netz eingefügt" wird: Webseiten, getauschte Dateien, E-Mails, .... was ist mit Texten? Die Verletzung des Urbani-Gesetzes ist ein Verbrechen. Selbst das Downloaden einer einzigen MP3-Datei mit dem Ziel "Vorteil zu schöpfen" (das Gesetz ist absichtlich so schwammig und weitgefasst formuliert, im Vorgängergestz hiess es noch "Marktzwecke") wird nun mit einer Beschlagnahme aller Hardware und Medien, einem Busßgeld von 1500 Euro und 4 Jahren gefängnis bestraft. Zusätzlich hebt das neue Gesetz die Steuern für Hardwareunterstützung und Geräte wie CD- oder DVD-Brenner an, diese Gaunerei der SIAE. Die einzig gute Nachricht ist, daß Internet-Provider nicht - wie ursprünglich geplant - dazu gezwungen werden, persönliche Daten der user an die Behörden weiterzugeben.
    Die Zustimmung zum Gesetz traf auf keinen wirklichen Widerstand der linken Parteien. Nur der Verein für digitale Rechte (Grüne Partei, AsSoLi und die AsSoLiLinux User Group) organisierten am Tag der Gesetzesverabschiedung eine Demonstration vor dem Senat.
    Das Urbai-Gesetz basiert, wie viele andere Regeln dieser Art, auf einer unrealistischen Vision der Internet-Kommunikation und nicht einmal Urbani selbst wird in der Lage sein, diese "virtuellen Button" in seine E-Mail zu packen. Genau betrachtet ist es unmöglich, solche ein Gesetz effektiv durchzusetzen, da zu viele Informationen verarbeitet werden müssen. Daher wird das Urbani-Gesetz nur in der Verfolgung einer weniger unglücklichen Leute enden, in der Hoffnung, Urbanis kranken Geist zufolge, alle anderen einzuschüchtern.

    Ein Streik der ADSL-User fand am Dienstag, den 25.Mai vormittags statt.

    Mehr und Aktuelles in der Cyberights-Rubrik von Indymedia.italien



  • Zum Urbani-Gesetz erschien ein Artikel bei mp3-world: Gefängnis für italienische P2P-Nutzer?. Die Mainstram-Presse verschwieg das Thema lieber, schliesslich wird in Deutschland hinter verschlossenen Türen an ähnlichen Gesetzen gearbeitet... (Allerdings wurde über den Streik der italienischen Richter gegen die Zerstörung des Rechtsstaats durch Berlusconis Politik berichtet.)



    Weitere Links zum Thema:
  • EU-Rat nickt neue Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums ab
  • Softwarepatente, Berufsbehinderungen und Beethoven-Sonaten
  • Datenschützer übt massive Kritik an Copyright-Richtlinie der EU
  • Sind Privatkopierer nach EU-Recht bald Raubkopierer?
  • Copyright-Krieg in der EU
  • Europa macht den Weg frei für E-Slavery
  • CCC ruft zum Boykott der Musikindustrie auf
  • Indy-Feature: Brigitte Zypries und BMJ Schmierentheater

  • Proteste gegen Softwarepatente im Rahmen eines europäischen Aktionstages: in Berlin | in Wien
  • Feature zum Netzstreik gegen Softwarepatente
  • Vernetzung gegen Logikpatente
  • softwarepatente.com

    Auf dem Kongress Wizards of OS, der vom 10.6. bis 14.6. in Berlin stattfindet, wird es zum Teil ebenfalls um diese Themen gehen...
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Ergänzungen

Heute auch bei Heise

M. 28.05.2004 - 13:34
Heise veröffentlicht heute auch einen Artikel über die Sache.
Netzproteste gegen Italiens neues P2P-Gesetz
 http://www.heise.de/newsticker/meldung/47762

Mehr...

Mr.X 28.05.2004 - 13:51
Auch in den USA wird die Verfolgung von Urheberrechtsdelikten immer heftiger: Ab Januar 2004 ist es in kalifornischen Kinos unter Androhung von Gefängnisstrafe verboten, Filme mit beliebigen Geräten aufzunehmen:  http://www.heise.de/tp/deutsch/special/copy/16263/1.html

Ansonsten entwickelt sich Italien (als Vorreiter?) in eine immer bedrohlichere Richtung. Abgesehen davon, daß dieses neue Gestz auch die Meinungsfreiheit einschränken soll (man kann dank des Gesetzespaket auch kritische Webseiten verbieten und Leute willkührlich kriminalisieren, betroffen werden ausserdem auch alle freien Radios sein), wird bei Bruch des Gesetzes härter bestraft als beispielsweise bei Vergewaltigung (3 Jahre) oder Körperverletzung (1Jahr). Doch Italien hat nach Verlsuconis furiosem Amtsantritt (Chilenische Nächte in Genua) eine vielzahl neuer Gesetze. Einige sind direkt auf Berlusconi zugeschnitten, anderen schränken Pressefreiheit, Grundrechte ein. Vor einigen Wochen wurde vom Parlament die Folter legalisiert ( http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17410/1.html) und im Dezember wurde beschlossen, daß Haschischbesitz teilweise härter als Heronibesitz bestraft werden soll - ab 250 mg bis zu 20 Jahre Knast! ( http://www.nzz.ch/2003/11/15/vm/page-article98AUO.html)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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