Interview mit der [AFA13]

antifaschistin aus pirna 27.05.2004 10:09 Themen: Antifa
Interview mit der [AFA13] zur Situation in der Sächsischen Schweiz, dem Stand der Vorbereitungen zur Demo "Kein schöner Land" am 12.06.2004 und den Drohungen der Nazis gegen die Demo
Hallo, bevor wir mit dem Interview beginnen, wäre es nett, wenn Ihr Euch vorstellen würdet.

Also Ende der 90er Jahre gründete sich die Antifa Aufbruch Pirna. Die Aktivitäten beschränkten sich jedoch auf Plakatieren und Fahren zu Veranstaltungen und Aktionen. Irgendwann löste sich die Gruppe wieder auf, da es intern einige Auseinandersetzungen gab und Leute wegzogen. Dann machten einige von uns Antifa-Arbeit auf eigene Faust. Eben Recherche-Arbeit, den Nazis hinterherlaufen, rechte Aktivitäten dokumentieren usw. Das war aber auf Dauer zu wenig und so gründeten wir Ende 2000 eine neue Antifa-Gruppe. Dabei kam uns entgegen, dass Dresdner AntifaschistInnen im Dezember 2000 eine Demonstration in Pirna angemeldet hatten. Obwohl diese durch das Landratsamt verboten wurde, animierte es in Pirna einige Leute, sich wieder mit dem Thema Nazis und Gegenstrategien auseinanderzusetzen.

Wie sieht für Euch die alltägliche Bedrohung aus und inwiefern sind Eure Aktionsräume davon betroffen?

Die Situation ist von Ort zu Ort sehr verschieden, es gibt einige Städte und Gemeinden, die wir durchaus als No-Go-Area bezeichnen würden. Das hängt damit zusammen, dass die oftmals latent rassistischen Dorfgemeinschaften unter sich bleiben wollen. Da gibt es auch Orte, in denen bekannte Nazigruppen die Security bei Ortsfesten stellen und in denen selbst nicht Rechte damit rechnen müssen, Opfer des Naziterrors zu werden. Eben allein dafür, dass sie nicht ?rechts? sind. In anderen Orten, wie in der Kreisstadt Pirna, sind wir relativ ungestört. Nicht, dass es hier nicht auch zu den Angriffen von Nazis kommt, aber dort können wir gemeinsam antifaschistische Selbsthilfe leisten und uns vor rechten Angriffen schützen.

Wie schätzt Ihr das aktuelle Verbotsverfahren der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) ein?

Seit dem Verbot hat sich nicht allzu viel geändert. Wir betrachten die Diskussionen um das Verbot der SSS zudem mit sehr gemischten Gefühlen. Wir haben oft den Eindruck, als ließe sich das Verbot gut für den Standort vermarkten. Der Staat hat Interesse daran, die ?Störfaktoren? des Tourismus, dem wesentlichen Wirtschaftszweig der Sächsischen Schweiz, zu beseitigen. Initiativen wie das ?Netzwerk Sachsen e.V.? und staatliche Stellen können sich so durch das Verbot und den Prozessen gegen die SSS nach § 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) rühmen. Doch in Wirklichkeit wurde nichts Positives erreicht. Klar, zum einen wurden die Nazis verunsichert und es sind einige Namen und Taten der Gruppe in die Öffentlichkeit gelangt, aber das gab es alles vorher schon. Wenn wir berücksichtigen, dass es hier in der Region Verbote der ?Nationalen Offensive? (1993) und der ?Wiking Jugend e.V.? (1994) gab, diese aber die Strukturen nicht geschwächt, sondern gestärkt haben, sollte auch das Verbot der SSS kritisch betrachtet werden. Politische Strukturen lassen sich nicht einfach durch Verbote zerschlagen. Tatsächlich sind fast alle Verurteilten nach wie vor dem Verbot aktiv in die Naziszene eingebunden.

Was hat sich seit dem Antifa-Sommer 2000 für Euch und Eure Bündnispolitik geändert?

Festzustellen ist, dass für Gewerkschaften und Parteien die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen einfacher geworden ist, da es für ?antifaschistisches? Engagement keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. In Pirna gibt die ?Aktion Zivilcourage? ein peinliches Beispiel für staatsnahe Anti-Nazi-Politik ab. Eine Zusammenarbeit unsererseits mit einer solchen Initiative, die antifaschistische Praxis fingiert und eng mit dem hiesigen Staatsschutz zusammenarbeitet, ist ausgeschlossen. Die ?Aktion Zivilcourage Pirna? indessen bemüht sich um einen Alleinvertretungsanspruch für Jugendliche in der Sächsischen Schweiz. Unsere Bündnisse bestehen daher hauptsächlich zu anderen Antifagruppen in Sachsen, Ostsachsen und Thüringen.

Was bedeutet für Euch Antifa-Politik?

Antifa muss in der Sächsischen Schweiz in erster Linie ein Kampf gegen Nazis und deren politische Strukturen bedeuten. Die Jugend in der Sächsischen Schweiz wird noch immer von einer rechten Kultur dominiert, die Region ist nach wie vor Hochburg von Naziaktivitäten. Fast wöchentlich sind unsere Freunde, Bekannte und nicht rechte Jugendliche den Angriffen von Nazis ausgesetzt. Darum müssen wir uns kontinuierlich mit dem linken Teilbereichskampf Antifaschismus beschäftigen. Im Vordergrund unserer Arbeit stehen daher das Aufdecken von Strukturen und die Veröffentlichung von rechten Zusammenhängen. Trotz dieser Einschränkungen versuchen wir auch andere Politikfelder abzudecken. So führen wir interne Diskussionen und machen Seminare, bemühen uns um die Vermittlung eines antikapitalistischen Anspruchs und beteiligen uns auch an linksradikalen Aktionen anderer Gruppen. Zur Solidaritäts-Demonstration Ende letzten Jahres in Magdeburg waren wir allein aus Pirna um die 30 Leute. Darin sehen wir eine Perspektive für eine kontinuierliche Arbeit.

Was sind Eure Ziele in nächster Zeit und was soll sich in Zukunft ändern?

Wir versprechen uns viel von der Antifa-Demo am 12. Juni. Die Bedeutung der NPD bei den Kommunal- und Landtagswahlen am 13. Juni eignet sich bestens dafür, die gesellschaftlichen Ursachen von Neofaschismus näher zu beleuchten. Wir wollen den Menschen in der Sächsischen Schweiz so einen ?Spiegel vors Gesicht? halten und zu antifaschistischem Handeln auffordern. Wir versprechen uns darüber hinaus eine Stärkung linker Strukturen in Pirna und der Sächsischen Schweiz. Die Aktion sollte uns als Gelegenheit dienen, mit anderen Gruppen wieder verstärkt in Verbindung zu treten und in Sachsen endlich eine landesweite Vernetzung in Angriff zu nehmen.

Wie weit seid ihr bei Vorbereitungen eurer Demonstration und wie kann euch noch geholfen werden?

Wir kommen mit unseren Vorbereitungen sehr gut voran. Die Demonstration mit dem Thema "Kein schöner Land - linke Strukturen stärken" ist angemeldet und seitens der Stadt gibt es bis jetzt noch keine negative Rückmeldung bzw. Auflagen. Außerdem haben wir eine Broschüre erstellt, die sich mit der Situation in der Sächsischen Schweiz befasst. Plakate und Flyer sind ebenfalls fertig und können unter dem unten genannten Kontakt bei uns angefordert werden. Um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen, mobilisieren wir bundesweit und führen zu diesem Zweck Infoveranstaltungen durch.

Im Internet wird derzeit von Nazis zu Aktivitäten gegen eure Demonstration aufgerufen. Wie bewertet ihr das?

Solche Drohungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen. Das beweisen zahlreiche Vorfälle der letzten Jahre. So wurde beispielsweise 2000 die "Zeichen gegen Rechts"- Demonstration eines Bürgerbündnisses von 70 Nazis angegriffen. Dabei wurden mehrere Menschen zusammengeschlagen und eine Sanitäterin erlitt durch eine Flasche eine Kopfverletzung. Näheres zu diesem Thema findet sich in einem auf indymedia veröffentlichten Artikel ( http://de.indymedia.org/2004/05/84075.shtml). Und zahllose weitere Beispiele für Naziübergriffe können auf unserer Internetseite nachgelesen werden ( http://afa13.antifa.net). Es ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Nazis mit diesen Veröffentlichungen ein Verbot der Demonstration erreichen wollen. Wir halten es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass dies passiert. Sollte unsere Demo wider Erwarten jedoch nicht genehmigt werden, wären wir aber auf jeden Fall bereit, diese vor Gericht durchzusetzen. Sicher ist auch, dass die Nazis versuchen werden die Demonstration zu stören. Um ihnen größtmöglichen Widerstand entgegen setzen zu können, rufen wir alle Antifas dazu auf uns zu unterstützen und am 12.06.04 nach Pirna zu kommen.

Gibt es die Möglichkeit Euch zu kontaktieren bzw. Informationen von Euch zu beziehen?

Zu erreichen sind wir am Besten per E-Mail an  pirna@afa13.antifa.net. Unsere Postadresse lautet: AFA13, Postfach 100 241, 01782 Pirna. Im Internet sind wir zu erreichen unter  http://afa13.antifa.net. Darüber hinaus erscheint in unregelmäßigen Abständen das Heft ?Resistance?, welches sich der Recherche, Diskussion und innerlinken Auseinandersetzung widmet.
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Maul halten! — Anna und Arthur

interna? — -

keine Internas? — Antifa

Anna und Arthur schweigen heute nicht — Pirnaer Antifaschistin