Wenn Wissenschaft Amok läuft

Alex Regh 12.05.2004 18:38 Themen: Gender
David Reimer wurde 1965 in Winnipeg, Kanada als normaler, gesunder Junge, zusammen mit seinem Zwillingsbruder Brian geboren. Er ging als der berühmte ''John/Joan'' Fall in die Wissenschaftsgeschichte ein und sein Fall ist nicht nur eine persönliche Tragödie, sondern auch ein Beispiel dafür, was amoklaufende "Wissenschaft" anrichten kann.
In Folge einer mißglückten Beschneidung als Kleinkind, bei der sein Penis irreperabel beschädigt wurde, entschieden sich die Eltern auf Rat des berühmten Sexualwissenschaftlers John Money, das Kind als Mädchen aufzuziehen; die noch vorhanden Hoden wurden entfernt, und das Kind mit weiblichen Hormonen behandelt. Money war von diesem Falle besonders begeistert, da Davids eineiiger Zwillingsbruder Bruder Brian als Vergleich dienen konnte.

David Reimer, genannt Brenda, fühlte sich jedoch niemals als Mädchen, und war aufgrund dieser Zuweisung ein zutiefst unglückliches Kind. Als es in der Pubertät, die durch künstliche Hormone ausgelöst werden sollte, zu einer Krise kam, erfuhr er, daß er als Junge geboren worden war, und lebte sofort wieder als Junge. Später heiratete er eine Frau und adoptierte deren Kinder.

Money hingegen propagierte den Fall John/Joan noch jahrelang als durchschlagenden Erfolg seiner Theorie (daß nämlich das Identitätsgeschlecht eines Menschen erst mit etwa drei Jahren entwickelt sei, und vorher beliebig veränderbar sei), obwohl ihm bekannt war, daß das Experiment längst gescheitert war. Aufgrund seiner "Erkenntnisse" werden heute noch Intersexualität|intersexuelle Kinder, zum Beispiel solche mir einem sogenannten Mikropenis, verstümmelt, mit ähnlichen "Erfolgen". Die Theorien Moneys waren niemals unumstritten; insbesondere Milton Diamond hat viele davon wiederlegt.

Money hörte erst damit auf, als sich David Reimer entschloss, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, um anderen Kindern das gleiche Schicksal zu ersparen. Seine Lebensgeschichte schilderte er, zusammen mit dem Autor John Colapinto, in ''Der Junge, der als Mädchen aufwuchs''.

David Reimer beging am 4. Mai 2004, im Alter von 38 Jahren, Selbstmord.

Seine Mutter gab gegenüber der New York Times an, David habe wohl keinen Sinn mehr in seinem Leben gesehen, nachdem er und seine Frau sich getrennt hatten, und er seine Arbeitsstelle verloren hatte; außerdem war er über den Tod seines Zwillingsbruders vor zwei Jahren noch nicht hinweggekommen. Sie sagte aber auch, daß sie glaube, daß ihr Sohn noch am Leben wäre, wenn er nicht das Opfer jenes unglücklichen Experiments geworden wäre, das bei ihm soviel Leid verursachte.

Literatur
John Colapinto, '''Der Junge, der als Mädchen aufwuchs''', 288 Seiten - Walter-Verlag - Juli 2000 - ISBN 3530421545

Links:
 http://www.dgti.org - Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität
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Ergänzungen

Spitze des Eisbergs

XY 12.05.2004 - 20:26
Es dürfte kein Geschlechterumbau nicht unter wissenschaftlichen
Allroundaspekten beobachtet worden sein.

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