Latussek-Vortrag in Marburg gestört

Schnapsdrossel 12.05.2004 16:36 Themen: Antifa
Am 11.05. hielt Paul Latussek einen Vortrag über den "EU-Beitritt Polens aus Sicht der Heimatvertriebenen", und zwar im Haus der rechtsextremen Marburger Studentenverbindung "Rheinfranken". Nicht ohne antifaschistischen Widerstand...
Zur Person: Paul Latussek stand Ende April in Erfurt wegen Volksverhetzung vor Gericht. In einer Rede am 9.November 2001 habe er auf dem Verbandstag des "Bundes der Vertriebenen" den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden relativiert, so das Gericht. Latussek wurde freigesprochen und ist heute Landesvorsitzender der Landmannschaft Schlesien, fällt weiterhin durch rechte Rhetorik, völkisches Gedankengut und ekligen Geschichtsrevisionismus auf.

Ca. 30 AntifaschistInnen blockierten am Dienstag die Auffahrt zum Haus der "Rheinfranken". Paul Latussek konnte nur mit Polizeischutz, mit Rangeleien und unter Beschimpfungen zum Ort seines Vortrages gelangen. Auch dort jedoch fand er keine Ruhe. Ca. 30 AntifaschistInnen befanden sich bereits (unauffällig gekleidet) im Saal und unterbrachen nach einigen Minuten seinen Vortrag durch das Entrollen eines Transparentes ("Deutschland denken heisst Auschwitz denken") und Sprechchöre, die meisten von Ihnen wurden nach kurzem Tumult dann von Burschenschaftlern hinausbefördert.

Auch während des Vortrages blockierten mitlerweile ca 60 Menschen mit Transparenten die Zufahrt zu den rheinfranken, Besucher des Vortrages wurden mit Sprechchören empfangen und mussten von den Bullen mehr oder minder unsanft durch die Blockade begleitet werden.

Nach der Aktion fand noch eine Spontandemo statt, die sich am Marktplatz dann auflöste.

Deutschland halt's Maul! Gegen deutschen Geschichtsrevisionismus! Viva Bomber-Harris!

Dieses war der erste Streich. Am 4.7. ist Marktfrühschoppen, ein Fest konservativer bis rechter BürgerInnen und der Marburger Korporierten! Kommt vorbei, schmeissen wir zusammen die Burschies in die Lahn!
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Ergänzungen

Latussek / B.d.V Arnstadt

Thüringer Nazijäger 12.05.2004 - 21:30
Hatte vor ein paar Wochen mal gelesen das Paul Latusseek beim Arnstädter B.d.V. einem TA-Reporter völlig ungehemmt die Infos über seine Rede/Vortrag/was auch immer rausgegeben hat, bei dem es um die Relativierung des Holocausts ging. Weis jemand in wiefern Latussek noch Beziehungen zum Arnstädter B.d.V. hat?

Hab mir mal kurz deren Büro von Außen angesehen, ist direkt unter der Polyklinik(?) bzw. dem Ärztezentrum (Dr. Hoffmann, Dr. Meldau, etc). Abteilung war glaube ich "Ostpreußen und Schlesien", wenn ich mich nicht irre.

Artikel: Die Passage mit Bomber Harris ist auch m.E. einfach nur Schwachfug, verzichtet doch einfach auf solche unsinnigen Bemerkungen. Danke.

Menschenwürde und Parolen

Marburger 12.05.2004 - 23:23
Die Marburger "Anti"fas (*) sind ein, gelinde gesagt, merkwürdiger Haufen, der nicht mal in anderen Antifa-Kreisen ernstgenommen wird. Und in Marburg schon gar nicht. In Marburg gibt es unter den StudentInnen eine Grundstimmung, die jede faschistoide Gebärden ablehnt, deshalb sind die drei-dutzend Burschenschaften so ein krasser Kontrapunkt. Burschenschaften kann man so anachronistisch, altmodisch, reaktionär und reisionistisch finden wie man will (und die Rheinfranken sind da en besonders übles Beispiel), aber wenn man die Tausenden Toten, die "Bomber Harris" und Kameraden, bejubelt und sich quasi auf die Fahnen schreibt, dann fragt sich so manch einer, gegen was die Antifas in Marburg eigentlich sind. Gegen Gewalt und Mord? Wohl kaum. Merkt Euch mal: Antifaschismus ist kein Selbstzweck und auch keine coole, avantgardistische Haltung, sondern Antifaschismus sollte man leben. D.h. für mich gehört zum Antifaschismus Gewaltfreiheit, Respektierung der Menschenwürde, Bedachtheit, Toleranz. Auch das quasi Gegenstück zu so etwas unreflektiertem wie "Nationalstolz", eine Art "Nationalmasochismus" ist eher blödsinnig. "Deutschland denken heisst Auschwitz denken", so ein Bullshit. Was sind das eigentlich für sinnfreie Parolen?

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand, der solche Parolen in die Welt brüllt, sich jemals intensiv mit Faschismus und dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat.

Und zu den "berühmten" Marburger Marktfrühschoppen: ich habe mir das 8 Jahre lang bis vorletztes Jahr angeschaut (ich wohnte direkt in der Barfüßer Strasse, die läuft direkt auf den Marktplatz zu), aber das Ganze wurde zunehmend bizarrer, ritueller und sinnbefreiter. Nach dem Gesaufe, Gesinge und Getrillere der Burschis und ihrer Gegnerschaft gehts hoch zum Schloss und da kloppt man sich wie einst Asterix und die Römer, wobei man sich fragt, wer hier wer und vor allem, wer gewaltbereiter ist. Am Schluss rühmen sich die sog. "Antifas" im Havanna 8 (eine Kneipe in Marburg) ihrer Heldentaten, und -vermutlich, ich kenn zum Glück keine Burschis- tun Burschis dasselbe.

Wird davon die Welt besser, friedlicher, schöner und lebenswerter?

@auch Marburger

Exmarburger 13.05.2004 - 09:57
Adorno lehnte gewaltsame Zuspitzungen, sowie die Verplattung von aus dem Zusammenhang gerissener Zitate immer ab. Leider hat Adorno nicht immer die Anhängerschaft, die ihm würdig wäre. Und bei den "virtuellen" Marburger Ad-Hoc-"Anti"fas kann ich mir auch nicht vorstellen, dass sie sich wirklich mit dem Faschismus, Nationalsozialismus, Totalitarismus beschäftigen möchten. Besonders traurig macht mich diese offene Aggressivität und Menschenverachtung, die auch nicht sympatischer ist als die Haltung derer, die sie kritisieren.

ein bissl weniger

hans peter 13.05.2004 - 12:07
im rheinfrankenhaus befanden sich gut 15 antifaschistInnen, ein gutes drittel aller anwesenden. die aktion lief ganz ok.
ich denke, dass "deutschland denken heisst auschwitz denken" bei dieser veranstaltung extrem angemessen war.

antifaschismus heisst deutschland auflösen,
denn dass die strukturen nie aufgelöst wurden sieht man doch an jeder strassenecke!!!!!!!!

Latussek-Flugi

---- 14.05.2004 - 21:13
hier der link zum flugi über latussek von der Gruppe dissident, das im vorfeld verteilt worden ist:

 http://www.geocities.com/gruppe_dissident/paule.htm

den text gibts hier komplett:

paule heißt er ...

Die Burschenschaft Rheinfranken macht ihrem rechten Ruf mal wieder alle Ehre. Die deutschen Burschen haben den „Vertriebenen“-Funktionär Paul Latussek als Referenten eingeladen.

"Europa“ hört sich immer gut an. „Europa“ klingt irgendwie nach „Völkerverständigung“ und "Frieden" (1) . Wenn nun aber ein Funktionär der sogenannten „Vertriebenen“ (2) sich des Themas annimmt, um bei der rechtsextremen Burschenschaft Rheinfranken über den „EU-Beitritt Polens bzw. der osteuropäischen Länder aus Sicht der Heimatvertriebenen“ zu referieren, ist Vorsicht geboten. Wie passen nationalistische „Vertriebene“, die noch lange Zeit mit dem Panzer wieder gen Polen wollten, und die europäische Integration zusammen, bei der doch eine Reihe nationalstaatlicher Kompetenzen auf andere - „nicht-deutsche“ - Ebenen verlagert werden?

Wer ist eigentlich ... Paul?
Ende April 2004 musste Paul Latussek in Erfurt vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Volksverhetzung vor. Er habe in seiner Rede am 9. November 2001 auf dem Verbandstag des „Bund der Vertriebenen“ (BdV) Thüringen die Shoa, den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden, relativiert, so die Staatsanwaltschaft. Er habe im Zusammenhang mit der Zahl der ermordeten Menschen in Auschwitz von „Lügen“ gesprochen, die nicht mehr länger zu halten seien (3) . Diese Aussagen provozierten einen Skandal und sein Name war tagelang in allen Medien präsent. Schließlich wurde es selbst dem BdV zu riskant, an der Person Latussek festzuhalten. Denn die thüringische Landesregierung fror unter dem Druck der Öffentlichkeit kurzfristig ihre Zuschüsse an den BdV ein. Schließlich wurde Latussek von seinem Posten als Vize-Präsident des BdV entbunden, woraufhin die Landesregierung ihre finanzielle Unterstützung für den Verband wieder aufnahm (4).

Doch Latussek fiel mit diesem Skandal nicht zum ersten mal auf. Denn seit jeher gilt er selbst im eigenen Verband als Rechts-Außen. Seine politische Karriere begann er 1990 als Mitglied der Volkskammer für die Deutsche Soziale Union (DSU), eine konservative Sammlungsbewegung in der DDR, die damals kräftig von der bayerischen CSU gesponsert wurde, um WählerInnen rechts der CDU einzusammeln (5) . Bei der Abstimmung über die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze stimmte er in der Volkskammer gegen den Grenzvertrag (6) , denn die gültigen Grenzen im Osten der BRD sind für ihn bis heute nur „Übergangslösungen“ (7) . Seit ihrer Gründung bekannte sich die DSU zu den organisierten „Vertriebenen“, zu denen Latussek ein Bindeglied darstellte. Er hatte schon 1990 den Landesvorsitz des BdV in Thüringen übernommen und gehörte seit 1992 dem BdV-Präsidium an. Über diesen Weg kam er auch zu einem Posten im Beirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen beim Bundesinnenministerium, der die gesetzliche Aufgabe hat, die Bundesregierung „sachverständig“ zu beraten.

Latusseks Name ist auch immer wieder in verschiedenen Publikationen der extremen Rechten zu lesen. So in der „Deutschen Wochenzeitung“, der „Jungen Freiheit“, dem „Witiko-Brief“ oder dem neofaschistischen Theorieorgan „Nation & Europa“, wo er 1995 über die „Neue Aufgabe für den BdV“ aufklärte: „Es ist Aufgabe der deutschen Politik, mit Selbstbewusstsein und Mut zur geschichtlichen Wahrheit unserer Nation wieder den Platz in der Völkergemeinschaft zu geben, der unseren Traditionen, aber auch unserer Bedeutung als Kulturnation und Wirtschaftsmacht entspricht.“ (8) Sein Artikel erschien auch als Beitrag in einem Buch des rechten Hohenrain-Verlages. Darüber hinaus befindet er sich seit Jahren auf einer großen Odyssee durch die diversen Kleinstorganisationen der extremen Rechten. 1997 ließ er sich zum Vorsitzenden einer „Wählergemeinschaft deutscher Heimatvertriebener und Entrechteter“ wählen, wie die Junge Freiheit berichtete (9) . In ihrem Grundsatzprogramm halluzinierte die Organisation von deutschen „Volksvertretern, die fremde Interessen“ durchsetzen; und als Ziel der NATO machten sie aus, „Deutschland unten“ zu halten. (10) 1998 tauchte Latussek dann beim rechten „Bund freier Bürger-Offensive für Deutschland - Die Freiheitlichen“ auf, wo er stellvertretender Landesvorsitzender wurde. 2000 legte er im Thüringer Landtag ein Flugblatt aus („Informationsmaterial über das Unrecht, das dem deutschen Volke angetan wurde“ (11) ), in dem er die „willkürliche Verschiebung der deutschen Ostgrenze“ (12) und „Völkermord an den Ostdeutschen Stämmen“ beklagte. Heute, drei Jahre nach dem großen Skandal um seine Person, ist Latussek weiterhin Funktionär der „Vertriebenen“. Er ist Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, die treu zu ihrem Chef steht.

Latussek entging jetzt in Erfurt zwar einer Verurteilung, doch der zuständige Richter beschied, der Angeklagte habe in der Diskussion über die Gräueltaten im nationalsozialistischen Deutschland „sicher ein Foul begangen“ (13) . Zwar fänden sich die fraglichen Formulierungen eindeutig im Redemanuskript Latusseks wieder, doch sei ihm nicht nachzuweisen, dass er dieses dann auch selber auf der Veranstaltung verbreitet habe.

Die Europäisierung deutscher Interessen
Doch Latussek kann auch ganz anders. Seine aggressive Rhetorik, seine Kontakte ins rechtsextreme Milieu und seine offen benannten Positionen, was die Grenze zu Polen oder materielle Forderungen anbelangt, spiegeln nur eine Seite der Medaille wider. Denn die offizielle Linie der organisierten „Vertriebenen“ sieht mittlerweile anders aus. Während Latussek im Thüringer Landtag sein eigenes Flugblatt verteilte, legte er gleichzeitig auch eine Erklärung der BdV-Landesvorstände der fünf neuen Bundesländer aus. Darin sprechen sich die organisierten „Vertriebenen“ für einen „Verzicht auf Rache und Vergeltung“ aus und erklären ihre „Zustimmung zur Osterweiterung der Europäischen Union“ (14) . Damit folgen sie einer alten Tradition, denn schon in der „Charta der deutschen Heimatvertrieben“ von 1950 wird auf „Rache und Vergeltung“ verzichtet und „die Herbeiführung eines freien und geeinten Europas“ (15) als Ziel formuliert.

Unterzeichner der „Charta“ waren eine Reihe, z.T. hochrangiger Alt-Nazis: SS`ler, „Ostforscher“, Wehrmachtsangehörige, NSDAP`ler - halt alles, was das untergegangene Deutsche Reich so zu bieten hatte. Holger Kuhr faßt zusammen: „Die ,Charta´ wurde von Männern initiiert und formuliert, die während der NS-Zeit für das ,deutsche Volkstum´ gekämpft hatten.“ (16) Der großspurige und, ja fast großherzig zu nennende, „Verzicht“ auf „Rache“ und Gewalt ist ein Hohn. Nur wenige Jahre nachdem Deutschland Europa in Schutt und Asche hatte und Millionen von Menschen aufgrund deutschen Rassenwahns und Expansionsgelüsten ermordet hatte, vermelden nun die Umgesiedelten und NS-Täter, sich gegen die verdiente Strafe nicht auflehnen zu wollen. Dieser oftmals so hochgehaltene „Gewaltverzicht“ war aber alles andere als ernstgemeint. Vielmehr war es den politischen Verhältnissen der Nachkriegszeit geschuldet - zur damaligen Zeit, nach der kompletten militärischen Niederlage des Deutschen Reiches und der völligen Entwaffnung - konnte nur ein Gewaltverzicht geäußert werden - jede andere Politik wäre unmöglich umsetzbar gewesen. So schlossen sie an ihr Bekenntnis zum „Frieden“ gleich eine Reihe von Forderungen zur „Wiedergewinnung“ der „Heimat“ auf anderem Wege an. Bei Nichterfüllung, so die implizite Drohung, wären wohl auch ihre Friedensschwüre hinfällig geworden.

Als „Grundlage zur Beseitigung der Unrechtsfolgen der völkerrechtswidrigen Vertreibung der Deutschen“ und zur Durchsetzung des „Rechts auf Heimat und die Pflicht zu einer angemessenen Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts“ wurde nun auf zwei Ebenen Politik gemacht: Zum einen auf einer Juristischen, wo es darum ging, ein „Recht auf Heimat“ zu konstruieren, gültiges Recht zu delegitimieren oder aufzuheben (z.B. die Beschlüsse der Alliierten zur Nachkriegsordnung auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam oder die Benes-Dekrete (17) etc.) und für die in den Ländern Osteuropas verbliebenen „Deutschen“ (oder wen man aufgrund von völkischen Zuschreibungen dafür hielt) sogenannte „Minderheitenrechte“ zu verschaffen (wohlgemerkt geht es dabei nicht um individuell einklagbare Menschenrechte, sondern um kollektiv verstandene Rechte für imaginierte „Volksgruppen“). Die zweite Ebene der Politik war das Vorantreiben der europäischen Einigung. Hier sollte den Ländern des RWG in Osteuropa eine starke, westliche und nicht-sozialistische Einheit entgegengesetzt werden, die zum einen eine „Magnetwirkung“ auf den Osten ausübte. Zum anderen war die Integration der BRD in einen europäischen Zusammenhang die einzige realistische Chance, mit dem post-nationalsozialistischen Staat wieder eine eigenständige, international handlungsfähige Kraft zu werden. Nationale Alleingänge der BRD waren vorerst einfach undenkbar. In den Unionsparteien war diese Strategie Regierungslinie. Franz Josef Strauß (CSU) fasste diese Politik unter dem Schlagwort „Europäisierung der deutschen Frage“ (18) zusammen. Die Europäisierung ihrer Forderung ist eine alte Strategie, die bereits 1950 in der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ wurzelt und heute in ihren Verbänden hegemonial geworden ist. Denn die „Vertriebenen“ hatten früh erkannt, dass die „europäischen Gemeinschaften ihr [der BRD] die Chance (gaben), weitgehend so zu agieren, wie das der Bundesrepublik sonst kaum vergönnt war: als gleichberechtigter Partner“ (19), wie Gregor Schöllgen schreibt. Und schließlich, so Schöllgen, „waren alle Bundesregierungen seit Adenauers erster Regierungserklärung der Überzeugung, dass die anzustrebende Wiedervereinigung Deutschlands nur in einem geeinten Europa vorstellbar sei“ (20). Ohne die Einbindung in die europäischen Gemeinschaften wäre dies nicht einmal eine theoretische Option gewesen. Das historische Interesse der „Vertriebenen“ an Europa erklärt sich somit vor allem in der Option auf einen starken, antisozialistischen Westen als Ausgangsbasis für den Zugriff auf die ehemaligen deutschen Gebiete. Aber auch heute hoffen sie weiterhin, ihre Interessen über die europäische Schiene umsetzen zu können. So verlangten sie z.B. (glücklicherweise erfolglos), dass die Rücknahme der sogenannten Benes-Dekrete, mit denen u.a. die Umsiedlung der „Sudetendeutschen“ aus der Tschechoslowakei geregelt wurden, Bedingung für einen EU-Beitritt der Tschechischen Republik werden würde. Über die Verankerung von „Minderheitenrechten“ in der europäischen Gesetzgebung sollen „Deutsche“ in den Staaten Osteuropas gestärkt und ihnen „kulturelle“ Rechte zugebilligt werden. Über ein „Europa der Regionen“ soll die Macht der Nationalstaaten geschwächt werden, so zumindest die Theorie, um „Volksgruppen“ in den betreffenden Gegenden zu stärken. Darüber hinaus geht es den „Vertriebenen“ auch um materielle Interessen. Latussek wird hier deutlich: In einer auch von ihm unterzeichneten Resolution des rechten „Zentralrates der vertriebenen Deutschen“(ZvD) wird die Forderung nach sofortiger „Herausgabe ihres völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums und die unverzügliche Entschädigung der bisher entgangenen Nutzungsausfälle“ () aufgestellt. Auf einer Veranstaltung im November letzten Jahres bekräftigte er noch einmal „das Festhalten an den Eigentumsrechten der Vertriebenen“ (22) als bedeutenden Teil der Arbeit der organisierten Umgesiedelten.

Fußnoten

(1) Liebes Kosmopolitbureau! In diesem Satz steht: Europa „hört sich (...) gut an“ und „klingt nach ...“; dort steht nicht: Europa bedeutet Frieden, etc. Nur damit ihrs auch versteht ...
(2) Da die Verwendung eines generalisierenden Oberbegriffes für den mehrphasigen Vorgang der Flucht/Vertreibung/Umsiedlung von Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute wissenschaftlich umstritten ist, werden wir die übliche Bezeichnung als„Vertriebene“ nicht übernehmen und ihn daher nur in Anführungszeichen verwenden. Nur für eine kurze Zeit vor dem Potsdamer Abkommen kann von einer wilden Vertreibung gesprochen werden, während Umsiedlung und Flucht den größten Teil ausmachten. Der Begriff der „Vertriebenen“ wird vor allem zur moralischen Legitimation von Ansprüchen der Umgesiedelten verwendet. S. dazu: Samuel Salzborn: Heimatrecht und Volkstumskampf - Außenpolitische Konzepte der Vertriebenenverbände und ihre praktische Umsetzung, Offizin Verlag, Hannover, , 2001, S. 16
(3) s. dazu: Latussek als Vize-Präsident des Bundes der Vertriebenen abgesetzt, in:  http://heute.t-online.de/ZDFde/druckansicht/0,11242,00.html
(4) Ebenso wie auch alle anderen Bundesländer und die Bundesregierung den „Vertriebenen“ für sogenannte „Kulturarbeit“ Millionenbeträge bewilligt.
(5) Zur DSU: Jens Mecklenburg (Hg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus, Berlin, 1996, S. 186ff.
(6) www.ilmenau.com/latussek.asp
(7) zitiert nach: www.free.de/antifa/nrw/sommer97/paulla.html
(8) zitiert nach: ebd.
(9) Junge Freiheit, Nr. 51 / 1997
(10) Samuel Salzborn: Paul und das Geld, in: jungle world, Nr. 2, 1998
(11) zitiert nach: Samuel Salzborn: Heimat ohne Holocaust? „Vertreibung“ versus Vertreibung, in: Studentischer Sprecherrat der Universität München (Hg.): Alte Herren - Neue Rechte, Münster, 2001
(12) www.bdv-thueringen.de, 18.10.1999 „Was jeder Deutsche wissen sollte“
(13) Ostthüringer Zeitung, 26.4.2004
(14) zitiert nach: PDS Thüringen: Das Maß ist voll - Dokumentation, 2002, S. 29
(15) nach: Holger Kuhr: Geist, Volkstum und Heimatrecht, 2000, Hamburg, S. 91
(16) in: konkret, Nr. 5, Mai 2004, S. 29
(17) Zur Diskussion um die Benes-Dekrete: Beppo Beyerl: Die Benes-Dekrete - Zwischen tschechischer Identität und deutscher Begehrlichkeit, 2002, Wien
(18) Franz Josef Strauß: Herausforderung und Antwort, Seewald Verlag, 1968, S. 163
(19) Gregor Schöllgen: Der Auftritt – Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne, München, 2003, S. 42
(20)
(21) ebd.
(22) Schlesische Nachrichten, Nr. 1, 2004, S. 3

Jetzt wird umgesiedelt! Latussek stoppen!

Marburger Burschis gestört

egal 16.05.2004 - 18:32

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