Protestfrühstück im Göttinger Rathaus

wir kommen wieder... 07.05.2004 23:52 Themen: Soziale Kämpfe
Heute, am Dienstag, den 4. Mai haben über 20 Leute im Rathaus ein Protestfrühstück gegen die Politik der Entrechtung und Verarmung veranstaltet.
Das erste was die BesucherInnen des Rathauses heute im Eingangsbereich sahen, war eine lange "Tafel" mit jeder Menge Brötchen, Käse, Obst, Gemüse, Muffins und anderen Leckereien. Dazu gab es Kaffee oder Tee. Alles was der Magen so am Morgen eben braucht.

Das Frühstück im Rathaus war zwar fett angekündigt auf Plakaten und Flugis, aber natürlich nicht angemeldet. Und so empfingen uns die eigens für uns abgestellten Beamten des Rathauses, einige Cops und die stadtbekannten Zivis. Sie ließen uns allerdings relativ unbehelligt gewähren. Wie schon beim Frühstück im Arbeitsamt wollte die Stadt wohl auch keine negativen Schlagzeilen produzieren.

Alles für alle und zwar umsonst! So wurden die BesucherInnen eingeladen mit uns zu frühstücken. Die Tafel stieß auf reges Interesse. Doch nicht nur die Brötchen und der Kaffee fanden reißenden Absatz, auch unsere Flugis wurden interessiert und meist zustimmend entgegengenommen. Es ergaben sich beim Kaffee trinken oder Flugi verteilen einige Gespräche und so entwickelte sich im Foyer des Rathauses eine ungewohnten Atmosphäre: laut, bunt, fast schon gemütlich. Eine Stellwand lockte zudem etliche LeserInnen an.

Alles in allem wieder eine gelungene Aktion.


AUFRUF:

Nächstes Protestfrühstück im Neuen Rathaus

Ein Frühstück sagt mehr als 1000 Worte!

Das Frühstück sollte die beste Mahlzeit des Tages sein. Gesund und ausgewogen! Darin sind sich alle ErnährungsexpertInnen einig. Als Faustregel gilt: "Frühstücken wie ein Kaiser, Mittag essen wie ein König, Abendbrot wie ein Bettelmann". Allerdings haben diese ErnährungsexpertInnen bestimmt noch nicht versucht, solch ein Frühstück tagtäglich von Sozialhilfe zusammenzustellen. Da würden sie schnell an die Grenze ihres Geldbeutels stossen. Mit Sozialhilfe sind eigentlich alle Mahlzeiten die einer Bettelfrau. Aber wie Sozialdezernentin Schlapeit-Beck schon feststellte, "Sozialhilfe ist kein Zuckerschlecken (...) und es wird noch härter". Spätestens mit der Agenda 2010, d.h. den ganzen sog. Reformen wird das wahr: Es wird härter!
Unter anderem durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu Arbeitslosengeld II (ALG II) und die Novellierung des Sozialhilfegesetzes ist der Weg in die Verarmung und Entrechtung vorgegeben:
Durch die Pauschalierung einmaliger Beihilfen für Kleidund, Hausrat, Möbel wird real eine Senkung der Regelsätze vorgenommen. Dies wird von den Verantwortlichen als mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zurechtgelogen. Selbstbestimmt können wir dann entscheiden, ob wir Brot und Wasser bei Aldi oder Wasser und Brot bei Lidl kaufen, und das ganz eigenverantwortlich, ohne dass uns ein/e Sachbearbeiter/in reinredet. Super!
Wenn dann noch die Pauschalierung der Mieten eingeführt wird, können wir uns auch selber aussuchen, unter welcher Brücke wir schlafen wollen.
Das gilt sowohl für ALG II als auch die Sozialhilfe. Der Unterschied liegt in der Definition der "Zielgruppe". Sozialhilfe ist nur noch für die "Arbeitsunfähigen", das heißt diejenigen, die nicht mindestens 3 Stunden pro Tag arbeiten können. (Für Flüchtlinge gilt weiterhin das Asylbewerberleistungsgesetz und damit ein um 30% abgesenkter Regelsatz und eingeschränkte Gesundheitsversorgung.)
Aber auch für die "Arbeitsunfähigen" haben sich die Politiker was besonderes ausgedacht:die "Aktivierung". Und die ist nicht mehr ganz so selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Dazu heißt es im Gesetz, wir sollen nach unseren Kräften darauf hinarbeiten, von der Sozialhilfe unabhängig zu werden. "Förderpläne" sollen wir unterschreiben, in denen festgelegt wird, wie das zu schaffen ist. Indem zum Beispiel einer alleinerziehende Mutter vorrangig eine Ganztagsbetreuung für das endlich 3jährige Kind besorgt wird. Das reicht für eine "geordnete Erziehung". Oder indem eine Zwangstherapie verordnet wird. Und wer die Schritte nicht einhält? Der/die fliegt raus aus dem sozialen Sicherungssystem! Ähnlich funktioniert das mit dem Arbeitszwang in ALG II.
Und das ist alles nur ein Krümel der ganzen Scheiße.
Uns reicht's mal wieder. Wir haben die Schnauze voll!
Wir wollen ein großartiges Frühstück! Und das auch bis zum Ende des Monats.
Wir wollen der zunehmenden Entrechtung, Entsolidarisierung und der zunehmenden Verarmung unseren gemeinsamen Protest und Widerstand entgegensetzen. Und das fängt für uns beim Frühstück an!

Dienstag, den 04.5.2004
10.00 Uhr
Neues Rathaus

Frühstück für Alle!!
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

In Gö ist so einiges los:

no name 08.05.2004 - 00:23
Frühstück im Arbeitsamt Göttingen  http://de.indymedia.org//2004/03/76156.shtml

Ansturm in Göttinger Krankenkassen
 http://de.indymedia.org//2004/03/76371.shtml

Aktuell Demo gegen rassistische Polizeigewalt und Sondergesetze,
15.Mai.04 Um 12 Uhr altes Rathaus Göttingen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

@ hirntod — mitdenker

was gab's denn? — red rocker