Deutschen Mainstream angreifen!

Johanna 25.04.2004 18:26
24.04.: Bericht von Kundgebungen in Berlin vor der Neuen Wache, dem Auswärtigen Amt, der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, dem Willy Brandt Haus...
Lauf ich gestern Unter den Linden an der HU vorbei, sehe ich an der Neuen Wache einen Bus, was ja nicht so ungewöhnlich ist, und so ca. 40 Leute mit Schildern und Transpis stehen. Bin ich mal schauen gegangen und höre noch den Rest von einem Redebeitrag über deutschen Militarismus und wie der jetzt wieder in der EU als gemeinsame Verteidigungsidentität von links bis rechts gegen die USA scharf gemacht werden soll und wie die rot/grüne Geschichtspolitik ihren Anteil daran hat, dass das prima klargeht. Der nächste kurze Redebeitrag, stellte dann fest, dass die Krauts nicht lockerlassen würden, bis Bundeswehrtruppen - am besten in einer UNO-Friedensmission – Israel endlich mal zeigen dürften, wie so eine zivile Friedensmacht Konflikte “löst”.

Ich habe dann einen Typen angesprochen, der ein Schild mit explizit feministischen Inhalten trug, was hier denn los sei. Der meinte das wäre ein “antideutscher kleiner Bildungsausflug”. Da sie im Gegensatz zu den Bahamas das ernst nähmen, was sie wüssten, hätten sie besseres zu tun als in Hamburg gegen irgendwelche Spinner aufzumarschieren. Es sei ja voll peinlich, dass die Bahamas-Jungs extra nach Hamburg fahren, um sich mal an dem neuen restlinken-sumpf abzuarbeiten, wenn doch der mainstream vor ihrer Haustür fließt. Und deswegen sei er lieber mit den anderen nach Berlin gefahren, um mal jenen Orten die Aufwartung zu machen, wo der deutsch-europäische Konsens ernsthaft vorangetrieben wird und Israels Existenz tatsächlich gefährdet wird. Als ich wissen wollte, welche das denn noch seien, wurde ich in den Bus gebeten, in den eh gerade alle stiegen, weil die Kundgebung gerade fertig war, und fuhr ein Stück mit.

Beim Auswärtigen Amt wurde dann das unverschämte Auftreten Deutschlands gegenüber Polen und Tschechien thematisiert. Außerdem kam zur Sprache, wie gerade in der Außenpolitik seit 1990 die deutschen Weltmachtambitionen immer offensiver zum Ausdruck kommen, sei es auf dem Balkan, in der ehemaligen Sowjetunion oder besonders deutlich in der Konkurrenz zu den USA im Nahen und Mittleren Osten. Deutschland habe - bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar - mittlerweile nach den USA die meisten Truppen außerhalb der eigenen Grenzen stationiert und Struck konnte unwidersprochen daherschwadronieren, dass die Bundeswehr „unsere Freiheit am Hindukusch“ verteidige.

Danach ging’s zur Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Dort wies eine Rednerin auf die Schlüsselrolle der DAG hin. In ihr würden ökonomische, politische und militärische Ambitionen der reaktionären arabischen Regimes und die geostrategischen Planungen des global players Deutschland gegen die USA und auf Kosten Israels realisiert. Dabei ist der ständig mobilisierbare Antisemitismus der sicherste Kitt, die krisengeschüttelten islamischen Gesellschaften reaktionär zu stabilisieren. Insofern müssten die einzig richtigen Forderungen lauten: „Zerschlagt die Deutsch-Arabische Gesellschaft!“ - und künftigen antisemitischen Selbstmordattentätern das leuchtende humane Vorbild Jürgen W. Möllemanns nahezubringen.

Bei einer kurzen Kundgebung vor der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde darauf hingewiesen, wie diese Institution derzeit die deutsche Politik flankiert und jene Jobs übernimmt, die offiziell noch nicht angesagt sind. So sitzt die FES mit den antisemitischen Schlächtern von der Hamas an einem Tisch, was sich die deutsche Regierung so nicht leisten könne, da sie ja offiziell einerseits, wie schon im Kaiserreich, den selbstlosen Makler und andererseits das aus seiner Vergangenheit gründlich gelernt habende und zivilisierte D-land spielt.

Dann gings weiter zum Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg. Dort ging es in mehreren Redebeiträgen um die SPD als Avantgarde bei Deutschlands Wiedergutmachung, ihre konterrevolutionäre Geschichte insgesamt und ihre Vorreiterrolle bei der Zerstörung der ohnehin schon vorher miesen Überlebensbedingungen für die VerkäuferInnen der Ware Arbeitskraft. Eine Rednerin erinnerte an die Umstände des sogenannten Asyllkompromisses von 1993, als das barbarische Potenzial der postnazistischen Volksgemeinschaft deutlich sichtbar wieder hervortrat und klar wurde, dass in dieser Gesellschaft die Bereitschaft alles als "anders" Definierte mitleidlos in den Abgrund zu stoßen, niemals zu unterschätzen ist. Damit war jede Hoffnung auf zumindest ein jenseits vom Staat formuliertes Eigeninteresse, immerhin militanten Reformismus oder gar Klassenkampf gegen die kapitalistischen Zumutungen für die folgenden Jahren erledigt. Ein anderer Beitrag verwies auf den Arbeitswahn – seit dem Gothaer Programm essenziell in der Geschichte der SPD. Wer Marx immer missverstehen wollte um deutschen Sozialismus spielen zu können, sei stets die Avantgarde im Kampf für Deutschland und gegen den Kommunismus. Erinnert wurde auch noch einmal an den 8. Mai 2002 als Kanzler Schröder sich den Antisemiten Martin Walser in die SPD-Zentrale lud, um mit ihm über deutsche Identität zu plaudern. Im Anschluss an die Beiträge wurden noch die antisemitischen Übergriffe auf die Demo der Bahamas in Hamburg verurteilt, die kurz zuvor stattgefunden hatten, wie ein Redner kurz zuvor über Telefonkontakt erfuhr. Eben dort am Willy-Brandt-Haus gab's dann auch ein wenig Stress mit den Bullen. Ich musste dann weg und die HamburgerInnen fuhren noch nach Grünau zum Abschiebeknast.
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Ergänzungen

Zufall...

Septiker 25.04.2004 - 18:52
Du warst also ganz zufällig so in der Nähe, hattest ganz zufällig deine Digicam dabei, wurdest ganz zufällig gebeten doch mitzufahren, und hattest ganz zufällig dein Notebook dabei um dir die nötigen Stichpunkte zu machen.
Wenn ihr soetwas veranstaltet, was ich im Ansatz durchaus begrüße und nötig finde, dann veröffentlich eure Bericht auch unter eurem Namen und versucht nicht euch Sympathien dadurch zu erschleichen, dass ihr so tut als wäret ihr derart meinungskompatibel, als dass man so locker in eurem Bus herumfahren könnte und jeder der da vorbeikommt würde eingeladen an eurer "Bildungsoffensive" zu partizipieren.

Europa und China finanzieren USA-Intervention

DUS 26.04.2004 - 12:19
Aha, der >deutsche(n) Militarismus und wie der jetzt wieder in der EU als gemeinsame Verteidigungsidentität von links bis rechts gegen die USA scharf gemacht werden soll< Die USA finanzieren ihren Krieg im Irak mit Krediten aus China und Europa! Warum müssen die "Anti"deutschen immer die Welt so beschreiben wie sie gar nicht ist?

Meine Hochachtung

sir Arthur Harris 26.04.2004 - 13:17
Meine Hochachtung für diese gelungene Gegenaktion gegen die Bahamas-Provokation in Hamburg. Gut, daß es gerade viele Hamburger waren, die in Berlin deutlich gemacht haben, daß wir nach wie vor Karl und Rosa verpflichtet sein sollten, also den Hauptfeind im eigenen Land bekämpfen müssen. Die Hamburger Aktion in Berlin hat deutlich gemacht, wie politische Intervention gegen den wiedererstarkten deutschen Militarismus ud Revanchismus geht.
Schaut man sich den Aufruf zur Hamburg-Demo an, so kann einem nur das Kotzen kommen: undifferenziert und polemisch und dem Gegenstand Gewalt antuend wie immer. Die Bahamas und ihre willigen Helfer werden es wohl nie begreifen, daß die Linke in Deutschland nicht das Problem ist - weder 68 noch heute, wo wir angeblich eine linke Regierung haben. Die Aktion in Hamburg zeugt nur von der eigenen Gekränktheit und Wut darüber, innerhalb der Linken so isoliert zu sein wie es die Hamburger Antideutschen zum Glück nicht sind. Es ist die Berliner Wut darauf, nicht wie in Hamburg die linke Infratruktur von Flora bis fsk nutzen zu können, also nicht in der Jungle world oder im Mehringhof so präsent sein zu dürfen. Nur: Die Berliner sind selbst schuld. Würden sie sich einmal mit der differenzierten Politik antideutscher Gruppen und Einzelpersonen Hamburgs der letzten Jahre wirklich auseinandersetzen, dann könnten sie darin ihre eigenen Fehler und ihr Versagen wie in einem Spiegel betrachten. Dieses ständige Rumgehacke auf der Linken, als wäre sie das Problem und nicht die deutsche Großmachtspolitik, ist einfach nur widerlich.
Die Angriffe auf ihre Demo am Samstag, die wohl tatäschlich antisemitisch motiviert waren, haben sie sich also zum großen Teil selbst zuzuschreiben. Komischerweise passiert das Hamburger Antideutschen kaum...und auch die sehr wohl existenten linken Antisemiten in Hamburg verhalten sich ansonsten ruhig und provozieren nicht.
Der Bahamas könnte also sehr wohl ein Nachsitzen in der Hamburger Schule nicht schaden. Sie und ihre autoritären Jünger könnten dort lernen, wie man sachlich und unaufgeregt über Probleme diskutieren und streiten kann, ohne eine Politik der verbrannten linken Erde zu machen.

isch bin ja aus hamburg, ne...

rotlicht 27.04.2004 - 00:44
..und, nur um das richtig zu verstehen: eine Berliner Gruppe, die sich Bahamas nennt veranstaltet -als Reaktion auf die Auseinandersetzungen am 24.04.- in Hamburg eine Demo, die sich hauptsächlich gegen angebliche antisemtische Tendezen in der radikalen Linken richtet und zwar gegen solche projekte wie Flora oder FSK. Zeitgleich findet, wenn ich das hier richtig interpretiere, in Berlin eine von Hamburger Gruppen mitorganisierte Veranstaltung statt, die nicht zuletzt deshalb stattfindet, weil die Aktion der Berliner in Hamburg von Hamburgern und anderen Berlinern kritisiert wird ?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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sd

sd 25.04.2004 - 18:41
was ist das wider für ne sekte?

richtig

weiter so 25.04.2004 - 18:56
gegen den demokratischen Antisemitismus, und gegen den demokratischen Apartheidsstaat...

Sehr coole Aktion!

Peter 25.04.2004 - 19:00
Eine schöne Aktion der Hamburger GenossInnen! Warum wurde dafür nur so schlecht mobilisiert?

@sd

try 25.04.2004 - 19:09
die sind harmlos. Die suchen und finden überall Antisemitismus. Das ist auch das einzige was sie interessiert. Gleichzeitig stehn sie auf die nordamerikanische Kultur und Politik und halluzinieren einen wesenshaften Gegensatz zur deutsch (europäischen) Kultur und Politik. Konsequenterweise finden sie auch die Metzeleien (Kriege) die von bestimmten Staaten geführt werden, gut, während die Schlachterein anderer Staaten für schlecht befunden werden. Sind im Grunde nur durchgeknallte (ziemlich deutsche) Bürger, die am Ende noch "Kommunismus" rufen. Das ist ein netter Zug bei Ihnen. Allerdings kann man nicht mit ihnen ins Gespräch kommen, weil ihre Argumentationsmuster einer (typisch bürgerlichen) gut-schlecht Logik folgen und nicht wirklich den Anspruch haben etwas richtig erklären zu wollen. Ihr letztendliches Anliegen ist es, zu den wenigen "Guten" auf der Welt zu gehören, und da denken sie: je weniger, je guter...

fuck AD-Spinner!

J 25.04.2004 - 19:10
das schlimmste ist: manche leute nehmen den müll ernst und halluzienieren sich ihre verschwörungsgedanken zurecht. die sollten sich mit ihrem rassistischen antiorientalismus zum teufel scheren.

argumentiert mal inhaltlich

nils 25.04.2004 - 19:26
wer sind denn die AD-spinner? immerhin gab es antirassistische und antipatriarchale Positionen... und antikapitalistische forderungen. also argumentiert mal inhaltlich und nicht nur mit euren stereotypen!

@nils

bils 25.04.2004 - 19:41
antikapitalistische antipatriarchale und antirassistische Positionen gibt es auch bei anderen, da muß man nicht zu den AD-Spinnern gehen...

Was?

Propagandhi 25.04.2004 - 21:29
Warum nur - sind in Deutschland so viele avantgardistische Kleingrüppchen unterwegs, die völlig einseitig, unreflektiert und misanthropisch agieren?
Fühlt man sich besonders elitär, wenn man als reicher Europäer sein eigenes anti-muslimisches Süppchen kocht, oder was?
Die Welt ist für alle da, man!

Spinner

Mike 26.04.2004 - 00:41
Man so ein Schwachsinn. Auf den Schildern hätte genauso gut "Kauft nicht bei Juden" stehen können. Merkt ihr nicht, auf welchem Niveau ihr euch bewegt???

"Deutschland von der Karte streichen ...

Nüchterner Punka und Ex-Sternburge Brigadist 26.04.2004 - 11:48
... Polen muss bis Frankreich reichen!" ?

O.K. auch wenn es inhaltlich zwar richtig ist, aber solchen niveaulosen Quatsch gröle ich wenn ich nachts angetrunken aus der Kneipe komme.