AMPEL EROBERT! Und andere Merkwuerdigkeiten aus Washington DC

washington dc action broadcasting traveller vol. IV 25.04.2004 12:10 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Eigentlich wollte ich ja nur die 14te Strasse runter zur Demo im Franklin Park gehen. Auf dem Weg dahin blieb mein Blick aber an einer Gruppe DemonstrantInnen haengen, die mit Plakaten und bizarren Handzeichen ein von Polizei geschuetztes Gebaeude belagerten.
Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine besonders eifrige Gruppe von christlichen AbtreibungsgegnerInnen, die zum "Women?s March" Gegenaktionen angekuendigt haben. Sie belagern das Buero von "Planned Parenthood" (link zu report nr III) mit Spruchbaendern wie "Pro Life" oder "Abortion is Murder". Eine Gruppe kniet vor dem Gebaeude nieder und betet lauthals, andere packen ein riesiges Schild wieder ein, auf dem ein Bild aus einem KZ unter der Ueberschrift "Hitler`s Holocaust" verglichen wurde mit einem Foto einesabgetriebenen Foetus unter der Ueberschrift "America`s Holocaust". An der naechsten Ecke fragt mich eine Gruppe aelterer Frauen nach dem Weg zur naechsten Metro und drueckt mir einen Flyer der "Operation Witness" in die Hand.


Aktive AbtreibungsgegnerInnen prägen das Strassenbild

Das ist der Name der Gegenaktion morgen, und im Flyer steht unter anderem: "The Death March will have to pass through eight blocks of peaceful, joyful, lovers of life, holding up various signs and banners celebrating life and denouncing abortion. It will be a powerful witness for Truth: Operation Witness!" An anderen Stellen wird genau angezeigt, wo wer zu stehen hat: die Familien, die Teenager (mit Schildvorschlaegen wie: "You killed my Classmates!"), die ueberzeugten ehemaligen BefuerworterInnen von Abtreibung und so weiter. Interessanterweise wird bei der Operation Witness explizitdarauf hingewiesen, dass diesmal bitte keine Bilder von abgetriebenen,blutigen Foeten gezeigt werden sollen ? wie sonst bei solchen Aktionenueblich. Das kann ja spannend werden.

Auf dem Franklin Park angekommen, Kundgebungsort und Auftakt der Demo in Downtown Washington DC, erwartet mich zuerst kein besseres Bild, sondern drei Freaks von "syracuse pro-life vegan straight edge", die mir neben ganz vernuenftigem Krams auch erzaehlen, dass das Patriarchat die Frauen zur Abtreibung zwingt, damit das Leben der Frauen zerstoert und dass deswegen Abtreibungen erschwert, wenn nicht sogar verboten werden sollten. Ach ja, ein Holocaust ist Abtreibung natuerlich auch. Es ist naemlich die gezielte Ermordung einer ganzenBevoelkerungsgruppe ? des noch nicht geborenen Lebens... Neben Menschen, die mit der Ausdruck "Holocaust" um sich schmeissen wie mit "How are you doing?" waren an diesem Samstag Mittag aber auch angenehmere Sachen zu erleben:

Der Franklin Park ist angefuellt mit jungen Angehoerigen der weissenMittelklasse, die einen froehlichen und entschlossenen Eindruck machen und anscheinend wissen, was sie wollen. Die ueblichen Verdaechtigen haben Info- und Devotionalien-Tische aufgebaut, eine riesigeblaue Puppe wartet auf ihren Einsatz und die diversenTrommelgruppen trommeln rum.

Neben einer grossen studentischen Trommelgruppe ist auch das ?Dead City Drum Corp? aufgetaucht. Ich koennte es eine anarchistische Samba-Gruppe nennen oder einen chaotischen Haufen mehr oder weniger schwarz angezogener Teenager, die auf riesigen Salat-Schuesseln rumkloppen. Was sie aber nicht unbedingt unsympathischer machen wuerde. Auffaellig ist trotzdem, mit was fuer einer guerrillahaften Attituede hier mehr als zweifelhafte Vermummungen herumgetragen werden. Ein rotes Tuch unter blauem Iro ist nicht unbedingtschwer auszumachen. Vielleicht ist das auch gerade Mode?

Die Route sollte uns an diversen Groessen des internationalen Businnesvorbeifuehren: der Reihe nach ging es an den Bueros von Bechtel,Halliburton, Exxon vorbei, den Gebaeuden von IWF und Weltbank, Chevron und Vivendi und schliesslich der Inter-American Development Bank zurueck zum Ausgangspunkt, dem Franklin Park. Obwohl die Polizei massiv vor Ort war - fuer deutsche Augen eher ungewohnt auf Pferden, Motorraedern (die Schill sicher gerne in Hamburg gesehen haette) und Fahrraedern hielt sie immer Abstand zur Demo.


Sperrlinie: Bullen auf Fahrrädern

Gegen 13 Uhr gehen die ungefaehr 2000-3000 Leute los, sehr laut und deutlich wahrzunehmen, mit vielen bunten Transparenten und Schildern und den radical cheerlaeders in Aktion. Durch die vielen Trommeln und Salatschuesseln ist die Demo weit zu hoeren. Die Bullen fahren von Zeit zu Zeit mit Motorraedern auf dem Buergersteig Spalier oder sperren Seitenstrassen ab, sind aber nicht eng an der Demo. Die ist, so froehlich und nett sie auch ist, teilweise so sehr zwischen vorderem Teil und "black/bunt-block" aufgespalten, dass die Route eher wie ein schlecht besuchtes Strassenfest aussieht.

Der Platz vor dem Gebaeude der Weltbank ist weitraeumig abgesperrt und mit enormer Polizeipraesenz bedacht. Das mag auch daran liegen, dass es bei der Demo zum gleichen Anlass im letzten Jahr einer Gruppe von 30 DemonstrantInnen gelungen war, durch einen unbewachten Eingang in das Gebaeude zu gelangen und darin einiges zu zerlegen. Von diesen 30 wurden nur 6 verhaftet, die anderen konnten durch die Tuer, durch die sie gekommen waren, wieder entschwinden. Als ob das nicht schon nett genug waere, wurden sogar alle Verfahren gegen die 6 eingestellt, obwohl ihnen angbelich das Einschmeissen von Scheiben nachgewiesen werden haette koennen. Anscheinend war den Damen und Herren von der Weltbank und der DC-Polizei eine Niederschlagung der Verfahren lieber als ein grosser Prozess, der in die Oeffentlichkeit bringt, dass es bei Demos unbewachte Tueren im IWF-Gebaeude gibt. Vor dem weitraeumig und ziemlich grossartig abgesperrten Weissen Haus spielt sich eine ziemlich absurde Szene ab. Ein Demonstrant hat eine Ampel erklommen und versucht, an ihrer Spitze eine schwarze Fahne anzubringen. Mit wilder Entschlossenheit formen nun 20 Menschen in schwarz und mit bunten Tuechern vorm Gesicht einen Ring um die Ampel, um denDemonstranten auf der Ampel bei seiner Aktion zu beschuetzen. Schliesslich hat er es geschafft und die Menge bricht in Jubel aus, einen verfalteten schwarzen Fetzen auf eine Ampel geschafft zu haben. Sollte die Beschreibung dieser Aktion etwas ueberheblich klingen, bitte ich das zu entschuldigen. Ich schmunzle immernoch ueber die wilden Begeisterungsstuerme. AmpelanarchistInnen.


Ampelanarcho in Aktion

Nach einer weiteren Trommel-Session zieht die Demo weiter und kommt wenige Strassen weiter an drei Abtreibungsgegnern vorbei, ("A real man cares for his baby!") die den Aufruf von Operation Witness anscheinend beim Wort genommen haben und sich ein wenig im Feindesland bewegen wollten. Waehrend er von radical cheerlaeders umtanzt und von irgendwoher bespuckt wird, haelt einer der Abtreibungsgegner mutig sein Schild mit der Aufschrift "Abortion is humicide" in die Hoehe. Nach einigen Minuten laesst die Demo von ihm ab und bis auf ein bisschen Spucke ist ihm nichts passiert. Auf der naechsten Kreuzung verweilt ein Teil der trommelnden Anarcho-Kids eine Weile, es sieht aus, als wuerde sich hier abgespalten werden? aber nichts passiert. Die Bullen haben anscheinend genug gesehen oder sogar wirklich etwas Wichtiges, denn nach einer Weile warten mit Pfefferspray ?im Anschlag? greifen sie sich einen Demonstranten aus der Menge. Ihm wird vorgeworfen, eine Reihe Autos, die an der Route standen, zerkratzt zu haben. Die Leute verlangen eine Zeit lang seine Freilassung, Die Kraefteverhaeltnisse des heutigen Tages sind allerdings schon lange klar, die Bullen haben sich aufmehrere Tausend Leute und mehr Militanz eingestellt und werden derkleinen Demo gegenueber nichts anbrennen lassen.


nette Gesichter beim legal Team

Ein wenig Freude kommt auf, als Leute in den zweiten Stock eines McDonalds gegangen sind und dort eine rote Fahne (mit Hammer und Sichel) schwenken. Die TrommlerInnen reagieren sofort, und die Menge skandiert zum neuen Rythmus "Fuck McDonalds!", eine Weile wird das McDonalds belagert. Aber auch diese Episode geht vorbei und schliesslich endet die Demo ohne groessere Zwischenfaelle wieder im Franklin Park wo ein Liedermacher in guter alter us-amerikanischer Tradition mit seiner Gitarre gegen Krieg und Politiker ansingt. Spaeter wird bekannt, dass eine Demonstrantin von Zivi-Bullen festgenommen wurde. Ihr wird vorgeworfen, mit einer Zwille Metallteile auf Polizisten geschossen zu haben. Wenn nichts passiert, denkt sich der Herr Einsatzleiter eben was aus... {Fuer Menschen, die sich den Link angucken: Auf dem dritten Foto ist die Frau mit der gruenen Muetze vom Legal Team, der us-amerikanischenEA-Entsprechung.}

Morgen steht der Women`s March, die radical cheerleading-Demo und derCounterprotest an.

Mehrere Reiseberichte erzaehlen von den Aktionen...

Reiseberichte: 1 | 2 | 3 | 4 | 5
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

@frager

schleimer 25.04.2004 - 15:31
es gibt für den heutigen tag in dc einen aufruf zu einem antifaschistishcen block der ara, vielleicht hilft dir der weiter:


THIS TOO SHALL NOT PASS!

CALL FOR AN ANTI-FASCIST BLOC AT THE MARCH FOR CHOICE 4/25 IN DC

Anti-Racist Action is calling for a visible antifascist bloc on April 25th in Washington DC as part of the March For Women's Lives. The climate of fear engendered in this country by the Bush administration's military agression and assult on civil liberties has created an opportunity for the forces of the right wing to consolidate their power and work together to push through an agenda which is oppressive in many ways, one of the most visible today being the assault on sexual and reproductive freedom. This calls for nothing less than total resistance, and it is critical for anti-authoritarians to make our presence felt as part of this opposition.

As anti-authoritarians and anti-fascists, we work to build strong communities of families and inclusive support networks. We come from a position where we find our attempts at strengthening our communities under attack by state regulations in many different ways. We need to stand up for what we need: full reproductive freedom, access to birth control, acceptance of adoption as a choice, support structures for having and raising children, access to affordable prenatal and birth options, and free abortion on demand. Ultimately we want to care for ourselves and we believe in taking practical steps toward that - NOW.

Our call for an antifascist bloc allows us to raise awareness of the ties between fascism and the restriction of sexual freedom. Historical fascism was much more effective in its patriarchal redefining of gender relations in the "homeland" than in its more widely publicized racist outrages, and right-wing religious and nationalist movements today, from the Taliban to the Christian Right, similarly build their power first and foremost on state power over women as a class, and state regulation and social conditioning of sexual and family relationships. Bringing up this often-overlooked connection keeps the struggles of women and sexual minorities from being marginalized.

This march, organized by mainstream and liberal feminist groups, will be the largest gathering in recent years of a broad spectrum of forces opposed to the current right-wing clampdown on sexual and reproductive freedom, and in the context of a presidential election season and ongoing legal and political battles in the fields of gay marriage and abortion rights, it will be highly significancant in its own right. While we recognize this march as an important step towards fighting for the freedom of choice, we also identify the need for a greater focus in local work. There are many steps we can take to increase our presence and impact right where we live. We need to be shutting down fake clinics,providing abortion clinic defense, creating alternative and independent groups focusing on reproductive health, supporting sexual freedom, reaching out to youth with empowering messages about sexuality and choices, reinventing the family structure and organizing opposition to anti-freedom groups/events.

The March For Womens Lives begins at 12 noon at the Mall. The antifascist bloc will meet with the Radical Cheerleaders' Bloc Potluck at 11:00 am at Stanton Park (C St. between 4th and 6th, NE). We are calling for a bloc with banners having creative antifascist, women's liberation, and "freedom without compromise" statements. We encourage everyone to bring information on the organizing work being done in your own communities to hand out at the march and rally.

See you in the streets!

Baltimore and New Jersey Anti-Racist Action  mobtownara@hotmail.com  newjerseyara@ziplip.com  http://www.antiracistaction.us

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

versteh ich nicht — nichtsversteher