Togo oder: Gärten in Berlin - Demo am 24.4.

Lotti 25.04.2004 01:56 Themen: Antirassismus
Am Samstag, den 24.4. fand im Weddinger 'Afrikanischen Viertel' in Berlin ein weitgehend unbemerkter  Mai-Stein statt, der  'Antikoloniale Spaziergang durch das 'Afrikanische Viertel'und zur Kleingartensiedlung 'Dauerkolonie Togo e.V.''.

Etwa 50 Leute trafen sich am U-Bahnhof Rehberge, und spazierten von Redebeiträgen begleitet  kurz darauf durch die Straßen rund um die von Häusern umsäumte Kleingartenanlage. Togolesen aus Berlin und verschiedenen Brandenburger Flüchtlingsheimen und vereinzelte Deutsche verblüfften die AnwohnerInnen mit Redebeiträgen zur Straßennamen des Viertels, zur Geschichte der Kleingartenkolonie und zur aktuellen politischen Lage in Togo und den Abschiebungen aus der BRD dorthin und mit afrikanischer Musik.
Foto: Umbruch Bildarchiv

Eine Mitarbeiterin der Berliner Zeitung hatte den Weg zur Demo gefunden- wir dürfen auf die Ausgabe von Montag gespannt sein.
Auch der Vorsitzende des Kleingartenvereins war gekommen, um seiner Besorgnis Ausdruck zu verleihen, der Name der Gartenanlage könne als politisch gemeint missverstanden werden. Die Anlage sei ja nur so benannt worden, weil die (Togo-)Strasse schon so hieß. Dass die Umbenennung der ehemals "Zurfröhlichen Rehberge" benannten Gärten 1939 in 'Dauerkolonie Togoe.V.'  möglicherweise einen politischen Hintergrund habe, der zumindestlohne, hinterfragt zu werden, war ihm sichtlich unangenehm.

Nichtsdestotrotz setzte sich die kleine aber feine Demo bald in Bewegung und legte unterwegs einige 'Denksteine' ab, um  der Opfer der Kolonialisierungzu gedenken und auch die heutige Situation mit Strassennamen in Verbindung zu bringen, die offenbar kaum jemandem ein Problem bereiten (siehe unten).

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Foto: Umbruch Bildarchiv


Folgenden Redebeiträge wurden unterwegs gehalten - die Reaktionen der PassantInnen und AnwohnerInnen variierten erwartungsgemäß zwischen Ablehnung und freundlichem Interesse :

Im Rahmen der Kampagne gegen die Diktatur in Togo und die deutsche Abschiebepolitik demonstrieren wir hier im Afrikanischen Viertel Berlins  vor der „Dauerkolonie TOGO e.V.“

Nicht nur für togoische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist es äußerst befremdlich, dass Togo, ein seit 1960 offiziell unabhängiges Land, hier als „Dauerkolonie“ bezeichnet wird. „Dauerkolonie Togo“ - wir fordern die Änderung dieses Namens, der im Zusammenhang mitumliegenden Straßen wie Nachtigalplatz oder Petersallee nur kolonial verstanden werden kann.

Gustav Hermann Nachtigal war ein Wegbereiter des deutschen Kolonialismus und hisste 1884, vor genau 120 Jahren, in Togo und in Kamerun die deutsche Flagge! Dr. Carl Peters war ein Psychopath, der durch Betrug Ländereien in Ostafrika erwarb!

Die Folgen der Kolonialisierung machen sich noch immer in diesen Ländern bemerkbar. Die Abhängigkeiten bestehen fort: Europa konsumiert, Afrika produziert. Afrika baut den Kaffee an, Afrika liefert Gold, Öl, Phosphatusw.
Die Ignoranz gegenüber der kolonialen Vergangenheit setzt sich fort in der Ignoranz gegenüber der aktuellen Situation togoischer AsylbewerberInnen und Flüchtlinge in der BRD. Sie sind hier, weil wir ihre Länder zerstört haben und weiter zerstören! Deutsche führen noch immerflorierende Unternehmen in Togo! Und die vor der Gewalt der Diktatur Flüchtendendürfen hier nicht arbeiten, nicht reisen, nicht sein!?

Wir fordern den Stop aller Abschiebungen nach Togo und in andere Verfolgerstaaten!
Keine Kollaboration mit der Diktatur in Togo!
Schließung aller Abschiebeknäste!
Umbenennung kolonialer Namen! Umdenken kolonialer Strukturen!


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Die Militärdiktatur in Togo ist die älteste Diktatur in Afrika. Diktator Gnassingbé Eyadema ist auch der dienstälteste Diktator Afrikas. Anfang Juni 2003 wurde er durch Wahlbetrug für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt.

Seit 36 Jahren hält sich der Militärdiktator durch Terror undbrutale Unterdrückung der Bevölkerung an der Macht. Das Land Togowurde in dieser Zeit an den Rand des sozialen und wirtschaftlichen Ruinsgeführt. Ein Viertel der Staatsausgaben wird für die Armee ausgegeben.Misswirtschaft und Korruption finden sich im ganzen Land. 1990 erhob sichdie Bevölkerung Togos mit der Forderung nach Demokratie. Eyadema verübteein schonungsloses Massaker an der Bevölkerung. Seitdem wird jede Artvon Opposition unterdrückt.

Die Präsidentschaftswahlen vom Juni 2003 schlossen Oppositionspolitiker  von vornherein aus.  Obwohl die UNO und die EU wegen der offensichtlichen Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Wahlen schon garnicht erst Wahlbeobachter schickten, hält sich die Kritik seitens dereuropäischen Regierungen am Regime in Togo in Grenzen.
Von 1884 bis 1920 war Togo deutsche Kolonie, danach französische Kolonie. Bis heute wirken koloniale Strukturen fort. Die wichtigste Exportware Togos ist Phosphor. Die Diktatur ermöglicht den Abbau und die erste Verarbeitung von Phosphat zu konkurrenzlos günstigen Bedingungen.

Das Interesse europäischer Regierungen und Konzerne an billigen Rohstoffquellen und billiger Arbeitskraft ist nicht der einzige Aspekt für die Aufrechterhaltung dieser neokolonialen Ordnung. Togo unter General Eyadema ist einer der wichtigsten Umschlagplätze von Waffen. Abgeschirmt von störender Öffentlichkeit werden sie von Togo aus in alle Konfliktzonen Westafrikas geliefert.

Die deutsche Regierung und insbesondere der Außenminister Fischerkollaborieren mit der Diktatur Eyademas. Das Auswärtige Amt, dessenoberster Dienstherr Außenminister Joschka Fischer ist, liefert Falschinformationenin seinen aktuellen Lageberichten an die Verwaltungsgerichte. Diese Gerichteurteilen über die Abschiebungen. Das Auswärtige Amt leugnet dieVerfolgungs- und Gefahrensituation für oppositionelle Flüchtlingeaus Togo. Die deutsche Regierung verletzt systematisch und bewusst dieMenschenrechte und liefert Regimegegner in die Hände ihrer Mörderin Togo aus.

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Foto: Umbruch Bildarchiv


Das Afrikanische Viertel

Wir befinden uns hier im Afrikanischen Viertel in Berlin, in dem 23 Straßennamen an die koloniale Vergangenheit Deutschlands erinnern. Der Ursprung dieser Namensgebungen lag in der Kolonialbegeisterung Ende des 19. Jahrhunderts, die einen ersten Höhepunkt in der Kolonialausstellung 1896 in Berlin fand. 1899 weihte Kaiser Wilhelm II. persönlich mit großem Pomp die ersten beiden Straßen ein: Die Togostraße, auf der wir gerade gehen, und die Kameruner Straße – 15 Jahre nach der Besetzung Togos und Kameruns durch die deutsche Kolonialmacht.

Die meisten Straßen erhielten bis 1914 geographisch orientierte Namen aus den damaligen deutschen Kolonien. Zum Beispiel die Otawistraße, durch die wir soeben gekommen sind. Sie ist nach einer Stadt im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, benannt, die als Endhaltestelle der kolonialen Eisenbahn große Bedeutung hatte.

Andere Straßen oder Plätze wurden Personen der deutschen Kolonialgeschichte gewidmet, wie beispielsweise die Lüderitzstraße, die wir vor ein paar Minuten passiert haben. Sie ist nach dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz benannt. Er finanzierte den ersten betrügerischen Landkauf, der das Kerngebiet der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika umschloss. Oder zum Beispiel der Nachtigalplatz, an den wir jetzt gleich kommen werden. Dieser Platz ist Gustav Hermann Nachtigal gewidmet, der Sonderbeauftragter des Deutschen Kaiserreichs war. Er erzwang die sogenannten Schutzverträge für Togo und Kamerun – teils durch Betrug, teils durch militärische Mittel, die sogenannte Kanonenbootdiplomatie.

Der Name „Afrikanisches Viertel“ geht ursprünglich auf Pläne des Hamburger Tierparkbesitzers Carl Hagenbeck zurück. Hagenbeck erregte in dieser Zeit mit seinen Völkerschauen, bei denen er Menschen aus anderen Kulturen im Zoo ausstellte, großes Aufsehen. Hier wollte er in der Dünenlandschaft der Rehberge einen exotischen Park anlegen, in dem er neben afrikanischen Tieren auch afrikanische Menschen dauerhaft ausstellen wollte. Der Erste Weltkrieg war das Ende dieser Pläne, der Name blieb.

Obwohl dem Deutschen Reich im Versailler Vertrag die Kolonien aberkanntworden waren, wurden 1927 erneut Straßen des Afrikanischen Viertelsim kolonialen Geist benannt. Es gibt zum Beispiel eine Tangastraße.Tanga war zu dieser Zeit die wichtigste Hafenstadt für deutsche Farmerdes Usambaragebietes im Osten der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, demheutigen Tansania.

Während des Nationalsozialismus’ bekam die Kolonialbewegung neuen Auftrieb: So wurde 1939 die Petersallee eingeweiht. Dr. Carl Peters, von den Nazis als Kolonialheld gefeiert, hatte durch Gewalt und Betrug Verträge im Osten Afrikas erpresst und damit den Grundstein für die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika gelegt. Der Sadismus, mit dem er afrikanische Menschen behandelte, trug ihm den Spitznamen Hänge-Peters ein – er pflegte die Menschen hängen zu lassen, die ihm nicht passten.

Ebenfalls 1939 wurde die Kleingartensiedlung in der Mitte des Viertels umbenannt. Sie erhielt den Namen Togo.
Besonders hier im afrikanischen Viertel tut sich das Problem der Vergangenheitsbewältigung auf. Schon 1946 gab es erste Bemühungen, Straßen umzubenennen. Ohne Erfolg! In den 1980er Jahren wurde versucht, der Petersallee einen neuen Namen zu geben. Zur Auswahl standen Namen afrikanischer Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart, z.B. Samuel Maherero oder Nelson Mandela. Streitigkeiten im Berliner Parlament führten schließlich dazu, dass aus der Petersallee für Carl Peters 1987 eine Petersallee für Hans Peters, einen weitgehend unbekannten Stadtverordneten, gemacht wurde.

Bis heute gibt es in Berlin keine Straße und keinen Platz zur Erinnerung an afrikanische Persönlichkeiten, die für ihre staatliche Unabhängigkeit oder gegen den deutschen Kolonialismus gekämpft haben.


Hintergrund zum Thema und zur Anticolonial Africa Conference findet sich auch im Feature "Dauerkolonie Togo e.V." - Deutsche Kolonialgeschichte in Berlin.
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Ergänzungen

Berliner Presse am 26.4.

Lotti 26.04.2004 - 15:18
Zwei Artikel sind am Montag erschienen, in den Lokalteilen der taz und der Berliner Zeitung.

Die taz hat eine kurze, sachliche Meldung:

Antikolonialer Spaziergang

Am Samstag beteiligten sich rund 60 TeilnehmerInnen an einem antikolonialen Spaziergang durch das "Afrikanische Viertel" und die Kleingartensiedlung "Dauerkolonie Togo e.V." im Stadtteil Wedding. Organisiert wurde die Aktion von der "Anticolonial Africa Conference Berlin 2004", einem Bündnis von in Deutschland lebenden Menschen afrikanischer Herkunft und antirassistischen Initiativen. "Im Afrikanischen Viertel erinnern 23 Straßennamen an diese koloniale Vergangenheit", hieß es in einem Redebeitrag des Bündnisses. Neben ehemaligen deutschen Kolonien wie Togo und Kamerun sind auch führende Kolonialoffiziere oder -beamte wie Lüderitz, Nachtigall und Peters dort auf Straßennamen verewigt. Für den 11.November 2004 ist eine internationale Konferenz zum deutschen Kolonialismus in Berlin geplant. TAZ

taz Berlin lokal Nr. 7343 vom 26.4.2004, Seite 22, 29 Zeilen (TAZ-Bericht)

 http://www.taz.de/pt/2004/04/26/a0270.nf/text .


Die Journalistin der Berliner Zeitung, die sich offenbar nicht wenig mit dem Thema beschäftigt hatte, nutzte die halbe Seite auf Seite 3 des Lokalteils (mit Bildern) dann dazu, die Demo-TeilnehmerInnen als leider des Deutschen nicht ganz Mächtige oder sonstwie ideologisch verirrte Geister darzustellen. Immerhin war der Kleingartenvereinsvorsitzende erst durch ihren Anruf auf die Demo aufmerksam geworden und sie hatte zu Beginn der Demo ja auch eifrig mitdiskutiert. So fand sie etwa, dass eine Frage danach, ob denn eine Umbenennung im Jahr '39 den KleingärtnerInnen nicht zu denken gebe, so an den Haaren herbeigezogen, dass sie ihre sicherlich sonst hochgehaltene journalistische 'Objektivität' mal kurz über den Haufen warf und die Frage schon unzulässig fand.

Schade, dass sie die Argumente (siehe Redebeiträge oben) wohl gar nicht erst zur Kenntnis genommen hat.

Äpfel aus Togo

Darf eine Kleingartenanlage auch Kolonie heißen? Im Wedding wurde am Wochenende heftig darüber diskutiert

Claudia Fuchs


Hätte jemand Peter Ehrenberg erzählt, dass es eines Tages Protest geben würde gegen den Namen seiner Kleingartenanlage - Ehrenberg hätte wohl verständnislos den Kopf geschüttelt. Nun steht der Weddinger Kleingärtner an der Müllerstraße und schaut in das Gesicht eines energisch gestikulierenden dunkelhäutigen Mannes. "Togo ist seit 40 Jahren unabhängig", sagt dieser gerade. "Warum heißen Sie Dauerkolonie Togo?" Ehrenberg schüttelt den Kopf: "Kolonie hat mit Kolonialismus doch nichts zu tun."

Es ist Sonnabend, zwölf Uhr Mittags und der Wind bläst tief hängende Wolken über den Wedding. Am Eingang zum U-Bahnhof Rehberge wird eine Diskussion über die Kleingartenanlage Togo geführt, die man wohl nur absurd nennen kann. Die Anlage heißt ganz offiziell "Dauerkolonie Togo" - und genau deshalb stehen nun 50 Leute dort und protestieren. Die Mehrheit sind Flüchtlinge, die aus Togo stammen. "Das ganze Viertel hier trägt koloniale Züge", sagt eine hellhäutige Frau.

In gewisser Weise hat sie Recht: Das afrikanische Viertel, in dem die Kolonie liegt, bekam seinen Namen Ende des 19. Jahrhunderts - als Deutschland in Afrika Kolonien besaß. Eine Togostraße entstand, eine Transvaalstraße, eine Sansibar- und eine Ghanastraße. Die Kleingartenanlage wurde jedoch erst ein paar Jahre später gegründet - zunächst unter dem Namen "Zur fröhlichen Rehberge". Später bekam sie den Status "Dauerkolonie" und wurde 1939 nach der angrenzenden Togostraße umbenannt.

Genau das versucht Peter Ehrenberg den Protestierenden an der Müllerstraße zum wiederholten Male klar zu machen. "Sie müssen unsere Begriffe verstehen", bittet der untersetzte Mann, "das Wort Dauerkolonie ist eine Frage des Baurechts. Wir sind völlig unpolitisch." Dann referiert er ein bisschen über die Urbar-Machung von Land und das Baurecht. Doch die Demonstranten wollen nicht über deutsches Baurecht reden, sondern über deutsches Unrecht. Darüber, dass die Behörden Flüchtlinge nach Togo abgeschieben wollen, wo ihnen nach dem Leben getrachtet wird. Und darüber, dass der Name "Dauerkolonie Togo" eigentlich eine Zumutung ist. "Wir fordern die Umbenennung der Kleingartenanlage", sagt jemand in ein Mikrofon.

20 Minuten später umrundet der kleine Demonstationszug die Kleingartenlage, ein paar Lieder erschallen und eine Frau erinnert an die deutsche Kolonialpolitik. In die Dauerkolonie Togo setzen sie keinen Fuß. "Das wollten wir nicht", sagt eine Demonstrantin.

Hätten sie die Anlage betreten, wären sie vielleicht dort gelandet, wo Gerhard Schröder im Jahr 2000 saß, als er mit dem höchsten Preis der Berliner Kleingärtner ausgezeichnet wurde. Damals, als der Name Dauerkolonie nur mit Kleingärtnern zu tun hatte und nicht mit der deutschen Kolonialzeit. Der Kanzler fand die Anlage Togo sogar so unverfänglich, dass er in Peter Ehrenbergs Parzelle einen Apfelbaum pflanzte. Der wächst und gedeiht - und Ehrenberg hat kürzlich zwei Äpfel an den Kanzler geschickt.

 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/335767.html

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