"unhappy birthday Party" zum 60. des IWF in Washington DC

washington dc action broadcasting traveller vol.I 24.04.2004 22:15 Themen: Globalisierung Weltweit
Bei schoenstem Urlaubswetter fand heute die erste der Aktionen vor demGipfel von Internationalem Währungsfond (IWF) und Weltbank in Washington-DC statt. Sowas wie ein politischer Reisebericht.


Um auf die am Samstag stattfindenden Aktionen gegen den "Geburtstags"-Gipfelzum 60jaehrigen bestehen von IWF und Weltbank hinzuweisen, fand direkt vor dem Sitz der Weltbank eine "unhappy birthday party" statt. Die Mobilisierung selbst scheint allerdings etwas schleppend zu laufen, was mehrere Gründe hat. Der grosse Ausnahmecharakter will nicht mehr aufkommen bei einem Ereignis, dass hier in Washington jedes Jahr stattfindet. Die Bewegung hat seit dem 11.September 2001 sowieso mit verschärfter Repression und fehlendem Raum fuer ihre Inhalte und Themen in der Öffentlichkeit zu kämpfen. Ausserdem gehen die Aktionen gegen den Gipfel,die in dennächsten tagen noch eine "critical mass"-fahrraddemo und öffentlicheFilmvorführungen (so gen.: "public screenings" [anm. d. Empfängers]) bringen werden, bevor am Samtag eine grosse Demo, eine Cacerolazo, also eine "Kochtopfdemo" nach Argentinischem Vorbild, einFestival und eine Aktion zivilen Ungehorsams stattfinden werden, ein wenig verloren unter der Mobilisierung zum eigentlichen grossen Ereignis an diesem Wochenende.


aufruf zur "Kochtopfdemo"

Seit über einem Jahr haben alle grossen feministischen Gruppen der USA zueinem "pro-chioce-march" aufgerufen, einer Demo für dasSelbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper. Erwartet werdenzwischen 500.000 und einer Million TeilnehmerInnen, denn dieBush-Administration hat das bestehende Abtreibungsgesetz dahingehend geändert, dass Abtreibungen jetzt nur noch zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt legal sind. "radical cheer dc" , die zueinem Antiautoritären, Queeren, black/pink-silver-Block innerhalb derliberalen Demo aufrufen, befürchten in ihrem "call to action", dass auf lange sicht Frauen der Zugang zu sicheren Abtreibungen rechtlich verbaut werden soll. Das würde den christlich-reaktionaeren Gruppen gefallen, die auch am Sonntag wieder mit grossformatigen Fotos von abgetriebenen Föten gegendemonstrieren werden. Davon in den nächsten Tagen mehr...

Zurueck zur Geburtstagsparty. Der Sitz der Weltbank sieht wirklich aus, wie Mensch sich ihn vorstellt. Ein riesiger Klumpen aus Beton und Glas, bewacht von finster dreinschauenden sonnenbebrillten Bullen und elegant herumhängenden Weltbank-fuzzis, die sich ihre Mittagspause damit vertreiben, den komischen demonstrantInnen beim sich aufregen zuzugucken. Etwa 100 von denen haben sich auf der gegenüberliegenden Strassenseite versammelt, um zum 60.Geburtstag von IWF und Weltbank zu erklären, dass es absolut keinen Grund zum feiern gibt, welche desaströse und katastrophale folgen die Politik von IWF und Weltbank in der ganzen Welt immer noch hat und dass es das beste wäre, sie ein fuer alle mal abzuschaffen. Organisiert wird das hearing von jubilee-USA, dem US-Amerikanischen arm von jubilee2000, welche sich hauptsächlich fuer eine Streichung der Schulden für Länder des Südens einsetzt. Und darum geht es dann auch die nächsten drei Stunden. Es geht um die Strukturanpassungsprogramme, die die Länder des Südens dazu zwingen, die Weltbank/Politik von Privatisierung und Subventionstreichung zuverfolgen und damit dazu, keine Gelder mehr in das Gesundheitssystem und die Bildung zu stecken. Es geht um den Zwang, die Schulden zu bezahlen, die durch die Kredite von IWF und Weltbank entstehen, und darum, dass dadurch Gelder fehlen, die in die sozialen Sicherungssysteme (was für ein furchtbares wort) fliessen könnten. Es geht um dem undemokratischen Charakter dieser Institutionen, die vonniemandem gewählt und von niemandem kontrolliert sind. Hier endet dieKritik auch schon. Und wenn diese Kritik hier endet, dann können auch die forderungen nicht viel weiter reichen. Neben der forderung nach Streichung der Schulden dominiert der Slogan "more world - less bank". Was diese Welt auch nur mit einem bisschen IWF und Weltbank anfangen soll, bleibt schleierhaft. Genauso wie die Gründe schleierhaft bleiben, die Motivation für IWF und Weltbank, so zu handeln, wie sie handeln. "IMF is the devil - Worldbank is the devil!" reicht da wohl eher nicht aus. Die beiden Institutionen scheinen an diesem Mittag auf einer Verkehrsinsel gegenüber des sitzes der Weltbank wie zwei Monster, die aus schierer bosheit Menschen böses antun und auch schlicht nicht wissen, was sie da tun. Dass IWF und Weltbank innerhalb eines ganz bestimmten und bestimmenden systems agieren, dass -wenn das von einem System so gesagt werden kann- genau weiss, was es tut, naemlich dem kapitalistischen, sagt hier heute niemand. Vielleichtdenken es ja zumindest einige...



Es folgen diverse RednerInnen, darunter eine Vertreterin der "Mütter derplaza mayo", die ihre Rede mit "they should shut it down!" schliesst, während ein Obdachloser wahrscheinlich den schnorr-erfolg seines Lebens hat, unter all den weissen MittelschichtlerInnen, die hier heute für globale gerechtigkeit demonstrieren. Nun ist wieder einer der Slogan-Vorbeter an der Reihe, er hat sich etwas ganz besonderes ausgedacht:

"exploitation and starvation
won`t be solved by corporations
get off it - that`s bush-shit!
the enemy is profit!"


Und schon wieder läuft der Mensch an mir vorbei, dessen Aufnäher mich an das Plakat im Anarchist Infoshop erinnert, auf dem Szenen aus demisrael-palaestina-Konflikt unter der Überschrift "what Ariel Sharon has learned from the holocaust" gezeigt werden. Dieser Mensch hat ein Stück aus einem Palituch in der dreiecks-form der Erkennungszeichen der KZ-Kleidung auf seine Tasche genäht. So manche Szene hier könnte anscheinend ein care-paket antideutscher Ideologie ganz gut gebrauchen?

Nichtsdestotrotz werden 11.000 eine totale Schuldenstreichung verlangende Unterschriften einer Delegation der Weltbank überreicht, die auch in guter Weltbank-Manier freundlich gespräche anbietet - talk is cheap. Die geplante abschliessende Demo zum US-Treasury Departement wird wegen des heissen Wetters abgesagt, oder doch eher, weil nur noch 50 Leute anwesendsind? So oder so lassen es sich die Bullen nicht nehmen, mit riesigem Geheul grossem Korso eine halbe Runde um den Platz zu fahren und irgendwo in Washington-DC zu verschwinden.

Das war es auch schon für heute, morgen steht die critical mass an. Und am Samstag die Demo. Ob vielleicht doch mehr Leute kommen als von den Menschen hier erwartet? Jedenfalls habe ich eben einen Menschen getroffen, der gerade mit einem Zug aus Austin (Texas) hierhergetrampt kam?

Mehrere Reiseberichte erzaehlen von den Aktionen...

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