Von Köln bis Berlin: Proteste vereinnahmt

Ein Sommer macht noch keinen Frühling! 06.04.2004 17:15 Themen: Soziale Kämpfe
Das moderne Management von Attac ist das leuchtendste Beispiel für die seit einigen Jahren prägende Form der Dominanz in politischen Bewegungen - der instrumentellen Herrschaft. Die Proteste am 3. April zeigen das Gesicht solcher Vereinnahmung sehr deutlich. Daher lohnt ein genauerer Blick auf die Geschehnisse, Strategien der Vorbereitung und der öffentlichen Darstellung. Die Geschichtsschreibung beginnt mit dem Blick auf den Typus instrumenteller Herrschaft am Beispiel Attac - ohne zu behaupten, nur Attac wäre so organisiert. Der 3. April hat ebenfalls Parallelen, z.B. lohnt ein Blick zurück auf dem 14.9.2002 in Köln.
1. Instrumentelle Herrschaft
Attac hat sich in der Gründungsphase als "Organisation neuen Typs" bezeichnet. Gemeint war damit die Mischung aus einer breiten, vielfältigen Basis und handlungsfähigen bundesweiten Strukturen. Bisher waren politische Verbände und Gruppen hierarchisch aufgebaut. Netzwerke dagegen verfügten (zumindest scheinbar) über keine zentralen Gremien. Mit der Herrschaftsform der Instrumentalisierung ist Attac erstmals in einem großen Verband die Verknüpfung beider Elemente gelungen - offenes Netzwerk plus handlungsfähige Zentrale.
Instrumentelle Herrschaft übt keine direkte Befehlsgewalt aus. Es bedarf gar keines Kontaktes zur Basis außer dem Wissen, dass es sie gibt. Die Attac-Basisgruppen sind unabhängig von den zentralen Gremien. Das macht ihre Aktionen und Positionen bunter als in anderen Verbänden. Manche Basisgruppen sind linkspopulistisch, viele marxistisch geprägt, andere von Parteien wie der PDS, der SPD oder Grünen dominiert. Einige haben pazifistische Schwerpunkt, andere argumentieren bürgerlich-demokratisch, manche gehören rechten Strömungen an. Das ist möglich, weil für die Medienpolitik und das öffentliche Auftreten von Attac die Positionen der Basis nicht wichtig sind. Die zentralen Attac-Forderungen sind nie breit diskutiert, geschweige denn abgestimmt worden. Das politische Programm stammt aus der Retorte, wurde in Gründungsphase von den wenigen Personen des Koordinierungskreises und den am Aufbau von Attac beteiligten Medien geformt und ist seitdem nur um einige aktuelle Aspekte ergänzt worden. Die Handlungsmacht dazu haben heute die Medienstars wie Sven Giegold oder Peter Wahl - international vor allem Susan George und Ignacio Ramonet. Keine Basis kann sie kontrollieren oder gar auf eine Verbandslinie einschwören. Ihr Wort ist die Meinung von Attac, denn was von Attac nach außen und zur eigenen Basis durchdringt, steht in Zeitungen wie taz, Frankfurter Rundschau, Spiegel oder Junge Welt. Mit der Anti-Kriegs-Kampagne "Resist" wiederholten die StrategInnen von Attac dieses Meisterstück. Sie schufen in kleinen Runden Profil und Positionen, bevor dann über den Medienhype die Basis zum bereits bestehenden Projekt entstand und wenige Personen über die "Marke" Resist immer wieder als Sprachrohr der Friedensbewegung agieren konnte.

2. "Oben" und "unten" neu ausgerichtet
Bisherige Hierarchien setzt den Kontakt zwischen "Oben" und "Unten" voraus. Es gibt formalisierte oder informelle Regeln, wie sich Interessen durchsetzen - auch gegen den Willen anderer. Es gibt Unterschiede darin, wer was "zu sagen" hat, wer welchen Zugang zu Wissen, materiellen und finanziellen Ressourcen hat usw. Es gibt aber ebenso Regeln, wie sich Positionen von unten nach oben durchsetzen lassen, z.B. über Anträge auf Mitgliederversammlungen.
Instrumentelle Herrschaft kommt ohne den direkten Kontakt aus. Allein die Existenz einer Basis reicht. Instrumentalisierung bedeutet, die Existenz und die Tätigkeit der "Beherrschten" für sich zu nutzen, sie abzuschöpfen und nach eigenen Interessen umzulenken. Die Führungsgremien von Attac benutzen die breite Basis, die steigenden Mitgliedszahlen, den Flair des offenen und umfassenden Bündnisses für ihre Interessen. Sie reden im Namen von Attac, sie machen Politik als Attac. Eine Handvoll Personen "ist" Attac. Denn Attac ist das Produkt der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Für die politische Wirkung sind die Basisgruppen, ihre Aktionen und Positionen völlig unbedeutend. Selbst in den regionalen Tageszeitungen sind in der Regel die Inhalte und Aussagen der Attac-Bundesführung öfter zu finden als die Aktivitäten der örtlichen Gruppe.
Weil die Basisgruppen von ihrer Führung nicht direkt in bestimmte Richtungen gedrängt werden, nehmen sie die Beherrschung im Verband kaum wahr. So erklärt sich, warum die Kritik an der Struktur kaum benannt und Kritik von außen auch von den Basis-AktivistInnen oft zugewiesen wurde. Was aus dem Bundesbüro kam, war nett, bunt und offen. Es gab Empfehlungen, was mensch tun konnte. Manches war mitreißend formuliert, so dass schon deshalb viele mitmachten. Der Zwangscharakter entstand nicht über eine direkte Aufforderung zum Mitmachen, sondern die Attac-Führung steuerte die politische Außenvermittlung und die Akzeptanz von Kampagnen über die Medien. Attac-Mitglieder und -Aktive erfuhren wie andere Menschen auch aus den Medien, was als neues Thema angesagt war und welche Aktionen laufen sollten. Das hatte Zugkraft, wurde aber nicht als Dominanz wahrgenommen. Die Attac-Führung sprach im Namen der bunten Basis, ohne sie zu konsultieren. Die Positionen und Kampagnen entstanden in kleinen Runden. Sie wurden dann professionell aufbereitet und präsentiert.
Mit einer solchen Politik "instrumentalisiert" die Attac-Führung seine Mitglieder, AktivistInnen und Basisgruppen. Das Ganze wurde als "Organisierung neuen Typs" mythologisiert. Wo gar keine Basisbeteiligung stattgefunden hat, suggerieren die Worte der Führungsgruppe eine Breite der Entscheidungen. Vermeldet wurden sogar Ausgrenzungen über die Medien - wie vom Spiegel im Bericht zum Attac-Kongreß 2001: "Unvermeidlich waren von den Autonomen bis zu den Trotzkisten alle alt-linken Gruppen und Grüppchen vertreten, zumeist mit lautstarken Rednern. Gegen deren Forderung nach Radikalisierung setzten Giegold und seine Mitstreiter ihr Konzept der ?wirklich innovativen' Netzwerk-Organisation: Außer Neo-Nazis und Gewalttätern solle jedermann mitarbeiten dürfen. Unter dem Rubrum attac könnten gleichwohl nur jene ?Kernforderungen' firmieren, die ?in jahrelanger Arbeit international unter Hunderten von Initiativen' abgestimmt seien".1 Dass Attac Deutschland zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate existierte, fällt bei solchen Worten nicht mehr auf.

3. Vorläufer instrumenteller Herrschaft: Castor, Demos & Co.
Die Vereinnahmungstaktik von Attac ist nicht neu, aber erstmals in einer großen NGO und dauerhaft so umgesetzt. Beim Widerstand gegen den Castor hat kein Verband und kein Führungsgremium die Chance, die Vielzahl bunter Aktionen zu kontrollieren. Befehle oder Beschlüsse, wer was tun solle, erfolgen nicht oder nur innerhalb der Gruppen und Verbände. Dennoch waren es immer nur wenige, im Wendland nur drei Personen, die gegenüber den Medien in Interviews und Pressemitteilungen die politischen Ziele der Aktionen vermittelten - ohne selbst dabei zu sein. Diese instrumentelle Herrschaft, Aktionen anderer ohne deren Einverständnis zur Präsentation eigener Positionen zu nutzen wurde verstärkt dadurch, dass die meisten AktivistInnen ihre Handlungen kaum oder gar nicht nach außen vermitteln wollten oder konnten. Die drei Pressesprecher redeten dagegen im "Wir"-Stil und ständig für die Anti-Atom-Bewegung.
Bei großen Demos, Camps oder Aktionstagen ergibt sich ein ähnliches Bild. Hier treten RednerInnen oder PressesprecherInnen oft im Namen aller auf, sprechen von "wir" bei der Beschreibung von Aktionen und Zielen. Vielfach nutzen sie diese instrumentelle Herrschaft auch zur Steuerung von Aktionsformen, in dem sie nicht mehr im direkten Verhältnis (Entscheidungsverfahren, Versammlungen, direkte Anweisungen), sondern über die Presse bis hin zu den Kooperationsgesprächen mit Unterstützergruppen oder gar der Polizei formulieren, was alles dazugehört bzw. erwünscht ist und was nicht.

4. Sozialproteste vereinnahmen, zum ersten: 14.9.2002 in Köln
Die Methoden gleichen sich: Die Vereinnahmung entsteht über die Medien, Slogans wie das "ungewöhnlich breites Spektrum gesellschaftlicher Kräfte"2 oder "Geburtsstunde einer mächtigen sozialen Bewegung"3 bis zum Aufrufen und Reden immer derselben Führungspersonen aus den zu vereinnahmenden Teilen von Bewegung. Die Aktionen sind stark populistisch ausgerichtet, sie haben Volksfestcharakter, inhaltliche Positionen und konkrete Ankündigungen von widerständigem Protest (Aneignung, Streik, Blockaden, Verweigerung usw.) unterbleiben weitgehend.
Der Aktionstag von Attac und Gewerkschaftsjugendverbänden am 14.9.2002 im Vorfeld der Bundestagswahl lebte sehr stark von diesem Gefühl, jetzt eine große Einheit zu bilden. Das verdeckte eine kritische Sicht, dass hier vor allem der Event im Vordergrund stand, politische Positionen verlorengingen und die Eliten als RednerInnen und auf den Pressekonferenzen ein buntes Backgroundbild auf der Straße brauchten, um als gewichtige FührerInnen zu wirken (ähnlich wie die Organisationsstruktur des Weltsozialforums in Porto Alegre, siehe oben). Verschiedene Teile von Bewegung wurden über Aufrufe einflussreicher Personen mitaufgerufen - selbst wenn nur wenige kamen, wurde in den Medien ihr Mittragen des Aktionstages benannt. So entstand der Eindruck eines breiten Bündnisses. Als Beispiel kann die Anti-Atom-Bewegung dienen. Als prominenter Vertreter vor allem gegenüber Medien war in den Jahren zuvor Jochen Stay aufgetreten. Er ist seid Jahren Funktionär in den von der kleinen Gruppe in Verden4 aus gegründeten Bewegungsstiftung und erhält von dieser auch eine monatliche Bezahlung für seine politische Arbeit. Jochen Stay warb auf Anti-Atom-Treffen für die Teilnahme am 14.9.2002 und verteidigte Attac sowie den Aktionstag gegen die schon vorher vorgetragene Kritik der Staatsnähe und des Populismus (z.B. auf dem Sommercamp im Wendland 2002).

5. Sozialproteste vereinnahmen, zum zweiten: 3.4.2004 in Berlin, Stuttgart, Köln
Prägnanter waren die Abläufe rund um die seit Herbst 2003 zunehmenden Sozialproteste. Dabei zeigte Attac einen perfekten Spagat. Einerseits vermittelte Attac in den Medien das Bild einer sich einenden, starken sozialen Bewegung, andererseits kämpfte Attac innerhalb der Vorbereitungsbündnisse um eine Annäherung an die schwerfälligen und regierungsnahen Gewerkschaften sowie eine Ausgrenzung radikaler Positionen und Gruppen. Um diesen Widerspruch überdecken zu können, positionierte sich Attac mal als Spitze der sozialen Bewegungen an der Seite der Gewerkschaften, ein anderes Mal als wichtigster Gegenpol. Die Medien halfen dabei. "Spannungen vor dem Aktionstag" hieß ein Text in der FR5, in dem geschildert wird, wie Attac gegen einigen Widerstand eigene RednerInnen durchsetzen konnte. Zur RednerInnenliste der Demonstration in Köln am 3.4.2004, in der lange Zeit keine Person aus staatskritischen Basisbewegungen zu finden waren, sondern ausschließlich Gewerkschafts-, Kirchen-, AStA- und Attac-VertreterInnen sowie der ehemalige CDU-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, sagte die von Attac vorgesehene Astrid Kraus: "Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein derartig breites Bündnis schon einmal gegeben hat"6. Die sozialen Bewegungen waren nach ihrer Auffassung bereits durch Attac vertreten.
Attac wird so zum Hoffnungsträger und zur Speerspitze sozialer Bewegungen gemacht. Malte Kreutzfeldt sieht in diesem mühseligen Durchdrücken eigener RednerInnen gegen den DGB sogar einen Erfolg: "Die Tatsache aber, dass am Samstag Menschen wie Rainer Roth oder Peter Grottian neben Vertretern von Attac auf den Kundgebungen sprechen konnten, zeigt doch, dass die Gewerkschaften einen gewaltigen Schritt gemacht haben ... Das hilft über das eine oder andere Manko hinweg".7 Dieser Satz beinhaltet gleich mehrere manipulative Aussagen: Zum ersten ist es eine Selbstverständlichkeit, dass bei einer Bündnis-Demonstration nicht nur eine Gruppe die RednerInnen stellt. Zum zweiten sind die Positionen von Attac innerhalb sozialer Bewegung diejenigen, die den Gewerkschaften am nächsten stehen. Auf dem Vorbereitungskongress für die Demonstrationen in Frankfurt wurden die Attac-Sprecher Wahl und Rätz von der überwältigen Mehrheit der Anwesenden ausgebuht und schließlich am Reden gehindert, als sie mehr Rücksicht auf die Gewerkschaftsführung einforderten. Die Dominanz von Attac im Vorfeld der Demonstrationen innerhalb der unabhängigen sozialen Bewegungen sowie die Dominanz der Gewerkschaften in der gesamten Vorbereitung prägte die Inhalte und Aktionsformen in Richtung Volksfest mit sanfter Protestkultur - angesichts der massiven Einschnitte in der Sozialpolitik eher eine Befriedungsstrategie. Der Protest kanalisiert sich in wenige große Ereignisse, die vollständig unter der Kontrolle staatstragender, von den Medien unterstützter Groß-Organisationen steht. Attac vertritt die sozialen Bewegungen gegenüber den Gewerkschaften und die Gewerkschaften gegenüber den sozialen Bewegungen - eine zwar ständig konfliktbeladene, aber hinsichtlich der medialen Vermittlungsmöglichkeiten (instrumentelle Herrschaft) optimale Funktion. Eine Mitschuld tragen viele unabhängige Gruppen, die trotz der vorhandenen Kritik an dieser Organisierung am Rockzipfel der Großen hängenblieben und ihre abweichenden Positionen höchstens durch eigene Blöcke auf der Demonstration kundtaten, was der Vereinnahmung auch dieser Gruppen durch Attac und Gewerkschaften nicht im Wege stand. Die attac-orientierten Medien wie Junge Welt, FR usw. förderten diese gerichtete Wahrnehmung, in dem von den spontanen und unabhängigen Aktivitäten am 3.4.2004 nichts berichtet wurde, z.B. von der Besetzung eines Sozialen Zentrums in der Oranienburger Str. in Berlin.

6. Das ist noch lang nicht alles ...
Die ManagerInnen im Führungszentrum von Attac haben die Vereinnahmung von Bewegung zu ihrer Handlungsgrundlage gemacht. Seit 2003 bemühen sie sich intensiv um die mediale Führung zu Umweltthemen - der Kongress McPlanet und die Umwelt-Basisgruppen auf hierarchisch organisierte Kampagnenteams trimmende neue Zeitung aktiv.um sollten und sollen den Einfluß ebenso ausüben wie Pressemitteilungen zu aktuellen Ökothemen.
Die Kampagne "Resist" war aus der kleinen Gruppe, die überwiegend in der norddeutschen Kleinstadt Verden residiert und über den Verein Share, die Bewegungsstiftung, die Bewegungsakademie sowie den Attac-Koordinierungskreis (lange Zeit auch als Attac-Bundesgeschäftsstelle) agierte, heraus wesentlich lanciert worden als mediales Großereignis, um ohne Verankerung in der Breite der Friedensbewegung als deren Sprachrohr agieren zu können. Verschiedene Strategien greifen ineinander, z.B. das Haupttätigkeitsfeld der Bewegungsstiftung, die SpitzenfunktionärInnen verschiedener sozialer Bewegungen hauptamtlich zu bezahlen (als sog. "BewegungsarbeiterInnen") und damit einen Filz von Abhängigkeiten sowie die materielle Stabilisierung von Eliten zu organisieren.
Das Ganze riecht deutlich nach Methode - eine Verschwörungstheorie ist es deshalb aber trotzdem nicht. Denn den ManagerInnen in Verden fehlt dazu das Ziel. Politische Positionen und Visionen haben sie nicht. Ihr Projekt sind Fördermittel und Posten für sich selbst und ihr Umfeld - und die Managementorientierung breiter Teile von Bewegung. Waren sie früher selbst noch Teil des innerverbandlichen Widerstandes gegen Hierarchien, Staatsnähe und Kapitalisierung von Protest, so sind die heute die modernen Vollstrecker genau dieses Vorhabens.
Am 14.-16. Mai findet in Berlin der sog. Perspektivenkongress statt. Es ist Stil von Attac und dem ähnlich handelnden Umfeld, jährlich einmal per großen Kongress sich selbst als Spitze von Bewegung zu inszenieren. Alles andere als eine Wiederholung genau dessen wäre eine Überraschung. Interne Kritik daran oder das Setzen bunter Farbtupfer innerhalb des Kongressprogramms, die wiederum von den medialen StrategInnen als Bestätigung ihres Vertretungsanspruchs für alle benutzt werden, kann das nicht aufheben. Das sollte eine Lehre aus ACT!-, FAU- und anderen, selbst oft labelorientierten Blöcken innerhalb der vereinnahmten Demos am 3.4.2004 sein. Es ist aber zu befürchten, dass eine solche Reflexion unterbleiben wird ...


Links und Veröffentlichungen:
- Internetseiten mit gesammelter Kritik an Attac und deren Strategien (mit allen Links dazu):  http://www.projektwerkstatt.de/debatte/struktur/attac.html
- Kritische Seite zum 14.9.2002:  http://www.de.indymedia.org/2002/09/29949.shtml
- Kritischer Bericht zum Mc-Planet-Kongress:  http://www.de.indymedia.org/2003/07/56471.shtml
- Attacke auf Attac-Funktionäre wegen DGB-schleimerischen Positionen am 18.1.2004:  http://www.de.indymedia.org/2004/01/72730.shtml
- Dominanzabbau in politischen Gruppen:  http://www.hierarchnie.de.vu
- Gegen Staat und Markt:  http://www.herrschaftsfrei.de.vu
- Organisierung von unten:  http://www.projektwerkstatt.de/ovu
- Internetseite des Perspektivenkongreß:  http://www.perspektivenkongress.de




Fussnoten:
1 Spiegel-online, 22.10.2001.
2 Attac Deutschland, Pressemitteilung am 17. März 2004.
3 Junge Welt, 6.4.2004 (S. 2), Formulierung des Interviewers. Attac-Pressesprecher Malte Kreutzfeldt relativiert das auf "im Entstehen".
4 Nur wenige Personen stellen Share e.V., Bewegungsakademie, Bewegungsstiftung und Teile der Attac-Führung, vorübergehend auch die Attac-Bundesgeschäftsstelle.
5 30.3.2004 (S. 5). Autor ist Gerhard Klas, der für sozialistische Zeitungen schreibt und die Hintergründe besser kennt. Mit seinem Text untergräbt er die Kritik vieler sozialistischer und anarchistischer Gruppen gerade an der Taktik von Attac, zum Zwecke der Bündnisfähigkeit mit den Führungsgremien der Gewerkschaften inhaltliche Positionen und die Forderung nach Streiks fallenzulassen.
6 Astrid Kraus (Attac-Koordinierungskreis) im Interview mit der Jungen Welt, 23.3.2004 (S. 2).
7 Im Interview in der Jungen Welt, 6.4.2004 (S. 2).
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Ergänzungen

Frage

ibn 06.04.2004 - 17:47
hast du auch eine inhaltliche Kritik an attac?

ist doch nicht neu...

hotzenplotz 06.04.2004 - 21:45
diese strategie ist nicht neu und auch nicht ungewoehnlich.
jedoch besteht doch bei attac ein weitreichender unterschied:
sie schaffen es zwar, sich in den medien in den vordergrund zu stellen,
aber den protest vereinnahmen schaffen sie eben nicht.
das mag zwar in "den medien" (lies indymedia, da steht was anderes)
anders rueberkommen, aber im grunde ist es eben nicht vollkommen
herrschaft - denn durch den fehlenden bezug kann das pferd auch mal
nach hinten losgehen - sprich die basis geht durch fehlende hierarchie
wie sie z.b. in den gewerkschaften besteht einfach mal in eine andere
richtung oder weiter als attac-deutschland haben will.
die totale vereinnahmung findet also eigentlich nur in den medien statt und wird auch nur dort ausgetragen.
vielen attac-lern reicht es ja auch nicht, was attac-deutschland macht und gehen selbst und mit ihrer basisgruppe weiter, als der "koordinierungskreis" vorgesehen hat - das sind dann die nebeneffekte einer solchen herrschaft - sie funktioniert eben nur bedingt.
anstelle also hier alle attac-ler in einen topf zu werfen und davon zu reden, dass sie es bereits geschafft haben, vollkommen den protest zu vereinnahmen, solltest du vielleicht lieber mal andere medien zu rate ziehen als die main-stream-medien.
ich habe hier das gleuck, dass ich von den mainstreamnachrichten garnichts mitkriege - daher habe ich ein vollkommen anderes bild von der demo als du, all meine informationen sind aus indymedia.
und ist nicht das was eigentlich zaehlt? die nachrichten der basis?
denn die sind hier zu finden - und neben viel kritik an gewerkschaften lese ich da von einer versuchten hausbesetzung und mehr.
das was du also kritisierst stimmt nicht - es wurde der versuch unternommen, haeuser zu besetzen etc., der protest war eben doch bunter und lauter und staerker als es die mainstreammedien gerne haetten.

zu resist the war... nun ich habe selbst mit auf einer aktion teilgenommen, ich kann nicht sagen, dass das streng hierarchisch war, es war lediglich ein vorschlag von ein paar leuten, was gemacht werden koennte, die haben dann auch ihren hintern hoch gekricht und das organisiert.
dass dabei vieles zu kurz kommt nur ihnen anzukreiden halte ich fuer faul- dass es keine organisation z.b. gegen die militaerzuege gab hat sich die ganze bewegung vorzuwerfen. wer aber resist jetzt dahingehend kritisiert, dass sie es nicht gemacht haben, muss sich dann ja doch den vorwurf gefallen lassen, selbst diese herrschaft(sabhaengigkeit) zu suchen. oder wo war hoppetosse als es gegen den krieg ging, warum nichts anderes organisiert? fuer mich war die aktion von resist ein erfolg, auch wenn sie direkt nichts oder nur wenig gebracht hat, so hat sie doch viele "neulinge" in den aktiven widerstand gelockt, die mal antesten konnten, wie es sich anfuehlt, politisch aktiv zu sein.
und damit komme ich zum schluss: natuerlich ist die vereinnahmungstaktik von attac ein uebel, aber es ist nur ein name und findet eigentlich auch "nur" in den mainstreammedien statt. so gesehen bietet attac einen schoenen einstieg in die welt der politik und nicht mehr, durch das fehlen von direkter hierarchieausuebung wie sie z.b. in parteien besteht, ist die abspaltung einer basisgruppe aus attac ein leichtes und das autonome verwalten der eigenen gruppe bietet auch gut futter gegen hierarchien.

ich verstehs nicht

antonio C. 07.04.2004 - 10:09
das lustige ist, dass die kritik an attac stimmt, und zur gleichen zeit nicht. denn du beschreibst ja nur das phänomen attac als medienereignis, indem tatsächlich die genannten effekte auftreten, insofern passt greift auch der begriff der instrumentellen herrschaft, aber eben nur in dieser sphäre. gerade weil die reigionalen bindungen nicht direkt "oben" angedockt sind, und es dieses "oben" nur medial und mit wenigen attac-stars gibt, lässt sich nur genau eine schnittstelle zwischen "unten" und "oben" ausmachen: der wille der menschen, sich einspannen zu lassen. anders als etwa in den gewerkschaften steht es eben allen frei, unter dem label zu agieren, wenn ja wie, oder eben gar nicht. das halte ich für viel bedeutender, als der erkenntnisgewinn aus diesem artickel, der sich mir unter dieser perspektive nicht so richtig erschließen will. ich würde stattdessen andere fragen stellen, nämlich die nach den merkwürdigkeiten der autonomie solcher regionaler gruppen in einem gesellschaftlichen rahmen, wie ihn die brd darstellt, denn diese autonomie ist auch eine autonomie, die vor politischer auseindersetzung, kritik und vor allem vor politisch notwendiger abgrenzung schützen kann, und es auch tut. damit ist attac politisch entweder über medienstars zu erkennen, oder aber über das regionale tun, dass im zweifel auch mal offen faschistisch sein kann.
politische organisation, auch wenn sie weitgehend und zahlreich sein muss, bedeutet eben immer auch ab- und ausgrenzung. dies quasi zu verunmöglichen, müsste der eigentliche vorwurf an attac sein, weil bürgerliche beliebigkeit an stelle von kritik tritt. das mag vielen menschen von attac nicht gerecht werden, die sehr wohl differenziert und kritisch zu attac stehen, aber der organisationsform wird es auf alle fälle gerecht. ohne dass hohelied auf den anasrchosyndikalismus zu singen, scheint mir anders in der tat herrschaftsfreiere und zugleich solidarisch und abgegrenzte politische organisation kaum möglich zu sein.

Mehr Kritik?

Disku 07.04.2004 - 17:13
Nicht schlecht: Da haben einige herausgefunden, dass die obige Kritik einen Teilaspekt (nämlich die Vereinnahmungsstrategien der Attac-Führung und des Umfeldes) richtig durchleuchtet, dass es aber auch noch andere Aspekte von Attac gibt.
Gut. Es ist aber offenbar oben auch nie etwas anderes behauptet worden. Wer die Links anklickt, sieht, dass es auch noch andere Kritiken zu Attac gibt (z.B. inhaltliche) ... aber das war eben nicht Gegenstand dieses Indy-Beitrages. Und dass etliche Gruppen sinnvollere Ideen verfolgen, ist auch im Indy-Text nicht bestritten, sondern sogar erwähnt worden. Problem ist allerdings, dass für die Vereinnahmung unbedeutend ist, ob "unten" andere Themen aufgegriffen werden. Es ist ja auch eine noch etwas radikaler erhaltene grüne Ortsgruppe weiterhin eine Stärkung für die Joschkas dieser Welt, wenn sie unter dem Label der Grünen auftritt. Da ist der Hinweis, dass sie selbst was sinnigeres machen, zwar richtig, entkräftet die Kritik an der Vereinnahmbarkeit des Auftretens unter einem von anderen geprägten Label aber eben gerade nicht.

Insofern wird auch für Attac (genauso wie für viele andere) genau die Frage spannend sein: Wie weiter? Die emanzipatorisch orientierteren Gruppen und Personen sollten sich schleunigst von der Vereinnahmung ihrer Führungskader der Marken Giegold, Wahl & Co. emanzipieren. Ob das mit einem Austritt, mit Veränderungen bei Attac oder noch mit dritten und vierten Wegen möglich ist, das kann und darf nicht vorgegeben werden. Aber weiter zugucken, was an Vereinnahmung geschieht und sich mit der vielleicht höheren Qualität der eigenen Aktionen beruhigen, überzeugt gerade nicht. Das ohne Zweifel vorhandene kreative und emanzipatorische Potential von Attac muß endlich zur Wirkung kommen. Und das, so fürchte ich, geht nur über die Ausschaltung der Vereinnahmungsstrategien und den Verweis der ManagerInnen der Attac-Führung auf den Müllhaufen der Geschichte.


Und wer nach inhaltlichen Kritiken sucht: Buch "Nachhaltig, modern, staatstreu" empfehlenswert ( http://www.projektwerkstatt.de/materialien).

Blablablablagähnblabla

Exlinker 08.04.2004 - 14:57
Eine Strategie, mit der man die Agenda 2010 kippen könnte, wäre meines Erachtens sinnvoller als diese innerlinken Buschkämpfe...

Richtigstellung

Lars 14.04.2004 - 18:21
Diese Beschreibung von attac ist leider von weitgehender Unkenntnis der tatsächlichen Strukturen und Abläufe von attac bestimmt.
Zu den einzelnen Behauptungen:

"Die zentralen Attac-Forderungen sind nie breit diskutiert, geschweige denn abgestimmt worden. Das politische Programm stammt aus der Retorte, wurde in Gründungsphase von den wenigen Personen des Koordinierungskreises und den am Aufbau von Attac beteiligten Medien geformt und ist seitdem nur um einige aktuelle Aspekte ergänzt worden."

Es ist zutreffend, daß attac in Deutschland zu Beginn nur von einigen Organisationen gegründet wurde, die im Konsens eine "Erklärung zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte" als Gründungsdokument beschlossen haben. Diese Erklärung wurde im Jahr 2002 von einer für alle Interessierten offenen Arbeitsgruppe grundlegend überarbeitet, anschließend auf dem Ratschlag in Frankfurt diskutiert und mit weiteren Änderungen beschlossen - und zwar von 500 Anwesenden im Konsens!

"Es gibt aber ebenso Regeln, wie sich Positionen von unten nach oben durchsetzen lassen, z.B. über Anträge auf Mitgliederversammlungen.Instrumentelle Herrschaft kommt ohne den direkten Kontakt aus....Attac-Mitglieder und -Aktive erfuhren wie andere Menschen auch aus den Medien, was als neues Thema angesagt war und welche Aktionen laufen sollten."

Diese Regeln gibt es bei attac auch. Der Ratschlag, der allen Mitgliedern offensteht, ist das oberste Beschlußgemium von attac. Er hat z.B. auch die Kampagne gegen Sozialabbau zum Schwerpunkt von attac in diesem Jahr gemacht, und nicht einzelne "Führer" von attac. Im übrigen sind die Personen, die attac in den Medien vertreten, vom Ratschlag für ein Jahr gewählte Mitglieder des Koordinierungskreises und keine freischwebenden Eliten.

"Malte Kreutzfeldt sieht in diesem mühseligen Durchdrücken eigener RednerInnen gegen den DGB sogar einen Erfolg: "Die Tatsache aber, dass am Samstag Menschen wie Rainer Roth oder Peter Grottian neben Vertretern von Attac auf den Kundgebungen sprechen konnten, zeigt doch, dass die Gewerkschaften einen gewaltigen Schritt gemacht haben ... Das hilft über das eine oder andere Manko hinweg".7 Dieser Satz beinhaltet gleich mehrere manipulative Aussagen: Zum ersten ist es eine Selbstverständlichkeit, dass bei einer Bündnis-Demonstration nicht nur eine Gruppe die RednerInnen stellt."

Dies wäre bei einer Bündnisdemonstration eine Selbstverständlichkeit. Leider hat der DGB die Demos komplett an sich gerissen und diese nur in seinem Namen angemeldet. Innerhalb des DGB gab es heftige Kämpfe, wieweit man sich den sozialen Bewegungen öffnet. (BCE versus verdi und IG Metall)Attac hat sich vehement dafür eingesetzt, daß auch Vertreter dieser Bewegungen, die nicht zu attac gehören, zu Wort kommen.

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Kritik an attac — Ulrich Franz