Offener Brief an den Berliner Innensenator

Bernd Kudanek alias bjk 03.04.2004 20:59 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Wieder einmal das berüchtigte Kommando 223 als provozierende Schlägertruppe aktiv!
Das darf nicht hingenommen werden, deshalb habe ich Anzeige gegen zwei namentlich unbekannte Polizeibeamte bei ihrem obersten Dienstherrn, dem Berliner Innensenator Dr. Körting gestellt.
Untenstehenden Entwurf werde ich noch per eMail und per Post an Dr. Körting schicken. Wer sich angesprochen fühlt oder gar Zeuge anderer Übergriffe der ORK's weiß, kann sich hier gerne anschließen.
Senator für Inneres
Herrn Dr. Ehrhart Körting
Klosterstraße 47
10179 Berlin

e-mail:  poststelle@seninn.verwalt-berlin.de


Berlin, den 03. April 2004

Polizei-Ausschreitungen auf dem heutigen Demo-Zug gegen Sozialabbau
Beschwerde und Anzeige gegen unbekannt


Sehr geehrter Herr Dr. Körting,

sicher werden Sie als oberster Dienstherr der Polizei bereits deren erste Situationsberichte zu der heutigen Demo gelesen haben. Zunächst nur soviel, alle eventuellen Schilderungen Ihrer Beamten über angeblich Vermummte, über vorgeblich gewalttätig provokative Vorkommnisse oder gar strafrechtlich relevante Reden rund um den Lauti (Lautsprecher-LKW) des ACT-Blocks entsprechen nicht den tatsächlichen Geschehnissen um nicht zu sagen, wären ggfs. durch Ihre Beamten gelogen.

Ich, Bernd Kudanek, habe nämlich den Lauti im ACT-Block vom Start am Alexanderplatz bis zum Endpunkt Leipziger Str. Ecke Entlastungsstraße ununterbrochen begleitet und kann bestätigen, daß keine Gewalttaten seitens der DemonstrantInnen oder Aufrufe zu Straftaten durch die ACT-ModeratorInnen oder sonstwen stattgefunden haben. Vermummte im Sinne von Unkenntlichmachen des Gesichts gab es unter den DemonstrantInnen mit Sicherheit ebenfalls keine, die einzig völlig unnötig martialisch Vermummten waren ausschließlich auf seiten Ihrer Beamten. Das werden auch die Video-Aufnahmen des dafür abgestellten Beamten bestätigen müssen. Zu diesem Beamten und seinem Begleiter später mehr.

Ich kann aber leider bestätigen, daß Ihre aggressiv aufgeheizten Beamten in großer Zahl ohne nachvollziehbaren Grund eine durchweg friedliche Demonstration des FAU- und ACT-Blocks ab der Gertraudenstraße provokativ links und rechts "begleitet", eingeengt und den Demo-Zug in seinem friedlichen Ablauf massiv behindert haben. Alle, die wir uns rund um die Lautis von FAU und ACT geschart hatten, wurden von diesen geradezu nach Action dampfenden Beamten ständig umlagert und damit regelrecht kriminalisiert. Nur gut, daß sie nicht auch noch mit Tonfas bewaffnet waren, dann wäre manche Situation sicher noch schlimmer eskaliert als ohnehin schon. So kam es leider immer wieder überfallartig "nur" zu Faustschlägen, Ellenbogenchecks und Fußtritten einiger gewaltbereiter Rowdies unter Ihren Beamten gegen umstehende DemonstrantInnen - so auch gegen mich!

Und damit sind wir bei der Anzeige, die ich hiermit gegen unbekannt stelle und die Sie bitte an die zuständige Staatsanwaltschaft weiterleiten wollen. Hier der Vorgang:

Auf der Gertraudenbrücke, rechte Gehwegseite in Richtung Potsdamer Platz, wurde es durch den sich bildenden Wanderkessel Ihrer Beamten ziemlich eng, sodaß ich zum Brückengeländer auswich. Dabei wurde ich plötzlich geschubst und gestoßen. Als ich mich umdrehte, waren hinter mir zwei Ihrer Beamten, einer mit Videokamera und einer der herumfuchtelnd um sich schlug und mich dabei wegdrängeln wollte. Erbost fragte ich ihn, was er wolle, da drehte er mir den Rücken zu und trat nach hinten aus gegen mein Schienbein und mit dem Ellenbogen erhielt ich noch einen Stoß in den Bauch, zum Glück war er nur ein wenn auch ?gepanzerter? Knirps, sonst hätte ich womöglich ebenfalls ein blaues Auge und eine geschwollene Nase, wie ein Demonstrant in meiner Nähe. Der Videokamera-Mann war größer und teilte florettartig mit der freien Hand Faustschläge aus, die vielleicht meinen völlig perplexen Nachbarn ins Auge und auf die nase getroffen haben könnten. Nun eskalierte die Situation auf der engen Brücke, empörte DemonstrantInnen skandierten "Haut ab, haut ab haut ab" und vom ACT-Lauti forderte die Moderatorin mehrmals Ihre prügelnden Beamten auf, den Demo-Zug nicht zu behindern und zu provozieren!

Sozusagen als i-Tüpfelchen rüttelte wenig später, als ich mich wieder in die Demo einreihen konnte, der kleine aber gepanzerte und ungeheuer wütende Beamte an der Schulter und raunzte mich an, wenn ich noch einmal seine Ermittlungen, was immer er damit sagen wollte, störe, würde er mich festnehmen! Na, da war er bei mir richtig! Aber bevor ich ihn fragen konnte, was er überhaupt von mir wolle, knurrte er noch irgendwie hoffnungsvoll, ich würde meinerseits ihm gegenüber aggressiv werden, ob ich das verstanden hätte - und das gleich zweimal und auch sein Kollege fragte mich das pflichtschuldigst. Ich lächelte die beiden Wutdampfenden freundlich an und erwiderte ebenso freundlich, natürlich hätte ich verstanden. Na dann sei es ja gut, blafften enttäuscht die beiden Rambos und reihten sich ziemlich mürrisch wieder in den Wanderkessel ihrer Kollegen ein. Danach gab es noch weitere aggressive Übergriffe Ihrer Beamten auf einzelne Demonstranten.

Sehr geehrter Herr Dr. Körting, die ACT-Moderatorin hatte absolut recht! Ausschließlich einige Ihrer Beamten waren die aufhetzenden Rüpel, nur dank der letztendlichen Besonnenheit der umstehenden DemonstrantInnen rund um den ACT-Lauti und dessen ständig zu Ruhe und Nichtprovozierenlassen aufrufende ModeratorInnen und ganz besonders auch, weil Ihren Beamten zum Glück die Tonfas fehlten, kam es zu keinen schwereren Verletzungen unter den Beteiligten bzw. durch Ihre gewalttätigen Beamten Hineingezogenen! Ein Skandal sondergleichen, wie ich finde, über den man gerade im Vorfeld der 1. Mai-Demo nicht einfach zur Tagesordnung übergehen darf! Deshalb stelle ich diese Anzeige wegen Nötigung und versuchter Körperverletzung gegen zwei Ihrer Beamten, deren Namen oder Dienstgrad ich nicht kenne, die ich aber später zwecks Beweisdokumentation fotografiert habe (siehe Anlage). Es kann nicht sein, daß einzelne wildgewordene Polizeibeamte ihre Aggressionen auch weiterhin derart ausleben dürfen und noch nicht einmal, trotz Aufforderung durch mich und andere, von ihren möglicherweise untergebenen Kollegen daran gehindert werden!

An der nächsten Kreuzung standen drei BeamtInnen des Anti.Konflikt-Teams in ihren gelben Leibchen. Ihnen erzählte ich diesen Vorfall und neben mir war auch wieder der junge Mann, der einen Faustschlag auf Auge und Nase bekommen hatte. Leider wußte er nicht mehr genau, wer der prügelnde Beamte war. Die Anti-Konflikt-Teamler waren ziemlich betreten und einer schilderte mir, auch sie seien durch ihre aggressiven Kollegen einfach weggeschubst und ansonsten nicht beachtet oder gar deeskalierend eingebunden worden! Plötzlich hoben die drei ihre Köpfe und verschwanden im Eilschritt in Richtung Leipziger Straße und wurden fortan auch nicht mehr gesehen. Hmm, vielleicht paßte ja der mißtrauischen Kommandoführung nicht, daß mündige Bürger sich bei dem eigentlich dafür zuständigen Anti-Konflikt-Team über Übergriffe ihrer Kollegen beschwerten und sie sollten als störende "Nestbeschmutzer" das Feld räumen?

Wie auch immer, die heutige unentschuldbare Vorgehensweise einiger Ihrer Beamten, sehr geehrter Herr Dr. Körting, läßt wieder Schlimmes für den 1. Mai in Kreuzberg ahnen. Für mich schockierend war wieder einmal, daß Ihre Anti-Konflikt-Teamler vor Ort im Grunde nur Feigenblattfunktion haben. Können Sie das im Interesse von uns mündigen Bürgern und vor allem auch im Interesse Ihrer Polizeiorganisation und deren Image verantworten? Aus vielen persönlichen Gesprächen auf diversen Demos mit diesen schlichtensollenden durchaus fairen, freundlichen und sicher auch dafür kompetenten Beamten weiß ich, daß diese sich selber sehr unglücklich über ihre fehlende Kompetenz gegenüber ihren Kollegen fühlen. Sie würden gerne ihres Deeskalationsamtes walten aber sie ?dürfen? nicht.

Möglicherweise werden Sie, sehr geehrter Herr Dr. Körting, mich nach all den Schilderungen für einen ?Berufsdemonstranten? im Sinne der Polemik des Münchener Polizeipräsidenten halten. Deshalb nur kurz zu meiner Person, ich bin zwar aus Überzeugung auf ziemlich allen Berliner Demos gegen Sozialraub, gegen Bildungsklau und gegen völkerrechtwidrige Kriege dabei und bin auch sicher schon auf vielen Videostreifen Ihrer filmenden Beamten verewigt, eine skandalöse datenschutzrechtliche Zumutung wie ich finde, aber trotzdem bin ich mit meinen knapp 61 Lebensjahren nicht nur ein mündiger urberliner Bürger sondern auch ein "gestandenes Mannsbild" wie man in Bayern sagt, also kein "typischer" Krawallmensch. In Erwartung Ihrer weiterführenden Antwort und der Hoffnung auf deutliche Bewußtseins- und Strategieänderungen der Polizeieinsätze auf Demos, insbesondere der kommenden am 1. Mai in Kreuzberg, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Bernd Kudanek



Dieser Brief samt Foto geht an mehrere Print-Medien,
an indymedia und an  http://www.carookee.com/forum/freies-politforum
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte!

CopWatch 03.04.2004 - 21:15
Lieber Bernd Kudanek,

bitte vergiß nicht zu fordern, dass Straftäter schonungslos aus Ihrer Anonymität gerissen werden müssen.

hi Bernd

tip 03.04.2004 - 22:01
Ich würde dir stark raten, dich mit einer linken Anwältin/ einem linken Anwalt in Verbindung zu setzen und mal deine Chancen und Risiken durchzusprechen.
Setz bloß nicht auf die (deutsche) Justiz, das kann ins Auge gehen und zum Schluss bist du der Dumme !!!

die beiden

j 04.04.2004 - 22:05

Die beiden sind's!

Bernd Kudanek alias bjk 05.04.2004 - 12:57

Hi Alex,

genau die beiden unten links sind's! Und ich meine auch, links unten den jungen Mann erkannt zu haben, der Faustschläge auf's Auge und die Nase bekommen hat! Vielleicht liest der Betreffende ja mit, dann sollte er sich bei mir melden, denn morgen geht mein Brief samt Anzeige und Foto offiziell an den Berliner Innensenator.

Übrigens hab ich diesmal darauf verzichtet, einen Fotobericht von der Demo einzustellen, das habt ihr ja schon wunderschön hinbekommen. Aber mal sehen, vielleicht veröffentliche ich ja doch noch das eine oder andere Foto von meinen Eindrücken.

Gruß
Bernd


 http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

@copwatch — Icke