Politische Kunst

Was ist politische Kunst?

Es gibt Theaterstücke über Genua, ein globalisierungskritisches Filmfestival, Musik gegen den Krieg. Doch ist das Alles? Und ist das nicht nur ein Randphänomen, sowohl in politisierten Kreisen wie gesamtgesellschaftlich? Ein Randphänomen das neben politischer Praxis nur müde belächelt wird?
Bestimmt nur das Sein das Bewußtsein oder kann das Bewußtsein auch das Sein bestimmen?
Und inwieweit ist da der Begriff "politische Kunst" neu zu besetzen?
Sicherlich ist Kunst ein sehr eingeschränkter Begriff, den die meisten mit Malerei oder bildender Kunst verbinden würden. Ein weiter gefaßter Begriff wie "politische Kultur" wäre wiederum verwirrend, könnte dieser doch eher so etwas wie die Art des Politik-Machens bedeuten. Das hätte nichts mehr mit Kunst zu tun.

Schauen wir uns jedoch die einzelnen bisher getrennten Genres oder Arten in den letzten Jahren politische Kunst zu machen, kommen wir deren weit gefaßteren Bedeutung doch näher. Diese neue Kultur des Widerstandes macht vor nichts mehr halt und reicht weit über die Grenzen von institutioneller Kunst hinaus wie sie im gegenwärtigen System das vorherrschende Dogma ist.Einige Beispiele sind:


Urban Art

Urbane Kunst, wie sie sich zuletzt vor Allem in den Metropolen blitzartig in Form von hauptsächlich Streetart ausgebreitet hat, ist nicht immer aber auch nicht selten direkt politisch in ihrer Aussage.
Durch die erneute Aneignung des zunehmend privatisierten vormals öffentlichen Raumes ist diese aber sekundär fast immer politisch. Verloren geglaubte Bereiche des öffentlichen Lebens werden in einer Art wilden demokratischen Prozess teilweise entgegen den Interessen derer die öffentliche Flächen zu besitzen glauben zurückerobert. Es entscheidet sozusagen jede/r Einzelne wie die eigene Nachbarschaft auszusehen hat. Es wird zwar nirgends abgestimmt aber es entscheiden zumindest Menschen die sich dort aufhalten und nicht Immobilien-Makler oder Werbestrategen die ganz woanders sitzen und ganz andere Ziele verfolgen.

Es ist dabei oft angebracht sich die Frage zu stellen, will ich, daß meine Kinder täglich auf ihrem Schulweg Zigaretten-Werbung sehen sollen oder selbst gestaltete Plakate, Aufkleber oder Bilder die vielleicht sogar ihre eigene Kreativität inspirieren.

So gesehen gibt es viele Schinttstellen zum Bereich des --> Culture Jamming, vor allem dabei Subvertising und Adbusting (Verfremden/Enstellen von Werbebotschaften).Dies bringt zwar oft rechtliche Probleme mit sich, denn es ist nicht üblich über die Wände des eigenen Hauses, der eigenen Straße oder Gegend zu entscheiden. Vielmehr verfolgen die Entscheidungsträger entgegengesetzte Interessen die sich oft ganz banal auf Profit beschränken.
Am augenfälligsten wird dieser Widerspruch bei Häusern die ehemals besetzt waren und wo bis Heute sogenannte Haus- oder Wohnprojekte aktiv selbst- oder zumindest mitbestimmen. Diese Häuser haben kunstvoll verzierte Fassaden, oft ganzflächig bemalt, manchmal auch mit Skulpturen im Hof, doch auch etwa mit verschnörkelten Balkonen wie beim "Supamolly" in Berlin.Daneben stehen meist enteignete Häuser bei denen die Mieter kein Mitspracherecht haben. Dort hausen sie in meist entfremdeten Wohnverhältnissen, oft hinter einer kitschigen pastellfarbenen Fassade. Nachbarn lernen sich oft nur im Streitfall kennen, wenn es gilt die "Lärmbelästigung" zu unterbinden.
Künstler wie etwa Francois Morel aus Paris nehmen das Verbot das eigene Umfeld zu gestalten und die permanente Bombardierung mit aggressiver Reklame zum Anlaß aktiv in das visuelle Stadtgeschehen einzugreifen. Morel ist seit dem Ende der Neunziger Jahre dabei seine gegen den Konsumterror wirkenden Botschaften überall im öffentlichen Raum zu verbreiten. Etwa auf öffentlichen Verkehrsmitteln oder H&M-Werbeplakaten
.Natürlich ist er nicht der einzige, eine regelrechte Flut durchzieht derzeit die Städte. Das geht soweit, daß in Berlin inzwischen die kommerziellen Anbieter von Werbetafeln sich ihrer sozialen Verantwortung lamgsam bewußt werden und Kusnt im öffentlihcne Raum wie beim Camp Kleister geschehen unterstützen.


"Text-Kunst"

Während der sogenannte "Literaturbetrieb" seine "stalinistische Phase" erreicht hat wie neuerdings Analysten die Allmacht der Zensur des Marktes zu nennen beginnen, weniger verkaufsträchtige Genres wie etwa Lyrik beinahe gänzlich in der Versenkung verschwinden, entstehen neue Wege mit Worten umzugehen.
Dabei hatte etwa ein politischer Dichter wie Ferlinghetti zu Zeiten des Aufbruchs um 68 tatsächlich Millionen-Auflagen.Teils verwandt mit der NetArt einer Teildisziplin der Gruppe der Media Art enstehen Kunstwerke die Text anders verwenden, das geht bis zu Installationen, Gedichten aus Quelltext von Programmiersprachen, dichtenden Automaten.
Doch seit den Fünfziger Jahren bereits gibt es eine Art mit Texten umzugehen die nun wieder verwendet wird, zum Beipiel von dem Wahl-Berliner Daniel Kulla, das Cut Up. Diese ist sowohl formal wie inhaltlich politisch. Ihr Erfinder William S. Burroughs wollte damit ursprünglich die in der Sprache verankerten Machtverhältnisse aushebeln.Doch es werden nicht einmal solch ausgeklügelte Techniken benötigt, Texte müssen nicht einmal selbst verfasst sein um aus ihnen ein hochgradiges Politikum zu machen. Serdar Somuncu hat das bereits geschafft indem er die bekanntesten Propaganda-Werke Nazideutschlands ausschnittsweise vortrug. Besondere Brisanz erhielten diese "Lesungen" durch die türkische Herkunft des Theaterregisseurs. "Darf ein Türke Deutsche über ihre Vergangenheit belehren?" dürfte die unterschwellig auf der Zunge liegende Frage gewesen sein.
Doch Probleme wegen Texten kann es auch geben wenn sie nicht mal vorgetragen werden. Das mußte der Betreiber von textz.com schmerzlich feststellen.


Hacktivism

Ein Bereich der selten überhaupt als Kunst wahrgenommen wird ist der Hacktivismus. So besteht dieses relativ vor kurzem erst enstandene Wort ja auch aus den beiden Teilen "hacken" und "Aktivismus". Gemeint ist im weitesten Sinne der politische Aktivismus mit den Mitteln des Computers oder des Internets.
Viele haben es bemerkt, nicht erst seit der ersten virtuellen Demonstration gegen die Machenschaften der Lufthansa, die nach wie vor Gewinne aus der Deporatation von jährlich über 30 Tausend Flüchtlingen zieht. Bei jedem politischen Gipfel der letzten Jahre wo die herrschenden Eliten den Protest auszugrenzen versuchten gab es immer wieder auch virtuelle Blockaden der betrofffenen Websites darunter der WTO oder der Weltbank.Doch dieser Bereich ist doch noch mehr als das, Protest, er ist ein inzwischen ein integraler Bestandteil unserer Kultur.
Doch wenn subversive Kunstgruppen wie 0100101110101101.ORG einen Virus als ein Kunstwerk erstellen und auch noch verkaufen schließt sich der Kreis wieder.
Aber selbst das ist noch nicht das vollständige Bild, Henning Ziegler argumentiert, daß "Hacker" zu sein mehr ist als die landläufigen Klischees behaupten. Er will den Begriff ausdehnen auf den Alltag, auf das "herumwerkeln" in und an diesem. Damit schlägt er den Bogen wiederum zum --> Culture Jamming und zur politischen Praxis.

Viele der erwähnten Künstler kommen in der ersten Ausgabe des rebel:art Magazins zu Wort oder sind beim dazugehörigen Festival anwesend.Am heutigen Donnerstag den ersten April beginnt das rebel:art Release-Festival in Berlin Mitte. In Berlin Mitte auch deswegen weil es nun an der Zeit ist den kommerziellen Main Stream zu verdrängen und sich nicht nur am Rand in der eigenen Subkultur gemütlich einzurichten. Auf den Ruinen des zerfallenden Kapitalismus wird eine reiche und vielfältige Kultur erblühen.

Unbedingt empfehlenswert ist auch Adbusters, das sich wie nun rebel:art auch aber in diesem Fall in erster Linie mit --> Culture Jamming beschäftigt.
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Ergänzungen

fake in wien

ösi 01.04.2004 - 12:36
das mitm nikeplatz in Wien is ein Fake. Gab's in der Form nie, das Bild is ein selbstgebasteltes von ein paar AktivistInnen. Sorgte bei Nike aber dennoch für ziemliche aufregung, hehe :-)

STREET ART

*** Text Adventure *** 01.04.2004 - 20:53
Was anscheinend an einem großen Teil der Linken vorbeigeht ist die Street Art Bewegung die momentan in vielen Großstädten weltweit entsteht. Webseiten wie Stencilrevolution.com oder Stickernation.net sind nur zwei sehr nette Beispiele dafür was zur Zeit abgeht --- und wie diese Sachen auch politisch genutzt werden KÖNNTEN.
Leider scheint die Sticker- und PasteUp "Szene" zum größten Teil von Kunst- und Designstudenten dominiert zu sein, wäre schön wenn sich das in Zukunft ändern würde.

Politisch?

Anwesender 02.04.2004 - 11:49
Ich war bisher auf drei Veranstaltungen und habe mal in das Hochglanzmagazin hineingeschaut. Der Titel "Rebelart" und das kokettieren mit Rebellion, Subversion und Politik scheint mir recht aufgesetzt. Der politische Gehalt in den "Kunstwerken" ist häufig (wenn überhaupt) nur sehr oberflächlich vorhanden und z.T. mit problematischen Dingen durchsetzt (positiver Bezug auf Volk und Nation, Maschienenstürmerei, Volksgesundheit...) . Die Magazinbeiträge tauchten ähnlich auch schon in der "Art" (einer zutiefst bürgerlichen Zeitschrift) auf, der Rest ist im Internet einzusehen. Es werden Kunstprojekte thematisiert, die von wirklichen rebelart Menschen aus der linken Szene kritisiert worden sind (z.B. DDR-Tafeln am Alex und CBS).

Auf die Volksgesundheit!

Theodor Traleber 02.04.2004 - 14:29
Ich war gestern bei mindestens 6 Veranstaltungen dabei und muß auch sagen, ich habe einen gehoben und meinen Arsch bewegt für die Volksgesundheit!
Serdar Somuncu hat nicht nur dem anwesenden und nicht nur deutschen Volk eingeheizt. Die Maschinenstürmer von der Externen Speichereinheit waren aber leider nicht politisch genug, die hatten überhaupt kein Text bei ihrer Musik!
Die DDR-Tafeln sind nur eine kleine Randnotiz, die habe ich gar nicht gesehen auf den 160 Seiten! Danke! Dank dir habe ich sie auch bemerkt!

Vielleicht sehen wir uns heute, oder bei meinem Auftritt! Aber ich mag kein unpolitisches Publikum!

Problematische Relation zwischen Kunst & Poli

Matthias Weiß 22.05.2004 - 20:53
Lesen: Kube Ventura, Holger: Politische Kunst Begriffe in den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum. Wien 2002 (Edition Selene)

Wishart, Adam; Bochsler, Regula: Leaving Reality Behind. etoy vs eToys.com & other Battles to control Cyberspace. New York 2002 (ccco, HarperCollins-Imprint)

Die Relation zwischen Politik und Kunst ist immer prekär. Denn einerseits addressiert Kunst an Rezipienten, andererseits müssen die auch in der Lage sein, appellative Gehalte in der Erfahrung zu realisieren, nachzuvollziehen, um daraus einen Abgleich mit der eigenen Handlungswelt zu unternehmen. Dass das auch mal nach einem vermeintlich hermetischen Celan-Gedicht oder der Betrachtung von Albrecht Altdorfers "Alexanderschlacht" passieren kann, ist eigentlich nur logisch.

francois morel info

peter hansflug 14.11.2005 - 18:12
ok, the link is wrong, it is:  http://www.francois-morel.net
not ".com"
and the artwork (billboard picture) "pause" is not in "paris" but in "rennes", france...

diverse interpretationen

um[laut] _die redaktion 16.07.2008 - 19:27

diverse interpretationen von politischer kunst oder kunstvoller politik oder wieder zurück wird vereint im neuen jungen magazin um[laut]:

www.umlaut-magazin.de

lest.
macht mit.
veröffentlicht.

ein beitrag der um[laut] _redaktion.

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