Gute Laune beim Arbeitsamt in Berlin?

Jo 31.03.2004 22:00 Themen: Soziale Kämpfe
Wir waren heute in Kleingruppen mehrere Arbeitsämter besuchen, um ein bisschen Stimmung gegen diese Anstalten zu machen.
Treff: 10 Uhr. Voll früh.

Es fanden sich ca. 25 Leute ein. 10 davon waren gerade bei irgendeinem Besetzungsversuch und wollten jetzt zu einer RTS. Die anderen 15 wollten zu verschiedenen Arbeitsämtern. Wir 15 teilten uns in 3 Gruppen, so dass wir nun nur noch zu fünft waren.

Noch bevor wir in die U-Bahn gestiegen sind, erkannten wir schon zwei Fahrkartenkontrolleure in Zivil. Wir haben beim Einsteigen versucht, die Leute zu warnen: "Achtung, Fahrkartenkontrolle. – Die zwei dort." Dann haben wir uns schnell geeinigt, die Fahrkarten zu verweigern, obwohl wir alle fünf jeweils einen haben. Daraufhin entstand folgendes Streitgespräch, was alle weiteren ca. 20 BVG-NutzerInnen dieses Waggons verfolgen konnten:

Kontrolleur 1: "Die Fahrkarten, bitte."
SpaziergängerIn 1: "Nein. Kein Bock."
Kontrolleur 1: "Steigen Sie bitte an der nächsten Haltestelle mit aus."
SpaziergängerIn 1: "Nö, warum denn?"
Kontrolleur 1: "Steigen Sie bitte an der nächsten Haltestelle mit aus. Noch zwei Stationen und wir rufen die Polizei. Die nehmen dann ihre Personalien auf und führen Sie ab."
SpaziergängerIn 2: "Wir finden Fahrkartenkontrollen Scheiße. Sie vertreiben damit Leute mit wenig Geld aus den U-Bahnen."
Kontrolleur 1: "Wir vertreiben niemanden."
SpaziergängerIn 2: "Ich sehe doch andauernd Kontrollen. In jedem zweiten Waggon, den ihr kontrolliert, schnappt ihr welche. Die fahren dann sehr schnell überhaupt nicht mehr U-Bahn und müssen zu Hause bleiben."
Kontrolleur 1: "Ich mache nur meinen Job. Ich habe zwei Kinder."
SpaziergängerIn 2: "Du kannst doch nicht Alles machen. Ich würde nicht mal Knastwärter werden, wenn es ansonsten überhaupt keine Jobs mehr gibt."
SpaziergängerIn 1: "Genau, wegen euch kommen immer mehr ins Gefängnis, bloß weil sie kein Geld haben."
Kontrolleur 2: "Los, die Fahrkarten, ich ruf jetzt die Polizei..."
SpaziergängerIn 1+2: "Äh, ..., na gut, hier."

Dann haben wir aufgegeben und sind sie los geworden und waren auch schon am Arbeitsamt, unserem eigentlichen Ziel.
Wir hatten Flugblätter dabei und Zeitungen der "Berlin-Umsonst-Kampagne", mehrere Plakate "Arbeit macht das leben aus" mit einem Lichtschalter darauf und ein Schild mit Sprüchen: "Wer Arbeit will, findet auch keine" und "Wer nicht arbeitet soll trotzdem essen".

Wir entschlossen uns, mit dem Fahrstuhl ganz hoch zu fahren und oben anzufangen. Denn von oben ist es schwerer, uns hinaus zu treiben.
So haben wir dann in der vierten Etage begonnen, die auf den ersten Blick gar nicht arbeitskritischen Plakate an die Wände zu kleben, die Flugblätter und die Zeitungen zu verteilen und auf Fragen und Reaktionen zu antworten. Einige Male sind wir etwas länger ins Gespräch gekommen, was manchmal aber auch nervig sein kann, z.B. durch blöde Sprüche wie "Die Mauer muss wieder her, dann gäbe es wieder mehr Arbeit." oder durch resignatives Gerede: "Was ihr da macht hat doch eh keinen Sinn."

Aber es gab auch Zustimmung. Und Gespräche, bei denen wir selbst in Streit gerieten, oder einfach beim Beantworten von Fragen etwas lernten. "Ich habe 35 Jahre gearbeitet. Es war kein schönes Arbeiten. [...] Aber es gibt ja immer mehr Jugendliche, die wollen gar nicht mehr arbeiten." "Ist doch klar, die wollen nicht diese miesen Jobs machen. Und das zu Recht".

Ein sehr überschaubares kleines Arbeitsamt, mit zwei Aufgängen und je zwei Fluren pro Etage und trotzdem haben wir alle fünf in diesem VERWALTUNGSGEBÄUDE schnell mal die Orientierung verloren.
Die SachbearbeiterInnen haben uns zwar gesehen, aber kaum beachtet, waren höchstens ganz kurz irritiert. Nur eine rief, wir sollen nicht so laut sein, sie müsse arbeiten.

Wir waren schon im ersten Obergeschoss, da hat uns eine Mitarbeiterin angesprochen, wir dürfen hier drinnen nicht... vor der Tür ja. "Aber da ist es so kalt und wir sind eh gleich weg."

Im Erdgeschoss haben sich gerade die schönsten Gespräche entwickelt, die Leute haben sich gegenseitig zugesprochen, wie gemein das mit den Ämtern alles ist, ihnen ihr zustehendes Geld nur unter solchen Schwierigkeiten, wenn überhaupt herauszurücken ... und es wird immer weniger ... Sauerei ...

Dann kam die Mitarbeiterin mit einem Mann mit Schlips – sicherlich der Anstaltsleiter. "Sie dürfen nicht... Bitte verlassen Sie... Ich habe hier das Hausrecht".

Danach gab es ein verhöhnendes lautes Gelächter eines Arbeitsamt-Betroffenen. Im Nachhinein eine sehr lustige Situation, die ich da nur nicht so ganz genießen konnte, weil mein Adrenalinpegel wegen der plötzlich vor dem Arbeitsamt stehenden Wanne stieg. Der Arbeitsamtleiter lief dann mit ständigen Ermahnungen "Wir sollen doch... sofort ..." immer von eineR zur andereN von uns fünf zerstreut laufenden Zettelverteiler- und PlakatekleberInnen. Er sprach angenehm leise, so dass wir nur erahnen konnten, was er sagte.

Draußen war die Situation aber gar nicht so bedrohlich, wie ich erst annahm. Zwei Bullen standen vor ihrer Wanne und warteten nun wohl auf weitere Instruktionen oder darauf, dass irgend etwas Auffälliges passiert. Wir sahen aber genauso aus, wie alle anderen auch, die aus dem Arbeitsamt herauskommen, so dass wir ohne Generve das Haus und die Gegend verlassen konnten.

Hat mir riesig gefallen.
Machen wir morgen gleich noch mal.
Allerdings treffen wir uns dann erst um elf.
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Ergänzungen

Glückwunsch!

Hail to the King Baby! 31.03.2004 - 22:20
Schöne Aktion. Hab hier auch noch einen guten Text gefunden

 http://www.de.indymedia.org/2004/03/78592.shtml

Arbeitsamt Storkower Str.

XYZ 31.03.2004 - 22:54
dort werden Verteiler von Flugblättern, die dort gemeldet sind und von Arbeitsberatern erkannt wurden, seitdem übel gemobt!

Keine Ergänzung (-:

Nur ein toller Tip 31.03.2004 - 23:39
Das Gespräch mit den Fahrkartenkontrollören war nicht schlecht!
Wenn man allerdings mal alleine (geht auch zu mehreren ) U-Bahn Fährt (mit Fahrschein) und sich nicht traut, oder keinen Bock hat mit denen zu reden, kann man einfach alle Taschen durchwühlen. Irgendwann (öftermals) den Blödmännern versichern das man einen Fahrschein hat und dann, kurz vor der nächsten Haltestelle den Fahrschei doch noch finden.

Das Plakat...

cuenca.del.ruhr 01.04.2004 - 00:14
...und die anderen aus der Serie gibt es unter  http://www.bugpapier.de zu sehen. Leider nicht mehr zu bestellen. Sind nämlich allesamt weg.

Nach ein tip für die fahrkartenfuzzies

black 01.04.2004 - 08:14
wenn ihr eine karte habt könnt ihr, bevor ihr eure karte sucht, erstmal deren ausweis abchecken. heisst erstmal stift und papier suchen ...
dann, wenn ein namen auf dem ausweis steht(leider bei uns nicht mehr) den sonst die kontrollnummer o.ä. aufschreiben - so alles was euch interessant scheint. gibt normal ein bischen hick-hack mit den kontolleuren, wenn sie die kontrollierten sind.
ist vielleicht auch sinnvoll die anderen fahrgäste zu fragen, ob sie sicher sind, dass die kontrolleure echt sind.


alternativ, könnt ihr auch einfach mal die cops kommen lassen. ich meine wer sagt den, dass die kontrolleure echt sind?
meine erfahrung damit ist, dass nicht mehr passiert, als dass der polizist den kontrolleuren deine fahrkahrte gibt und das wars. dazu müssen sie aber mit dir aussteigen.

das ist das polizeilich empfohlene verhalten bei kontrollen, um betrügern zu begnen, die in den u-bahnen als kontrolleure getarnt herumfahren und anderen fahrgästen, die entwerteten fahrkarten klauen. ich meine, solchen empfehlungen, kann man schon nachkommen! den kindern ein vorbild ;)

wenn ihr so daten habt(kontrollnummer,namen...), könnt ihr die natürlich auch überprüfen, oder eine beschwerde machen, wenn die kontrolleure herumzicken. für beschwerden lassen manche städte freifahrkarten springen. also wenn das verkehrsmittel verspätet ist, überfüllt, mal wieder bauarbeiten oder ein kontrolleur unhöflich.

Nicht ganz einfach

peter 01.04.2004 - 12:25
Bei "Nur ein toller Tip" oder so wird gesagt, dass mensch die Kontrolle durch Wühlen in den Taschen hinauszögern kann und erst kurz vor ultimo den Fahrschein zeigen muß.
Das klappt so nicht immer. Die Kontrolleure haben ganz offensichtlich das Recht, trotzdem ein Bußgeld zu verhängen, weil mensch ja zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht gleich einen Fahrschein vorweisen konnte. Mensch kann diesen dann zwar nachreichen (in Berlin am Nordbahnhof oder Kleistpark), muß dann aber natürlich trotzdem die Bearbeitungsgebühren entrichten, das sind, glaube ich, 7€.
Wenn die Kontrolleure also grad einen schlechten Tag haben oder sowieso Arschlöcher sind, kann sowas passieren.
Da hilft dann nur eines: Wenn mensch mit ein paar mehr Leuten ist, umschubsen und abhauen. Da is' mir dann auch egal, ob so ein Typ Familie hat oder noch bei Mutti wohnt: So einen scheiß Job macht mensch nicht! Und wenn mensch so einen scheiß Job macht und den Leuten für eine korrupte Stadt und korrupte Unternehmen das Geld klaut, dann sollte sich dieser Mensch nicht wundern, wenn er/ sie demnächst öfter auf die Mütze bekommt!
Diese Losung kommt zwar eigentlich aus dem AntiRa-Bereich, aber sie passt trotzdem: FREEDOM OF MOVEMENT IS EVERYBODYS RIGHT, WE ARE HERE AND WE WILL FIGHT!
Alles für alle!!! Für die soziale Aneignung!!!
Kommt am 3.4. in Berlin auf'm Alex zum "Wir wollen alles"-Block oder in den anarcho-syndikalistischen Block!

SpaziergängerIn 1+2: "Äh,..., na gut, hier."

k 02.04.2004 - 10:14
schade... ich hätte mir da jetzt mehr erhofft :)

obwohl das zugegeben nicht leicht ist. ich hab mich mal tatsächlich geweigert bei einer kontrolle meine personalien herzugeben und die polizei rufen lassen. fahrkartenkontrolleure haben gar nicht das recht die herausgabe von personalien zu erzwingen.

mehr als nur ein bisschen aufruhr stiften kann man dabei aber trotzdem nicht, weil man dann doch immer allein ist und nur ne einsame nonkonforme sau unter millionen.

zu fahrkartenkontrollen aber noch folgende tipps:
- rechtlich gesehen muss man eine fahrkarte gar nicht mit sich führen als beweis für die entrichtung einer fahrgebühr. da gab es mal einen präzedenzfall von jemandem der seine brieftasche verloren hatte und deshalb keine monatskarte vorzeigen konnte. rechtlich ist es ausreichend wenn man eine fahrkarte löst. man erwirbt sich nämlich in diesem moment das recht auf die fahrt(en). die karte ist dabei kein vertrag, sondern nur ein dokument das die beweisführung erleichtert. der kläger, der die strafe nicht zahlen wollte konnte also glaubhaft machen dass er seine brieftasche verloren hatte und musste nicht zahlen und konnte weiterhin den rest des monats fahren.

- kontrolleure haben das recht nach personalien (zu "abrechnungszwecken") zu fragen, aber nicht die herausgabe zu erzwingen.

- kontrolleure haben nicht das recht jemandem den ausstieg aus dem zug zu verweigern. a la "sie steigen erst aus wenn sie mir ihre personalien gegeben haben"

- häufig funktioniert es falsche angaben zur person zu machen ("hab keinen ausweis dabei, versichere aber dass ich 'hansi müller' heisse und in der liselottestr. 21 wohne"). als schüler hab ich das immer so gemacht, dass ich ein schulheft im rucksack hatte auf dessen umschlag ein anderer name stand. das war den kontrolleuren ausreichend.

- man kann fahrkarten fälschen, mit entsprechender grafiksoftware und einer gewissen kriminellen energie geht das :) hat ein bekannter mal ein jahr lang erfolgreich gemacht. allerdings ist das im zweifelsfall "urkundenfälschung" und wird mit bis zu 5 (oder so) jahren bestraft.

- mit kontrolleuren labern bringt auch häufig was, man habe echt vergessen zu stempeln, ehrlich und man könne ja nochmal rausgehen und für die kontrolleure sichtbar stempeln usw.

- kontrolleure bestechen: funktioniert (hat sich aber erst einmal ergeben). kontrolleure sind auch nur kleine furze denen der verkehrsbetrieb doch egal ist. häufig machen sie es so dass sie sagen "wenn sie gleich jetzt bar bezahlen wird kein eintrag gemacht, ansonsten schreiben wir einen zettel und reichen das ein" usw. es ist davon auszugehen dass sie das geld dabei in die eigene tasche stecken, weil kein beleg existiert.
man darf sich ruhig trauen kontrolleure (vor allem wenn sie allein oder nur zu zweit sind) direkt anzusprechen "was haltet ihr davon wenn ich euch einfach nen zwanziger gebe, und wir sparen uns den rest? ohne beleg und alles."
die sache is dabei halt nur, dass es trotzdem viel kohle ist und eigentlich eine frechheit dass die einen so erpressen können, weil im endeffekt ist das moderne wegelagerei.

- es gibt auch falsche kontrolleure, die mit gefaketen ausweisen und falschen belegzetteln kontrollieren und sich dabei etwas taschengeld verdienen. ich kannte mal so jemanden.

das problem ist einfach, dass die leute gegenüber fahrkartenkontrolleuren viel zu sehr einen vorauseilenden gehorsam haben und die vielfältigen möglichkeiten dieser abzocke zu entgehen nicht nutzen. immer klappts natürlich auch nicht muss man dazu sagen.

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