Schlappe für Spaniens Vereinigte Linke

Ralf Streck 30.03.2004 09:46 Themen: Soziale Kämpfe
Gaspar Llamazares wurde am Samstag in Madrid vom Föderalen Parteirat mit nur rund 55 Prozent der Stimmen als Parteichef der spanischen Vereinten Linken (IU) knapp bestätigt. Die IU ist eine Linkskoalition die sich 1986 im Zuge des gescheiterten Referendums über die Mitgliedschaft Spaniens in der NATO konstituiert hatte. Llamazares nimmt in dem Interview Stellung zur Wahlschlappe zu den Fehlern der IU und zu den Aussichten in der Zukunft.
F: Die Vereinte Linke (IU) hat bei den spanischen Parlamentswahlen drei von acht Sitzen verloren, wohingegen die baskische IU-Sektion »Ezker Batua«, die das Selbstbestimmungsrecht der Basken verteidigt und mit Nationalisten paktiert, ihr Wahlziel erreichen konnte und nun Veränderungen in der Struktur der IU verlangt. Haben die IU-internen Streitigkeiten zu dem klaren Wahlsieg der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) beigetragen?

Es bleibt gewiß ein fader Beigeschmack, wenn man einerseits zwar ein wichtiges Ziel erreicht, die konservative Volkspartei (PP) zu stürzen, um eine neue progressive und friedliche Etappe einzuleiten, andererseits das Ergebnis der eigenen Partei aber schlecht ausfällt. Ihren klaren Sieg verdanken die Sozialisten fraglos dem Willen der Wähler, die Konservativen für ihre Politik nach den Terroranschlägen in Madrid, für die Manipulationen, die Benutzung des Terrors für Parteiinteressen und die Verschleierung des Zusammenhangs zwischen Kriegsbeteiligung und Terror abzustrafen.

F: Ein wenig Selbstkritik könnte nicht schaden, schließlich haben Sie anfangs selbst auf die ETA-Version gesetzt?

Nicht nur die Ausnahmesituation hat dabei eine Rolle gespielt, wir haben sicherlich auch Fehler gemacht. Nichtsdestotrotz war unsere Oppositionsarbeit gegen die PP gut. Wir standen immer auf der Seite der einfachen Leute, sei es auf der Straße oder in den Institutionen. Vor allen Dingen brauchen wir eine stärkere Organisation. Wir haben wenig Geld und Einfluß auf die Medien und müssen unsere Wahlkämpfe mit Freiwilligen bestreiten. Eine der Lehren aus der Wahl ist die, daß wir uns stärker an der neuen Linken orientieren müssen, etwa der globalisierungskritischen Bewegung. Wir müssen uns in die Diskussion einbringen und unsere Sprache anpassen, die zu theoretisch, zu wenig konkret ist und Jugendliche und einfache Leute oft nicht erreicht. Ezker Batua scheint all dies besser gelungen zu sein.

F: Der ehemalige IU-Chef Julio Anguita fordert, die Kommunistische Partei (PCE) solle die Hegemonie über die IU aufgeben. Was halten Sie davon?

Anguita hat interessante Vorschläge, die ich auch teile. Doch Veränderungen gehen bei uns nur langsam vonstatten. Unsere wichtigste Aufgabe ist es jetzt, in eine Fraktion im Parlament zu kommen (für den Fraktionsstatus bedarf es mindestens neun Sitzen, die Red.), in der wir unsere Ziele und Vorstellungen durchsetzen können.

F: Wie geht die PP mit ihrer Niederlage um?

Die PP erkennt das Wahlergebnis nicht an und verweist auf angebliche Fälschungen der Opposition. Ähnlich hatte sie sich schon bei den Wahlen in der Provinz Madrid und in Katalonien verhalten. Nach dem Wahlsieg der Linken in Katalonien erklärte die PP, eine Partei, die für das Selbstbestimmungsrecht eintrete, disqualifiziere die Regionalregierung. Die PP wird sich jetzt in den Organen des Staates, den Kontrollorganen der Industrie, den Kommunikationsmedien und in der Justiz verschanzen, um von dort aus die neue Regierung zu bekämpfen ...

F: ... und zweifelhafte Gesetze zur Aushöhlung der Verfassung und Bürgerrechte auf den Weg zu bringen, wie etwa jenes zum Verbot der baskischen Partei Batasuna?

Wir fordern, daß derartige Gesetze nur mit einer breiten Zustimmung verabschiedet werden können. Die Gesetzesänderungen der PP haben noch weniger Zustimmung erhalten, als jene in der Zeit des Übergangs aus der Diktatur. So ist beispielsweise die Guardia Civil noch immer eine Militäreinheit und wird, wie andere Strukturen auch, immer wieder dazu genutzt, das anachronistische alte Spanien zu revitalisieren. Auch für den Antiterrorpakt der PP und der PSOE ist ein breiter Konsens nötig, und die öffentlich rechtlichen Medien müssen dem Einfluß der Regierenden entzogen werden.
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Ergänzungen

"Breiter Konsens" für reaktionäre Gesetze??

Tutnix 30.03.2004 - 10:18

ZITAT: ... und zweifelhafte Gesetze zur Aushöhlung der Verfassung und Bürgerrechte auf den Weg zu bringen, wie etwa jenes zum Verbot der baskischen Partei Batasuna?

Wir fordern, daß derartige Gesetze nur mit einer breiten Zustimmung verabschiedet werden können. ... Auch für den Antiterrorpakt der PP und der PSOE ist ein breiter Konsens nötig .... ZITATENDE

Wer einen „breiten Konsens“ für reaktionäre Gesetze verlangt, der stellt sich nicht offen gegen solche Maßnahmen, und enthält sich in dieser wichtigen Frage der Stimme. Klammheimlich hofft er aber, dass andere genügend Gegenstimmen zustande bringen, um die Sache zu Fall zu bringen.

Gegen solche klammheimlichen Linken haben schon die alten Römer gesagt: Wer sich der Stimme enthält, der stimmt zu!

Gruß Tutnix

analyse von menschen vom linken iu-flügel

der nestscheißer 30.03.2004 - 11:32

Volksfreund oder nicht

Warhead 30.03.2004 - 15:42
Jédenfalls haben die 5 oder 8 Hanseln Fraktionsstatus.Hierzulande ist man nichtmal in der Lage eine gemeinsame Liste auf Reihe zu kriegen,eher erschlagen sich die Kontrahenten gegenseitig bevor man sich geeinigt hat.Interessant ist das dort wo solche Listen zustandekommen meist die MLPD für Einbindung gesorgt hat,und das gerade die denen man Sektierertum vorwirft am Besten moderieren können.So und nun könnt ihr Verságer weiter auf den 5 oder 8 Hanseln rumkloppen und euerm Neid Freilauf lassen

Probleme

Ralf 31.03.2004 - 12:51
Hallo,

also da scheinen wieder ein paar Hochgeister unterwegs zu sein. Erstens ist doch klar, dass ich das Interview gemacht habe. Zweitens, wenn einem meine Beiträge nicht gefallen mit dem Crosspointing "Argument" zu kommen ist schon reichlich schwach. Will Indymedia aktuell von vor Ort informiert sein? Ist es ein Problem, wenn manche der Artikel auch bei der jungen Welt oder sonstwo zwischen der Schweiz und Schweden erscheinen? Meistens sind die Indy - Sachen ohnehin ausführlicher. Uninteressant?

Schön, dass es auch aufmerksame LeserInnen gibt "Tutnix" hat genau den reaktionären Charakter von Llamazares erkannt. Warum das unten steht, würde ich von den Mods auch gerne mal erfahren. Man muss denkenden Menschen bestimmte Sachverhalte nicht kommentieren und genau das macht die Krise solcher Parteien aus. Die ERC zum Beispiel tritt schlicht und einfach für die Abschaffung des Gesetzes ein und hat als Regionalpartei Kataloniens mit acht nun mehr Parlamentarier in Madrid als die IU. Llamazares ist ja auch einer der ständig die Basken anschwärzt, bei den Anschlägen in Madrid war das ja wieder gut zu sehen. Hier noch ein Interview mit einem seiner Gegner.
Keine Hoffnung auf Änderung

JW sprach mit Juan Manuel Sánchez Gordillo, Bürgermeister der kämpferischen Gemeinde Marinaleda, Listenplatz zweiter für das Parlament in Andalusien kandidierte für
Colectivo de Unidad de los Trabajadores-Bloque Andaluz de Izquierdas (CUT-BAI)CUT-BAI in der Vereinten Linken (IU) in Andalusien.

Mit den spanischen Parlamentswahlen fanden auch Regionalwahlen in Andalusien statt. Hier gab es in bei den letzten Wahlen stets starke Verluste für die IU, die von 20 Sitzen zunächst auf 13 und vor vier Jahren weiter auf 6 reduziert wurden. Welches Ergebnis haben sie am Sonntag erzielt?

Wir haben die sechs Sitze im Regionalparlament gehalten, uns nach Stimmen leicht verbessert aber, wegen der hohen Wahlbeteiligung prozentual leicht verloren und bekamen 7,5 Prozent. Die Strategie der IU, die ich stets offen kritisiert habe, geeint mit den Sozialisten zum Sturz der Konservativen anzutreten, war ein Reinfall. Ich fordere deshalb den Rücktritt der Verantwortlichen: des IU-Generalsekretärs Gaspar Llamazares und des andalusischen IU-Chefs Diego Valderas. Wir hätten eine Politik machen müssen, die sich klarer von den Sozialisten unterscheidet. Wir müssen als reale Alternative auftreten, nahe an den Bewegungen, wie der Landarbeiter, Anti-Globalisierung, die Probleme der einfachen Leute angehen und ihre Interessen gegenüber Madrid und Brüssel verteidigen.

Wie erwartet haben die Sozialisten (PSOE) in Andalusien gewonnen und nun sogar mit einer absoluten Mehrheit, die konservative Volkspartei kam nur noch auf 31 Prozent. Bedeutet das einen Linksruck?

Nein. Insgesamt haben die Konservativen weiter an Terrain gewonnen. Was in Spanien eine Stimme für die PP ist, ist hier in Andalusien eine Stimme für die PSOE, weil sie die gleiche neoliberale Politik vorantreibt. Ändern wird sich hier nichts, wir erleiden schon 22 Jahre lang eine sogenannte sozialistische Regierung. An den großen Problemen, Land-, Arbeits- und Wohnungslosigkeit, fehlende Industrialisierung, Einwanderung hat sich nichts geändert.

Wird die IU die Sozialisten unterstützen?

Ich bin dagegen, das wäre das Ende der IU. Denn die PSOE wird keine linke Politik machen und wir können ihre neoliberale Politik nicht absegnen. Wenn sie eine sozialistische Politik machen würde, dann wäre das was anderes.

Was bedeutet eine sozialistische Politik in Andalusien?

Zum Beispiel eine Landreform: 50 Prozent des Landes gehört noch immer einigen wenigen. Was an Strukturhilfen aus Brüssel kommt, bleibt zudem zu 80 Prozent bei den Großgrundbesitzern hängen. Die Kooperativen müssten gefördert, die US-Marinebasis in Rota geschlossen und Einwanderer legalisiert werden. Statt zu Industrialisieren, wird Andalusien derzeit deindustrialisiert. Gegen die Wohnungsnot, die Arbeitslosigkeit, vor allem von Frauen und Jugendlichen muss etwas getan werden. Doch die PSOE setzt auf Privatisierung, was weniger Schulen und Krankenhäuser bedeutet. Die Großgrundbesitzer haben in 20 Jahren ihren Profit um 140 Prozent gesteigert und die Arbeiter nur um 7,8 Prozent.

Was müsst strukturell passieren, damit sich an der Armut etwas ändert?

Wir, vor allem im Süden brauchen, wie alle Völker, mehr politische Macht. Gegen Vorhaben aus Brüssel, beim Baumwoll- und Tabak und Olivenanbau können wir uns nicht selbst dort verteidigen. Es entscheidet doch nun die Bundesbank in Deutschland und Co, wohin die Reise in Andalusien und Europa geht, was mit der Europäischen Verfassung festgeschrieben werden soll. Statt dessen brauchen wir eine neu Verfassung in Spanien, die das Land föderalisiert. Andalusien muss darin viel mehr Eigenständigkeit erhalten.

Also erwarten sie auch keine Änderungen darüber, dass nun die Sozialisten auch wieder in Madrid regieren?

Wir kennen die PSOE hier nun lange genug. Sie haben festgeschrieben, dass der Kapitalismus das einzig mögliche System ist. Sie ist keine wirkliche Alternative zur PP, auch wenn es sich bei denen um rechtsradikale Franquisten handelt. Es ist egal wer den Kapitalismus verwaltet. Dieses System mordet täglich durch den Hunger 23 Mal so viele Menschen wie im World Trade Center ermordet wurden. Wir als Linke müssen aufstehen, um eine andere bessere Welt zu schaffen.

© Ralf Streck den 05.03.2004

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Interviewer - wer? — Anti-Steck

Freund des Volkes? — Anti-Steck2

nix comprendo — diego

daily streck — isch gucke

Crossposting — Crosser