Berlin: Aktion gegen Werbestrategie-Ausstellung

reclaim your city 25.03.2004 04:30 Themen: Freiräume Kultur Medien
Vor einigen Wochen verschwand im U-Bahnhof Alexanderplatz eine Leinwand aus der Bahnhofs-Ausstellung "Kommunikationsstrategien der Werbung". An deren Stelle hing nun eine Leinwand der Berliner Gruppe CBS. Erst nach mehr als einer Woche wurde die Aktion bemerkt, da das CBS-Logo auf den ersten Blick wie ein Teil der Ausstellung aussah. Die Aussteller reagierten mit wütenden Reaktionen und Anzeige. Scheinschlag und andere berichteten darüber.
Heute nacht tauchte die verschwundene Leinwand am Alex wieder auf ...dort wo sie eigentlich hingehört :-)
CBS zum Austausch eines DDR-Warenlogos auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz

Tausende Menschen bewegen sich täglich im öffentlichen Nahverkehr. Dabei sind wir alle potentiell den Wirkungsmechanismen unserer konsumorientierten Gesellschaft ausgesetzt, durch permanente Werbung: Die großen Tafeln sind fester Bestandteil des Stadtbildes geworden. Die Bahnhöfe sind zu Werbeträgern verkommen. Seit einiger Zeit werden die Fahrgäste auch in den U-Bahnen ungefragt mit Werbung überflutet, über Monitor, das so genannte "Berliner Fenster". Es ist beinahe unmöglich sich diesen Mechanismen zu entziehen.

Eine Ausnahme stellten bisher die werbefreien Bahnhöfe dar, insbesondere der seit Jahren zum Kunstbahnhof erklärte Alexanderplatz. Das Projekt "Kunst statt Werbung" auf der Linie U2 bot mit seinen wechselnden Kunstausstellungen in der Vergangenheit oft eine erholsame Alternative zur sonst üblichen Reizüberflutung.Es sieht so aus, als sei dies mit der derzeitigen Ausstellungsreihe Kommunikationsstrategien der Werbung aufgegeben worden. Die Zeichen der öffentlichen Agitation werden einfach nur gezeigt. Eine künstlerische Auseinandersetzung zu Sinn und Wirkung von Werbung findet nicht statt. Wir haben das Gefühl, dass vor allem kostengünstige und nicht unbedingt gesellschaftskritische Projekte realisiert werden: kennst Du ein Plakat, kennst Du alle Plakate...

CBS arbeitet ebenfalls im öffentlichen Raum. Als Gruppe sind wir seit 1995 vor allem durch Graffiti in Erscheinung getreten. Dabei haben auch wir zunächst unbewusst und später bewusst verschiedene Kommunikationsstrategien der Werbung verwendet. Das Verbreiten unseres Namens reichte uns in den letzten Jahren jedoch nicht mehr aus. Inzwischen versuchen wir mehr und mehr gesellschaftliche Prozesse durch Aktionen im öffentlichen Raum zu hinterfragen. Wir verkaufen kein Produkt. Auf unsere Arbeiten gibt es kein Copyright. Wir haben nicht vor, CBS als kommerzielle Marke zu etablieren. Vielmehr versuchen wir zu zeigen, dass es außerhalb der üblichen gesellschaftlichen Mechanismen Menschen und Wege gibt, die sich gegen profitorientiertes Denken wehren. Sie ergreifen die Initiative. Sie schaffen Werte, die diese Stadt lebens- und liebenswert machen.

Als wir die Ausstellung von Aage Langhelle zum ersten Mal sahen, waren wir schockiert und bei näherer Betrachtung verstärkte sich der negative Eindruck noch. Langhelle stellt nicht die Mechanismen der Werbung kritisch aus, sondern seine Zeichen als simple Logos. Er selbst erklärt: "Die komplexen Vermarktungs- und Kommerzialisierungsprozesse auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft werden verdeutlicht" Wie denn?
Er sagt weiterhin: "Die Abkürzung für den Sozialistischen Staat wird zu einem Warenlogo".
Die NGBK hilft ihm dabei, weil ohne das Kunstprojekts das Copyright zum Problem würde.
Obendrein gibt es zur Ausstellung eine Internetseite (www.ddr-u2.de), wo T-Shirts mit einem der gezeigten DDR-Logos angeboten werden, zum Preis von 24,50€. Spätestens hier wird die Ausstellung zu einer Verkaufsshow und das Warenlogo "DDR" wird zum Verkaufsprodukt.

Dieses Kunstprojekt im öffentlichen Raum geht zu weit.
Daher beschlossen wir, ein Logo auszutauschen, um eine Diskussion zu diesem Thema neu anzuregen. Wir haben eine eigene Leinwand gebaut und ein eigenes Logo im selben Stil entworfen, um so möglichst lange Störstelle in der Ausstellung zu sein. Wir halten es für wichtig auf bestimmte Ereignisse autonom zu reagieren.
Die Arbeit von Langhelle haben wir eingelagert, um sie später in einem neuen Kontext wiederkehren zu lassen.
Mit einer Anzeige haben wir gerechnet. Wir fragen uns nur, warum Menschen oder Institutionen in ihrem Denken so festgefahren sind, dass ihnen als Erstes nichts Besseres einfällt. Dies erscheint uns vor allem mit Blick auf Geschichte und Bedeutung der NGBK ziemlich einfältig und traurig. Anzeigen halten Veränderungen in unserem Sinne jedoch keineswegs auf. Sie führen nur dazu, dass Leute wie wir noch organisierter und anonymer arbeiten. Damit wird bedauerlicherweise die Möglichkeit einer offenen und konstruktiven Diskussion noch schwieriger.
Dennoch soll die entfernte Tafel jetzt wieder auftauchen - in einem ehrlicheren Zusammenhang ...

CBS, März 2004


Webseite zur Austellung
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Ergänzungen

Weitere Artikel/Fotos:

...noch ein paar Links 25.03.2004 - 04:38
Weitere Artikel zu Subversion, Streetart und Aktionen gegen Werbung bei Indymedia:


Feature: Berlinweiter Aktionstag gegen Werbung - Bilder und Zusammenfassung
 http://de.indymedia.org/2002/12/37022.shtml


Im Sommer 2003 begann eine regelrechte Streetart-Offensive, die das Gesicht einiger Kieze veränderte:

Graffiti- und StreetArt-Offensive in Berlin - Fotos, Teil 1
 http://de.indymedia.org/2003/08/60124.shtml

Graffiti- und StreetArt-Offensive in Berlin - Fotos, Teil 2
 http://de.indymedia.org//2003/08/60141.shtml



Gute Aktion!

Mac 25.03.2004 - 05:22
Graffiti-Sprüher und Streetart-Aktivisten zeigen, daß es (noch) möglich ist auch jenseits etablierter und kommerzieller Wege die Menschen zu erreichen. Schaffung von Bewusstsein gegenüber einer weiteren Kommerzialisierung der Gesellschaft (nach Bildung, öffentl. Gütern, Wasser, Kommunikationswege, Stadträume) ist der erste Schritt, Formulierung von Alternativen und deren Umsetzung wäre ein Weiterer. Genau das tun einige Graffiti-Sprüher und Streetart-Aktivisten mit solchen (und anderen) Aktionen.

yo

koelnA 25.03.2004 - 22:19
Das ist eine der Sachen, die in Köln noch läuft: Sticker, Spuckies etc. Sei es 'Money World', sei es '?$', der von der Stadt der freien Kunstszene erklärte Krieg ist nicht folgenlos geblieben. Schwarz-Grün ließ die in einer Millionenstadt nun mal existierende Szene nicht agieren, sondern überzog sie mit Repression; die Folge war, daß alles, was nicht niet- und nagelfest ist, einen tag oder Kleber (oder viele...) abbekommen hat. Und es sind wirklich ausgesucht hübsche Exemplare darunter.
Könnte sich meine Wenigkeit eine Digicam leisten, würde es Berichte geben, aber so müßt ihr leider auf Leute warten, die etwas mehr Kohle locker haben als ich mit meiner schmalen Stütze :-(

CBS ueber alles

Maks 25.03.2004 - 22:34
Bin mit der U-bahn dran vorbeigefahren und dachte ich träume, als ichs später meinem Kumpel zeigen wollte wars wieder weg
- bin doch nicht verrückt geworden

Dank an CBS und an alle Sprüher, die Städte gehören uns...

Respekt für die DDR-Aktion

Toleranz 26.03.2004 - 18:48
Möchte hier mal ein Kompliment anbringen, daß CBS das DDR - Plakat nicht einfach in den Müll geworfen aht, sondern die Aktion konsequent vollendet hat, indem sie es am KAUFhof aufhingen. hier ist ein neuer Kontext entsatnden, der deutlich mehr zu beiten hat, als die gesamte Ausstellung im Alexanderplatz.

Wieter so. Es gibt noch viel zu tun...

Pseudokritische Kunst demaskiert

Akara 28.06.2004 - 21:22
Gratulation an CBS zu dieser Aktion!
Seit beginn der DDR U2-Ausstellung habe ich mich gefragt, was denn ihr Inhalt sein könnte. Als ich das schmalbrüstige Konzept des Grafikers und der Organisatoren las, wurde meine unangenehme Vorahnung, hier wolle jemand mit einem hippen bis hin zum plump-spektakulären Thema sich Aufmerksamkeit erheischen. Klar, dass die NGBK natürlich wie die meisten Kulturinstitutionen die Hosen gestrichen voll hat, ne Sache zu präsentieren, die beim Publikum ne Pleite werden könnte. Also greift man zu einem recht bequemen Konzept: Es sollen Werbestrategien blossgelegt werden(hört, hört) und mit der momentanen Ostalgiewelle verträgt sich das Ganze auch noch blendend, wobei es damit den frechen Anspruch für sich trägt, auf irgendeine Weise kontrovers zu sein. Kurzum, es wurde eine mediocre Suppe gebraut, die nur zu sehr an schlechte Kunsthochschuljahresausstellungen erinnert, das ganze garniert mit einem diffusen Gefasel.
Dies ist schon schlimm genug, aber dass man dann flennt wie ein kleines Kind, dem man die Sandburg zerstört hat, wenn tatsächlich eine unvorhergesehene, vielleicht sogar künstlerische Aktion aus dem ganzen gemacht wird, wie es CBS geschafft hat, das ist die Spitze der Borniertheit und entlarvt nur zu deutlich den pseudokünstlerischen Charakter dieser Ausstellung.
NGBK, schämt Euch und packt ein!

Dickes Fragezeichen

IOUVV 27.10.2004 - 19:26
Muss ja nich immer alles allen gefallen oder? CBS sind halt "künsterlisch aktiv" indem sie andere sachen entwenden und durch ihre ersetzen mich würde mal interessieren was die mit dem ersten plakat gemacht haben...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Danke CBS!!! — Hank

GEIL, GEIL, GEIL — autonoma mala

Beste Handy — Krönchen

DANKE CBS !!!!! — anarchist