Reaktionen auf Polizeidoku und neue Repression

AbwehrspielerIn der Ordnung 08.03.2004 10:45 Themen: Repression
Etwas mehr als eine Woche ist seit der Veröffentlichung der umfangreichen Dokumentation über Fälschungen, Erfindungen und Hetze durch Polizei, Politik, Justiz und Presse in und um Gießen vergangen. Zwei Pressekonferenzen und die erste öffentliche Präsentation in Berlin sind vorbei. Bislang aber herrscht Ruhe ? auffällig in Gießen, wo am vierten Tag nach der Pressekonferenz der erste Artikel in einer Zeitung erschien. Die meisten bürgerlichen bis linken Zeitungen blocken erwartungsgemäß ab, schließlich berichten die nur über ihre Klientel. Und im konservativ-bürgerlichen Lager ist ohnehin Abwarten angesagt. Auch der FR-Text geht auf die Inhalte der Doku gar nicht ein.
Derweil gibt es neue Anklagen und Repression: Zwei Menschen, die Lebensmittel aus Müllcontainer gefischt hatten, sind für Mittwochvormittag vorgeladen. Vorwurf: Diebstahl!
Passend dazu startet heute die Aktionswoche gegen Repression in Gießen, weitere Veranstaltungen auch zur Dokumentation folgen. Eine Übersicht über die Reaktionen und Berichte von den Veranstaltungen bisher sind hier zusammengestellt ? weitere werden unter den Ergänzungen hinzugefügt.
Die folgenden Absätze sind eine Chronologie der Reaktionen auf die Polizeidokumentation und die Aktivitäten drumherum. Das Ganze ist (hoffentlich) erst am Anfang. Angesichts der Tendenz elitärer Kreise in dieser Republik, bei einem Angriff von außen zusammenzuhalten, ist zunächst nicht überraschend, dass die Inhalte weder von Parteien (auch nicht von der Opposition ... die PDS Gießen bezeichnete die Doku als ?nicht unterschreibbar?) noch von Medien noch von Institutionen aufgegriffen werden. Im heute erschienenen FR-Artikel wischt die Polizei alle Vorwürfe weg: ?Ihm seien keine Fälle von Schikane durch Beamte bekannt?. Die Dokumentation, seid zwei Wochen öffentlich und allen zugänglich im Internet, listet ca. 50 Beispiele auf, mehrere sind unterteilbar in mehrere Einzeltaten. Zu einigen liegen sogar Rechtswidrigkeitsurteile vor (Hausdurchsuchungen, Platzverweise usw.) . Doch die Polizei weiß noch nix. Oberstaatsanwaltschaft Hübner äußert sich zu Gentests und behauptet, die seien einfach überall sinnig: ?Das ist eine Untersuchungsmethode, die in allen Bereichen ihre Anwendung findet?.

Die kurze Chronologie

Berichte aus Berlin
Bei der Pressekonferenz zur Dokumentation am 1. März um 11 Uhr über die Polizeidokumentation waren nur drei Journalisten da, davon zwei für konkrete Medien (Neues Deutschland und Jungle
World). Ein freies Fernsehteam zeichnete nach dem Pressegespräch Interviews auf, die inzwischen auf Indymedia zu sehen sind ( http://www.de.indymedia.org/2004/03/76150.shtml). Die zu befürchtende Mauer des Totschweigens seitens der meisten Medien trat also ein. Da alle eingeladen wurden, werden Berliner Zeitung, taz, Radio, Fernsehen & Co. also Wichtigeres zu tun gehabt haben oder das Thema meiden wollen. ...
Am Abend fand die öffentliche Vorstellung im RAW-tempel statt. Ca. 30 Personen waren gekommen. Als Intro konnte der erste Schnitt der Interviews vom Nachmittag gezeigt werden, danach folgte ein Überblicksreferat zur Dokumentation und anschließend einige Bilderserien von den kriminalisierten Aktionen in und um Gießen. In der Debatte rankte sich dann auch viel um Aktionsformen zur kreativen Antirepression ... fortgesetzt bis tief in die Nacht in der Kneipe.

Bericht in ?Neues Deutschland?:
?Law and order statt guter Laune
Dokumentation belegt Gießener Filz aus Polizei, Politik, Justiz und Presse Von Markus Drescher Am Montag wurde in Berlin die von verschieden Organisationen, darunter die Humanistische Union, herausgegebene »Dokumentation von Fälschungen, Erfindungen und Hetze durch Presse, Politik, Polizei und ... (03.03.04)
Den vollständigen Artikel finden Sie in unserer Printausgabe vom 03.03.04?

Pressetext bei der FAU:  http://www.fau.org/artikel/art_040304-191802


Bericht der Pressekonferenz am 4.3. in Gießen
Am 4. März wurde in der Vinothek (Kongresshalle) die Dokumentation zu Fälschungen, Erfindungen und Hetze durch Polizei, Politik, Presse und Justiz in und um Gießen der Presse vorgestellt. Von Seiten der HerausgeberInnen waren etliche Personen erschienen, u.a. von der Humanistischen Union, der Demokratischen Linken und aus der Projektwerkstatt und Umfeld. Nach einer Einführung und Wertung aus bürgerrechtlicher Sicht stellten die Betroffenen die Dokumentation sowie einige ausgewählte Beispiele vor. Danach konnten die erschienenen Redakteure von Express, FR und Gießener Allgemeine Fragen stellen. Zu HR, FFH und Giessener Anzeiger wurden die Dokumentationen anschließend hingebracht.

Presseinformation der HU nach der Pressekonferenz ( http://www.hu-marburg.de/hupm0604.shtml)

Polizei-Willkür in Gießen
Dokumentation und Veranstaltung mit HU-Beteiligung
Als "skandalös" bezeichnet HU-Landessprecher Franz-Josef Hanke das Vorgehen der Gießener Strafverfolgungsbehörden gegenüber der Projektwerktstatt Reiskirchen-Saasen. "Polizei und Justiz müssen sich auch selbst streng an Recht und Gesetz halten, erklärte Hanke. Polizeiliche Schikane ist eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig!"
Eine Dokumentation der Vorgänge rund um die Projektwerkstatt haben mehrere mittelhessische Organisationen am Donnerstag (4. März) in Gießen vorgelegt. Die Humanistische Union (HU) tritt dabei als Mitherausgeber auf. Damit möchte die Bürgerrechtsorganisation die unglaublichen Übergriffe von Gießener Polizeibeamten auf missliebige Polit-Aktivisten öffentlich machen.
Diesem Ziel dienen auch zwei Veranstaltungen der mittelhessischen Regionalgliederung der Humanistischen Union: "Protest und politische Justiz - Bürgerrechtler klagen an" ist der Titel eines Informations- und Diskussionsabends am Mittwoch (10. März) um 19 Uhr in der ?Milchbar? der Marburger Mensa. Teilnehmen werden Tereza Bultmann aus Köln, Jochen Lüttich aus Marburg und Jörg Bergstedt von der Projektwerkstatt.
Der HU-Bundesvorsitzende Reinhard Mokros wird am Montag (15. März) an einer Diskussionsveranstaltung in Gießen, Ludwigstr. 34, Margarete Bieber Saal, teilnehmen. Sie beginnt ebenfalls um 19 Uhr. Mokros ist ehemaliger Aachener Polizeidirektor und derzeit Dozent für polizeiliches Eingriffsrecht an der Fachhochschule Duisburg.
In der Dokumentation sind mehr als 50 Fälle rechtswidrigen Vorgehens von Vertretern der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Gießen dargestellt. Anklagepunkte seien frei erfunden worden, beklagen Beschuldigte. Aktionen der Polizei hätten zwar aufgrund dieser Anschuldigungen stattgefunden, Akten dazu gebe es aber nicht.
"Polizei und Justiz sind verpflichtet, die Bürgerrechte zu achten und zu schützen", erklärte Hanke dazu. "Wenn Polizisten missliebige Menschen schikanieren, dann ist das absolut unerträglich!"
Die HU hofft, dass "aufrichtige" Beamte in Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten weitere Übergriffe ihrer selbstherrlichen Kollegen verhindern werden. Außerdem fordert die HU die Justiz auf, das Vorgehen gegen die Projektwerkstatt auf mögliche Straftaten von Amtsträgern hin zu untersuchen.

Dragan Pavlovic
(Pressesprecher des HU-Ortsverbands Marburg)
Tel. 06402/508932
e-Mail: mailto: pavlovic@hu-marburg.de


Neue Repression in Gießen
Die Ausdehnung von Ermittlungs- und Strafverfahren in Gießen nimmt weiter zu. Neueste ?Opfer? sind zwei Menschen, die mit Lebensmitteln von der Polizei aufgerieben wurden, die sie aus Müllcontainern gezogen haben. Nun läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahl (!), Polizeivorladung ist Mittwoch morgen. Der Bericht eines Betroffenen über den Polizeizugriff:
?In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag liefen 2 Menschen mit einem Einkaufswagen voll leckrem Essen über die Lahnbrücke an der Rodheimer Straße. Plötzlich hielt ein Streifenwagen an der Seite an, ein zweiter folgte kurz später. Es stieg ein Polizist aus und fragte, woher das Essen aus dem Wagen komme. Die beiden Personen machten keine Angaben dazu, darauf behauptete der Beamte, es Sei aus dem Müllcontainer beim Walmart. Nach langem hin und her forderte die Polizei die beiden auf, das Essen wieder zurück zum Müllcontainer zu fahren, wenn nicht könne man auch mit in die Zelle kommen. Ein Passant, der sich über die ?Amtshandlung? der Polizei wunderte und fragte was denn los sei wurde unsanft, mit Drohungen und leichter Gewaltanwendung, zum weitergehen bewegt.
Die beiden Menschen bewegten sich mit ihrem Wagen nun Richtung Walmart, machten aber nach 200 Metern eine kleine ?Picknick-Pause?, was der Polizei gar nicht zu gefallen schien. Als die wiederholte Drohung einer Nacht in der Zelle und aggressiv/autoritäres Auftreten die beiden Delinquenten nicht zum weitergehen bewegen konnte, entschloss die Polizei sich, selbst das Essen wieder zurück in die Mülltonne zu befördern und schickte die Beiden mit leeren Händen nach Haus.?




Terminliste der Aktionswoche in Gießen:
Ständig
Am Markplatz wird die Woche über ein Infostand angemeldet sein - ca. 12 bis 17 Uhr, anschl. immer Demo!


Montag
14:30 Uhr im begrenzt:
Theaterworkshop

17 Uhr: Demo vom Seltersweg (Start: Drei Schwätzer) an Knast, Justiz und Polizei vorbei.

18 Uhr im begrenzt
Einführung in das Thema Knast mit Vorträgen & Gedichten

19:30 Uhr im begrenzt
Vorstellung der Dokumentation über das Vorgehen der Gießener Polizei (mit Video-Präsentation)

20 Uhr im begrenzt: Vokü (lecker ...)


Dienstag
14:30 Uhr im begrenzt:
Theaterworkshop

17 Uhr: Demo (wie Montag, aber bis Infoladen (Alter Wetzlarer Weg)

18 Uhr im Infoladen: Treffen zum Aufbau von Repressionsschutz Strukturen (ähn-lich wie Rote Hilfe)

19 Uhr Infoladen: VoKü

20 Uhr Infoladen: Theateraufführung

22 Uhr vor der Staatsanwaltschaft: Gedichtslesung - jedeR die/der mag kann hier Gedichte vortragen


Mittwoch
10.30 Uhr Verhör im Polizeipräsidium wegen Containerns

16 Uhr am Infostand in der Innenstadt (bei schlechtem Wetter im begrenzt): Direct-Action-Workshop

17 Uhr: Demo (wie Montag)

19 Uhr in Marburg, Milchbar im Mensa-Anbau, Erlenring 5: Diskussionsveranstaltung zur Repression in Mittelhessen mit Fritz Sack u.a.


Donnerstag
Ab 12 Uhr am Infostand Marktplatz: Das "AmtsGericht"? kulinarische Köstlichkeit, natürlich umsonst

17 Uhr: Demo (wie Montag)

17 Uhr im Infoladen: Workshop zu kreativer Antirepression und Repressionsschutz

19 Uhr vor Amtsgericht (bei schlechtem Wetter im begrenzt): Training zur kreativen Umgestaltung von Gerichtsprozessen


Freitag
16 Uhr: Demo (wie Montag)

17 Uhr im begrenzt: Diskussion zum Thema: "Knast abschaffen???"

19:00 Uhr Jokus: Punkkonzert mit vielen Bands aus Deutschland:

Bildungslücke (Deutschpunk/WI)

Lochfrass (Deutschpunk/B)

The Jannis Mofa Gang (77-Punk/MR)

Donald Death (polit-Punk/MR)

Cadzo (HC/Bochum)

Scarlett Fire (Rock/Giessen)






Samstag
11-13:30 Uhr bei 3 Schwätzern
Speakers Corner: Hier kann jeder über ein Mikrophon irgendetwas erzählen, kritisieren, vorschlagen 12 Uhr Kirchplatz:
Bunte, freche Abschlussdemo

20 Uhr AK44: Hip-Hop-Konzert mit Chaoze One und Kaos


Sonntag
12 Uhr, begrenzt (mit Frühstück): Knastinsassen berichten über ihre Zeit im Knast- Einladung an alle Ex-Knackies!!!

14-17 Uhr im Infoladen: Umsonstladen unterwegs

19 begrenzt: Videoabend zum Thema der Woche


Montag
19 Uhr im Margarete-Bieber-Saal, Ostanlage 34: Podiumsdiskussion zu "Missbrauch im Rechtsstaat" zur auto-ritären Politik, Polizeiverhalten, Krimi-nalisierung und mehr im Raum Gießen (u.a. mit Polizeidirekter Reinhard Mokros, Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, und Paul Hirsch, Ex-Kriminalbeamter aus Frank-furt)

Tag-gegen-Polizeigewalt-Sonder-sendung auf Radio Unerhört MR


Orte
Siehe oben: Treffpunkte
Staatsanwaltschaft und Gerichte: Kennedyplatz/Ostanlage
Polizeipräsidium mit Gewahrsamszel-len: Ferniestr. 8
Polizeistation Nord: Berliner Platz 3

Stadtplan mit interessanten Objekten:
- Innenstadt:  http://www.projektwerkstatt.de/gav/download/stadtplan.jpg
- Umgebung:  http://www.projektwerkstatt.de/gav/download/umgebung.jpg



Links
- Internetseite zur Aktionswoche:  http://www.antirepression.de.vu
- Kreative Antirepression:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression
- Direct-Action-Ideen:  http://www.direct-action.de.vu
- Zum Prozeß gegen Projektwerkstättler:  http://www.projektwerkstatt.de/prozess
- Der neue bunte.nachrichten.dienst für Gießen ist erschienen:  http://www.bunter.nachrichten.dienst.de.vu


(Leider machen die Internetzugänge grad Probleme ... näheres ist z.Zt. nicht bekannt ... kann also sein, dass Links immer mal wieder nichts funktionieren)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

FR-Link und Interviews zum Ganzen

Abwehr ... 08.03.2004 - 13:43
Interview zur Repression in Gießen unter  http://freieradios.nadir.org/portal/content.php?id=6327&PHPSESSID=c95ea7fa81
b478c748bf82b5f54ecb40
Titel dort: "6327. Polizeidokumentation Giessen" Länge 4.43 Minuten

Artikel in der FR am 8.3.2004:
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/frankfurt_und_hessen/rheinmain_und_hessen/?cnt=400590&

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super gemacht ... — AbwehrspielerIn