Protest gegen rassistischen Polizeiübergriff

no justice, no peace 06.03.2004 20:44 Themen: Antirassismus Repression
70 Menschen protestieren in Innenstadt und Bahnhof in Göttingen
Göttingen, 6.März 2004

Protest gegen rassistischen Polizeiübergriff
70 Menschen protestieren in Innenstadt und Bahnhof/ Zeugen des Vorfalls gesucht!

Um gegen den gewaltätigen Polizeiübergriff vom Donnerstag am Göttinger Bahnhof zu demonstrieren, versammelten sich heute Mittag um 12 Uhr 70 Menschen zu einer Spontandemonstration in der Innenstadt. Die Demonstration durch die Fußgängerzone endete im Bahnhof.
"Dieser Übergriff ist kein Einzelfall. Auch in Göttingen kommt es immer wieder zu rassistsichen Übergriffen durch die Polizei!" hieß es in einem Redebeitrag. Es wurde dazu aufgerufen, sich bei rassistischen Übergriffen einzumischen und diese öffentlich zu machen. Ein Sprecher schloß sich der Forderung von Amnesty International an, unabhängige Untersuchungen zu Polizeiübergriffen gegenüber Flüchtlingen einzuleiten. Die Organisation hatte im Frühjahr die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch Polizei- und Grenzschutzbeamte kritisiert und damit eine öffentliche Debatte über rassistsiche Polizeigewalt angestoßen.
Die Notwendigkeit einer solchen Debatte belegt der Vorfall, der sich am Donnerstag im Göttinger Bahnhof ereignete. Der 18jährige Raphael S. wurde von sechs Polizeibeamten bei einer Personenkontrolle gewaltsam zu Boden geworfen und gefesselt. Er mußte später in die Notaufnahme des Klinikums gebracht werden. Mittlerweile wurde von Seiten der Polizei Anzeige erstattet wegen Widerstandes gegen Polizeibeamten. "Diese gängige Praxis der Polizei, gegen die Opfer ihrer Übergriffe Anzeige zu erstatten, soll die Betroffenen davon abhalten, gegen die Übergriffe juristisch und öffentlich vorzugehen. Mit dieser Strategie wird die Göttinger Polizei aber in diesem Fall nicht durchkommen," so eine Sprecherin des Arbeitskreis Asyl. Zur Zeit prüft ein Anwalt des Betroffenen rechtliche Schritte gegen die Beamten einzuleiten.
Zeugen des Vorfalls, der sich am Donnerstag um 16.50 Uhr im mittleren Teil des Banhofs erreignete, sind gebeten sich telefonisch beim Arbeitskreis Asyl, Tel. 0551-58894, zu melden.





Stoppt rassistische Polizeigewalt!

Am Donnerstag, 4.März 2004 ist es am Göttinger Bahnhof zu einem gewalttätigen Übergriff von Polizeibeamten gegenüber einem Flüchtling aus Sierra Leone gekommen. Nachdem er aus dem Zug stieg wurde Raphel S. von Polizeibeamten kontrolliert. Als er den genauen Grund für die Kontrolle erfahren wollte, wurde er von 6 Polizeibeamten gewaltsam festgenommen. Bei der Festnahme erlitt er so schwere Verletzungen, dass er in die Notaufnahme der Universitätsklinik eingeliefert werden musste.
Als Raphel S., der auch Mitglied der Flüchtlingsorganisation The Voice Göttingen ist, mit dem Zug in Göttingen ankam, wurde er von zwei Zivilbeamten angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. Auf die Frage nach dem Grund für die Überprüfung verwiesen die Zivilbeamten lapidar aufs Ausländerrecht. Als er sich mit der Erklärung nicht zufrieden gab und eine genauere Erklärung für die Personalienüberprüfung einforderte, riefen die Polizisten Verstärkung. Zu sechst (!) warfen die Polizeibeamten den Flüchtling gewaltsam zu Boden, drückten ein Knie in seinen Nacken und legten ihm Handschellen an. Der Flüchtling bat umstehende Personen um Hilfe gegen den gewalttätigen Polizeiübergriff. Ein Mann der sich daraufhin an die Polizeibeamten wendete wurde von diesen ignoriert. Zur Zwangsüberprüfung der Personalien wurde er mit auf die Wache des Bundesgrenzschutzes (BGS) am Bahnhof getragen. Bei der Festnahme erlitt Raphael derart schwere Verletzungen, dass er nicht in der Lage war, selbständig die BGS-Wache zu verlassen. Daraufhin sahen sich die Polizisten genötigt einen Rettungswagen anzufordern, der den Verletzten in die Notaufnahme des Universitätsklinikum brachte. Dort wurde er um 18:30 Uhr aufgenommen, also erst zwei Stunden nach dem gewalttätigen und rassistischen Polizeiübergriff im Bahnhof.
Kurz nach 21 Uhr konnte er aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Ärzte diagnostizierten Verletzungen im Halswirbelbereich, an einer Schulter, eine Kniegelenkdistorsion am linken Knie, eine Handgelenkdistorsion am linken Handgelenk sowie Prellmarken. Der Flüchtling leidet noch stark unter den Schmerzen. Er ist bei seinem Arzt in weiterer Behandlung.
Immer wieder kommt es - auch in Göttingen - zu rassitischen Attacken durch die Polizei. Innenstädte und Bahnhöfe werden für "nicht-deutsch" aussehende Menschen und andere "unliebsame" Personen zu no-go-areas.
Stoppt rassistische Polizeigewalt!
Freedom Of Movment Is Everybody`s Right!
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Ergänzungen

Polizeigewalt

Akap 07.03.2004 - 20:19
Das Götting kein Einzelfall ist beweist der Jahresbericht von AmnestyInternational:

Jahresbericht 2003
Todesfall in Haft

Gegen mehrere Polizeibeamte, die im Verdacht standen, den 31-jährigen Stefan Neisius am 11. Mai auf der Kölner Polizeiwache Eigelstein mit Schlägen misshandelt zu haben, wurde Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge erhoben. Die Polizei hatte den jungen Mann am Abend des 11. Mai nach einem Familienstreit in seiner Wohnung festgenommen. Als er auf der Wache ins Koma fiel, wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er am 24. Mai verstarb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Der Vorfall mutmaßlicher Polizeibrutalität kam ans Tageslicht, nachdem zwei Polizeibeamte einen ihrer Vorgesetzten darüber informiert hatten, dass sie in der Nacht der Festnahme von Stefan Neisius Zeuge geworden waren, wie fünf oder sechs ihrer Kollegen um den am Boden liegenden und an den Händen gefesselten Häftling herumgestanden und ihm wiederholt Fußtritte gegen Kopf, Körper, Arme und Beine versetzt hätten. Anschließend, so die beiden Zeugen, hätten drei oder vier Polizisten Stefan Neisius an den Füßen gepackt und ihn durch den Flur in eine Zelle geschleift, wo er erneut mit Schlägen und Fußtritten traktiert worden sei, während er hilflos am Boden lag. Kurz nach Bekanntwerden des Vorfalls wurden sechs Polizeibeamte vom Dienst suspendiert. Ermittlungen zur Aufklärung der Ereignisse waren Ende des Berichtszeitraums noch nicht abgeschlossen. Ein Prozesstermin stand zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht fest.


Vorwürfe über Misshandlungen durch die Polizei

Erneut wurden Berichte bekannt, denen zufolge die Polizei Häftlinge misshandelt und in übermäßiger Weise Gewalt gegen sie angewandt hat. Beschwerdeführer erhoben den Vorwurf, mit Fußtritten und Fausthieben gequält und bisweilen auch verbal misshandelt worden zu sein. Einige der mutmaßlichen Opfer zogen sich unter den polizeilichen Übergriffen schwere Verletzungen zu.

Am 20. Februar wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, um Vorwürfe der 44 Jahre alten Swetlana Lauer aufzuklären, die angegeben hatte, in ihrer Wohnung im bayrischen Bamberg von Polizeibeamten misshandelt worden zu sein. Die 44-Jährige war mit vier Polizisten in Streit geraten, weil sie ihnen nicht die Genehmigung zur Durchsuchung ihrer Wohnung erteilen wollte. Daraufhin soll eine Polizeibeamtin Swetlana Lauer an den Haaren gepackt, sie mit dem Kopf wiederholt gegen Wände und Türen gestoßen und die Arme der an den Händen gefesselten Frau in schmerzhafter Weise verdreht haben. Außerdem hieß es, Swetlana Lauer sei von derselben Beamtin beschimpft worden. Die Szene spielte sich Berichten zufolge vor den Augen der acht Jahre alten Zwillingstöchter von Swetlana Lauer ab. Nachdem die 44-Jährige einem zweiten Polizisten im Gesicht Kratzwunden zugefügt hatte, soll sie auch von diesem misshandelt worden sein, indem er sie an den gefesselten Händen über den Boden der Wohnung schleifte, ihr Fußtritte versetzte und sie mit dem Kopf gegen den Boden stieß. Anschließend soll er sich mit einem Fuß auf den Rücken der Frau gestellt und erneut auf sie eingeschlagen haben. Swetlana Lauer zog sich unter den Übergriffen mehrfache Blutergüsse und Hautabschürfungen zu.

Im Fall des togoischen Asylbewerbers Doviodo Adekou, der am 1. Oktober 2001 in Mettmann im Bundesland Nordrhein-Westfalen von Polizeibeamten misshandelt worden sein soll, waren die Ermittlungen Ende des Berichtszeitraums noch nicht abgeschlossen. Der 59-jährige Togoer hatte den Vorwurf erhoben, ein Polizist habe ihm bei dem Versuch, ihn in Abschiebehaft zu nehmen, vorsätzlich aufs rechte Auge geschlagen und dadurch schwere Blutungen ausgelöst. Die Behörden widersprachen der Darstellung von Doviodo Adekou und erklärten, der Beamte habe den Häftling ungewollt am Auge getroffen, nachdem er von diesem gebissen worden sei. Doviodo Adekou, der sich kurz vor dem Zwischenfall wegen einer Grauen-Star-Erkrankung einer Operation unterzogen hatte, musste nach den mutmaßlichen Misshandlungen neun Tage im Krankenhaus zubringen. Sein rechtes Augenlicht hat er eingebüßt.

Im Dezember begann ein Prozess gegen zwei Polizeibeamte, die angeklagt waren, im Mai 2000 in Berlin einen damals 41-jährigen Mann türkischer Herkunft misshandelt zu haben. Nach Angaben des Beschwerdeführers waren ihm zunächst Handschellen angelegt worden. Anschließend, so sein Vorwurf, hätte ihn einer der Beamten am Nacken gepackt und ihn mit dem Gesicht nach unten zu Boden geschleudert. Am Boden liegend seien ihm dann von zwei Polizisten Fußtritte versetzt worden. Der 41-Jährige zog sich eine tiefe Wunde im Nasen- und unteren Gesichtsbereich zu, die operativ behandelt werden musste, und trug an Armen und am Nacken mehrfache Blutergüsse davon. Am 23. Dezember sprach das Gericht Tiergarten einen der Polizisten der »Körperverletzung im Amt« schuldig und verurteilte ihn zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe.


Vorwürfe über Misshandlungen im Strafvollzug

Im Juli soll ein 46-jähriger Insasse der Justizvollzugsanstalt Lingen von einem Gefängnisbeamten mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sein, weil er sich mit seinen Kindern am Telefon in seiner albanischen Muttersprache unterhalten hatte. Es hieß, nach den Gefängnisvorschriften seien nur auf Deutsch geführte Telefongespräche gestattet gewesen. Zum Zeitpunkt des Vorfalls hatte sich der positiv auf HIV getestete Mann auf der Krankenstation der Vollzugsanstalt befunden. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück leitete Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts ein, über deren Ergebnisse bei Jahresende noch keine Informationen vorlagen.


Todesfall bei Abschiebung

Auf Nachfragen von amnesty international nach dem Stand der Ermittlungen im Fall des Todes von Aamir Ageeb hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bis Ende des Berichtszeitraums noch nicht reagiert. Der 30-jährige Asylbewerber aus dem Sudan war Ende Mai 1999 während seiner Abschiebung vom Frankfurter Flughafen über Kairo nach Khartum ums Leben gekommen.


Abschiebungen

Im Berichtsjahr wurden mehrere Tschetschenen gegen ihren Willen in die Russische Föderation abgeschoben, obwohl sie dort Gefahr liefen, wegen ihrer Volkszugehörigkeit Folterungen und Misshandlungen zu erleiden. Im November allerdings empfahl das Bundesinnenministerium den Landesregierungen, vorläufig keine Tschetschenen aus Deutschland abzuschieben. Diese Empfehlung trug nach vorliegenden Meldungen verschärften Sicherheitsoperationen gegen Tschetschenen in Russland Rechnung, die nach dem Geiseldrama im Moskauer Melnikow-Theater Ende Oktober eingesetzt hatten.

Nachdem die Berliner Behörden den Asylantrag des 20-jährigen Tschetschenen Rustam Alimchanow als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt hatten, drohte diesem im Mai die Abschiebung in die Russische Föderation. Dank zahlreicher Appelle zu seinen Gunsten wurde ihm schließlich eine sechsmonatige Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Ende 2002 lebte Rustam Alimchanow weiterhin in Deutschland, wenngleich nur mit vorübergehender Duldung.


Zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln

Ende Juni schloss die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungen im Fall des Todes von Achidi John ab. Der 19-jährige Asylbewerber aus Kamerun war am 12. Dezember 2001 im Universitätskrankenhaus Eppendorf gestorben, nachdem ihm vier Polizeibeamte und eine Ärztin gegen seinen Willen ein Brechmittel verabreicht hatten, um auf diese Weise Drogen sicherzustellen, die der junge Kameruner verschluckt haben soll. Als Todesursache wurde Berichten zufolge »hypoxischer Hirntod« festgestellt, zurückzuführen auf eine vorbestehende schwere Herzerkrankung von Achidi John. Die Staatsanwaltschaft erhob weder gegen die vier Polizeibeamten noch gegen die Ärztin Anklage, da sie zu dem Schluss gelangte, ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Beteiligten sei zu verneinen. Die Praxis der zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln zum alleinigen Zweck der Sicherstellung von Beweisen für Drogenbesitz war Mitte 2001 in Hamburg eingeführt worden und richtete sich in den allermeisten Fällen gegen Schwarzafrikaner.
(Quelle: www.amnesty.de)

(Akap)