Gentest für Aktivisten in Giessen

AbwehrspielerIn der Ordnung 09.02.2004 13:31 Themen: Repression
Am 7.2.2004 ging bei einem Aktivisten der Projektwerkstatt eine Vorladung zum Gentest in dieser Strafsache (Verdacht der Sachbeschädigung) ein. Mit "Ein richterlicher Beschluss liegt vor" und "zwangsweisen Vorführung" greift diese Vorladung des Polizeipräsidiums in Grundrechte ein. Für eine DNA-Entnahme erfordert das geltende Recht einen richterlichen Beschluss. Nach Art. 103 Grundgesetz ist das nur möglich, wenn dem Betroffenen Gelegenheit zur Anhörung gegeben wurde. Ausnahmen gibt es nur bei Gefahr im Verzuge - die hier aber nicht gegeben ist.
Doch der Hintergrund ist komplexer – in Mittelhessen jagen Polizei und Justiz seit Monaten nach dem Phantom gemeingefährlicher VerbrecherInnen. Die Presse hetzt und fordert wirksame Maßnahmen gegen die Störenfriede. Polizeigewahrsam, Gerichtsprozesse und jetzt der DNA-Test passen ins Bild. Tatsächlich aber ist es ein bunter Haufen von Menschen, die (meist ohne Label und starrer Struktur einer festen Gruppen) mit Straßentheater, Kommunikationsguerilla bis hin zu kreativer Sabotage ganz gezielt Herrschaftssymboliken angreift. Wer genau wo was macht, weiß niemand – auch die Polizei nicht. Die Eliten sind genervt und wollen Stärke zeigen.
Bild: Da leider bei Indy das Hochladen von Anhängen putt is, müßt Ihr auf den Link klicken, um Ausschnitte der Vorladung zu sehen.

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1. DER SACHVERHALT
Am. 3. Dezember 2003 werden Amtsgericht Gießen und Staatsanwaltschaft mit roter Farbe versorgt, Sprüche gegen Knäste, Justiz und Staat angesprüht und wohl auch Türschlösser in großem Umfang zerstört.
Einen Tag später rückt die Staatsschutz-Elite von Giessen in der Projektwerkstatt ein und beschlagnahmt etwas vermeintliches Beweismaterial (Klebetuben usw.), nimmt aber vor allem Kram mit, der sie sonst interessiert.
Grundlage ist, dass das Gerichtsgelände wohl mit von innen filmenden Überwachungssystemen des LKA „verseucht“ war und nun Personen auf den Bilder zu sehen sein sollen.
Am 7.2.2004 geht bei einem Aktivisten der Projektwerkstatt eine Vorladung zum Gentest in dieser Strafsache (Verdacht der Sachbeschädigung) ein. Der Termin nur kurz später – Dienstag, 10.2., 10 Uhr. Per Telefon ist er inzwischen auf 16 Uhr verschoben im Polizeipräsidium, Ferniestrasse 8.
Mit "Ein richterlicher Beschluss liegt vor" und "zwangsweisen Vorführung" greift diese Vorladung des Polizeipräsidiums in Grundrechte ein. Für eine DNA-Entnahme erfordert das geltende Recht einen richterlichen Beschluss. Nach Art. 103 Grundgesetz ist das nur möglich, wenn dem Betroffenen Gelegenheit zur Anhörung gegeben wurde. Ausnahmen gibt es nur bei Gefahr im Verzuge - die hier aber nicht gegeben ist.
Auszug Art. 103GG: „(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“
Die Übersendung des Richterbeschlusses wurde von der Polizei verweigert (siehe Punkt 2.). Nach Lage der Dinge kann erwartet werden, daß das Amtsgericht Gießen erneut Recht gebrochen und damit zum wiederholten Male im Sinne der Obrigkeit und der Polizeiführung handelt. Statt Rechtssprechung scheint hier eher die Logik eines Volksgerichtshofes zu gelten, der Urteile und Beschlüsse so fällt, wie sie den Herrschenden gefallen!
Die den Beschluss unterzeichnende Richterin am Amtsgericht Kaufmann ist bekannt als willfährige Unterstützerin einer kriminalisierenden Polizeitaktik.

2. GESPRÄCH MIT DEM STAATSSCHUTZ
Notiz des Betroffenen: „Heute morgen haben ich mit dem zustaendigen Sachbearbeiter beim Staatsschutz, Herr Broers (Tel. 0641/7006-2263), mehrfach telefoniert, um mir den richterlichen Beschluss zufaxen zu lassen. Der Ablauf:
1. Telefonat: Alles o.k. Er faxt es zu.
2. Anruf von Broers: Hat herausgefunden, dass es die Fax-Nummer der Projektwerkstatt ist. Das ginge nicht, weil es da auch andere Leute sehen koennten.
3. Es laeuft ein Test, ob mensch auch auf Handy-Nummern faxen koenne. Das gelingt, also ...
4. Anruf bei Broers: Gut, meint er, er muesse aber erstmal noch bei seinen Vorgesetzten nachfragen. Ich witzele, dass ich dann ja gleich einen Anruf mit einer neuen Ausrede bekommen wuerde.
5. Anruf von Broers: Es geht nicht, weil personenbezogene Daten nie herausgegeben wuerden. Ich mache auf den Widerspruch aufmerksam. Immerhin sei der Polizeiapparat ja kreativ. „Sie doch auch“, antwortet er. Er schlaegt mir vor, dass ich vorbeikomme. Sagt dann aber selbst: „Obwohl, dann wuerde ich gleich die DNA-Probe nehmen“. „Mit Zwang?“ frage ich. „Ja, auch mit Zwang!“ Wir schwaetzen noch ueber seine Rolle beim Staatsschutz (er ist jetzt fuer die Projektwerkstatt zustaendig, fuehlt sich aber nicht persoenlich genervt usw.).“

3. ACHTUNG! DIENSTAG AKTION DAZU!
Morgen um 16 Uhr soll die Abgabe der DNA-Probe sein!!! Wir laden ein zu Aktionen in Giessen - und wuerden uns freuen, wenn viele kommen wuerden!!!
Treffpunkt: 14 Uhr am Rande vom Kirchenplatz vor Tuermchen (an der Ecke beim Aushang der Giessener Allgemeine).
Ideen: In der FuZo und beim Aktionstag gegen Sozialabbau, der da gerade laeuft, Flyer zu verteilen, wo einen Zungenabdruck draufmachen und das bei Behoerden einwerfen koennen. Argumentation: Da Giessen ja von Straftaten ueberzogen wird, sind alle verdaechtig ...
Anschliessend Marsch zum Polizeipraesidium, um dort DNA-Proben abzugeben ... jedeR macht das auf die eigene Weise ... mit Aufruf, dass das bitte alle machen plus Hinweise, wo DNA drin ist: Spucke, Kotze, Scheisse, Popel ... Ueber weitere Ideen freuen wir uns noch mehr. Rueckmeldungen waeren auch nett!!!
Wer noch Pressearbeit machen will ... sollte schnell gehen.


4. PRESSEINFORMATION DER HUMANISTISCHEN UNION
Humanistische Union e.V.
Landesverband Hessen
Furthstr. 6
35037 Marburg
Tel. 06421/6 66 16
Fax: 06421/6 66 17
www.humanistische-union.de

e-Mail: hu-hessen@hu-marburg.de
Bürgerrechtsorganisation seit 1961

Pressemitteilung 04/2

Marburg, 09.02.2004

Mit Polizeikanonen auf Alternativspatzen
HU verurteilt Schikanierung eines kritischen Aktivisten
Als skandalöse Schikanierung eines kritischen Bürgers verurteilt die Humanistische Union Hessen eine Vorladung des Polizeipräsidiums (PP) Mittelhessen zur Abnahme einer Speichelprobe. Die Gießener Behörde hat Jörg Bergstedt am Samstag (06. Februar) von der Projektwerkstatt Reiskirchen für Dienstag (10. Februar) vorgeladen, um von ihm einen „genetischen Fingerabdruck“ zu nehmen.
Begründet wird diese Maßnahme mit dem Vorwurf „gemeinschädlicher Sachbeschädigung mit politischem Hintergrund“. In dieser Vorladung sieht HU-Landessprecher Franz-Josef Hanke einen rechtswidrigen Eingriff in die Freiheitsrechte Bergstedts. Der Vorwurf einer Sachbeschädigung rechtfertigt nach der Rechtsauffassung des Bürgerrechtlers keineswegs eine solch weitreichende Maßnahme. In dem Vorladungsschreiben wird Bergstedt die zwangsweise Entnahme einer Blutprobe angedroht, wenn er nicht freiwillig eine Speichelprobe abliefert. Das Vorladungsschreiben gibt an, eine richterliche Anordnung für die Maßnahme liege vor. Dazu stellt Hanke fest, dass der Richter-Vorbehalt für die Anordnung eines „genetischen Fingerabdrucks“ die Anhörung des Betroffenen durch den Richter zwingend vorschreibt. Eine solche Anhörung - so beteuert Bergstedt - hat aber in seinem Fall nicht stattgefunden. Demnach ist die Anordnung gesetzeswidrig. Nach Hankes Ansicht verstößt sie zudem gegen das Übermaß-Verbot des Grundgesetzes. Der ausstellende Richter könnte sich mit dieser Verfügung somit möglicherweise selbst strafbar gemacht haben.
Mindestens einmal ist Bergstedt bereits Opfer einer unrechtmäßigen Polizeiaktion geworden. Eine Hausdurchsuchung in der Projektwerkstattt war im Nachhinein gerichtlich als rechtswidrig eingestuft worden. Dennoch laufen weiterhin Verfahren gegen den Aktivisten, der in der Vergangenheit zahlreiche politische Aktionen - beispielsweise gegen den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch - durchgeführt hat.
Die rechtswidrige Verfolgung Bergstedts wird die HU Mitte März zum Thema zweier öffentlicher Veranstaltungen machen. Dabei wird am Montag (15. März) in Gießen auch der HU-Bundesvorsitzende Reinhard Mokros sprechen. Auch in Marburg soll wenige Tage vorher eine Podiumsdiskussion zum gleichen Thema stattfinden.
Die HU Hessen ist äußerst besorgt über diese massiven Einschüchterungsversuche gegenüber einem „missliebigen“ Freigeist. Der hessische Landesverband der größten und ältesten Bürgerrechtsorganisation Deutschlands fordert die Gießener Polizei und Justiz auf, Bergstedts Freiheitsrechte uneingeschränkt zu respektieren und zu rechtsstaatlichem Handeln zurückzukehren.
Franz-Josef Hanke, (HU-Landessprecher), Tel. 06421/6 66 16

Unabhängige Prozessberichte:
 http://www.hu-marburg.de/hu291203.shtml
 http://niehenke.de/beschwerdezentrum/justizirrtum/forum/posts/1729.html
(mit einem Link zu einem Auszug aus dem Schreiben der Justiz unter „Prozeß“)


5. LINKS
Informationen zum Prozeß (mit Link auf Infos zum Gentest-Vorgang):  http://www.projektwerkstatt.de/prozess
Geplanten Aktionen gegen Repression, u.a. Aktionswoche 8.-14.3. in Gießen:  http://www.antirepression.de.vu
Kreative Antirepression:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression
Tipps und Beispiele kreativen Widerstands:  http://www.direct-action.de.vu
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Ergänzungen

Bauhörde will Projektwerkstatt schließen

Verlinker 09.02.2004 - 17:17

Aufgegeben

Cptn Morgan 11.02.2004 - 00:24
Ohrenzeugen zufolge wurde der Termin von Seiten der Polizei abgesagt. Anscheinend war das ganze trotz des mittlerweile so gut gleichgeschalteten POlizei und Rechtsapparat in Gießen nicht ganz aufrechtzuhalten. Wahrscheinlich geht das auf das prompte ENgagement von INteressierten zurück, die sämtliche verantwortlichen Personen zu einem solchen Fall per Phon interviewen wollten und dabei wohl allzuoft auf juristische und fachliche INkompetenz stießen.
DNA Proben werden gewöhnlich nur bei schweren Straftatbeständen genommen. Einfache Sachbeschädigung reicht (noch) nicht.
Das brisante an DNA Proben ist, dass DNA Spuren leichter noch als Fingerabdrücke aktiv von Bullen auf "Beweismittel" aufgetragen werden können. Was bei den frechen Lügen der Bullen kein Wunder wäre, dass es passierte.

Nichts desto trotz: Schluss mit Repression und Polizeiterror!!!

Aktionstage gegen Knast und Repression in GI

buntd 11.02.2004 - 01:17
Zum Thema Repression finden in Giessen vom 08.-15. März Aktionstage statt.
Hier soll die aktuelle Situation deutlich gemacht werden und weiterhin Utopien vermittelt werden.......


Alle weitere Infos zu den Aktionstagen findet ihr unter:www.antirepression.de.vu
Wir hätten auch nichts dagegen, wenn die verlinkt wird...