Solidarität mit dem Gefangenen!

Soligruppe Wien 10.02.2004 00:00 Themen: Militarismus Repression SiKo München
Im Zuge der Proteste gegen die NATO-Kriegskonferenz in München kam es zu massive Übergriffen durch die Polizei und zahlreichen Verhaftungen. Zumindest ein Aktivist wurde in U-Haft überstellt. Wir fordern seine sofortige Freilassung und die Einstellung aller Verfahren! (mit pdf-download)
Weshalb sollte gegen diese Kriegskonferenz protestiert werden?

Die "Sicherheitskonferenz" wurde im Lauf der Jahre zu einem Ort, an dem die Perspektiven der Militärpolitik, aber auch die Widersprüche der verschiedenen Bündnisse (NATO-WEU) und Einzelstaaten diskutiert werden. Es handelt sich nicht um einen Vorzeigegipfel, auf dem im Vorfeld beschlossene und ausgearbeitete Pläne der Weltöffentlichkeit präsentiert werden, sondern um einen Ort tatsächlicher Auseinandersetzung und Diskussion. Hier werden von jenen, die u.a. für die jüngsten Kriege (Jugoslawien, Afghanistan und Irak) verantwortlich zeichnen, die neuen strategischen Ziele abgesteckt und weltweit koordiniert. Hier wird für die nächsten Interventionen geworben, wie US-Verteidigungsminister Rumsfeld im letzten Jahr für den Irakkrieg. In diesem Jahr ging es u.a. darum, die "transatlantische Gemeinschaft" in die bereits laufenden Kriegshandlungen im Irak einzubinden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass 2003 angesichts des bevorstehenden Irakkrieges, die Proteste von PolitikerInnen und Behörden in Deutschland instrumentalisiert wurden, um die offizielle Haltung gegen den Irakkrieg medial zu unterstreichen. Damals kamen 25.000 TeilnehmerInnen zu den Protesten gegen das Treffen der Welt-Kriegselite. Noch ein Jahr zuvor waren trotz totalem Demonstrationsverbot an die 10.000 Menschen durch die Stadt gezogen.


Eskalation

Bereits im Vorfeld der heurigen "Sicherheitskonferenz" fährt die Polizei abermals eine Strategie der Eskalation: Einschüchtern, diskreditieren, stürmen, durchsuchen, ...

Schon am 29.01.04 wurde gegen 20:30 mit etwa zwei Einsatz-Hundertschaften der Polizei das ehemalige Tröpferlbad (MARAT) in München gestürmt. Dort fanden Vorbereitungen für die Proteste gegen die NATO-"Sicherheitskonferenz" statt (Transparente malen, etc.). Das Tröpferlbad war, wie auch letztes Jahr "convergence center" (Treffpunkt für AktivistInnen). Erst vor wenigen Wochen erklärte ein Richter die letztjährige Stürmung des MARAT`s, für rechtswidrig.

Am Mittwoch, 04.02.2004, gegen 11.50 Uhr, wurden bei einem Münchner Autohaus am Frankfurter Ring/Ingolstädter Straße zwei verdächtige Taschen mit zwei Brandsätzen aufgefunden, die anfangs von der Polizei als "laienhaft gebastelt" bezeichnet wurden. Sie hätten sich "von selbst nicht entzünden können". Die Medien schenkten dem auch nur wenig Aufmerksamkeit, bis die Polizei mit einer neuen Version an die Öffentlichkeit ging. Der nun doch (?!) funktionierende Brandsatz könnte aus den Reihen der GegnerInnen der NATO-Kriegskonferenz (genauer: der autonomen Szene) stammen. Plötzlich interessant, begannen die Mainstream-Medien mit der behördlichen Verschwörungstheorie eine gezielte Medienhetze. Für die OrganisatorInnen der Gegenaktivitäten passt dieses Vorgehen sehr gut in die bisherige Eskalations- und Kriminalisierungsstrategie.

Wer "erkennbar der Gewaltszene" zugerechnet oder als "Berufsdemonstrant" diffamiert wurde, wurde bei Vorkontrollen an den Einfallstraßen nach München zurückgeschickt. Für das "Ausfiltern" dieses Personenkreises wurden persönliche Daten von den Verfassungsschutzämtern geliefert und damit die Trennung von Polizei und Verfassungsschutz schlichtweg ignoriert. Obwohl es im letzten Jahr klare Freisprüche vor Gericht gab, die mehrere Gewahrsamnahmen aus den Vorjahren für rechtswidrig erklärten, wurde auch das Instrument der Ingewahrsamnahme wieder eingesetzt.


Zusammenfassung Fr, 06 Feb 2004

Pfefferspray und Knüppel, 135 Ingewahrsamnahmen, 26 Verhaftungen, ein bewusstlos geschlagener Demonstrant. Massive Repression gegen die Anti-Nato Proteste....
Ein riesen Polizeiaufgebot kontrollierte die Umgebung der Kundgebungsorte. Um zur Kundgebung zu gelangen, musste mensch ihre/seine Identität nachweisen. Es kam andauernd zu offensichtlichen Provokationen durch die Polizei. Leute wurden herumgeschubst und von einer Ecke in die andere gedrängt. Als DemonstrantInnen versuchten, auf die Strasse zu gelangen um die geplante Menschenkette zu bilden, ging die Exekutive immer massiver gegen die AktivistInnen vor. Pfefferspray (aus einer Distanz von ca.10 Zentimetern) und Schlagstöcke kamen zum Einsatz, nur um Leute daran zu hindern, auf die Straße zu gelangen, die Straße zu überqueren oder am Gehsteig zu stehen. Menschen wurden wegen Überquerens der Straße bei roter Ampel festgenommen. Dabei kam es zu etlichen Übergriffen der Polizei, die mit massiver Repression die Kundgebung zu verhindern versuchte. Greiftrupps zu meist 10-20 Mann drängten die ganze Zeit von allen Seiten auf die Kundgebung. Immer wieder wurden Leute aus der Kundgebung herausgezerrt und festgenommen. Um ca. 18:30 wurde ein Demonstrant am Platz der Opfer des Nationalsozialimus von Zivilbullen bewusstlos geschlagen.

Das brutale Vorgehen der bayrischen Polizei führte zu zahlreichen Verletzten unter den DemonstrantInnen, denen im Einzelfall über mehrere Stunden ärztliche Versorgung verweigert wurde. Notärzte wurden von der Polizei nicht durchgelassen und somit die notwendige Erstversorgung verhindert.


Zusammenfassung Sa, 07 Feb 2004

Der zweite Tag der "Sicherheits"-tagung begann mit einer Auftaktkundgebung mit ca. 5.000 Leuten. Die anschließende Demonstration mit 10 -12.000 Teilnehmenden wurde zu Beginn von einer unsäglichen Auflage der Polizei überschattet: Alle geschminkten und maskierten Personen sollten ihre Identität der Polizei übermitteln. Später griffen die Ordnungskräfte immer wieder auf die DemonstrationsteilnehmerInnen über, um u.a. Seitentransparente abzunehmen (die laut Auflage verboten waren) und Leute rauszugreifen. Die Stimmung in der Demonstration war dennoch gut, auf Provokationen durch die Polizei wurde nicht eingegangen. Nach der Abschlusskundgebung wurden die Demo verlassende TeilnehmerInnen massiv kontrolliert und mit Repression bedroht.
Die Auflage, keine Seitentranparente auf Höhe der DemonstrantInnen zu tragen, wurde als Eingriff in das Demonstrationsrecht eingeschätzt, der der Polizei einen Vorwand für Angriffe auf die Demonstration liefern solle.


Info zu den Gefangenen

Die Polizei München gab in einem Zwischenbericht zur 40. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik am Samstag 7.2.2004 um 18.00 Uhr an, dass im Laufe der Demonstration von 11.00 - 16.45 Uhr 39 Personen wegen Beleidigung, versuchter Gefangenenbefreiung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB), Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) und Vergehen nach dem Versammlungsgesetz (Vermummung und Passivbewaffnung) festgenommen wurden. Zehn Personen seien zur Verhütung von Straftaten in Gewahrsam genommen worden.

Der Ermittlungsausschuss berichtete am 8. Februar über die Proteste gegen die Münchner NATO-Sicherheitskonferenz. Diese ware wie in den letzten beiden Jahren von Polizeigewalt und Repression geprägt. Ein Großaufgebot von mehreren tausend PolizistInnen schuf einen faktischen Ausnahmezustand in der Münchner Innenstadt, der massive Einschränkungen von Versammlungs- und Meinungsfreiheit zur Folge hatte. Fast 300 Menschen wurden verhaftet, etliche verletzt, ein Demonstrant sitzt in Untersuchungshaft.

Auch in der Gefangenensammelstelle kam es zu Übergriffen. Der EA erhielten mehrere Anrufe aus der Haftanstalt, nach denen ein Gefangener in Polizeigewahrsam von mehreren Polizisten körperlich misshandelt wurde! Er wurde eine Treppe hinunter gestoßen und getreten, u.a. in die Genitalien. Der in Österreich lebende türkische Staatsangehörige wurde später vom Ermittlungsrichter in Untersuchungshaft gesteckt. Bis zur nächsten Haftprüfung kann es bis zu zwei Wochen dauern.



Wir fordern die sofortige Freilassung des in München Verhafteten!
Sofortige Einstellung aller Verfahren!
Für eine Welt ohne Häfn!



Solidemonstrationen

in Bregenz
Montag, 9 Februar 2004, 18.00 Uhr
Treffpunkt Bahnhof Bregenz

in Wien
Montag, 9 Februar 2004, 17.00 Uhr
Treffpunkt Oper
(die Demo zieht zur Deutschen Botschaft)

in München
Donnerstag, 12. Februar 2004
(genauere Infos auf de.indymedia.org)



Protestanrufe + Protestmails an:

Deutsches Konsulat Graz
Stattegger Straße 18, A-8045 Graz
Tel.: (0316) 69 49 70

Deutsche Botschaft in Wien:
Metternichg 3, A-1030 Wien
Tel: +43-1-711 54-0
Fax: +43-1-713 83 66

Generalkonsulat der Republik Österreich in München
Ismaninger Str. 136, 81675 München
Tel. 089- 998 15 - 0
Fax 089- 981 02 25
E-Mail  muenchen-gk@bmaa.gv.at

JVA-Stadelheim: Tel ++49-89-69922-0
Ermittlungsrichter: Tel ++49-89-69922-489



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Ergänzungen

Schreiben des PP München

Mensch 09.02.2004 - 21:45
40. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik - Abschlussbilanz der Münchner Polizei

Die Konferenz im Bayerischen Hof wird in den nächsten Stunden beendet sein, ebenso der polizeiliche Großeinsatz. Die Ziele unseres Einsatzes wurden in jedem Fall erreicht.
· Die 40. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik verlief ungestört, wenn man den Schusslöser eines französischen Personenschutzbeamten unberücksichtigt lässt.
· Die Stadt blieb von größeren Schäden verschont.
Dazu muss ich aber einen Wermutstropfen stellen; heute Nacht wurden in der Nähe Stiglmaierplatz eine Schaufensterscheibe eingeschlagen und weitere beschädigt. Wie wir vorhin in Erfahrung gebracht haben, hatten in der Nachbarschaft Autonome Nachtquartier bezogen. Ein Nachbar hatte Splittergeräusche gehört, aus dem Fenster geschaut, drei Männer mit einer Eisenstange weglaufen gesehen und sich dann wieder schlafen gelegt.
· Die zahlreichen Gegenveranstaltungen konnten alle durchgeführt werden; die allermeisten verliefen völlig störungsfrei.

Die Münchner Polizei lag mit ihren Prognosen richtig, sowohl was die vielen friedlichen und die in Relation dazu eher wenigen unfriedlichen Demonstra-tionsteilnehmer angeht als auch mit den nicht legalen Protesten. So war die Polizei, wie vorausgesagt, am Freitagabend mit zahlreichen Aktionen beschäftigt, bei denen Gewaltbereite versuchten, die Anfahrten der Konferenzteilnehmer zu blockieren.
Ein weiteres Mal hat sich bestätigt, dass die einschlägige Münchner Demo-Szene vom Grundgesetz vorgegebene Spielregeln meist beachtet. Ein nicht unerheblicher Teil der reisenden Zunft musste dagegen durch polizeiliche Maßnahmen „beeindruckt" werden. Das haben wir, sehr nachhaltig, durch permanente – mit anderen Augen betrachtet, sicherlich als hinderlich empfundene – Präsenz und schnelle, konsequente Reaktion erreicht.
Das Prinzip der „Deeskalation durch Stärke" hat einer weiteren Bewährungsprobe am Samstag beim Aufzug des „Aktionsbündnis gegen die Nato-Kriegskonferenz" Stand gehalten. Mehrfach versuchten Angehörige der autonomen gewaltbereiten Szene den Zugweg zu verlassen. Nur durch ein starkes Polizeiaufgebot und eine hautnahe Begleitung konnten größere Störungen verhindert werden; vereinzelt kam es zu Flaschenwürfen aus der Menge heraus auf die Polizei.
Damit ist schon vorgegeben, dass eine weitere Prognose der Polizei vom Donnerstag, nämlich trotz aller präventiven Anstrengungen wird auch diesmal auf freiheitsentziehende/-beschränkende Maßnahmen nicht verzichtet werden können, Realität wurde.
Dazu hatte sich in den Reihen der Gewaltbereiten zu viel Entschlossenheit manifestiert, das Motto „no pasaran" (Sie werden nicht durchkommen) nicht als bloße symbolische Aussage zu verstehen.
In Zahlen ausgedrückt heißt das für den Gesamteinsatz:
· 74 Festnahmen,
· 177 Gewahrsamnahmen
· 8 Identitätsfeststellungen

Alle 259 freiheitsentziehenden Maßnahmen wurden bis auf eine aufgehoben. Gegen einen 24-jährigen Türken wurde Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erlassen. Er hatte am Freitag während der beabsichtigten Blockade am Platz der Opfer des Nationalsozialismus versucht, einen Beamten mit einer Fahnenstange anzugreifen.
Mein Dank gilt den Einsatzkräften, die alle engagiert und erfolgreich ihren Mann und ihre Frau gestanden haben. Etwa die Hälfte kam aus anderen Bundesländern. Ich wünsche allen Einsatzkräften eine gute Heimreise.
Ein weiteres Dankeschön geht an die vielen Münchner Bürger, die ihr Demonstrationsrecht absolut friedlich wahrgenommen haben und auch an die, die mit Gelassenheit die intensiven, aber notwendigen Absperrmaßnahmen mit allen nachteiligen Folgen im Straßenverkehr erduldet haben.

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