HAUSBESETZUNG IN HEIDELBERG - weitere Infos

Princess Leia Organa 31.01.2004 13:31 Themen: Freiräume
Hausbesetzung in Heidelberg - CASA LOCA seit 29.01.04 besetzt - Demonstration "Für ein selbst verwaltetes Zentrum in Heidelberg" um 14.00 Uhr Stadtbücherei
Seit 29.01 ist ein Haus auf dem Schlossberg in Heidelberg besetzt. Dort soll ein soziales Zentrum entstehen, das politische, kulturelle und unkommerzielle Arbeit ermöglicht.
Weiterhin findet heute ein Demonstration unter dem Motto "Für ein neues selbst verwaltetes Zentrum in Heidelberg!" statt. Anlass ist der fünfte Jahrestag der Räumund des Autonomen Zentrums (  http://www.autonomes-zentrum.org/ ). Treffpunkt ist die Stadtbücherei um 14.00 Uhr.




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Erklärung der BesetzerInnen der CASA LOCA:



"Endlich wieder selbstverwalteter Freiraum in Heidelberg

Seit dem 29.01.04 ist das Haus am Schloss-Wolfsbrunnenweg 3 besetzt. Dort
entsteht ein soziales Zentrum, das politische, kulturelle und unkommerzielle
Arbeit in angemessenen Räumlichkeiten ermöglicht.

Wie überall hat die neoliberale Politik auch in Heidelberg Einzug gehalten.
So wird öffentlicher Raum mehr und mehr reglementiert und einem reibungslosen
Konsum in der Stadt geopfert. Beispiele hierfür sind die zunehmende
Kameraüberwachung und „die Polizeiverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung“, die unliebsame Menschen aus der Stadt vertreibt und
somit unsere Freizügigkeit einschränkt. Freiräume werden zur Ausnahme.
Speziell in Heidelberg wurde dies noch durch die perfide Lüge der
Oberbürgermeisterin Beate Weber vorangetrieben, die den AktivistInnen des Autonomen
Zentrum in Heidelberg vor dessen Abriss vor fünf Jahren versprach, für adäquaten
Ersatz zu sorgen, diese Zusage aber offensichtlich niemals wahrmachen
wollte. Auch deshalb sehen wir uns gezwungen, das zu nehmen, was wir brauchen.
Wir sind nicht bereit, uns in die vorgegebenen politischen und kulturellen
Strukturen einzufügen. Für uns lassen sich Politik und Kultur nicht von
einander trennen. (...)

Wir werden frei von Hierarchien, Sexismus und Fremdenfeindlichkeit nach dem
Prinzip des Konsens’ eine Alternative zum Mainstream stellen. Diese soll
allen Menschen, die unsere Ideen mittragen, offen stehen. Beispielsweise werden
Eintritts- sowie Getränkepreise so kalkuliert, dass sie lediglich die Kosten
decken und somit finanziell schwachen Menschen ermöglicht, das Angebot zu
nutzen. Weitverbreitete und als normal hingenommene Belästigungen wie aggressive
Anmachen und Pöbeleien sollen hier durch Sensibilisierung verhindert und
dadurch eine angenehmere Atmosphäre geschaffen werden. Aufgrund der
Verschiedenheit der beteiligten Personen in Bezug auf Kultur, Religion, Vorstellungen und
Ideen wird vorurteilsfreies und tolerantes Handeln nicht nur gefördert,
sondern als notwendig vorausgesetzt. Das Haus am Schloss-Wolfsbrunnenweg 3 ist ein
Ort, an dem Kreativität und Phantasie wichtiger sind als Kosten - Nutzen -
Kalküle und wo die Begriffe Toleranz und Gleichberechtigung mit Inhalten
gefüllt werden. (...)

Bei dem besetzten Objekt handelt es sich um ein seit mehr als zwei Jahren
leerstehendes Gebäude, das sich neben dem ehemaligen Schlosshotel befindet und
zuletzt als internationales Studienzentrum diente. Der Zustand dieses
Gebäudes ist leider mehr als erschreckend, und während erfolglos Käufer gesucht
werden, verfällt es zunehmend. Die BesetzerInnen streben dieser Entwicklung
entgegen, indem sie es ohne jegliche finanzielle Unterstützung von Seiten der
Stadt instandbesetzen.
Es soll auch auf den unnötigen Leerstand aufmerksam gemacht werden, der
aufgrund der immer brisanter werdenden Wohnungsnot und den damit verbundenen
steigenden Mietpreisen in HD absolut unverständlich ist.

Wir erklären uns solidarisch mit dem AZ (im Exil) in Heidelberg!
Der Kampf um die Villa Zapata und die Ex-Steffi in Karlsruhe geht weiter!
Alte Feuerwache in Saarbrücken bleibt! Linkes Ufer in Mannheim muss wieder
her!
Soziale Zentren statt Fremdbestimmung!


Die BesetzerInnen der Casa Loca

Casa Loca
Schloss-Wolfsbrunnenweg 3
69117 Heidelberg"


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Aufruf des Autonomen Zentrums Heidelberg (im Exil) zur Demo HEUTE:



Für ein neues selbst verwaltetes Zentrum in Heidelberg!
Demonstration am 31. Januar 2004
Treffpunkt 14.00 Uhr: Stadtbücherei Heidelberg
Im Anschluss an die Demo: Konzert auf dem Kornmarkt mit Chaoze One und Mal Élevé


Am 1. Februar 2004 sind es genau fünf Jahre, dass das Autonome Zentrum Heidelberg (AZ) geräumt wurde. Damit stellt es keineswegs einen Einzelfall, sondern nur ein weiteres Beispiel für das repressive Vorgehen der Stadtverwaltungen dar.

Entwicklung des Kampfes für selbstverwaltete Projekte
Entstanden aus den europäischen sozialen Bewegungen ab Mitte der 1960er Jahre stellten Jugendhäuser und -zentren Kristallisationspunkte linksradikaler Politik und unkontrollierter Gegenkultur dar. Sie hatten damals - im Gegensatz zu späteren Jahren - verhältnismäßig großen Rückhalt in regierungskritischen Teilen der Öffentlichkeit, der im Zuge einer stetigen Entwicklung der Gesellschaft nach rechts allerdings immer schwächer wurde.
Bereits die HausbesetzerInnenbewegung in der BRD der 1980er Jahren sah sich nicht länger durch ein breites Bündnis Linksliberaler gestützt, sondern konnte höchstens auf die Solidarität örtlicher Stadtteilinitiativen und später fast ausschließlich linksradikaler SympathisantInnen zurückgreifen. Damit wurden besetzte Häuser zunehmend in die Notwendigkeit gedrängt, Zugeständnisse an die Stadtverwaltungen zu machen und ihre Unabhängigkeit schrittweise aufzugeben (alles andere hätte in manchen Fällen tatsächlich nur in militärischen Kategorien beantwortet werden können).
Im Gegensatz dazu wurden SquatterInnen in einigen anderen europäischen Ländern noch wohlwollend geduldet/ignoriert, beispielsweise in den liberaleren Niederlanden oder in Großbritannien, wo die Nutzung leer stehender Gebäude seit Jahrhunderten ein selbstverständliches Gewohnheitsrecht darstellt. Auch in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts entwickelte sich ab 1990 mit der neu entstehenden Punkszene eine Gegenkultur im Umfeld besetzter Häuser.
Im Laufe der 1990er Jahre wurde die oft schon vorher schwierige Situation für selbstverwaltete und unabhängige Wohn- und Kulturzentren europaweit noch bedrohlicher - eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren weiter verstärkte und durch Absprachen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten vorangetrieben wird.
Die Innenminister haben sich dabei zum Ziel gesetzt, innerhalb möglichst kurzer Zeit Wagenburgen vollständig aufzulösen, indem sie den Umbau und das permanente Wohnen in Bauwägen prinzipiell verbieten. Ebenso sollen andere in der legalen Grauzone existierende Einrichtungen entweder unter städtischen Einfluss gebracht oder zerstört werden. Dahinter steht das Konzept der "sauberen Innenstädte", das die Durchsetzung der "Inneren Sicherheit" nicht nur in den nationalen Gesetzgebungen, sondern auch auf kommunaler Ebene verwirklichen soll.

Die Verwandlung der Innenstädte in konsumgeprägte Sicherheitszonen
Als nicht kontrollierte und autonome Orte stellen selbstverwaltete Projekte zum Einen ein prinzipielles Hindernis auf dem Weg zur vollständigen Überwachung dar und gewähren zum Anderen als nicht-kommerzielle Treffpunkte und Wohnorte ansonsten ausgegrenzten Gruppen eben jenen Raum, den die Stadtverwaltungen ihnen nicht gewähren wollen. Somit sind diese Zentren selbstbestimmten und alternativen Lebens - zunächst unabhängig davon, wie ausdrücklich sie politisch Stellung beziehen und ob sie offenen Widerstand gegen die städtischen Vertreibungen leisten - durch ihre bloße Existenz ein Dorn im Auge der örtlichen OrdnungsfanatikerInnen.
Folglich wurde den zuvor erkämpften Freiräumen in den letzten Jahren überall der Kampf angesagt. Waren bis dahin etwa Wagenplätze von den Stadtverwaltungen zähneknirschend geduldet und in abgelegene Vororte verbannt worden, fallen sie nun in immer größerer Zahl den städtischen Umstrukturierungsmaßnahmen zum Opfer, wie etwa der Wagenplatz in Frankfurt-Rödelheim im Sommer 2003. Dass sich die städtischen Saubermänner und -frauen nicht einmal mehr durch breite und massive Proteste davon abhalten lassen, jeden Ansatz von unabhängigen Lebensentwürfen und alternativen Nischen zu zerstören, zeigt das Beispiel der Bambule-Räumung in Hamburg. Ähnliche Repressionen treffen auch ehemals besetzte Häuser, die durch Legalisierung zunächst teilweise entpolitisiert und in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zur Stadt gebracht wurden, was nun die Kündigung der zuvor halbwegs sicher erscheinenden Mietverträge erleichtert.
Noch klarer tritt diese Entwicklung bei selbstverwalteten linken Kommunikationszentren zu Tage, die mit ihrem ausdrücklich politischen Anspruch ihren Widerstand gegen die städtischen "Säuberungsmaßnahmen" und die dahinter stehenden Prinzipien von Restriktion und Überwachung klarer formulieren.
Aktuelle Beispiele sind das seit der städtischen Kündigung des Mietvertrags von der Räumung bedrohte Wohn- und Kulturprojekt Ex-Steffi in Karlsruhe oder die Alte Feuerwache in Saarbrücken, die durch überhöhte Mietforderungen der Stadt zur Aufgabe gezwungen werden soll.

Selbst städtisch bezuschusste soziokulturelle Zentren wie das JuZ Friedrich Dürr (in Selbstverwaltung) Mannheim oder das DemoZ in Ludwigsburg sehen ihre Arbeit durch Kürzungen des Budgets und weitere Einschränkungen bedroht.

Das Autonome Zentrum in Heidelberg
Die Zerschlagung eines erfolgreichen selbstverwalteten Projekts und der weiterhin andauernde Kampf für neue Räume lässt sich beispielhaft anhand des Autonomen Zentrums (AZ) Heidelberg aufzeigen: Nachdem durch eine Reihe von Hausbesetzungen 1990 der Druck auf die Stadt gewachsen war, entstand 1991 das AZ in der Alten Bergheimer Straße 7a und wurde zunächst von der frisch gewählten SPD-Oberbürgermeisterin Beate Weber geduldet, um das von ihr damals angestrebte Image Heidelbergs als liberale und weltoffene Stadt zu unterstreichen und damit einen öffentlich wahrnehmbaren Bruch mit der reaktionären Politik ihres Vorgängers zu vollziehen.
Das nicht-kommerzielle Zentrum wurde schnell zu einem viel genutzten Treffpunkt, in dem linke Gruppen und Einzelpersonen zu einer Vielzahl von kulturellen und politischen Themen unentgeltlich arbeiteten. Mit mehr als 25 Events im Monat und niedrigen Eintritts- und Getränkepreisen gehörte das AZ zu den aktivsten und billigsten Veranstaltungsorten im gesamten Rhein-Neckar-Raum.
Den offen vertretenen politischen Anspruch des AZ wussten viele Menschen zu schätzen, die in anderen Einrichtungen sexistischen oder rassistischen Übergriffen und Pöbeleien ausgesetzt sind.
Bereits Mitte der 1990er Jahre versuchte die Stadt Heidelberg erstmals, dem Autonomen Zentrum die Räume zu kündigen, sah sich aber auf Grund des breiten Protests gezwungen, den Vertrag mehrfach zu verlängern. Mit vielfältigen Kleinaktionen und mehreren Demonstrationen mit bundesweiter Beteiligung sowie einer Hausbesetzung konnte der Druck auf die Stadt aufrechterhalten werden. Angesichts der drohenden Umstrukturierung des gesamten Stadtviertels verlagerte sich der Kampf 1998 auf die Forderung nach einem gleichwertigen Ersatzgebäude, das im Jahr zuvor von der Oberbürgermeisterin versprochen worden war.

Doch selbst durch eine auf vielen Ebenen geführte Kampagne, die von der Beteiligung eines "AZ-Kandidaten" bei der OB-Wahl über große Demonstrationen bis hin zu einer Reihe von "Test Your AZ"-Besetzungsparties reichte und das Thema über viele Monate hinweg zum Tagesgespräch machte, konnte das Ende des Projekts nicht abgewendet werden.
Mit dem Abriss des Gebäudes am 01.02.1999 endete der achtjährige Betrieb entgegen früherer Zusagen ersatzlos. War anfangs noch ein konkretes Gebäude Gegenstand der zähen, aber zunächst Erfolg versprechenden Verhandlungen gewesen, fiel die von der SPD mit getragene Entscheidung des Stadtrats im Sommer 1999 letztlich klar gegen ein neues Autonomes Zentrum aus.
Allerdings wurde die Hoffnung der Stadtverwaltung, das Gedächtnis und die Ausdauer der AZ-SympathisantInnen seien zu schwach für eine Fortsetzung des Kampfes, enttäuscht. Mit vielen Aktionen, Demonstrationen und mehreren teilweise symbolischen Besetzungsaktionen tragen die AZ-AktivistInnen weiterhin ihre Forderung an die Öffentlichkeit. Seit es am 12. Februar 2000 in der Nacht nach einer von 1200 Menschen besuchten AZ-Demo zu militanten Aktionen in der Innenstadt gekommen war, werden Versuche von Seiten des AZ, wieder Verhandlungen über mögliche Gebäude zu führen, regelmäßig abgeblockt.

Der Kampf geht weiter!
Doch das AZ (im Exil) gibt nicht auf! Inzwischen sind zu den AZlerInnen viele jüngere Menschen dazugekommen, die das alte AZ nicht mehr kannten, und ein Ende der Bewegung für neue selbstverwaltete Kulturräume ist trotz städtischer Spaltungsversuche und Repressionsmaßnahmen nicht abzusehen. Spätestens mit den AZ-Aktionstagen in der Heidelberger Altstadt im Sommer 2003, die sich auf eine ständige Präsenz vor dem Rathaus mit zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen konzentrierten, wurde die Diskussion um ein neues Zentrum wieder stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. An diesen Erfolg soll auch die Demonstration anlässlich des fünfjährigen Abrisses des Gebäudes anknüpfen, die der Stadtverwaltung erneut vor Augen führen soll, dass die Idee autonomer Zentren auch Jahre später noch nicht zerstört ist.
Doch das Heidelberger AZ ist nur eines von vielen unabhängigen Projekten, die zerstört wurden oder sich derzeit bedroht sehen. Angesichts der Zusammenarbeit und Koordination der Kommunen auf überregionaler und Bundesebene sowie der europaweiten Abstimmung derartiger Repressionsmaßnahmen wird es immer wichtiger, auch den Kampf für Freiräume überregional zu führen und den Widerstand gemeinsam zu leisten.

Für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg!
Für selbst verwaltete Freiräume und Projekte überall!
Gemeinsam gegen die Umstrukturierung vorgehen!


Kontakt: Autonomes Zentrum (im Exil) - Postfach 104520 - 69035 Heidelberg
www.autonomes-zentrum.org - Email
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Ergänzungen