Was ist und wie funktioniert Attac?

Anna Lehmann 26.01.2004 12:57
Ein relativer neuer Spieler auf der Bühne der deutschen Politik ist Attac. Am 22.01.2000 wurde Attac Deutschland gegründet1 und blieb als kleine NGO mit unter 1.000 Mitgliedern relativ unbekannt bis die Antiglobalisierungsbewegung als Ganzes, sowie Attac im Besonderen, nach dem G8-Gipfel in Genua im Juli 2001 und dem für Europa ungewohntem Ausmaß an Polizeigewalt, in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geriet.2 Der Medienrummel um die Übergriffe und den Tod eines Demonstranten bescherten Attac einen sprunghaften Mitgliederanstieg, obwohl sich Attac ausdrücklich von den gewalttätigen Demonstranten distanzierte. Ein Jahr später zählte Attac bereits über 10.000 Privatpersonen als Mitglieder in Deutschland.3
ATTAC: Eine marxistische Analyse
Autor: Anna Lehmann

Ein relativer neuer Spieler auf der Bühne der deutschen Politik ist Attac. Am 22.01.2000 wurde Attac Deutschland gegründet1 und blieb als kleine NGO mit unter 1.000 Mitgliedern relativ unbekannt bis die Antiglobalisierungsbewegung als Ganzes, sowie Attac im Besonderen, nach dem G8-Gipfel in Genua im Juli 2001 und dem für Europa ungewohntem Ausmaß an Polizeigewalt, in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geriet.2 Der Medienrummel um die Übergriffe und den Tod eines Demonstranten bescherten Attac einen sprunghaften Mitgliederanstieg, obwohl sich Attac ausdrücklich von den gewalttätigen Demonstranten distanzierte. Ein Jahr später zählte Attac bereits über 10.000 Privatpersonen als Mitglieder in Deutschland.3

Dazu kommen Organisationen die sozusagen kollektiv Mitglieder bei Attac sind, wie z.B. einige Gewerkschaften, ver.di, DGBjugend, einzelne Landesverbände des DGB etc. ; Jugendorganisationen der Grünen und der SPD, sowie kommunale Verbände dieser beiden Parteien; kirchliche Vereinigungen von Pax Christi bis hin zu verschiedenen ökumenischen Netzwerken, und sogar Gruppen, die sich selbst als "sozialistisch-trotzkistische Tendenzen" verstehen, ohne eine Partei sein zu wollen, wie Linksruck (IST).4

Die Zusammensetzung von Attac im Zusammenhang mit den Schwerpunkten die sich in ihrem Grundkonsens finden, führt klar und deutlich vor Augen, dass die Ziele von Attac nicht nur relativ verschwommen sind, z.B. "Attac wirft die Frage nach wirtschaftlicher Macht und gerechter Verteilung auf"5, sondern auch, dass die Zielsetzung von Attac rein auf Reformen ausgerichtet ist. In Publikationen von Attac wird gefordert, durch "demokratische Kontrolle und Regulierung der internationalen Finanzmärkte", die durch die "kapitalistische Wirtschaftsweise entstehende gesellschaftliche Ungleichheit auszugleichen"6. Auch die Schwerpunkte ihrer Zielsetzung: Stabilisierung der Finanzmärkte und Wechselkurse, Stärkere Besteuerung von Kapitaleinkünften und großen Vermögen, Schuldenstreichung und nachhaltige Entwicklung, Erhalt 7der sozialen Sicherheitssysteme8, machen deutlich, dass Attac an die Reformierbarkeit des bestehenden Wirtschaftsystems glaubt, dass für sie Kapitalismus nicht zwangsweise mit Ausbeutung, Betriebsabwanderung ins Ausland und Massenentlassungen einhergehen muss. Dies zeigt, dass Attac die Basis des herrschenden Wirtschaftssystems leugnet, in dem die Konzerne darauf angewiesen sind, um jeden Preis immer höhere Gewinne zu erwirtschaften. Jedoch ist dies nur durch Ausbeutung sowohl der hiesigen Arbeiter, als auch der Arbeiter in den neokolonialen Ländern zu erreichen. Auch Attac kann keinen "humanen Kapitalismus" schaffen, auch wenn die Attacies zum großen Teil daran zu glauben scheinen. Attac will die notwendigen negativen Folgen des Kapitalismus abschwächen, ohne an deren Grundlage, dem kapitalistische Wirtschaftssystem, zu rütteln.

Diese gemäßigt bis radikal reformistische Zielsetzung von Attac macht die Organisation zu einem natürlichen Verbündeten der Gewerkschaftsbürokratie, die natürlich auch an Reformen, Verhinderung der Abwanderung von heimischer Industrie und damit einhergehenden Massenentlassungen interessiert ist, um ihre eigene Basis zu schützen. Durch Attac hat sie die Möglichkeit gefunden, ohne eigene Initiative oder zusätzlichen Aufwand und ohne offen einen systemkritischen Standpunkt einnehmen zu müssen, sich zumindest nominell für die Interessen der nationalen Arbeiterschaft einzusetzen. Wen kann es da noch wundern, dass Attac als Auffangbecken für frustrierte Sozialdemokraten und Alt-Grüne fungiert, und sich Linksopportunisten wie Lafontaine als Sprachrohr der Organisation profilieren?
Diese Instrumentalisierung von Attac durch die DGB Spitze als verlängertem Arm von Rot-Grün, wurde besonders deutlich durch die Unterzeichnung des DGB-Attac-VENRO (Dachverband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen) Papiers im Dezember 2002.9 Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Erklärung der drei oben genannten Organisationen zum Thema: Globalisierung gerecht gestalten. Schon der Titel erkennt "Globalisierung" explizit und versucht die Illusion zu erwecken, dass man diese durch "politische Gestaltung"10 zu einem Instrument "sozialer Gerechtigkeit"11 machen könnte. Außerdem wird als eine der ersten Forderungen nach einem "sozialen und demokratischen Gesicht"12 für die Globalisierung verlangt. Dies beschreibt schon recht treffend den Tenor des gesamten Pamphlets, es geht darum, "die hässliche Fratze der kapitalistischen Globalisierung etwas hübscher zu schminken"13, und nicht etwa darum, die Wurzeln des Problems anzugehen. So erkennt Attac in dieser Erklärung sowohl die kapitalistischen Institutionen IWF, WTO und Weltbank genauso grundsätzlich an14, wie die "potentiell nützliche Funktion von Finanzmärkten"15.

Das ganze Papier ist ein Bittgesuch an die Bundesregierung, welches diese auffordert, sich "engagiert" dafür einzusetzen, doch bitteschön die böse neoliberale Globalisierung etwas netter zu gestalten und den großen Konzernen ins Gewissen zu reden, damit sie "ihre soziale, ökologische und menschenrechtliche Verantwortung und Verpflichtung anerkennen"16. Damit negieren Gewerkschaftsspitze und Attac die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit des Handelns der Massen, getreu dem Prinzip einer Arbeiterdemokratie, indem die Initiative allein der Regierung überlassen wird, und die Arbeiter, bzw. die sie hier mehr oder weniger demokratisch vertretenden Gewerkschaften, höchstens beratendend eingreifen. Darüber hinaus impliziert die Formulierung bewusst, dass eine kapitalistische Globalisierung nicht nur unaufhaltsam, sondern auch durchaus sozial-gerecht zu gestalten sei.

Die Erklärung beinhaltet noch eine Unzahl an weiteren unsäglichen Kompromissen wie z.B. dass für die ILO (Internationale Arbeiterorganisation) nicht einmal ein Mitspracherecht, sondern nur einen "Beobachterstatus" bei WTO, IWF und Weltbank gefordert wird17, dass selbst GATS- Verpflichtungen mit einigen "sozialen" Einschränkungen anerkannt werden18, und dass Forderungen nach weltweiter, gerechter Reichtumsverteilung19 dem Ziel der Bekämpfung der extremen Armut" Platz machen, welche wiederum durch höhere Entwicklungshilfe erfolgen soll20. Dies erkennt implizit den Reichtumsstatus Deutschlands und anderer Industrieländer an und stellt dessen ausbeuterische Grundlage mit keinem Wort in Frage. Wiedereinmal geht es nur darum, ein paar Krümel an die "Armen" zu verteilen, damit es ihnen nicht gar so schlecht geht und sie sich nicht etwa noch am Ende gegen ihre Ausbeuter und Unterdrücker mit der Waffe in der Hand zur Wehr setzen und so das Gleichgewicht unserer schönen heilen Welt stören.

Dass dieses Papier auf undemokratische Weise zustande gekommen ist, also von der Attac Führung ohne Rücksprache und bewusst gegen den Willen von Teilen ihrer Mitgliedschaft unterzeichnet wurde21, ist der Beweis für die Übernahme bürokratischer Methoden wie derjenigen unserer rot-grünen Regierung, die sich ja bekanntlich auch der Wirtschaft zu liebe ständig über den Willen ihrer Basis hinwegsetzt - siehe Agenda 2010. Da ist es nur die Krönung des Ganzen, dass der von der Attac Führung mit solchen Zugeständnissen umworbene DGB Chef Sommer, sich dann trotz Einladung auch von der Gegenseite, entschloss zum World Economic Forum in Davos zu fahren.22

Durch die undemokratische Art und Weise wie sich die Attac Führung hier präsentiert hat und durch ihr Abrücken von jedweder in irgendeiner Form "radikal" klingenden Forderung, reiht sich die Organisation in die "nicht ganz so goldene politische Mitte ein"23. Da rettet sie auch nicht die Vorbemerkung aus Attac Sicht in der gesagt wird, dass "die oft weitergehenden Forderungen aus der Attac-Erklärung keineswegs überholt sind, sondern natürlich weiterhin bestehen bleiben".24

Man kann strategische Bündnisse mit anderen Organisationen eingehen um bestimmte Ziele zu erreichen, aber diesen Bündnissen die eigenen Grundsätze unterzuordnen bzw. diese explizit zu leugnen ist politischer Verrat und wird auch dadurch nicht besser, dass man an anderer Stelle etwas anderes schreibt oder flammende Reden auf Demonstrationen schwingt. Die Organisation hat sich daher selbst als undemokratisch und verlogen entlarvt.

Auch die erhebliche Kritik aus den eigenen Reihen führte weder zu einem Umdenken noch zu einer Rücknahme der Unterschrift durch die Attac Führung.25 Dies kann eigentlich nur eine einzige Konsequenz haben, nämlich, dass diejenigen ihrer Mitglieder und Unterstützer, die sich tatsächlich für die Interessen der Arbeiter überall auf der Welt einsetzen wollen, die an echte Demokratie und nicht an Schmierenkomödie glauben, Attac den Rücken kehren und sich kritisch mit der Organisation auseinandersetzen müssen. Wer das nicht tut, und weiter "aus Kompromissgründen" in der Organisation verbleibt, ist offensichtlich ebenso wenig demokratisch und genauso opportunistisch und bürokratisch wie Attac selbst.

Aufgrund der anvisierten verschwommen - reformistischen Ziele, die sich der heterogenen Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft und deren widersprüchlichen Interessen ergeben, bildet Attac den rechten Flügel der Antiglobalisierungs-bewegung. Die Organisation versucht die, durch die explosive Mischung aus genereller Enttäuschung über die bürgerlichen Demokratien und tiefer Verunsicherung durch die immer schlechteren wirtschaftlichen Verhältnisse unter Jugendlichen und Arbeitern, freigesetzten Kräfte für sich zu nutzen und durch eine Politik zu hegemonisieren, die letztendlich nicht mehr als ein Durcheinander aus hilflosen Appellen an die "Politik" und faulen Kompromissen darstellt.
Trotz alledem sollten Revolutionäre auch solche Organisationen nicht aus den Augen verlieren, denn auch in Attac gibt es viele idealistische junge Menschen, die etwas verändern wollen und hoffen durch Attac wirklich etwas erreichen zu können. Es ist unsere Pflicht, zu versuchen, unter diesen die politisch fortgeschrittensten Elemente zu erreichen und für den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen. Allerdings ist es unumgänglich, alle Strömungen zu bekämpfen, die uns glauben machen wollen, dass unser heutiges, allein auf Ausbeutung und Profit ausgerichtetes System reformierbar sei. Die Entlarvung dieser kleinbürgerlichen und reformistischen Kräfte stellt eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen einer wirklich revolutionären Partei dar, da diese sich nur im schonungslosen Kampf gegen den Opportunismus entwickeln kann.

Noten:
1 Attac Vorstellung, S. 5
2 Attac - Wer wir sind und was wir wollen, S.2
3 Attac Vorstellung, S.5
4 ibid. S.6
5 Selbstverständnis von Attac, S. 1
6 Attac, Wer wir sind und was wir wollen, S.2
7 Attac - Vorstellung, S.12
8 ibid. S.12
9 Undemokratische Methode, S. 1,2
10 Globalisierung gerecht gestalten, S.2
11 ibid. S.10
12 ibid. S.2
13 Undemokratische Methode, S.1
14 Globalisierung gerecht gestalten, S. 2
15 ibid. S.4
16 ibid. S.7
17 ibid. S.6
18 ibid. S.7
19 Attac Erklärung, S.2
20 Globalisierung gerechter gestalten, S.2
21 Undemokratische Methode, S.1,3; Junge Welt, S.1
22 Junge Welt, S.2
23 Undemokratische Methode, S.1
24 Vorbemerkung aus Attac Sicht, S.1
25 Junge Welt, S.1


Quellen:

attac-Beilage zur taz vom 08.Nov. 2001

 http://www.attac-netzwerk.de/stuttgart. : Giegold, S., Klimenta, H., Stiefel, R. Attac-Vorstellung.
01.2003.

 http://www.attac.de/erklaerung/erklaerung.php : Attac - Erklärung. 26.05.2002

 http://www.attac.de/selbstverstaendnis/selbstverstaendnis.php: Attac - Selbstverständnis. 10.2001.

 http://www.hamburger-ilustrierte.de/w2d/hillu/international/report/globalisierungsgerechtigkeit :
Globalisierung gerecht gestalten. Gemeinsame Erklärung von Attac, VENRO und dem DGB.
12.2002.

 http://www.attac-netzwerk.de/debatte/dgb_ludwig.php : Ludwig, Claus. Undemokratische Methode.
06.01.2003

 http://www.attac.de/archiv/gemerkl.php "Vorbemerkung aus Attac - Sicht"

 http://www.jungewelt.de/public_php/drucken_popup.php?num=10&djahr=2003 :
Klas, Gerhard. Wohin geht ATTAC? In "Junge Welt". 17.01.2003.
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Ergänzungen

Crossposting

Crossposting 26.01.2004 - 13:09
Crossposting eines Kommentars und einer trotzkistischen Kampfschrift, die nichts mit Analyse zu tun hat. Gerade trotzkistische sekten haben mit ihren Unterwanderungsstrategien soziale Bewegungen gespalten und befriedet. Jetzt wo sie nach und nach aus Attac vertrieben werden,. schreiben sie solche Texte!

vom Regen in die Traufe

Anarchie und Autonomie statt Attac 26.01.2004 - 21:20
da stellt sich nur die Frage wer schlimmer ist ihr oder attac

 http://www.free.de/schwarze-katze/sonderseite/attac.html

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