Treffen der EU-Innenminister in Irland contra Asylrecht

Sebastian K. 23.01.2004 01:06 Themen: Antirassismus Globalisierung Medien Repression
Im befestigten Stadtschloss Dublin findet seit gestern ein zweitägiges Treffen der 25 EU-Innenminister statt. Dabei geht es hauptsächlich um die Verschärfung des Asylrechts (offizielles Programm des Treffens).
Wie beim gerade stattfindenen WEF-Meeting in Davos findet das EU-Innenministertreffen hermetisch abgeriegelt in einer grundrechtsfreien Zone statt. Medien und Öffentlichkeit sind ausgeschlossen und erfahren nur Bruchstücke dessen, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.
Am Nachmittag waren dennoch erste Proteste angemeldet (Aufruf und Background) Auch verschiedene NGOs und Menschenrechtsorganisationen äusserten massive Kritik. Eine erste Meldung von Angriffen auf unabhängige Presse erschien heute bei Indymedia.Irland: journalist assaulted on Dame St + Video
Bereits am letzten Wochenende fanden die ersten größeren Proteste in Galway anlässlich der irischen EU-Präsidentschaft statt. (Feature bei Indymedia.Irland)

Aktuell dazu:
Unmenschliche Zustände in der Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt
In Italien bekommen Abschiebehäftlinge Betäubungsmittel in ihr Essen gemischt
Das europäische Asylrecht soll "neu gestaltet" werden und an unterste Standards angepasst werden. Beispielsweise will die EU in den nächsten 2 Jahren 30 Millionen Euro in Pilotprojekte zur Abschiebung illegal eingereister Ausländer stecken. So soll es von den Mitgliedstaaten gemeinsam angemietete Flugzeuge geben, die illegale Einwanderer und abgelehnte Asylbewerber aus mehreren EU-Ländern zugleich in ihre Heimat zurückschicken.
Bis Ende des Jahres sollen ausserdem die Rücknahmeabkommen mit Russland, der Türkei und der Ukraine fertig sein, wie österreichs Innenminister Strasser erklärte.

Die deutsche Regierung setzte in Dublin ausserdem die EU-weite Umsetzung der in Deutschland üblichen "Drittstaatenregelung" durch: "Elf Jahre nach der Grundgesetzänderung würde das deutsche Modell einer Drittstaatenregelung in einem Club von 25 EU-Mitgliedsstaaten den flüchtlingspolitischen Super-GAU produzieren: das Ende des individuellen Asylrechts in Europa", so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. (Artikel bei NGO-Online dazu)
Auch die 78 Mitgliedsorganisationen des Europäischen Flüchtlingsrats weisen den deutschen Vorschlag zurück, da die deutsche "Super-Drittstaatenregelung", wie sie verharmlosend genannt wird, eine umfassende "Asylverweigerung" in der erweiterten EU bedeutet. Asylsuchende können demnach ohne Einzelfallprüfung von Grenzbeamten in die "neuen sicheren Drittstaaten" zurückgewiesen werden. Die potenziellen künftigen "sicheren Drittstaaten" heißen Russland, Weißrussland, Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kroatien, Mazedonien und Türkei - Staaten, in den Menschenrechtsverletzungen immer noch an der Tagungsordnung und internationale Flüchtlingsrechtsstandards noch nicht vorhanden sind.

Die Bundesregierung hatte im Jahr 1993 mithilfe der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda das Grundrecht auf Asyl defacto abgeschafft (immer wieder erklärte Kohl, daß in Rostock der Volkszorn ausgebrochen sei und die Regierung nun Volkes Wille umsetzen würde - die CDU-Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern ließ die Polizei nicht eingreifen und unterstützte die Pogrome). Mit der völkerrechtswidrigen defacto-Abschaffung des Grundrechts auf Asyl verstieß die Bundesregierung gegen internationale Konventionen. Das war der Beginn einer ganze Reihe von Grundrechtseinschränkungen, die im Laufe der 90er immer normaler und mit immer weniger Widerstand durchgesetzt wurden. Die jeweiligen Oppositionsparteien verhielten sich dabei wie die Blockparteien in der DDR. Widerstand kam lediglich von der PDS.

Aus Österreich kam beim Treffen in Dublin die Idee zur Einführung der Definion sog. "super-sicherer Drittstaaten". So sollen Länder bezeichnet werden, die hohe Standards im Asylverfahren gewährleisten. Gemeint könnten damit Staaten wir Schweiz oder Lichtenstein sein. Eine Liste der Staaten wurde aber noch nicht erstellt. Die Richtlinie dazu soll am 1.Mai beschlossen werden. Lediglich die Regierung Zyperns äusserte Kritik.
UN-Flüchtlingshochkommissar Ruud Lubbers sagte in einem Telefoninterview mit dem ORF: Die EU sei auf dem Weg zu einem Asylrecht, das "in entscheidenden Teilen" anerkanntem internationalen Recht widerspreche. Andererseits schlug er die Einrichtung EU-weit zentralisierter Asylzentren vor. Grund: Die ab dem 1.Mai neu zur EU hinzukommenden osteuropäischen Staaten könnten mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert werden, da es zu wenig Personal und Ressourcen gebe.
Auch das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) lehnt die Drittstaaten-Regelung ab, da generelle Listen die Gefahr bergen, daß Flüchtlinge in Kettenabschiebungen letztlich wieder in dem Staat landen, aus dem sie geflohen sind. Jede Asylanfrage müsse einzeln geprüft werden.

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Ergänzungen

Rolle Deutschlands in der EU

Nie wieder? 23.01.2004 - 02:49
Irgendwann in den frühen 90ern hat Helmut Kohl mal gesagt, daß Deutschland die Ziele des 2. Weltkrieges auch mit friedlichen Mitteln erreichen könne. Deutschland und Frankreich dominieren mittlerweile die EU und die Asyländerungen sind nur ein Beispiel für die Dominanz der neuen Großmacht Deutschland. Da die Politik von der Wirtschaft diktiert wird, spielt es keine Rolle, ob CSU, CDU, SPD, Grüne oder PDS regieren.

In der Finacial Times ist heute zum Thema ein Artikel erschienen:

"Die Europaminister von Deutschland und Frankreich haben in einem gemeinsamen Interview der Financial Times Deutschland Ängste beschwichtigt, beide Länder strebten zusammen mit Großbritannien die Führung von Europa an. Es droht eine Gegenallianz"
 http://www.ftd.de/pw/eu/1074331659409.html

Presse

Zeitungsleser 23.01.2004 - 03:06
Das schreiben die bürgerlichen Medien dazu:

Asylproblem wird zunehmen
Warnung vor den Folgen der bevorstehenden EU-Erweiterung

sda/afp/dpa. Uno-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers hat die EU vor erheblichen Asylproblemen bei der bevorstehenden Erweiterung gewarnt. In einigen neuen Mitgliedstaaten könnten schwache und mit wenig Ressourcen ausgestattete Asylsysteme überfordert werden, sagte Lubbers am Donnerstag vor den EU-Justiz- und -Innenministern in Dublin.

Durch die Aufnahme der zehn neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai könnte sich laut Lubbers die Verteilung der Asylanträge in der EU deutlich verschieben. Dies könne zu einem Anstieg der Asylanträge führen, die in den neuen Grenzstaaten bearbeitet werden müssten. Lubbers präsentierte dem EU-Ministerrat eine Reihe von Vorschlägen, um die Harmonisierung des Asylrechts in der EU effektiver zu gestalten. Dazu gehören auch Massnahmen gegen den Asylmissbrauch.

 http://www.zol.ch/zo/detail.cfm?id=112635

Nachtrag: Bilder von gestrigen Protesten

Sebastian K. 23.01.2004 - 14:08
Gestern gabs ja noch ein bischen Protest - oder besser: der Versuch von Protest - in Dublin.

Unter dem Artikel sind in den Ergänzungen  http://www.indymedia.ie/newswire.php?story_id=63120 Fotos zu finden.
Direktlink:  http://www.indymedia.ie/newswire.php?story_id=63120#comment59437

Zwiespaeltige Rolle mancher NGO's ?

Werner 23.01.2004 - 16:42
Auch hier in Grossbritannien werden brutale Regeln umgesetzt. Abgelehnte Asylsuchende werden aus Wohnungen vertrieben (auf die Strasse), erhalten keinerlei Unterstuetzung mehr, auch nicht medizinische, Arbeiten ist verboten, usw.. Erstaunlich ist, dass auch MANCHE Fluechtlingsorganisationen der Regierung bei der Durchsetzung dieser brutalen Massnahmen behilflich sind.
Dies ist aber nicht nur in Grossbritannien der Fall, auch in anderen EU Laendern scheint es aehnlich.
Vielleicht deshalb sagen die Organisationen immer nur NO als Antwort zu neuen brutalen Regeln der Regierungen, haben aber keinen eigenen, humanen Vorschlag, wie zum Beispiel, derzeit wird der ganze Druck auf die Asylsuchenden ausgeuebt, waere es nicht besser den Druck auf die Verbrecher in den Herkunftslaendern der Asylsuchenden auszuueben ?
Allerdings wuerde dies langfristig bedeuten, dass viele dieser Organisationen sich selbst ueberfluessig machen wuerden.

Radical Activism In Ireland Vortag

daaa 24.01.2004 - 17:05
Radical Activism In Ireland Vortag
Sun 25th Jan 04
@ X-B-Leigig, Liebigstr. 34 (F hain) Kneipe

A short presentation on the current state of
grassroots direct activism in Ieland.From direct
actions against US military use of Shannon Airport as
part of the campaig of terror against Afghaistan &
Iraq to the recent establishmnet of the first squatted
social spaces since the 80’s.

& If you need some excuses to come to Ireland for a
holiday you can find out more about the followin
‘Calls to Action’…
Actions against the EU presidency in Ireland May 2004
www.geocites.com/eufortress
Bush Visit to Shannon June 2004
G8 in UK 2005 (potentially in Northern Ireland)
 http://www.indymedia.org.uk/en/2004/01/283449.html

Talk from Belfast collective direct action
against apathy
www.geocities.com/directactionagainstapathy

also have a look at…

www.indymedia.ie
www.anarchomedia.org