Marokko und UNO wollen Saharauris austricksen

Ralf Streck 20.01.2004 11:27 Themen: Weltweit
Mit Marokkos Gegenofferte zum Baker-Plan hat das Königreich die Lunte an einen seit 1991 schwelenden Konflikt um die Westsahara gelegt. Mit einem neuen Vorstoß versucht das Land aus der diplomatischen Isolierung zu kommen und das Selbstbestimmungsrecht der Saharauis weiter zu untergraben, nachdem Rabat den Plan des UNO-Beauftragten James Baker im vergangenen Jahr abgelehnt hatte.
Während der Plan des ehemaligen US-Staatsekretärs weiter am geplanten Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara, "nicht früher als in vier Jahren und nicht später als in fünf Jahren", festhält, versucht Marokko die Abstimmung zu begraben. Den Saharauis will das Königreich nur eine Autonomie einräumen, deren Rechte über die anderer autonomer Regionen hinaus ginge. So soll die ehemalige spanische Kolonie, die nach Abzug der Spanier 1975 von Marokko besetzt wurde, dauerhaft unter der Herrschaft des Marokkos bleiben.
Seit 13 Jahren hintertreibt Rabat mit Duldung der UNO ein Abkommen, wonach in der Westsahara über die Unabhängigkeit abstimmen soll, die von der UNO-Mission für ein Referendum über die Westsahara (Minurso) überwacht werden sollte. Das war die Basis, auf der 1991 die Kämpfe zwischen Marokko und der Befreiungsbewegung Frente Polisario eingestellt wurden. Seither verunmöglicht Marokko die Abstimmung und versucht mit einer massiven Einwanderung die Mehrheitsverhältnisse in der Westsahara umzudrehen.
Seine neuen Autonomiepläne hat Marokko schon im Dezember diskret der UNO mitgeteilt, als eine Delegation aus Rabat sich mit Baker in Houston getroffen hat. Vor gut einer Woche hat ein Vertrauter von König Mohamed VI sich in gleicher Angelegenheit mit dem UNO-Generalsekretär Kofi Annan besprochen.
Marokko weiß, dass es bei Baker und Annan auf offene Ohren stößt, nur in der Vorgehensweise ist man unterschiedlicher Meinung. Rabat versucht mit seinem Vorschlag den von Baker geebneten Weg weiter auszubauen, denn auch dessen Plan sieht als Interimslösung eine Autonomie für die Westsahara vor. Baker versucht Fakten zu schaffen und vertagt so ohne Grund das Referendum weiter. Die Zustimmung der Polisario zu seinem Plan hat tatsächlich erst die Tür für die Autonomielösung geöffnet.
Ausgerechnet der UNO-Generalsekretär hatte 1997 Baker damit beauftragt, eine Autonomielösung für die Westsahara zu suchen. Dies legte der britische Diplomat Marrack Golding im letzten Jahr in seinem Buch "Peacemonger" offen. Der Diplomat sollte Baker für den erstaunlichen Auftrag von Annan rekrutieren, wo doch Annans UNO eigentlich das seit 1991 ausstehende Referendum über die Unabhängigkeit organisieren sollte. Und Baker wiederum hat gute Beziehungen zur US-Ölfirma Kerr McGee. Die, wie französische TotalElfFina, haben sich schon vor Jahren bei Marokko Verwertungsrechte in dem umstrittenen Gebiet gesichert.
So verwundert nicht, wenn der Vorschlag aus Rabat gerade jetzt kommt. Ende des Monats muss sich der UNO-Sicherheitsrat erneut mit der Zukunft der Westsahara beschäftigen. Unter dem aktuellen Vorsitz von Frankreich rechnet sich Marokko große Chancen für seine geplante Autonomie aus. Das Frankreichs Präsident Jacques Chirac seit einiger Zeit von der Westsahara als ?Provinzen im Süden? von Marokko spricht, zeigt wohin die Reise gehen soll.
In den Wüstenlagern, in denen seit 25 Jahren fast 200.000 Saharauis und schwierigsten Bedingungen leben, spitzt sich die Situation und die Stimmung zu. Es ist sicher kein Zufall, dass die UNO die Lebensmittelhilfe für die Lager stark gekürzt hat, damit soll weiter Druck ausgeübt werden, vermuten die Saharauis.
Am Kongress XI. Kongress der Polisario im vergangenen Oktober, forderten deshalb viele Stimmen zur Rückkehr zum bewaffneten Kampf auf. Mahyub Saleh, Gründungsmitglied der Polisario erklärte: "Die Situation in der wir leben, weder Frieden noch Krieg, ist tödlich für unser Volk". Die Waffenruhe 1991 sei ein fataler Fehler gewesen. Ähnlich argumentierten auch andere Führer der Befreiungsbewegung, seit dem Ende der Kämpfe habe man nur wenig erreicht, sagte Sheij Maalainin.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 19.01.2004
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