Rot/Grüne Politik (1): die Gesundheitsreform!

Dschugan Rosenberg 12.01.2004 00:58 Themen: Soziale Kämpfe
Erfolgreich: Der großspurige Verarschungsmüll von Ulla Schmidt findet seinen Weg in die Gehirne der "mündigen Bürger". Der Aderlass der drögen Deutschen beim Gesundheitssystem ging bis auf ein paar kleine Unmutsäußerungen problemlos vor sich. Das Wort "Reform" ist allerdings emotional verbraucht. Doch bevor die Versicherten so recht begriffen haben, was alles auf sie zukommt, will Rot/Grün schnell aus der Diskussion heraus. Deshalb wechselt sie schnell das Thema und spricht nun von "Innovation" im Bildungswesen. Doch wir sollten nicht Mitspringen sondern zunächst bei der "Gesundheitsreform" und den anderen Innovationen bleiben und sie näher anschauen.
Die mit Wirkung zum 1.1.04 eingeführte Gesundheitsreform bedeutet, das alte Menschen im Pflegeheim mit 50 Euro Taschengeld im Monat nun 10 Euro im Quartal für den Arzt abzwacken müssen. Ulla Schmidts Ministerium sind Komissionen und Sachverständigenkreise angegliedert, die ermächtigt sind, die in den Paragraphenwerken eingearbeiteten Begriffe und Leistungen zu definieren oder willkürlich festzulegen. Hiernach werden Taxitransporte mit Multiple Sklerose-Kranken nicht mehr übernommen und Diabetiker werden nach ominösen Neudefinitionen nicht mehr als chronisch Kranke behandelt (Quelle für diese Beispiele: "Die 12 Fehler der Gesundheitsreform",  http://www.bild.t-online.de/BTO/index.html).
Wer nicht krank ist, darf horrende Krankenkassenbeiträge erbringen. Wenn er leicht erkrankt ist, darf er seine Erkältungsmedikamente selber bezahlen.
Wenn er einmal richtig krank ist, wird er abgebügelt und erhält eben nicht das Notwendige – schon gar nicht ohne zusätzlich brutal geschröpft zu werden.
Für lebensnotwendige Medikamente können die Hersteller aus verschiedenen Gründen – z.B. weil es sich für die Pharmafirma nicht lohnt oder bei Kindern – keine großen Studien zum Nachweis ihrer Wirkung nach den Kriterien der Behörden (!) vorweisen. Zumal die Kriterien der Behörden so aussehen, das die Wirksamkeit für jeden auch verwandten Erkrankungstyp extra nachgewiesen werden muss. Von diesen Medikamenten wie z.B. Zytostatika ist die Wirkung den Spezialisten jedoch bekannt und sie wurden in der Vergangenheit noch von den Kassen bezahlt. Mittlerweile verabschieden sich die Kassen aber aus Kostengründen von der Übernahme dieser Medikamente. Anstatt hier Regelungen einzuführen, die z.B. der Tatsache Rechnung tragen, das nicht für alle notwendigen Krebsmedikamente große Studien durchgeführt werden können, bevor der AOK-Patient die Chance bekommt, sie verschrieben zu bekommen, weil er dann schon tot ist – hat Ulla Schmitt hier nichts für diese Patienten getan. (link mit Hintergrundinformation dazu:  http://www.kvberlin.de/STFrameset165/index.html?/Homepage/publikation/archiv/pe2001/pe250701.html).
Im Gegenteil: die steuerliche Absetzbarkeit dieser Kosten richtete sich bisher nach der Verordnungsfähigkeit durch den Arzt, jetzt können Kosten, die die Krankenkasse nicht übernimmt auch nicht mehr als Sonderausgaben abgesetzt werden kann.
Man möchte offensichtlich, das Kranke sterben – die Wirkung der jetzigen Reform realisieren zum Teil die menschenverachtende Vorschlägen beamteter Würdenträger im Vorfeld dieser Reform, für ältere Menschen teuere Behandlungen wie die (lebensnotwendige) Dialyse nicht mehr zu bezahlen. (link:  http://www.vdk.de/de5679).
Das Soziale an der Rot/Grünen Gesundheitsreform ist, das nicht die Alters- sonder die Sozialkriterien hinsichtlich der Qualität und Quantität der Behandlung verschärft werden. Schon heute verzeichnen ärmere Menschen eine geringere Lebenserwartungen. Dies wir durch die Gesundheitsreform verschärft, da der Fall nun viel häufiger auftritt, das Patienten eine lebensnotwendige Behandlung oder ein Taxi zum Arzt, welche die Kasse dank Ulla Schmidts Neuregelungen ablehnt, oder aber die vielen Zuzahlungen nicht mehr privat bezahlen können.
Was geblieben ist: Ärzte dürfen nach wie vor damit rechnen, ohne großes Risiko betrügen zu können. Wenn sie einmal erwischt werden, wie bei den Hausbesuchen bei Toten, wird das Verfahren i.d.R. gegen eine Gebühr eingestellt. Auch können sie weiterhin einen Haufen nicht notwendiger Untersuchungen durchführen, um die Apparate in ihrer Praxis am Laufen zu halten.
Und die Verwaltungsapparate wie kassenärztliche Vereinigung und Krankenkasse dürfen weiter etwa zusammen 20 % der Beiträge für die Aufgabe einbehalten, dieses Geld an die Ärzte und Apotheker zu verteilen. Ach ja und dann haben wir als Gag den Patientenbeauftragten, der nach Ministerin Ulla Schmidt "erstmals" die Interessen der Versicherten und Patienten vertritt. Frau Helga Kühn-Mengel wird diesen sicher gut dotierten Posten mit einem Verwaltungsapparat übernehmen. ( http://www.die-gesundheitsreform.de/hintergruende/Patientenbeauftragte/).
Doch nach dem Sozialgesetzbuch sind es eigentlich die via Sozialwahl gewählten Arbeitnehmervertreter im Vorstand und der Vertreterversammlung der gesetzlichen Krankenkassen, welche die Interessen der Patienten vertreten sollen. (links:  http://www.patientenkammer.de/sozialwahl.htm;  http://www.aok-bv.de/lexikon/s/index_00289.html).
Ich gebe zu, viele Funktionäre aus dem Dunstkreis von SPD und Gewerkschaften, die auf diesen gut bezahlten Ehrenämtern bei den Krankenkassen hocken, haben in der Vergangenheit vielleicht zu wenig für die Patienten getan. Viel können diese Leute so oder so nicht bestimmen, da das meiste in Paragraphenwerken des Sozialgesetzbuchs festgeschrieben wurde.
Doch wenn SPD-Ministerin Ulla Schmidt, tönt, mit ihrer Patientenbeauftragten würden erstmals die Interessen der Patienten vertreten, so ist dies ein Eingeständnis, das die gesetzlich vorgeschriebene Selbstverwaltung der Patienten mit den "Versichertenvertretern" nicht funktioniert – oder zweite Möglichkeit, SPD Ministerin Frau Schmidt nichts über das ABC der Sozialversicherung weiß. Im ersten Fall löst man das Problem doch nicht dadurch, das man die teure Selbstverwaltung belässt und noch eine neue Institution zusätzlich obendrauf packt.
Und: Die Krankenkassen sollen nach dem Willen von Ulla Schmidt ihre Finanzen gegen die Wand fahren und wie der Bund Schuldenberge anhäufen, damit sie sagen kann: Seht ihr, dank meiner Politik sinken die Krankenkassenbeiträge ! ( http://www.faz.net/s/Rub28FC768942F34C5B8297CC6E16FFC8B4/Doc~EF2B89F12701446CC9034F4B03D0637BA~ATpl~Ecommon~Scontent.html).
Das Gebot, möglichst keine Schulden im Interesse einer soliden Finanzlage der Krankenkasse zu machen ist nicht nur in einem Paragraphen des Sozialgesetzbuchs verankert, den Frau Schmidt offensichtlich wie die Aufgaben der Selbstverwaltung nicht kennt. Es hat seinen guten Grund, das die Verwaltungsspitzen der Krankenkassen sich hier im Interesse der Versicherten weigern, denn sie hätten teure Bankkredite ohne Gegenleistung mit ihren Beiträgen zu finanzieren. Auch das Indiz, das für SPD Ulla Schmidt eine Umverteilung gegen die Versicherten zugunsten des Kartells aus Apotheken, Ärzten und der Pharmaindustrie führt, die sich nun als stille Gewinner der Reform freuen dürfen
Die Grünen schlagen dagegen eine Bürgerversicherung vor – das wäre so, als würde man noch mehr Futter in das Haifischbecken geben. Doch nicht zuwenig Futter, sondern die Haifische einschließlich ihrer SPD-Ministerin sind das Problem. Denn das deutsche Gesundheitssystem ist weltweit eines der teuersten Systeme, aber in der Leistung nur Durchschnitt.
Wer krank ist, darf nun als Patient sich mit der Bürokratie der Krankenkassen herumschlagen, die auf die gesetzlichen Regelungen verweisen. Gremien ergrauter Professoren in diversen Sachverständigenbeiräten haben dann die Gnade zu entscheiden, ob Osteoporose-Risikopatienten weiterhin mit Vitamin D/Kalzium auf Kassenrezept versorgt werden dürfen. Dies ist seit dem 1.1.2004 ungeklärt – vielleicht sterben ja ein paar Patienten an Knochenbrüchen, bis dies entschieden wird.
Es gibt noch mehr Bonbons außer der Zuzahlung: Die Preise für alle preiswerten verschreibungspflichtigen Medikamente wurden durch einen fetten, garantierten Festzuschlag von 8,10 Euro plus 16 % Mehrwertsteuer angehoben. Ein Medikament mit einem Einkaufspreis von 0,00 Euro würde also mindestens 9,40 Euro kosten. (link:  http://www.daserste.de/plusminus/beitrag.asp?iid=138)
Dieser fette Zuschlag für das Herüberreichen eines Medikamentes aus der Schublade über die Ladentheke spürt dann jeder Versicherte in zukünftigen Steigerungen seiner Kassenbeiträge. In einer Imagekampagne beschwört der deutsche Apothekerverband in Fernsehspots die "Beratung" durch sein Werbeheftchen namens "Apothekenrundschau", das auf dem Niveau eines Arztromans angesiedelt ist. Fragen, bei der detaillierte Fachinformationen in der Apotheke erfragt werden, wie z.B. die billigsten Medikamente bezogen auf den Wirkstoff (nicht auf die Anzahl der Tabletten oder gar die billigste Packung) werden nach meiner Erfahrung selten korrekt beantwortet. Es bleibt Wahnsinn, den Apothekern für die uns bekannte Regelleistung der Medikamentenausgabe, die sich nicht wesentlich von einer einfachen Verkaufstätigkeit in einer Drogerie unterscheidet, diese fette Marge zuzuschanzen. Hier hat Ulla Schmidt klar die Wirtschaftsinteressen eines gut betuchten Klientels über die Interessen der Kranken, insbesondere armen und schwer und chronisch erkrankten Personen die noch ein Extraminus erhalten, gestellt.
Wir erleben bei Frau Ulla Schmidt in ihrer Art offensichtlich die Wiedergeburt einer französischen Königin, der gesagt wurde: "Das Volk hungert, da es kein Brot mehr zu essen hat" und die antwortete: "Ja wenn es kein Brot hat, dann soll es doch Kuchen essen."
Bei SPD-Ministerin Ulla Schmidt hört sich der letzte Satz über den Kuchen heute so an: "Das bedeutet: Auch in Zukunft werden alle unabhängig vom Alter, unabhängig von ihrem Einkommen am medizinischen Fortschritt teilhaben. Wir garantieren, dass jeder denselben Zugang zu den medizinischen Leistungen und zum medizinischen Fortschritt hat." (Rede von Ulla Schmidt auf dem Parteitag der SPD am 19. November 2003).
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Ergänzungen

quellenangaben

... 23.02.2004 - 16:29
"... ominösen Neudefinitionen nicht mehr als chronisch Kranke behandelt (Quelle für diese Beispiele: "Die 12 Fehler der Gesundheitsreform",  http://www.bild.t-online.de/BTO/index.html)."

bild-online ist also eine serioese quellenangabe, oder was? gut: das mit serioes hat keineR behauptet aber es ist schon recht merkwuerdig, es bei einem gutgemeinten text mit so einer angabe zu tun zu bekommen...

Zur Quellenangabe für geplante Maßnahmen

Dschugan Rosenberg 23.02.2004 - 20:01
Du hast recht. Die Bild-Zeitung ist keine gute Quelle, aber es gab für mich keine kostenfreie Alternative. Die Bundesgesundheitsministerin hat drei Sachverständigenbeiräte bestellt (Mitglieder werden ernannt): 1. Bundesausschuß der Ärtze und Krankenkassen 2. Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 3. Sachverständigenbeirat für Konzertierte Aktion ( http://www.thieme.de/viamedici/aktuelles/artikel/gesundheitswesen.html)
Sie haben die Aufgabe, die Ministerin bei der Neufassung der Gesetze, ihrer Umsetzung und Auslegung zu beraten. Für die Gesundheitsreform wurde ein neuer Sachverständigenbeirat bestellt (Quelle:  http://www.zmt.de/politinf/p01092003.htm#punkt16 , siehe unter "Ernennung..."). Alle Beiräte tagen nichtöffentlich, die Protokolle der Sitzungen sind nicht öffentlich zugänglich. Es ist aber durchgesickert, dass diese Beiräte sich im Vorfeld der Gesundheitsreform sehr wohl auf (menschenverachtende) Definitionen, Auslegungen und Vorschläge zur Umsetzung der zum 1.1.04 wirksamen Gesundheitsreform "geeinigt" haben. Z.B. die Taxikosten für MS-Kranke zu streichen. Die Bildzeitung hatte wohl für ihre Serie "Sie machen uns krank Frau Ministerin" dazu ganz aktuelle, öffentlich nicht zugängliche Protokolle und Detailinformationen vorliegen, geprüft durch ihre Hausjuristen, deshalb dieser Link auf die Schnelle. Ich bitte um Verständnis.