Kampf ums Conne Island in Leipzig

felix 17.12.2003 00:00 Themen: Freiräume
Politisch geschieht in Leipzig gegenwärtig so einiges, nachdem die Szene eher laue Monate hinter sich brachte und die viel zitierten "Leipziger Verhältnisse" zum Gegenstand von Diskussion und Resignation wurden. Von besonderem Interesse sind dabei nicht nur Dauerbrenner wie (N)Olympia und in diesem Zusammenhang die Innerstädtische Sicherheitspolitik (Stichwort Kameraüberwachung), sondern vor allem die akute Bedrohung linker und alternativer Projekte durch die Stadt bzw. das Finanzamt. Mit der drohenden Schließung des autonomen Kulturzentrums Conne Island gingen die Proteste los.
[siehe auch: Leipzig: keine Spielchen mit uns!]

the story so far

Jüngstes Opfer der städtischen Reaktion ist bekanntlich die Wall of Fame, eine Freifläche für SprayerInnen, die am 20. Oktober unter Mitwirkung der Initiative "STATTBild e.V." unter der Anleitung des Leipziger Bürgermeisters Holger Tschense geweißt wurde und nun unter Polizeiüberwachung steht. Die 250 Meter lange Wall of Fame am Karl-Heine-Kanal war die einzige "legale" Wand im gesamten Stadtgebiet und musste zu Gunsten eines homogenen und vermeintlich "modernen" Stadtbildes dem uniformen Weiß weichen, welches man für die Selbstpräsentation im Rahmen der Olympiabewerbung für geeignet hält. Eine Ersatzwand steht derweilen nicht in Aussicht und die Szene revanchierte sich ihrerseits mit "Meine Wand"-Parolen an zahlreichen Wänden und Flächen im gesamten Stadtgebiet. Dies war allerdings nur der erste Streich der Stadt.[mehr...]

Dass sich die Maßnahmen der Stadt insbesondere gegen eine sinnvolle Jugendarbeit und bestimmte subkulturelle Gruppen richtet, wurde nur kurze Zeit später klar. Mit der Androhung des Entzugs des Status der Gemeinnützigkeit - und zwar Rückwirkend bis zum Jahre 1999 - war plötzlich das Conne Island, ein Zentrum von und für Linke, Jugend-, Pop- und Subkulturen im Stadtteil Connewitz, von der Schließung zum Jahresanfang 2004 bedroht. Hintergrund ist augenscheinlich der Hinweis des sächsischen Verfassungsschutzes an das Finanzamt, wonach angeblich "verfassungswidrige Gruppierungen" die Infrastruktur des Conne Islands nutzen würden.





Zum Aufhänger des Finanzamts wurde im November unter anderem die eingeführte "Antifa-Mark" - ein Solibeitrag für bestimmte Veranstaltungen, welcher antifaschistischen und antirassistischen Gruppen und Projekten zugeführt wird -, ungeachtet der Tatsache, dass besagte Antifa-Mark seit Ende Oktober nicht mehr erhoben wird. Weiterhin wurde vermutet, dass über den angeschlossenen Infoladen politisch "anstößiges" Material verbreitet wird. Die Gemeinnützigkeit wurde in einem entsprechenden Schreiben an die BetreiberInnen in Frage gestellt, womit Zuschüsse etwa für Mietkosten wegfallen bzw. sogar Nachzahlungen fällig würden. Dies bedeutete de facto das finanzielle Aus des Conne Island und den Wegfall eines kulturellen Zentrums mit immerhin 100.000 BesucherInnen im Jahr. [mehr...]


talking is over...

Die Szene reagierte allergisch auf den repressiven Vorgang der Stadt, zumal sich das Conne Island - trotz aller möglicher Differenzen - seit Beginn der 90'er zum integralen Bestandteil der links-alternativen Szene Leipzigs entwickelte. Deutlich wurde auch, dass das starke politische, insbesondere antifaschistische Engagement des Conne Islands damit nachträglich abgestraft wird. Die BetreiberInnen rollten eine entsprechende Solidaritätskampagne auf und so besuchten am 26. November rund 150 vor allem junge Menschen das Finanzamt und demonstrierten vor dem Rathaus für den Erhalt des Conne Islands. Die Botschaft war eindeutig: Das Island muss bleiben! [mehr...]





Das Finanzamt sicherte eine Prüfung des Falles zu und die endgültige Entscheidung lag in der Schwebe. Um den Forderungen der Linken Nachdruck zu verleihen, fand am 30. November, dem Ersten Advent, eine lautstarke und dynamische Demonstration von der naTo aus Richtung City statt. Um die 800 Personen (wohlgemerkt ein Ergebnis nach kaum vier Tagen Mobilisierung) folgten dem Aufruf unter dem Motto "Hände weg vom Conne Island" und demonstrierten für den Erhalt alternativer Projekte. Im Anschluss an die Demo, mit der sich zahlreiche Gruppen nicht nur aus Leipzig solidarisierten, besuchten viele Protestierende die Innenstadt und blockierten dort in einer spontanen konsumkritischen Aktion den Weihnachtsmarkt. Zeitweise waren alle vier Zugänge gleichzeitig blockiert. Die Aktion dauerte mehr als eine Stunde an und unterstrich die Entschlossenheit des Kampfes für den Erhalt des Conne Island. [mehr...]







Dies entsprach auch der Botschaft, welche damit an die Stadtobrigkeit übermittelt wurde: unsere Antwort auf die dauernde Repression wird eine heiße Weihnachtsnacht sein. Am 7. Dezember, also eine Woche darauf, folgte die zweite Adventsdemo für den Erhalt des Conne Island. Diesmal nahmen rund 1000 Personen am Protestmarsch bis zur Moritzbastei teil. Im Anschluss sammelten sich erneut kleine Grüppchen um den Weihnachtsmarkt. Diesmal war die Polizeipräsenz spürbar erhöht worden. Trotzdem gelang die Blockade der Zugänge und schließlich wurde der Weihnachtsmarkt von dutzenden Menschen gestürmt. Im Zentrum, vor der Bühne, gab es dann Pogo bei volkstümlich-weihnachtlicher Musik. Wenn man uns das Island nimmt, so der Ruf diesmal, wird eben die Stadt gerockt und in der City gefeiert. [mehr...]







Das letzte Stelldichein folgte am 14. Dezember. Es war dabei wohl vor allem dem miesen Wetter zuzuschreiben, dass nicht mehr als 800 Personen an der Demonstration teilnahmen. Gestärkt mit Glühwein ging es wieder Richtung Innenstadt. Lustig zu sehen war dabei die Paranoia der Stadt: mehr als ein Dutzend Sixpacks waren auf dem Augustusplatz postiert; mehrere Zehnerschaften an Ordnungshütern patrouillierten quer durch die City und bewachten den Weihnachstmarkt von allen Ecken, um das konsumfreundliche Adventsklima der BürgerInnen nicht beeinflussen zu lassen. Fraglich, ob dies mit Polizeigewalt und -repression ohne weiteres zu vermitteln war. [mehr...]







...action is (still) on

Bereits am 10. Dezember erhielten die BetreiberInnen des Conne Island ein Schreiben des Finanzamts, in dem die - vorläufige - Erteilung der Gemeinnützigkeit in Aussicht gestellt wurde. Damit ist zwar der Streit um die Rückwirkende Aberkennung selbiger noch nicht vom Tisch, doch das Fortbestehen des Islands ist bis auf weiteres gesichert. Unverkennbar, dass die genannten Protestaktionen ihre Wirkung nicht verfehlten und für die Stadt im Angesicht der Gefährdung ihrer innerstädtischen Sicherheit durch direkte Aktionen ein Kalte-Füße-Effekt eintrat.

Ein Grund zum Aufatmen ist dies freilich noch nicht. Ebenso, wie die Stadt in der Vergangenheit gegen zahlreiche linke Vereine und Zentren vorzugehen versuchte - etwa gegen unseren Heimatclub Roter Stern - sind gegenwärtig noch mehrere alternative Projekte bedroht. Ein Beispiel hierfür ist die B12, ein linkes Wohnprojekt in der Braustraße. Die Vorwürfe in diesen Fällen gleichen denen gegen das Conne Island. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Die Fakten sprechen jedoch eine eindeutige Sprache.

Ursprünglich wurde seitens des Conne Island eine Silvester-Demo geplant, zu der bundesweit mobilisiert werden sollte. Diese ist zwar vorerst auf Grund der "günstigen Entwicklungen" ausgesetzt, doch ist es gerade jetzt nötig, nachzulegen und nicht nur den Erhalt eines, sondern aller linken, alternativen, subkulturellen Projekte in Leipzig zu fordern. Das ist unsere Leipziger Freiheit. Dass es an der Zeit ist, etwas zu tun, haben mittlerweile auch die Studis begriffen. Im Anschluss an die studentische Großdemonstration vom 13. Dezember in Leipzig wurde ebenfalls der Weihnachtsmarkt als Manifestationspunkt der Proteste verwendet.





Alles in allem ein netter Jahresausklang, der noch nicht ganz vorüber ist. Auf ein heißes 2004!


Informative Links

- Website des Conne Island
- Kampagnenseite "Hände weg von Conne Island"
- Bilder der Soli-Demonstrationen
- nadir-Schwerpunktseite
- Left-Action Newsletter-Sonderausgabe

Berichte - kleine Chronologie

14.12.:
- Ein letztes Mal fürs Conne Island

12.12.:
- Leipzig: keine Spielchen mit uns! [Themenspecial Freiräume]

07.12.:
- Erneuter Punktsieg fürs Conne Island
- Fotos-"Hände weg vom Conne Island"
- Demo-Bilder von Mob Action
- Hände weg vom Conne Island

06.12.:
- 4. Pressemtlg: Hände weg vom Conne Island!

05.12.:
- Leipzig: Nachtreten gegen das Conne Island

02.12.:
- Hände weg vom Conne Island Alarmstufe Zwei

30.11.:
- Conne Island für alle...
- 3. Pressemitteilg: Hände weg vom Conne Island

29.11.:
- Rettet das Conne Island - Leipzig

28.11.:
- Conne Island existenziell bedroht
- Demo für den Erhalt alternativer Projekte
- Leipzig, CONNE ISLAND IN EXISTENZ BEDROHT
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Ergänzungen

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felix 16.12.2003 - 15:30
--- bitte html freischalten. danke ---

Noch ein Lob

Lutz Erwin 16.12.2003 - 17:42
Während von der Heinrich Böll Stiftung über den amtierenden Bundestagspräsidenten bis hin zur Leipziger Stadtverwaltung die Arbeit des Conne Island gelobt und geschätzt wird, versucht das Finanzamt mit formalen Einwänden die Vereinstätigkeit aus vermutlich politischen Gründen zu torpedieren.
Aus der Presseerklärung Hände weg vom Conne Island - Alarmstufe 2
Ich möchte noch ein paar Worte zu XXX schreiben, denn die Situationsbeschreibung trifft nicht nur auf Conne Island, sondern eher auf alle ehemaligen selbstbestimmten linken Projekte, die den Weg eines sozi- kulturellen Zenrtums gegangen sind zu. Meine Tätigkeit als Linker wurde zum Glück noch nie von den oben genannten Institutionen gelobt und ich hoffe auch, das sie nicht von ihnen geschätzt wird. Spätestens zu diesem Zeitpunkt würde ich meine eigene politische Praxis, sofern ich noch eine habe, überprüfen und überlegen was ich falsch gemacht haben könnte. Bezeichnend für die Situation ist, das jetzt wo zumindest die teilweise
Anerkennung der Gemeinnützigkeit erreicht wurde, die Silvesterdemo abgesagt wurde, es könnte ja auch ein bischen Ärger geben und wie würden wir dann vor der Stadtverwaltung dastehen. Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich singe. Wenn uns die bürgerliche Gesellschaft Kohle rüberreicht tut sie dies nie ohne Grund, nur haben das offensichtlich eine sozi-kulturellen ZenrtumsbetreiberInnen vergessen.
Ich find e es gut, das es Zentren gibt, in denen Jugendliche eine nichtkommerzielle Kultur geboten wird. Das wäre für mich dann auch der einzigste Grund, mich mit Conne Island zu solidarisieren. Verzichtet also in Zukunft auf jede linken und linksradikalen Phrasologie, weil ihr sonst leicht in den Verdacht kömmen könntet, das ihr uns Linksradikale ausschließlich als Drohkulisse zum Subventionserhalt benötigt.
Und alle anderen Linken, die noch eine, von den Herrschenden nicht gelobte, Praxis entwickeln, sollten in aller Ruhe und ohne Stress überlegen, wie wir uns aus dieserart Verbindlichkeiten wieder lösen könnten.

Perspektive

John 17.12.2003 - 01:29
Was in der Nachbetrachtung etwas zu kurz kommt, ist, dass es (mindestens) parallel zu den Schikanen des Finanzamtes die versuchte Einflussnahme des Verfassunsgschutzes auf fördernde Institutionen gab (nachweislich ein Brief des VS ans Regierungspräsidium in Leipzig und von dort an andere Ämter).
Wenn man dazu nimmt, das die Begründung des Finanzamtes u.a. die Unterstützung von linken Initiativen und die Raumzurverfügungstellung für solche war, dann schaut man auf die Begründung in der Gemeinnützigkeitsablehnung fürs B12 und kommt nicht um hin den Zusammenhang zu sehen. Im Conne Island, da wurde nie ein Hehl draus gemacht, gab es Veranstaltungen des AFBL, der AKG, der Antira-Gruppe und des BgR usw. im B12 gibt es seit einiger Zeit das tomorrow-Jugendtheorie-Cafe (früher mal die legendäre Biersteuer, lange vor der Antifamark des Conne Islands übrigens).
Erkennbar sind die Bestrebungen solche für Initiativen existenziellen Dinge wegzukicken. Welche Kneipe o.ä. wird denn eine linke Diskussionsveranstaltung in ihren Räumen durchführen lassen. Das wissen die Damen und Herren beim VS, beim Finanzamt.
Niemand braucht sich Illusionen zu machen, das Ziel ist gesetzt - politisch - und der nächste "Angriff" wird nicht lange auf sich warten lassen.
Deswegen wäre es jetzt angebracht in Leipzig mal zu diskutieren, wie man damit umgehen wird. Der Preis, den das Conne Island zahlt ist sehr hoch. Direkte Beschneidung der Autonomie im Umgang mit Veranstaltungen linker Gruppen, Abschaffung der Antifa-Mark. Und das auch ohne so großen Widerstand. Das liegt natürlich an den politischen Kräfteverhältnissen. Warum soll man linke Strukturen nicht dann zerschlagen, wenn die Linke so am Boden liegt, dass man sie nur noch wegtreten muß. Selbst eine bundesweite Demo zu Silvester hätte doch nicht mehr als 2.000 Leute nach Leipzig gelockt. Naja, dass macht halt niemanden Angst. Wenn man dann noch beachtet, dass die Leute sich auch nur um ihrer Selbsterhaltung Willen mobilisieren lassen, politisch schon seit Jahren nichts gemeinsam mehr geht. Das der Staat da zulangt - das Problem ist hausgemacht. In dieser Situation zu Bejammer, dass das Conne Island mit Lobby hausieren geht und subventioniert wird, was die Kritik daran eigentlich ausdrücken sollte bleibt mir gänzlich unklar. Dass das nicht linksradikal ist - na das ist doch ein alter Hut und nie Anspruch des Conne Island gewesen. Der kleinste gemeinsame Nenner, der den Laden über die 90er hinweg zusammenhielt, war ein Bezug auf Subkultur und Antifa. Das wurde von Skins und Punks, Skatern und Hiphoppern genauso akzeptiert und durchgezogen wie von Drum&Bass, Pop-Fraktion usw.
Meine Prognose: Leipzig bekommt seine bundesweite Demo jedenfalls eher als die Olymiade.
Oi!

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Eigenlob stinkt — xxx

Subventionen — Xte